Fehlurteile im Strafrecht und ihre Bedeutung unter Einbeziehung rechtsstaatlicher Grundsätze


Seminararbeit, 2006

12 Seiten, Note: 2,7


Leseprobe


Gliederung

1. Einleitung

2. Fehlurteile im Strafrecht – eine Definition

3. Ursachen und Gesetzmäßigkeiten von Fehlurteilen im Strafrecht

4. Strafrecht und Rechtsstaatlichkeit

5. Die Bedeutung von strafrechtlichen Fehlurteilen im Kontext der
Rechtsstaatlichkeit

6. Zur derzeitigen Situation in der Bundesrepublik Deutschland

7. Schlussfolgerungen

8. Anhang

1. Einleitung

Nicht nur wegen der auch in der breiten Medienöffentlichkeit immer wieder thematisierten Verschärfung staatsanwaltschaftlicher und polizeilicher Ermittlungsmethoden stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis Rechtstaatlichkeit und Strafrecht zueinander stehen. Daneben gibt es zahlreiche weitere Gründe, die eine nähere Untersuchung der Konsequenzen der Rechtsstaatlichkeit für das Strafrecht interessant machen. Ein Beispiel ist die immer wieder diskutierte Ungleichbehandlung politischer Straftäter von links und rechts durch die Justiz.

Bei näherer Betrachtung ist auffällig, dass die Beachtung strafrechtlicher Fehlurteile durch die Wissenschaft als eher gering einzustufen ist.

Dieser Arbeit soll daher genau die Fragestellung „Wo liegt die Bedeutung strafrechtlicher Fehlurteile aus rechtsstaatlicher Sicht?“ zugrunde liegen. Dieser Frage wird mit der Methode der Analyse von Sekundärliteratur nachgegangen.

Die letzten ausführlicheren, deutschsprachigen, sekundärliterarischen Veröffentlichungen, die sich mit Gesetzmäßigkeiten und Ursachen strafrechtlicher Justizirrtümer befassen, stammen aus den 1960er und 1970er Jahren – diese Quellen waren daher auch dahingehend, ob ihre Inhalte heute noch Aktualität haben, kritisch zu betrachten. Aussagen, die heute „von der Realität überholt“ sind, sollten schließlich in dieser Arbeit nicht übernommen werden.

Zwar gibt es durchaus aktuelle wissenschaftliche Arbeiten zu dem Verhältnis von Rechtsstaatlichkeit und Strafrecht zueinander, konkret der Bedeutung von strafrechtlichen Fehlurteilen aus rechtsstaatlicher Sicht ist in der deutschensprachigen, wissenschaftlichen Literatur der letzten Jahrzehnte jedoch wenig Beachtung geschenkt worden. Minna Hatakkas Dissertation Das Risiko der fehlerhaften Entscheidung aus dem Jahre 1995 bildet hier eine Ausnahme.

2. Fehlurteile im Strafrecht – eine Definition

Da in der Strafjustiz nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ (im Zweifel für den Angeklagten) geurteilt wird und daher jeder Angeklagte nur in soweit verurteilt werden kann, wie er der Schuld überführt werden konnte, nimmt das Rechtssystem eine hohe Zahl Entscheidungen zugunsten des Angeklagten in Kauf, die bei richtiger Sachkenntnis anders gewesen wären. Darüber ist sich jedes Strafgericht bewusst – dieser Effekt ist aus Gründen des Schutzes des Einzelnen vor ungerechtfertigten staatlichen Eingriffen nicht ungewollt. Es kann also bei Weitem nicht jede strafgerichtliche Entscheidung, die bei Kenntnis des richtigen Sachverhaltes anders hätte ausfallen müssen, als Fehlurteil gewertet werden. Darüber hinaus ergibt sich aus dem Grundsatz, im Zweifel für den Angeklagten zu urteilen, auch, dass solche Verurteilungen, welche zwar den richtigen aber nicht den (im Verfahren) bewiesenen Tatsachen entsprechen und die auf Grund der Beweislage hätten milder ausfallen müssen, als Fehlurteile anzusehen sind. Dementsprechend ist jede ungerechtfertigte Verurteilung als Fehlurteil zu betrachten. Freisprüche und mildere Strafen sind jedoch nur in wenigen Fällen (nämlich wenn sich die Unrichtigkeit aus Gründen, welche die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens zu ungunsten des Angeklagten zulässig machen, ergibt) ein echtes Fehlurteil. (Kiwit 1965: 77ff)

3. Ursachen und Gesetzmäßigkeiten von Fehlurteilen im Strafrecht

Trotz des hohen Stellenwertes des Schutzes des Einzelnen vor strafrechtlichen Justizirrtümern und des Grundsatzes in dubio pro reo gilt „ein Rechtssystem ohne fehlerhafte Verurteilungen“ (Hatakka 1995: 103) als undenkbar.

Wie sich bereits aus der Definition strafrechtlicher Fehlurteile im vorherigen Abschnitt ergibt sind materielle und formelle Wahrheit nur im besten Fall identisch. In diesem Fall stimmt die Tatsachenfeststellung des Gerichts (formelle Wahrheit) mit der Wirklichkeit (materielle Wahrheit) überein. Da das jedoch bei weitem nicht immer der Fall ist, müssen Richter tatsächlich unter der ständigen Unsicherheit darüber, „ob die [...] jeweils genommene Tatsachenfeststellung dem wirklichen, außergerichtlichen Sachverhalt entspricht oder nicht arbeiten“ (Hatakka 1995: 43). Zwar kann das Gericht selbst an der „Informationsbasis der Tatsachenentscheidung“ (Hatakka 1995: 44) versuchen mitzuwirken und so zur Erfüllung des Anspruchs der materiellen Richtigkeit beitragen, die diesbezüglichen Möglichkeiten des Gerichts sind jedoch aus Gründen der „prozeßrechtlichen Einschränkungen [..], Prozeßökonomie, Zweckmäßigkeit und [des Zeitaufwands] begrenzt“ (Hatakka 1995: 45). (Hatakka 1995: 42ff)

Nicht nur die Unsicherheit der Richter und Geschworenen über das Übereinstimmen von materieller und formeller Wahrheit sondern beispielsweise auch öffentliches Interesse bis hin zum Druck auf das Gericht durch Medien und Gesellschaft oder gefühlsmäßige Empfindungen sind Faktoren in der Psychologie eines Urteils, die einen Justizirrtum begünstigen können (Hirschberg 1962: 129ff).

Das Einwirken von Medien und öffentlicher Meinung auf einen Strafprozess kann sich sowohl zugunsten als auch zuungunsten eines Angeklagten auswirken und ist insbesondere für Verfahren mit politischem oder weltanschaulichem Hintergrund von oftmals verhängnisvoller Bedeutung. Es finden sich aber durchaus auch Fälle, in denen die öffentliche Meinung positive Auswirkungen auf die Wahrheitsfindung in Strafverfahren gehabt hat. (Peters 1972: 290ff)

Im Allgemeinen liegt fehlerhaften Strafurteilen ein Misslingen der Beweisaufnahme, auf deren Basis sich der Richter seine Überzeugung vom vorliegenden Sachverhalt bildet, zu Grunde. Die Gründe für eine misslungene Beweisaufnahme können vielfältiger Natur sein und im Bereich von personalen Beweisen oder Sachbeweisen liegen. (Peters 1972: 1ff)

[...]

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Fehlurteile im Strafrecht und ihre Bedeutung unter Einbeziehung rechtsstaatlicher Grundsätze
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
PS - Die Rolle des Strafrechts in Politik und Gesellschaft
Note
2,7
Autor
Jahr
2006
Seiten
12
Katalognummer
V58009
ISBN (eBook)
9783638523127
ISBN (Buch)
9783656805298
Dateigröße
386 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Fehlurteile, neulich merkte ich an, dass es nur recht wenig wissenschaftliche Literatur zu dem Thema gibt und bekam von einer Volljuristin prompt zur Antwort, es gäbe ja auch keine Fehlurteile! Weit gefehlt: tatsächlich gilt ein Rechtssystem, das gänzlich frei von fehlerhaften Verurteilungen ist, als undenkbar! Aber diese Situation zeigt wie wenig Aufmerksamkeit auch in Fachkreisen dem Problem fehlerhafter Verurteilungen entgegengebracht wird. Mehr zu diesem Thema also in dieser Seminararbeit.
Schlagworte
Fehlurteile, Strafrecht, Bedeutung, Einbeziehung, Grundsätze, Rolle, Strafrechts, Politik, Gesellschaft
Arbeit zitieren
Nikolaus Pellnitz (Autor:in), 2006, Fehlurteile im Strafrecht und ihre Bedeutung unter Einbeziehung rechtsstaatlicher Grundsätze, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/58009

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