Newschool Skifahren - Möglichkeiten und Grenzen für den Schulsport


Examensarbeit, 2006

70 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Newschoolskifahren Entstehung einer Spielform ohne feste Regeln

3. Ausrüstung
3.1. Ski
3.2. Schuhe
3.3. Stöcke
3.4. Schutzausrüstung
3.4.1 Helm
3.4.2 Protektoren

4. Schanzen
4.1 Kicker
4.2. Corner

5. Motorisches Lernen
5.1 Phasenmodell des motorischen Lernens

6. Techniktraining
6.1 Vorbereitende Methoden zum Neuerwerb einer Technik
6.2 Methoden zum Erwerb einer Technik
6.3 Methoden zur Automatisierung von Bewegungsabläufen
6.4 Methoden des Variationstrainings

7. Anleitung und methodische Hinweise für verschiedene Sprünge
7.1 Der Strecksprung
7.2 Tuck – Der Hocksprung
7.3 Spread eagle – der Grätschsprung
7.4. Twister
7.5 Backscratcher
7.6 Grabs
7.6.1 Japangrab
7.6.2 Safetygrab
7.6.3 Tailgrab
7.6.4 Mutegrab
7.6.5 Nosegrab
7.7 Rotationssprünge – Spins
7.7.1 Fakiefahren
7.7.2 Der oneeighty – 180°
7.7.3 Der switch oneeighty
7.7.4 Der Helikopter - 360°(three sixty)
7.7.5 Weitere Rotationen
7.8 Flips
7.8.1. Der Frontflip
7.8.2 Backflip

8. Rails
8.1 Railslide – Grinden
8.2 Diverse Railkonstruktionen
8.2.1 Die Box
8.2.2 Das Straightrail
8.2.3 Das Kinkrail
8.2.4 Das Rainbowrail
8.2.5 Das Curvedrail
8.2.6 Das A-Frame Rail
8.2.7. Das Rollercoaster

9. Halfpipe
9.1 Die Vorbereitung:
9.2 Drop-in
9.3 Flugphase
9.4. Landung

10. Möglichkeiten für den Schulsport
10.1 Das Aufwärmen
10.1.1 Beispiele zum allgemeinen Aufwärmen
10.1.2 Beispiele für das spezielle Aufwärmen
10.2 Vorbereitende Übungen für den Railslide
10.3. Vorbereitende Übungen für das Springen über Kicker
10.3.1 Maßnahmen zur Sicherheit und Unfallverhütung
10.3.1.1 Aufbau des Trampolins
10.3.1.2 Die Landefläche
10.3.1.3 Die Hilfeleistung
10.3.1.5 Übersichten der Helfergriffe
10.3.2 Einführung in das Trampolinspringen
10.3.2.1 Erfahren von Körperspannung
10.3.2.2 Gewöhnen an die Schleuderwirkung des Trampolins
10.3.3 Die ersten Sprünge
10.3.3.1 Strecksprung:
10.3.3.2 Hocksprung:
10.3.3.3 Grätschsprung:
10.3.3.4 Bücksprung:
10.3.3.5 Weitere einfache Sprünge
10.3.4 Schwierige Sprünge
10.3.4.1 Salto vorwärts
10.3.4.2 Salto rückwärts

11. Grenzen für den Schulsport

12. Anhang
12.1 Begriffe der Newschool
12.2 Literatur
12.3 Erklärung

1. Einleitung:

Manchmal kommt man auf Seitenstraßen schneller voran als auf Hauptstraßen, vor allem wenn diese im Verkehrschaos untergehen. Man kann die Entwicklung im Skisport fern ab des Rennsports mit diesen Seitenstraßen vergleichen, denn weder Freestyle, Freeride noch Newschool waren jemals im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses. Wie eine Stadt nicht ohne ihre Seitenstraßen existieren kann, so sind auch diese Varianten heutzutage nicht mehr weg zu denken. Seit vier Jahren beschäftige ich mich nun mit dem Thema „Newschool Skifahren“ in der Praxis und biete in einer Regensburger Skischule und einem Skiclub in diesem Bereich Skikurse an, die sich vor allem im Altersbereich von 10 – 18 Jahren großer Beliebtheit erfreuen. Im Projekt „Sport nach 1“, in welchem eine Grundschule mit unserem Skiclub zusammenarbeitet, leite ich Stunden, in denen die Grundschüler bei turnerischen Übungen erste Bewegungserfahrungen machen, die denen auf Skiern ähneln. Da die Motivation der Kinder am Sprungbrett, am Minitrampolin oder beim Rutschen auf Bänken sehr groß ist, sehe ich hier Möglichkeiten, im Sportunterricht an der Hauptschule, Elemente dieser Art mit einzubauen, um darauf aufbauend im Skilager die ersten Tricks mit Skiern zu machen. Gerade diese Altersschicht ist oft für herkömmliches Skifahren schwer zu begeistern und sucht eine Alternative im Snowboarden, da dieses mit seinem Image von Freiheit, Luftakrobatik und einer gewissen Regellosigkeit oft mehr Anziehungskraft hat, als das Fahren von Kurven auf zwei Brettern. Die Idee des Newschoolskifahrens entstammt zum Teil den geistigen Wurzeln des Snowboardfahrens und bietet deswegen optimale Voraussetzungen, um auch das Snowboardpublikum für den Skisport zu begeistern. In der folgenden Arbeit werde ich auf die Entstehung dieser Sparte des Skisports, auf allgemeine Voraussetzungen wie Material, Schanzenbau und das Lernen von Bewegungen eingehen und einen Überblick geben, welche Bewegungsausführungen auf Skiern möglich sind. Des Weiteren erläutere ich die Möglichkeiten und Grenzen für den Schulsport. In einem kleinen Videofilm möchte ich abschließend das Ergebnis auf Skiern mit einer Gruppe der 5. bis 7. Jahrgangsstufe zeigen, die vorher lediglich einmal im Hallentraining waren und auch sonst maximal 5 - 8 Tage pro Saison dem Skisport nachgehen.

2. Newschoolskifahren Entstehung einer Spielform ohne feste Regeln

Am Anfang des 20. Jahrhunderts vollführten die Skipioniere erste Drehungen und Salti. Auf Skiern Kunststücke zu beherrschen zeichnete den Könner in den 20er Jahren aus. Nach dem 2.Weltkrieg wanderten viele Europäer in die USA aus, unter ihnen auch einige Experten des Skisports. Der Skilauf erlebte dort einen großen Aufschwung und bald waren die Skiakrobaten in Werbung und Medien vertreten. In den 70er Jahren wurden die ersten Wettkämpfe im "Hot Dogging" ausgetragen. In dieser Disziplin galt es Buckelpisten zu bewältigen und Sprünge und Figuren einzubauen. Heinz „Fuzzy“ Garhammer, einer der ersten Trickskipioniere in Deutschland, wurde nach dem er beim IX. Internationalen Skikongress in Garmisch-Partenkirchen seine Skispäße vorführte, zum Vorreiter dieser Bewegung in Europa. Der amerikanische Skiverband lud ihn nach Vail zu einem nationalen Skikongress ein, wo er ebenfalls seine persönliche Art Ski zu fahren präsentierte. 1971 war das Geburtsjahr des modernen Freestyle-Sports. Eine Dreiteilung in Ballett, Buckelpiste und Skikunstsprung fand statt. Im gleichen Jahr nahm Heinz Garhammer auch dort an einem Trickskifestival teil, bei welchem er alle Disziplinen gewann. Zurück in Europa, setzte sich Fuzzy dafür ein, „dass Trickskifahren als neuer Sport anerkannt wurde.“[1] 1973 erfolgte der erste „Ski-Freistil-Cup“ in Europa.

Bald schon gab es auch in Europa Wettkämpfe und der Freestyle-Schilauf erlebte eine große Blütezeit. Als echter Hochleistungssport hatte der Sport in den 80er Jahren seinen Höhepunkt.

Mitte der Neunziger Jahre beeinflusste die Rivalität der Snowboarder zwischen ISF und FIS auch die Freestyle Szene. Schlechte Stimmung bei Medien und Sponsoren in Europa waren die Folge. Im Gegensatz dazu entstand in USA und Japan eine große Begeisterung für den Freestyle Sport. In den USA und Kanada entwickelte sich geprägt von Freeskiing und Snowboarding die "New School", in der neue Disziplinen wie Big Air und Slopestyle und neue Tricks im Stile des Snowboardens entstanden. Starre Regeln und Bestimmungen wurden verworfen, Style und Spaß traten gegenüber technischer Schwierigkeit und perfekter Körperspannung in den Vordergrund. Traditionelle Sprünge in der Buckelpiste wurden durch Newschooltricks abgelöst und sogar das Regelwerk wurde dahingehend angepasst, so dass heute auch Überkopfsprünge erlaubt sind.[2]

3. Ausrüstung

Damit Newschool Skifahren ausgeübt werden kann, ist bis zu einem gewissen Maße die herkömmliche Skiausrüstung ausreichend, jedoch gibt es mittlerweile spezielle Ski, Schuhe, Stöcke und Schutzbekleidungen, die auch größeren Belastungen standhalten, bestimmte unterstützend beeinflussen und bei Stürzen vor Verletzungen schützen. Diese Ausrüstungsgegenstände möchte ich im Folgenden vorstellen.

3.1 Ski

Twintip Ski besitzen wie der Name verrät zwei aufgebogene Enden, die das Rückwärtsfahren, vor allem beim Absprung erleichtern. Sie werden zwischen 140 cm im Juniorbereich und 180 cm im Erwachsenenbereich gefahren. Profis „empfehlen eine Skilänge bis zur Nasenspitze.“[3]

Unter der Bindung sind sie ebenfalls etwas breiter als herkömmliche Pistenski. Eine Waist – Breite von 75 - 90 mm stabilisiert das Landen von Sprüngen und ist auch beim Fahren im Tiefschnee von Vorteil.

Tip- und Tailbreiten von 110-115 mm sorgen dafür, dass die Taillierung mit 16 - 25 m Radius eher gering ausfällt, damit bei Landungen mit höherem Tempo ein Verschneiden des Skis als Sturzursache ausscheidet.

Der Montagepunkt der Bindung ist mittiger montiert als bei herkömmlichen Modellen, was die Rotationseigenschaften in der Luft und die Balanceeigenschaften auf Geländern (Rails) positiv unterstützt. Jedoch wird das Fahren von Kurven umso negativer beeinflusst, je mittiger die Bindung montiert ist. Bindungserhöhungen über 25 mm sind ungeeignet, da das Gefühl zur Unterlage verloren geht und das Verletzungsrisiko auf Grund der extremeren Hebelkräfte steigt, d.h. extrem taillierte Funcarver mit Standerhöhung sind zum Ausüben von Newschooltricks ungeeignet.

3.2 Schuhe

Auch hier geht im Prinzip jeder Schuh der richtig passt. Er sollte auf keinen Fall um mehrere Nummern zu groß sein, da dies zu Verletzungen beim Landen führen kann. Ein Weltcupschuh mit sehr harten Flexeigenschaften ist ebenfalls ungeeignet, da er den nötigen Bewegungsumfang und somit das dämpfende Abfedern bei Landungen einschränkt. Es gibt mittlerweile von jedem Hersteller spezielle Park- und Freerideschuhe, die im Fußballen- und Fersenbereich dämpfende Zwischenschichten haben, um die ersten Kräfte nach dem Aufsetzen im Schnee zu absorbieren und dadurch die Gelenke des Skifahrers zu schonen.

Abbildung in ieser Leseprobe nicht enthalten

3.3 Stöcke

„In den Newschool – Disziplinen sind Stöcke Gleichgewichts- und Rhythmushilfe.“[4] Die Länge sollte wie bei einem herkömmlichen Stock mit der Formel „Körpergröße x 0.7“ ermittelt werden. Von Vorteil sind Carbonstöcke ohne Sollbruchstelle, da diese sehr leicht und biegsam sind. Daher brechen diese weniger oft als die Modelle aus Aluminium. Das obere Ende des Handgriffs sollte größer sein als die Augenhöhle, damit im Falle eines Sturzes irreparable Schäden ausgeschlossen sind.

3.4 Schutzausrüstung

3.4.1 Helm

In Italien gibt es bereits eine Helmpflicht für Kinder auf Skipisten und auch immer mehr Erwachsene schützen ihren Kopf beim Skifahren genauso selbstverständlich wie beim Radfahren. Gerade im Newschoolbereich ist ein Helm unbedingt ratsam, um bei Stürzen nach Sprüngen oder von Geländern das Verletzungsrisiko zu minimieren. Beim Kauf eines Helms ist darauf zu achten, dass dieser mit Schneebrille getragen werden kann, das Sichtfeld nicht eingeschränkt wird, der Kinnriemen eine Breite von mindesten 2 cm hat und seinen Träger nicht einschnürt und dass der Helm ohne Druckstellen fest am Kopf sitzt.

Abbildung in ieser Leseprobe nicht enthalten

3.4.2 Protektoren

Abbildung in ieser Leseprobe nicht enthalten

Neben dem Kopf ist vor allem die Wirbelsäule zu schützen, da es auch bei kleineren Stürzen auf den Rücken zur Schädigung der Quer- und Dornfortsätze der Wirbelsäule kommt. Protektorwesten mit Rücken-, Brust-, Ellbogen- und Schulterschutz „verteilen lediglich die punktuell einwirkende Kraft auf eine größere Körperfläche. Sie können die Folgen eines Aufpralls lindern, aber nicht völlig verhindern.“[5] Protektoren geben zwar das Gefühl der Sicherheit, sollten aber nicht zur Annahme verleiten, unverwundbar zu sein.

4. Schanzen

4.1 Kicker

Beim Newschool Skifahren werden die Schanzen als Kicker bezeichnet. Auf einem Table der einige Meter nach dem Absprung in das sog. Landing endet, steht der Kicker. Meist werden die Kicker mit der Pistenraupe präpariert und messen deswegen eine Raupenspurbreite. Die Länge einer Schanze sollte mindestens 4 m vom ersten Beginn der Steigung bis zum Absprungpunkt haben. Der Absprung des Kickers ist keine ebene Fläche sondern eine gleichmäßig gebogene, ansteigende Fläche mit einem Absprungwinkel zwischen 30° und 40°. Im professionellen Bereich werden Absprunghöhen von bis zu 5 m erreicht, jedoch sind diese Dimensionen nur für die wenigsten erreichbar. Die Tablelängen die zu überfliegen sind, differieren zwischen 3 – 30 m. Der Landehang, das sog. landing sollte im Idealfall die gleiche Neigung haben wie der Absprungwinkel der Schanze, um die Aufprallkräfte zu reduzieren. Für die ersten Flugerfahrungen sind diese Parkschanzen meistens zu groß. Es empfiehlt sich kurz neben dem Pistenrand eine kleine Schanze mit der Schaufel zu bauen, „die keinen großen Höhenunterschied zwischen Absprung und Landung aufweist.“[6] Da die Landung dort relativ flach ist, ist es notwendig diese mit Schaufel oder Pickel auf zu lockern und diesen Vorgang nach ein paar Sprüngen zu wiederholen.

Abbildung in ieser Leseprobe nicht enthalten

4.2 Corner

Für Geübte die ihre Tricks am Kicker sicher beherrschen gibt es als weiteres Hindernis die Corner, welche große Flughöhen und lange Flugphasen ermöglicht. Der Absprung misst zwischen 2 – 9 m, ist bis zu 20 m lang und endet in einem Winkel von 70° – 80°. Die Flugbahn ist diagonal in Richtung Landezone, welche sich neben dem Table befindet und eine Steilheit von mindesten 60° hat. Profis überspringen den Table von bis zu 30 m Länge und landen erst am Ende der Corner. Solche direkten Überquerungsversuche die man auch als Transfer bezeichnet sollte der Amateur meiden, denn selbst nach einer Flughöhe von nur 2 m ist die Landung in der Ebene mit gesundheitlichen Risiken verbunden.

Abbildung in ieser Leseprobe nicht enthalten

5. Motorisches Lernen

Wenn in einer Sportart neue unbekannte Bewegungen erlernt werden sollen bzw. ein Techniktraining erfolgreich gestaltet werden soll, muss man sich mit dem Grundprozess des motorischen Lernens auseinandersetzen.

5.1 Phasenmodell des motorischen Lernens

Definition „Motorisches Lernen“: ist der zielgerichtete Übungsprozess des Vorbereitens, Erlernens, Festigens und Anwendens von Bewegungshandlungen bzw. motorischen Fertigkeiten sowie des Aneignens der komplexen motorischen Handlungsfähigkeit.[7]

Dieser motorische Lernprozess läuft sowohl im Schulsport, im Breiten- wie auch im Leistungssport nach ähnlichem Schema ab und führt dazu, dass Handlungen schneller erlernt werden, diese auf ein höheres Niveau gebracht und gefestigt werden, das Gelernte angewandt und auf andere Situationen übertragen werden kann und der Handelnde lernfähiger wird.

Da der Weg vom „Vorbereiten“ bis zum komplexen Anwenden und Übertragen nicht geradlinig verläuft, ist dieser in Phasen einzuteilen, deren Kenntnis entscheidend für den methodischen Weg im Techniktraining ist.

Wie lange und wie intensiv man an einer Phase arbeitet, hängt von der Schwierigkeit der Übung, den zeitlich - räumlichen Möglichkeiten, den Vorkenntnissen der Lernenden und der methodisch-didaktischen Kompetenz des Lehrenden ab.

Zu untergliedern sind diese Phasen bei Hirtz wie auch bei Meinel & Schnabel in vier Bereiche:

Vorbereitungsphase: Hier werden grundlegende Lernvoraussetzungen geschaffen um die „erfolgreiche und ökonomische Ausführung der Hauptphase“[8] zu gewährleisten. Die Lernenden müssen motiviert sein, sowie über ausreichend Bewegungserfahrungen verfügen, damit das Lernen gelingen kann.

Aneignungsphase: Durch Erklärung oder Demonstration bzw. durch den Einsatz von Medien wie Bildreihen oder Videos, wird eine Bewegungsvorstellung der zu erlernenden Fertigkeit geschaffen. Anschließend macht der Lernende seine ersten Erfahrungen. Vereinfachte Lernbedingungen(„Unterlernen“; Vereinfachungsstrategien) helfen dabei den grobkoordinativen Ablauf einer Bewegung zu erlernen und erste Erfolge zu sichern. Korrigiert werden in dieser Phase nur Grob- und Hauptfehler. Der Lernende sollte dabei eine angemessene Übungsdauer zur Verfügung haben.[9]

Vervollkommnungs- und Perfektionierungsphase: In dieser Phase überwiegt das wiederholte Üben unter Standardbedingungen, d.h. weder unter vereinfachten noch erschwerten Bedingungen. Oftmals tritt in dieser Phase ein Plateau des Lernfortschritts auf, weswegen hier eine hohe Motivation und bewusste Mitarbeit von Seiten der Lernenden nötig ist. Durch bewusstes Lernen, die Verbalisierung der Bewegungsempfindungen, das Schaffen einer präzisen Bewegungsvorstellung sowie eine Erweiterung der Rückinformation wie z.B. die Ansprache kinästhetischer Empfindungen, helfen hier den Lernfortschritt zu steigern. Das mehrmalige Ansehen von Videoaufnahmen in Zeitlupe oder die Betrachtung der einzelnen Phasen eines Bewegungsablaufes anhand von Sequenzbildern, können diese Präzisierung und die Erarbeitung der Feinform eines Bewegungsablaufes positiv unterstützen[10].

Automatisierungs- und Variationsphase: In der höchsten Stufe des Lernprozesses gilt es nun das Erlernte in verschiedenen Situationen variabel einzusetzen und „individuelle Ausformungen anzustreben“[11]. Die Situationen werden zunehmend komplexer und nehmen im Schwierigkeitsgrad zu. Weitere Störfaktoren wie Zeitdruck, Wettkampfbedingungen, zusätzliche Bewegungen oder Denkaufgaben, welche die Aufmerksamkeit von der eigentlichen Bewegung ablenken, fördern diese Automatisierung und führen dazu, dass das Bewegungsspektrum erweitert wird und das Erlernte in vielen Situationen unter veränderten Bedingungen abrufbereit ist.

6. Techniktraining

Das Wort Techniktraining enthält die beiden, für die Sportwissenschaft so wichtige Begriffe Technik und Training, wobei diese wie folgt definiert sind:

Definition „Sportliches Training“: Komplexe planmäßige und sachorientierte Einwirkung auf die sportliche Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft durch Trainingstätigkeit des Sportlers und Führungs- und Lenkungsmaßnahmen von Trainern mit dem Ziel, die Leistungsfähigkeit zu steigern bzw. zu stabilisieren.[12]

Definition „Sportliche Techniken“: sind erprobte, zweckmäßige und effektive Bewegungsfolgen zur Lösung definierter Aufgaben in Sportsituationen, wobei die damit angestrebte Aufgabenlösung sich an Leitbildern orientiert.[13]

Die Art und Weise, sowie die Ziele und Inhalte des Techniktrainings hängen vom Charakter der zu erlernenden Technik und von der Rolle ab, die sie in der Sportart spielt. Da Newschoolskifahren eine Sportart ist, in der es „eine große Zahl zu erlernender Technik gibt, …, die unter relativ standardisierten ungestörten Bedingungen ablaufen“[14], sind folgende Grundsätze von Bedeutung:

- Alle Techniken müssen erlernt werden, d.h. alle Phasen des motorischen Lernens müssen durchlaufen werden.
- Es dominieren der Neuerwerb sowie das Perfektionieren in komplexen Übungen, wobei bestimmte Elemente individuell gestaltet werden. Das Vervollkommnungs- und Perfektionierungstraining nimmt also hier einen sehr großen Bereich ein.

6.1 Vorbereitende Methoden zum Neuerwerb einer Technik

Um den Neuerwerb einer Technik zu erleichtern oder um eine größere Anzahl von Bewegungshandlungen auszuführen, sind die koordinativen Fähigkeiten als Grundvoraussetzung zu sehen. Auch beim Technikvoraussetzungstraining sind diese von großer Bedeutung. Alle Methoden, die der Ausprägung und Weiterentwicklung der koordinativen Fähigkeiten dienen, sollten im weiteren Lehr- und Lernprozess berücksichtigt werden.

Definition „koordinative Fähigkeiten“: „Sie stellen auf vorwiegend neurophysiologischen Funktionsmechanismen beruhende, im Verlaufe der verschieden Arten gegenständlich-praktischer (besonders auch sportlicher) Tätigkeit individuell angeeignete, relativ komplexe Leistungsvoraussetzungen für die Bewältigung besonders koordinativer Anforderungen verschiedener Tätigkeitsarten in verschiedenen Lebensbereichen dar.“Def. nach Hirtz[15]

Aus einer allgemeinen Charakteristik der Bewegungssteuerung bei sportlichen Tätigkeiten, werden sieben koordinative Fähigkeiten genannt:[16]

- Die komplexe Reaktionsfähigkeit bezeichnet all jene Fähigkeiten, mit einer schnellen und ganzkörperlichen Bewegungsaktion auf ein bestimmtes Signal hin zu reagieren[17]. Im Bereich des Newschoolskifahrens ist es von Bedeutung, den passenden Bewegungsimpuls zum richtigen Zeitpunkt auszuführen, z.B. den aktiven Absprung an der richtigen Stelle des Kickers auszuführen, also auf ein optisches Signal schnell zu reagieren.
- Die Gleichgewichtsfähigkeit umfasst alle Tätigkeiten, die zum Erhalt oder zur Wiederherstellung des Gleichgewichts bei wechselnden Umweltbedingungen dienen[18]. Zwei Seiten sind dabei zu unterscheiden. Zum einen die Fähigkeit das Gleichgewicht in Ruhestellung oder bei langsamen Bewegungen zu halten(statisches Gleichgewicht), zum anderen, die Fähigkeit das Gleichgewicht bei schnellen Bewegungen und Lageveränderungen zu halten (translatorisch/rotatorisch)[19]. Das statische Gleichgewicht wird beim grinden über Geländer benötigt, das rotatorische Gleichgewicht bei Sprüngen über Kicker oder in der Halfpipe.
- „Kinästhetische Differenzierungsfähigkeit bezeichnet die Qualität von Bewegungshandlungen, die von Aufnahme und Verarbeitung kinästhetischer Informationen aus dem aktiven Bewegungsapparat abhängen.“[20] Kraft-, Raum- und Zeitparameter werden beim aktuellen Bewegungsvollzug präzise wahrgenommen.[21]

Beim Skisport ist hier die Fähigkeit gemeint, bestimmte Muskelan- bzw. Entspannungen zum richtigen Zeitpunkt in angemessener Intensität auszuführen, wie es z.B. bei Rotationssprüngen die mit einer weiteren Figur kombiniert sind, der Fall ist.

- Zur Rhythmusfähigkeit gehören das Wahrnehmen, das Speichern und das Wiedergeben eines Bewegungsablaufes in der zeitlich-dynamischen Abfolge[22]. Diese Fähigkeit kann auch durch das Gelände bestimmt werden und wird im Skisport beim Buckelpistenfahren benötigt.
- Auf Grund der räumlichen Orientierungsfähigkeit gelingt es dem Sportler, sich bei einer Lageveränderung des Körpers im Raum zu orientieren und Bewegungsausführungen unter bewusster Wahrnehmung der räumlichen Gegebenheiten zu steuern.[23] Auch diese Fähigkeit ist im Newschoolskilauf unabdingbar. Ohne ein Training dieser Fähigkeit ist die Landung von Rotationssprüngen oder flips nicht möglich.

- Umstellungsfähigkeit: „Darunter verstehen wir die Fähigkeit, während des Handlungsvollzuges auf der Grundlage wahrgenommener oder vorauszusehender Situationsveränderungen das Handlungsprogramm den neuen Gegebenheiten anzupassen…“[24] Wenn in einem Funpark eine Linie von Kickern und Rails durchgehend ohne stehen zu bleiben befahren wird, muss sich der Übende jedes mal neu auf die veränderte Situation einstellen.
- Die Kopplungsfähigkeit ist eine wesentliche Voraussetzung bei allen Sportlichen Bewegungshandlungen. Teilkörperbewegungen werden untereinander auf ein bestimmtes Handlungsziel der Gesamtkörperbewegung verschmolzen. In der Newschool wird diese Fähigkeit bei der Kopplung von Sprüngen und grabs benötigt.

Durch das Training der koordinativen Fähigkeiten werden Bewegungserfahrungen erweitert und das Körpergefühl verbessert. Diese Fähigkeiten sollten Grundbaustein zum Neuerwerb einer Technik betrachtet und immer wieder durch Übungen erweitert und geschult werden. Die Wiederholungs-, Variations- und Kontrastmethode, sowie Übungsreihen und das Stellen von Bewegungsaufgaben können in diesem Zusammenhang genannt werden.

- Variationsmethode: Eine Technik wird in verschieden Situationen unter veränderten jedoch vereinfachten Bedingungen trainiert. Beispiel: Man trainiert Abläufe die im Schnee vollzogen werden sollen auf dem Sprungbrett oder Minitrampolin ohne Skier.
- Kontrastmethode: Techniken werden in unterschiedlicher Bewegungsrichtung, mit unterschiedlichem Bewegungsumfang, zu verschiedenen Zeitpunkten oder unter sich ändernden Bedingungen trainiert, was wiederum das gesamte Bewegungsspektrum erweitert. Beispiel: Fährt der Lernende eine Schanzenreihe in der drei Kicker stehen, überwindet er den Ersten ohne aktiven Absprung, den Zzweiten mit und den Dritten versucht er durch ein Beugen von Sprung- Knie- und Hüftgelenk auszugleichen, dass die Ski niemals den Bodenkontakt verlieren.
- Übungsreihen: Auch genannt methodische Reihen, werden dem unmittelbaren Aneignen vorangestellt. Eine Zielform wird dabei in einzelne Phasen unterteilt, welche nacheinander im Einzelnen geübt werden. Diese Vorübungen besitzen strukturelle Ähnlichkeiten und sind nach Schwierigkeit und Funktionalität geordnet. Grundsätze wie „Vom Leichten zum Schweren“, „Vom Einfachen zum Komplexen“, sind dabei zu beachten.

[...]


[1] Gebhardt u.a. 1979, S.19

[2] Vgl. freeskiers.de - history

[3] Blöchl Gerhard und Armin 2005, S.19

[4] Blöchl Gerhard und Armin 2005, S.22

[5] Blöchl Gerhard und Armin 2005, S.25

[6] Blöchl Gerhard und Armin 2005, S.26

[7] P. Hirtz, Motorisches Lernen, S.1

[8] Meinel/Schnabel, 1998 S.80

[9] Einführung in die Bewegungswissenschaft, S.3

[10] Blöchl Gerhard und Armin 2005, S.17

[11] Hirtz, Motorisches Lernen, S.3

[12] Schnabel/Thiess 1993, S.867-868

[13] Martin/Carl/Lehnertz 1991, S.45

[14] Hirtz, Motorisches Lernen, S.3

[15] Dr. H. Nedim Cetin 1991, S.11

[16] Meinel/Schnabel, 1998 S.229

[17] vgl. [17] Dr. H. Nedim Cetin 1991, S.16

[18] Vgl. [18] Dr. H. Nedim Cetin 1991, S.16

[19] Vgl. Ludwig Gudrun und Bernd 2002, S.31

[20] Dr. H. Nedim Cetin 1991, S.17

[21] Vgl. Ludwig Gudrun und Bernd 2002, S.29

[22] Vgl. Dr. H. Nedim Cetin 1991, S.17

[23] Vgl. Dr. H. Nedim Cetin 1991, S.17

[24] Ludwig Gudrun und Bernd 2002, S.31

Ende der Leseprobe aus 70 Seiten

Details

Titel
Newschool Skifahren - Möglichkeiten und Grenzen für den Schulsport
Hochschule
Universität Regensburg  (Fakultät für Sportwissenschaften Regensburg)
Note
2
Autor
Jahr
2006
Seiten
70
Katalognummer
V58265
ISBN (eBook)
9783638525091
ISBN (Buch)
9783656781684
Dateigröße
1156 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Newschool, Skifahren, Möglichkeiten, Grenzen, Schulsport
Arbeit zitieren
Michael Groll (Autor:in), 2006, Newschool Skifahren - Möglichkeiten und Grenzen für den Schulsport, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/58265

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