In dieser schriftlichen Ausarbeitung zum Referat vom 25.1.2002 soll der Versuch unternommen werden, das siebte Kapitel, ‚Die archaische Illusion’ aus Lévi-Strauss’ Buch „Die elementaren Strukturen der Verwandtschaft“1, Siegmund Freuds Ansichten in „Totem und Tabu“2 einander gegenüberzustellen.
Beide Autoren untersuchen hier die abgrenzenden Bedeutungsunterschiede zwischen Natur und Kultur und bemühen sich aufzuzeigen, inwieweit das eine aus dem anderen hervorgegangen sein könnte, bzw. inwiefern das eine das andere beeinflusst haben mag. Während Freud – welcher in Bezug auf die Kulturanthropologie kein empirischer Wissenschaftler war – beständig Vergleiche zwischen dem Denken Primitiver, der Kinder und Neurotiker heranzieht um die Beziehung zwischen Ontogenese und Phylogenese der kulturellen Menschheitsentwicklung zu erklären, ist Lévi-Strauss vielmehr daran gelegen, die These, nach der diese kulturelle Entwicklung zwangsläufig alle Stadien der Entwicklung kindlichen Denkens durchläuft, zu widerlegen. An ihre Stelle setzt er die Annahme, sowohl die individuelle als auch die kulturelle Entwicklung schöpfe ihre (sie beeinflussenden und bewirkenden) Grundlagen aus einem universellen Pool an Erfahrungen und Gesetzmäßigkeiten, sodass beide Entwicklungen parallel zueinander verliefen, sich aber nicht in Abhängigkeit voneinander befänden.
Da Lévi-Strauss verschiedene (ebenfalls nicht empirisch tätige) Kulthurtheoretiker kritisiert, ist nicht immer sogleich zu erkennen, wann diese Kritik sich eindeutig gegen Freuds Ansichten wendet. Jene Textstellen, an denen Lévi-Strauss in seiner Arbeit direkt oder indirekt aber offensichtlich auf Freud Bezug nimmt, sollen hier kenntlich und hinterfragbar gemacht werden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Abschnitt I
- Abschnitt II
- Abschnitt III
- Abschnitt IV
- Abschnitt V
- Schlussfolgerung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese schriftliche Ausarbeitung zielt darauf ab, das siebte Kapitel „Die archaische Illusion“ aus Claude Lévi-Strauss' Werk „Die elementaren Strukturen der Verwandtschaft“ mit Siegmund Freuds „Totem und Tabu“ gegenüberzustellen. Der Fokus liegt auf der Analyse der unterschiedlichen Perspektiven beider Autoren auf die Beziehung zwischen Natur und Kultur, sowie auf die Frage, inwieweit die Entwicklung des kindlichen Denkens für die Entstehung von Kultur relevant ist.
- Die Bedeutung der Unterscheidung zwischen Natur und Kultur
- Die Rolle des kindlichen Denkens in der Entwicklung von Kulturen
- Die Kritik an Freuds These von der notwendigen Durchlaufung kindlicher Entwicklungsstufen in der kulturellen Evolution
- Die Frage nach der Universalität und den kulturellen Besonderheiten von Denkstrukturen
- Die Auseinandersetzung mit dem Ödipuskomplex und seiner Rolle im Totemismus
Zusammenfassung der Kapitel
Abschnitt I
Lévi-Strauss untersucht, inwiefern das kindliche Denken die Herausbildung von Kulturen beeinflusst. Er argumentiert, dass das kindliche Denken einen gemeinsamen Fundus an geistigen Strukturen und Schemata der Geselligkeit bereitstellt, aus dem jede Kultur ihre eigenen Modelle konstruiert. Freud hingegen versucht, den Ursprung des Totemismus aus den infantilen Spuren in der Entwicklung des Kindes zu erklären.
Abschnitt II
Lévi-Strauss widerlegt Freuds Annahme, dass primitive Gesellschaften die Entwicklung des Kindes spiegeln. Er kritisiert Freuds Theorie, dass die kulturelle Entwicklung alle Stadien der kindlichen Entwicklung durchläuft und verweist auf Piagets Annahme, dass Ontogenese und Phylogenese parallel verlaufen, aber nicht voneinander abhängig sind.
Abschnitt III
Lévi-Strauss setzt sich mit Freuds Theorie der Urhorde auseinander und kritisiert seine Vorstellung, dass die Tötung des Urvaters und der Verzehr dessen zu Schuldbewusstsein und Tabuvorschriften geführt haben. Er argumentiert, dass Freuds Theorie zu stark auf die kindliche Entwicklung fokussiert und die spezifischen kulturellen Bedingungen ignoriert.
Abschnitt IV
Lévi-Strauss beleuchtet die Bedeutung von Symbolen in der Kultur und zeigt auf, dass diese nicht nur als Repräsentanten von Objekten dienen, sondern auch eine eigene Bedeutung tragen. Er vertritt die Ansicht, dass die menschliche Sprache und Kultur durch die Fähigkeit zur Abstraktion und Symbolisierung geprägt werden.
Schlüsselwörter
Diese Arbeit beschäftigt sich mit den Themen Natur und Kultur, kindliches Denken, kulturelle Evolution, Totemismus, Ödipuskomplex, Symbolismus, Anthropologie und Psychoanalyse. Die Werke von Claude Lévi-Strauss und Sigmund Freud stehen im Zentrum der Analyse, wobei insbesondere die Frage nach dem Verhältnis von individueller und kultureller Entwicklung im Vordergrund steht.
- Arbeit zitieren
- Marijke Lichte (Autor:in), 2003, Lévi-Strauss versus Freud - Eine Gegenüberstellung des Kapitels VII 'Die archaische Illusion' bei Lévi-Strauss mit Siegmund Freuds 'Totem und Tabu', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/58200