In dieser Arbeit wird die Antwort auf folgende Frage gesucht: "Dient die Menschenrechtsprofession als Handlungstheorie der sozialen Arbeit oder überfordert sie diese?". Dafür hat die Autorin den Text "Die soziale Arbeit als Menschenrechteprofession – Ein (zu) hoher Anspruch" von Silke Müller-Hermann und Roland Becker-Lenz ausgewählt, in dem es um die Fragen des Selbstverständnisses der Sozialen Arbeit als Menschenrechtsprofession geht und die der Eignung von Menschenrechten für das berufspraktische Handeln. Dieser Text wurde gewählt, da die Analyse der Autoren schlüssig erscheint, aber in ihren Schlussfolgerungen es den Anschein macht, als übersähen sie die eigentlichen Absichten der Vertreter der Menschenrechteprofession. Deshalb lädt ihre wissenschaftstheoretische Herangehensweise dazu ein, sie genauer zu betrachten.
Es wurden unterschiedliche Theorien betrachtet, die sich aus der Wissenschaft der Sozialen Arbeit und ihren beiden Disziplinen, der Sozialpädagogik und der Sozialarbeitswissenschaft, entwickelt haben. Dabei wurde festgehalten, dass beide Disziplinen ein eigenes divergentes spezifisches wissenschaftliches Erkenntnisinteresse haben, es aber durchaus auch eine Konvergenz gibt, die auf einem allgemeinen Wissen beider Disziplinen beruht und aus der sich wiederum ein gemeinsames Erkenntnisinteresse ergibt.
Einige wissenschaftliche Vertreter sehen die beiden Stränge der Sozialen Arbeit als nahezu unvereinbare Logiken, da sich die Sozialpädagogik - sehr grob ausgedrückt - mit den Problemen des Verhaltens und die Sozialarbeit mit den Problemen der Verhältnisse beschäftigt. Doch bei näherer Betrachtung und durch den Praxisbeleg wird deutlich, dass beide Problemfaktoren sich gegenseitig beeinflussen und teilweise bedingen. Das heißt, beide wissenschaftlichen Fragehorizonte der Disziplinen können als zusammengehörige Teile der Wirklichkeit und als Gegenstandsbereich der Sozialen Arbeit betrachtet werden.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Der Blick auf die Soziale Arbeit als „Menschenrechteprofession“
2.1 Auftrag der Sozialen Arbeit und Verhältnis zu anderen Akteuren
2.2 Wie viel Mandate hat die Soziale Arbeit?
2.3 Soziale Arbeit in der Abgrenzung zur sozialen Bewegung
2.4 Soziale Arbeit und die Bedeutung der Menschenrechte
3 Staatskritik innerhalb der Sozialen Arbeit
4 Zuständigkeit für Menschrechte
4.1 Menschenrechte im ‚Avenir Social‘
4.2 Einlösbarkeit der Zielsetzungen im Schweizer Berufskodex
5 Reflexion und Kritik der Kritik
6 Literaturverzeichnis
Bescheidenheit schickt sich für den Gelehrten, aber nicht für die Ideen, die in ihm wohnen und die er verteidigen soll.
(Jacques Monod)
1 Einleitung
In unserem Seminar „Soziale Arbeit im Gefüge der Wissenschaften“ haben wir uns damit beschäftigt, wie sich die Soziale Arbeit als Profession und als wis- senschaftliche Disziplin versteht.
Um Forschung zu betreiben, Theorien zu entwickeln und zu überprüfen, braucht es die wissenschaftliche Disziplin; sie trägt die Hauptverantwortung für die wissenschaftliche Grundlegung der Sozialen Arbeit (vgl. Birg- meier/Mührel 2017).
Demgegenüber steht nach Staub-Bernasconi die Profession als Handlungs- system, sprich als berufliche Wirklichkeit/Praxis der Sozialen Arbeit. Sie hat den Auftrag zur Lösung, Milderung oder Prävention von sozialen Problemen seitens ihrer Klientel oder der Gesellschaft, aufgrund ihres professionellen Ur- teils, beizutragen.
Wir haben uns mit unterschiedlichen Theorien beschäftigt, die sich aus der Wissenschaft der Sozialen Arbeit und ihren beiden Disziplinen, der Sozialpä- dagogik und der Sozialarbeitswissenschaft, entwickelt haben. Dabei haben wir festgehalten, dass beide Disziplinen ein eigenes divergentes spezifisches wis- senschaftliches Erkenntnisinteresse haben, es aber durchaus auch eine Kon- vergenz gibt, die auf einem allgemeinen Wissen beider Disziplinen beruht und aus der sich wiederum ein gemeinsames Erkenntnisinteresse ergibt (ebd.). Einige wissenschaftliche Vertreter sehen die beiden Stränge der Sozialen Ar- beit als nahezu unvereinbare Logiken, da sich die Sozialpädagogik - sehr grob ausgedrückt - mit den Problemen des Verhaltens und die Sozialarbeit mit den Problemen der Verhältnisse beschäftigt. Doch bei näherer Betrachtung und durch den Praxisbeleg wird deutlich, dass beide Problemfaktoren sich gegen- seitig beeinflussen und teilweise bedingen. Das heißt, beide wissenschaftli- chen Fragehorizonte der Disziplinen können als zusammengehörige Teile der Wirklichkeit und als Gegenstandsbereich der Sozialen Arbeit betrachtet wer- den (ebd.).
Als Gegenstands- bzw. Objektbereich der Sozialen Arbeit haben wir dann das „menschliche Handeln“, als kleinsten gemeinsamen Nenner definiert. Den Ob- jektbereich der Sozialen Arbeitswissenschaften haben wir nochmals unter- schieden in das Materialobjekt und das Formalobjekt. Das Materialobjekt dient der genaueren Beschreibung des Gegenstandsbereiches und beleuchtet die Interaktion zwischen Mensch und Gesellschaft oder Person und Lebensraum. Das Formalobjekt gibt die Perspektive auf diesen Bereich vor, beispielweise durch die Übernahme einer systemischen, bildungspolitischen oder gesund- heitlichen Sichtweise (ebd.).
Daraus ergeben sich, je nach Gegenstandsformulierung und spezifischem Forschungsinteresse, ganz unterschiedliche Auswahlmöglichkeiten bei der Forschungsmethode (hermeneutisch, dialektisch, empirisch etc.). Je nach Ge- wichtung, ergeben sich unterschiedliche Theorien und theoretische Ansätze für die Wissenschaften der Sozialen Arbeit. Oft entstehen Diskrepanzen be- züglich der unterschiedlichen Meinungen einzelner Vertreter diverser Wirklich- keitsverständnisse, dabei fehlt es häufig an der nötigen Differenzierung zwi- schen den unterschiedlichen Auffassungen der Wirklichkeit. Auch wenn die vielfältigen Theorien und Theoriemodelle in der Sozialen Arbeit verwirrend o- der gar widersprüchlich erscheinen können, sind sie doch nötig, um unter- schiedliche Erkenntnisinteressen zu verfolgen und unterschiedliche Erkennt- nisgegenstände zu beforschen (ebd.).
Schließlich haben wir festgehalten, dass es Professionstheorien gibt, die auf ein gelingendes und besseres Handeln in der Sozialen Arbeit durch Schaffung eines angewandten, praktischen Wissens abzielen und ebenso Disziplintheo- rien die auf eine Verbesserung der Begründungskompetenz und auf die Schaf- fung von Grundlagenwissen abheben, zum Ziel der Beschreibung, Rekon- struktion und Erklärung von Sachverhalten in der Sozialen Arbeit. Einigkeit herrscht unter vielen Wissenschaftsexperten, dass die Wissenschaft sozialer Arbeit als Handlungswissenschaft zu entwickeln und zu begründen ist. Die Handlungswissenschaft ist als Synthese aus Wissenschafts- und Reflexions- wissen zu sehen und sowohl die Soziale Arbeit als auch die Wissenschaft müssen sich folglich, vereint innerhalb der Wissenschaften der Sozialen Ar- beit, mit „Handlungen“ befassen, zum einen praktisch auf die Profession und zum anderen theoretisch auf die Disziplin bezogen (ebd.).
Für die vorliegende Arbeit habe ich den Text Die soziale Arbeit als Menschen- rechteprofession – Ein (zu) hoher Anspruch von Silke Müller-Hermann und Roland Becker-Lenz ausgewählt, in dem es um die Fragen des Selbstver- ständnisses der Sozialen Arbeit als Menschenrechtsprofession geht und die der Eignung von Menschenrechten für das berufspraktische Handeln (vgl. Müller-Hermann/Becker-Lenz 2013: 125ff.). Diesen Text habe ich gewählt, da die Analyse der Autoren schlüssig erscheint, aber in ihren Schlussfolgerungen es den Anschein macht, als übersähen sie die eigentlichen Absichten der Ver- treter der Menschenrechteprofession. Deshalb lädt ihre wissenschaftstheore- tische Herangehensweise dazu ein, sie genauer zu betrachten.
2 Der Blick auf die Soziale Arbeit als „Menschenrechtepro- fession“
S ilke Müller-Hermann und Roland Becker-Lenz beschäftigen sich in ihrem Text mit den Menschenrechten als Handlungstheorie und wie sie diese in Be- zug auf die Soziale Arbeit und das Selbstverständnis ihrer Disziplin sehen, aber auch wie und ob die konkrete Umsetzbarkeit eines selbstauferlegten Auf- trages der Profession überhaupt gelingen kann. Sie werfen zum Erkenntnis- gewinn mehrere Fragen auf, zum einen ob die Menschenrechte schlicht die Basis des sozialarbeiterischen/sozialpädagogischen Handelns bilden, da sie ein bisher schwieriges Grundverständnis von sozialer Gerechtigkeit konkreti- sieren und ob ihre thematische Weite überhaupt geeignet ist Bezüge für das sozialarbeiterische Handeln abzuleiten. Letztlich noch die Frage ob die Selbst- auferlegung der Sozialen Arbeit, als Gewährleisterin der Menschenrechte zu agieren, nicht letztlich zur Überforderung führt. Sie beleuchten hierzu vor- nehmlich die Soziale Arbeit des „globalen Nordens“ und hier insbesondere die in der Schweiz und in Deutschland.
2.1 Auftrag der Sozialen Arbeit und Verhältnis zu anderen Akteuren
Die beiden Autoren verorten zunächst einmal die Menschenrechte in der So- zialen Arbeit, um deren Rolle für die Soziale Arbeit zu konkretisieren. Dabei orientieren sie sich an der globalen Definition der ,International Federation of Social Workers‘ (IFSW), die die Prinzipien der Menschenrechte als fundamen- tal für die Soziale Arbeit erwähnen. Sie stellen sich die Frage, ob sich aus den Menschenrechten direkte Aufträge für die Soziale Arbeit ableiten lassen. Als Beispiel nennen sie u.a. den Schutz vor Verhaftung oder Ausweisung und schlussfolgern, dass es in der Sozialen Arbeit eigentlich nicht um die Gewähr- leistung der Menschenrechte geht und sich daraus auch keine direkten Auf- träge für sie ableiten lassen. Folglich ergibt sich für sie kein direkter Auftrag an die Soziale Arbeit, lediglich eine durch den Berufsstand selbstauferlegte Auf- gabe und somit ein gewisses berufliches Selbstverständnis. Auf internationa- ler Ebene gibt es demnach keine dezidierte Auftragsformulierung an die Sozi- ale Arbeit.
Sie führen aus, dass in Deutschland der Berufsverband DBSH schon 1998 klar formuliert hat, dass der Auftrag durch die gesellschaftliche Diskussion be- stimmt wird. Die politisch geschaffenen Rahmenbedingungen innerhalb des demokratischen Nationalstaats bieten dabei den Bezugsrahmen. Es bleibt aber nicht nur bei der strukturellen, rechtlichen und materiellen Eingrenzung des Aufgabengebietes durch die Gesellschaft und ihren Staat, die berufsethi- schen Prinzipien aus dem Jahr 1997 bekräftigen, dass es die zu lösenden so- zialen Probleme und die strukturell bedingten Ursachen sozialer Not auch selbst zu entdecken und zu veröffentlichen gilt. Dabei beruft sich der Berufs- verband auf universelle Werte, wie die Menschenrechte, die Persönlichkeits- rechte und das Sozialstaatsgebot und fordert seine Mitglieder auf den gesell- schaftlichen Auftrag zu bewerten und gegebenenfalls zu optimieren. In der Re- alität einer/eines Sozialarbeiter*in aus Deutschland kann das bedeuten, dass staatliche Forderungen entgegen der eigenen berufsethischen und fachlichen Standards stehen und mit diesen nicht kompatibel sind. In Bezug auf den deut- schen Staat, wären die Forderungen dann auch mit den eigenen ethischen und rechtlich gefassten Grundsätzen nicht vereinbar. Aus diesem Wider- spruch ergibt sich ein erneuter Auftrag, verschriftlicht in den Qualitätskriterien des DBSH aus dem Jahr 2001, die die Mitwirkung der Fachkräfte an der Defi- nition des Arbeitsauftrages nennen und den Fachkräften einen Autonomie- und Handlungsspielraum eröffnen.
Im Berufskodex Soziale Arbeit Schweiz des Verbandes ‚Avenir Social‘ spricht man nicht von einem staatlichen oder gesellschaftlichen Auftrag, sondern den Aufgaben der Profession, ein von vornherein deutlich autonomeres Selbstver- ständnis als beim deutschen Pendant. Die Schweizerischen Kollegen haben einen ähnlichen staatlichen Auftrag wie die Deutschen, in ihrem Berufskodex weisen sie auf eine Übereinstimmung mit ihrer Bundesverfassung in einer ho- heitsstaatlichen Rahmung hin und sie nennen als Basis ihres Kodex die inter- nationalen Übereinkommen des Europarates sowie die Europäische Mensch- rechtskonvention und die Europäische Sozialcharta. Jedoch kommen sie in die Bredouille, wenn übergeordnete Ebenen mit den staatlichen Zielen und Bestimmungen der Schweiz nicht im Einklang stehen. Die Schweiz hat die Europäische Sozialcharta bisher nicht ratifiziert, sodass die Schweizer Sozial- arbeiter*innen sich auf die darin formulierten Rechte nicht berufen können. Sie sind von staatlicher Seite nicht an diese gebunden und wenn sie auf Grund ihrer Verpflichtung der eigenen Profession und den damit verbundenen Grund- werten (Silvia Staub-Bernasconi und ihr drittes Mandat) entscheiden, ist es möglich, dass sie staatlichen Interessen und ihrem rechtlichen Auftrag zuwi- derlaufen.
2.2 Wie viel Mandate hat die Soziale Arbeit?
Die Autoren resümieren, dass es in der Sozialen Arbeit einer Herstellung oder Wiederherstellung von Autonomie und Integrität als Kern der beruflichen Auf- gabe bedarf. Dabei ist es für sie unbestritten, dass die Soziale Arbeit an die jeweils geltende Rechtsordnung gebunden ist. Damit staatliche Zumutungen aber fachlich begründet abgewiesen werden können und gesellschaftlichen Missständen entgegengewirkt werden kann, ist eine auftragsunabhängige Be- rufsethik unerlässlich. Diese müsste fachliche und ethische Bezüge des Beru- fes beinhalten, die Staub-Bernasconi im Begriff des dritten Mandates bündelt. Sie erachten ein drittes Mandat, neben dem ersten Mandat der Gesellschaft und dem zweiten, des Klienten, aus ihrer Sicht als nicht notwendig. Sie vertre- ten die Position, dass die Soziale Arbeit dem Grunde nach nur ein Mandat hat, da die Probleme die sie bearbeitet, individuelle sind. Idealtypisch handelt die Soziale Arbeit also im Interesse des Klienten und der Gesellschaft, die sie da- für beauftragt und bezahlt. Sie sehen das Berufsethos und die Verinnerlichung zentraler Werte als unerlässlich für den professionellen Habitus, aber einen daraus abgeleiteten selbstgegebenen Auftrag erachten sie als kritisch. Das begründen sie durch eventuell auftretende Gesetzeskonflikte der Berufsange- hörigen in der Praxis, denen je nach Staat und Sozialgesetzgebung, Schwie- rigkeiten drohen. Sie räumen ein, dass die Soziale Arbeit sich nicht vollkom- men vom Staat abhängig machen sollten, sind sich aber sicher, dass durch eine stabile Berufsethik und sich verbürgende berufsständische nationale und internationale Vertretungen für ein Hinwirken auf fachlich begründete Geset- zesveränderungen ausreichend sind.
2.3 Soziale Arbeit in der Abgrenzung zur sozialen Bewegung
Müller-Hermann und Becker-Lenz nehmen eine steigende, über die National- staatsgrenzen hinausgehende Beauftragung der Sozialen Arbeit wahr. Dieser fühlen sich die Berufsangehörigen mindestens ebenso verpflichtet, wie dem durch die nationale Sozialgesetzgebung zu erfüllenden Auftrag. Sie verweisen hier insbesondere auf den Berufskodex der schweizerischen ‚Avenir Social‘, bei dem es vielfach unklar erscheint, ob und inwiefern sich die Berufsgruppe in ihren Zielen noch von einer sozialen Menschenrechts-Bewegung, wie bei- spielsweise ‚Amnesty International‘, unterscheidet und ob oder wie sie sich von dieser abgrenzt. Auch die Legitimation von selbst gegebenen Aufträgen erscheint ihnen problematisch und so sehen sie folglich in der Herstellung von Bezügen zu international weitgehend anerkannten Dokumenten wie den Men- schrechtskonventionen und der einhergehenden Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen und deren Organisationen die Begründung der Praxis in der Sozialen Arbeit als Menschenrechtsprofession.
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