Die Modulation des "late positive potentials" bei hochgradig engagierten Onlinespielern


Diplomarbeit, 2011

147 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


1 EINLEITUNG
1.1 Sucht und Abhängigkeit
1.1.1 Der Begriff „Sucht“
1.1.2 Sucht und Gesellschaft
1.1.3 Definition und Klassifikation von Abhängigkeit
1.1.4 Verhaltenssucht
1.1.5 Computer- und Onlinespielsucht
1.2 Spiel und Computerspiel
1.2.1 Zweckfreiheit
1.2.2 Wechsel des Realitätsbezugs
1.2.3 Wiederholung und Ritual
1.2.4 Intrinsische Motivation und Flow-Erleben
1.2.5 Flow-Erleben im Computerspiel
1.2.6 Computerspielen als spezielle Form des Spiels
1.2.7Merkmale eines erfolgreichen Computerspiels
1.2.8Merkmale eines erfolgreichen Onlinespiels
1.2.9 Demographische Verteilung und Spielmotivation von Onlinespielem
1.3 Suchtgedächtnis
1.3.1 Die Aufmerksamkeitsverteilung bei der Wahrnehmung emotionaler Inhalte (Fran­ken, 2003)
1.3.2 Aufmerksamkeit und Abhängigkeit
1.3.3 DerAufmerksamkeitsbias als impliziter kognitiver Prozess
1.3.4 Neuroanatomische Pfade von Craving und Aufmerksamkeitsprozessen
1.3.5Anreizbasierte Motivationsprozesse
1.3.6 Anreizbasierte Hervorhebung
1.3.7 Anreizbasierte Hervorhebung bei ausgebildeter Abhängigkeitserkrankung
1.3.8Aufmerksamkeitsbias bei Drogenreizen
1.4 Die Rolle von Dopamin bei Abhängigkeit
1.4.1 Die Rolle von Dopamin beim Belohnungslernen
1.4.2 Dopamin und motivationale Prozesse
1.4.3 Dopamin und seine Rolle bei der Aufmerksamkeitsverarbeitung
1.4.4 Dopamin und Computerspieler
1.4.5 Das kognitiv-psychopharmakologische Modell nach Franken
1.5 Messen einer physiologischen Abhängigkeitskomponente mittels EEG
1.5.1 Physiologische Grundlagen derAbleitung
1.5.2 Ereigniskorrelierte Potentiale
1.5.3 EEG und Emotion
1.5.4 SuchtundLPP
1.6 Zusammenfassung

2 FRAGESTELLUNGEN/HYPOTHESEN
2.1 Fragestellungen
2.2 Hypothesen

3 METHODE UND VERSUCHSPERSONEN
3.1 Beschreibung der Stichprobe
3.2 Versuchsplan / Design
3.3 Operationalisierung der Variablen
3.3.1 Operationalierung der Unabhängigen Variablen
3.3.2 Operationalisierung der AV
3.4 Versuchsmaterialien
3.4.1 Auswahl der Stimuli
3.4.2 Visuelle Stimuli und Präsentation
3.4.3 Coverstory
3.4.4 Distraktoraufgabe
3.4.5 Fragebögen
3.4.6 Analogskala zur Erfassung des aktuellen Cravings
3.5 Ablauf der Untersuchung
3.6 Manipulationscheck
3.7 Statistische Auswertung der Veruchsergebnisse

4 ERGEBNISSE
4.1 Gruppenvergleich
4.1.1 Fallauswahl
4.1.2 Beschreibung der Stichprobe
4.1.3 Zwischensubjekteffekte
4.1.4 Gruppenvergleich überdie UV Stimulusbedingung
4.1.5 Gruppenvergleich über die AV Craving
4.2 Innersubjekteffekte
4.2.1 Within-subjects Vergleich der Stimulusbedingung
4.3 Craving
4.3.1 Gesamtstichprobe
4.3.2 Experimentalgruppe
4.3.3 Kontrollgruppe
4.4 Explorative Datenanalyse

5 DISKUSSION
5.1 Diskussion des experimentellen Designs
5.1.1 Diskussion der Distraktoraufgabe
5.1.2 Diskussion des Gruppenvergleichs
5.1.3 Diskussion der Innersubjekteffekte innerhalb der Experimentalgruppe
5.2 Diskussion der Auswirkungen der Präsentation der visuellen Stimuli auf das Craving der Probanden
5.3 Diskussion der Befunde der explorativen Datenanalyse
5.4 Schlussfolgerungen aus der Untersuchung
5.5 Schlussfolgerungen über die Brauchbarkeit der experimentellen Manipulation
5.6 Schlussfolgerungen bezüglich der Hypothesen
5.7 Diskussion von Kritikpunkten und Beschränkungen der Untersuchung
5.8 Ausblick

6 ZUSAMMENFASSUNG

7 LITERATUR

8 ANHANG
A Anschreiben innerhalb der Internetplatform StudiVZ
B Modifizierter Fragebogen ISS-20 nach Hahn & Jerusalem (2001)
C Analogskalen Craving
D BewertungsbogenVortest
E Ergebnisse Vortest

1 Einleitung

„,..'it is not 'the people that are addictive' but rather, 'it’s the image of myself I get from other people.'“

- Ducheneaut über Selbstdarstellung in Onlinespielen (Ducheneaut et al., 2006, S. 413)

Laut einer repräsentativen Umfrage im Auftrag des Bundesverbands für Interaktive Unter­haltungssoftware e. V. (BUI) spielten im Februar 2010 sechs Millionen Bundesbürger Onlinespiele und verschafften der Branche damit im Jahr 2009 einen Gesamtumsatz von 104,5 Millionen Euro allein durch Nutzungsgebühren (GfK Panel Services Deutschland, 2010b).

Eine kritische Betrachtung der oftmals gewaltbetonten Inhalte von Computerspielen fin­det in wissenschaftlichen Kreisen bereits seit längerem statt. In den letzten Jahren kam ein weiteres potentielles Gefährdungsmoment abseits der inhaltlichen Komponente hinzu. Vermehrte Berichte von exzessivem Computerspielen über lange Zeiträume hinweg führ­ten zu Überlegungen, ob dies Ausdruck einer nicht-stoffgebundenen Sucht sein könnte. Dieses in der Öffentlichkeit als „Computerspielsucht“ bekannte Phänomen wird dabei fast ausschließlich bei einer speziellen Form der Onlinespiele, den Massen-Mehrspieler-On- line-Spielen (Massively Multiplayer Online Games - MMOGs) beobachtet. Als häufigste Unterform der MMOGs trifft man Spiele aus dem Genre der Rollenspiele an, weshalb Onlinespiele auch oftmals mit dem Begriff MMORPGs (Massively Multiplayer Online Role­Playing Games) gleichgesetzt werden.

Doch ab welchem Zeitpunkt überschreitet der Spieler die Grenze zwischen dem intensi­ven Betreiben eines Hobbys und dem Befriedigen eines Suchtverhaltens? In Abwesenheit einer einheitlichen wissenschaftlichen oder medizinischen Definition von Computer- oder Onlinesucht haben verschiedene Forscher unterschiedliche Kriterien vorgeschlagen. So haben Wölfling und Müller (2009) die ICD-10 Kriterien (Dilling et al., 2000) für das psycho­trope Abhängigkeitssyndrom auf abhängiges Verhalten übertragen, um einen Indikator für Verhaltenssüchte zu erhalten. Grüsser und Thalemann (2006) haben eine Kriterienliste für Computerspielsucht aus den allgemeinen ICD-10 Abhängigkeitsriterien (Dilling et al., 2000) und den Kriterien erstellt, die bei Glücksspielsucht angewendet werden. Hahn und Jerusalem (2001) entwickelten einen Fragebogen zum Erfassen des Vorliegens einer In­ternetsucht, der die Bereiche Arbeit/Leistung, soziale Beziehungen, Kontrollverlust, Tole­ranzentwicklung und Entzugssyndrom enthält. Allen Definitionsversuchen gemeinsam ist das Übertragen bereits etablierter Suchtkriterien auf die kritischen Verhaltensweisen im Umgang mit Onlinespielen.

Neben indirekten Screeningmethoden mittels Fragebögen und Verhaltensbeobachtun­gen hat die neuere Forschung im Bereich der bildgebenden Neurowissenschaften eine Möglichkeit, gefunden eine physiologische Komponente abhängigen Verhaltens „sichtbar“ zu machen. Aus Untersuchungen zum Phänomen des „emotionalen Oddballs“ (Cacioppo et al., 1993) ist bereits seit längerem bekannt, dass emotional besetzte Stimuli bei EEG­Aufzeichnungen eine P300-Komponente mit spezifischen Eigenschaften erzeugen. Unter­suchungen mit abhängigen Personen konnten zeigen, dass ehemals emotional unbedeu­tende Gegenstände, die mit dem abhängigen Verhalten assoziiert wurden, ebenfalls diese für emotionale Stimuli typische P300-Komponente aufwiesen.

Zahlreiche Studien haben einen Zusammenhang zwischen Abhängigkeitserkrankungen und einer erhöhten Aufmerksamkeitsverarbeitung von abhängigkeitsassoziierten Stimuli nachgewiesen. In der vorliegenden Arbeit wird ein solcher möglicher Zusammenhang bei hochgradig engagierten Computerspielern und Stimuli aus dem Bereich der Computer- bzw. Onlinespiele untersucht. Zur intensiven Auseinandersetzung mit dem Phänomen der Onlinespielesucht soll der Themenkomplex zunächst in seine Komponenten zerlegt wer­den, um dann jeden Bestandteil einzeln zu betrachten. So werden in den folgenden Kapi­teln die Phänomene Spiel, Computerspiel, Onlinespiel, Sucht, Verhalten, Verhaltenssucht und Onlinespielsucht näher betrachtet. Ferner sollen Grundlagen, Ursachen und beeinflus­sende Faktoren jedes Teilbereichs erforscht werden. Schließlich beschäftigt sich ein Hauptteil der Arbeit mit der Ergründung des Phänomens der anreizbasierten Hervorhe­bung, die die Grundlage für das Messen einer physiologischen Reaktion auf suchtassozi­ierte Stimuli bildet. Zur Vereinfachung sollen in der vorliegenden Arbeit die Begriffe MMOG und Onlinespiel synonym verwendet werden und jeweils auf ein Computerspiel aus dem Genre des MMOGs verweisen.

1.1 Sucht und Abhängigkeit

Sucht und Abhängigkeit lassen sich nur schwer exakt definieren, denn ebenso wie das Krankheitsbild sind auch die Begriffe vielseitig und komplex besetzt. So ist der Begriff der Sucht ein Phänomen des deutschsprachigen Raumes. Aus dem germanischen stammend beschreibt das Substantiv „Sucht“ gemeinsam mit dem Adjektiv „siech“ schon immer einen Krankheitszustand. Bis ins 13. Jh. überwiegt zwar die Betonung einer körperlichen Erkran­kung, doch finden sich auch damals schon die Begriffe der „Fallsucht“, „Sehnsucht (oder auch Liebespein)“ oderauch der „sündigen Sucht“ (Harten, 1991, S. 70).

Im 19./20. Jh. bildet sich im deutschsprachigen Raum die heute gebräuchliche Bedeu­tung heraus, nämlich die Bezeichnung „eines krankhaften inneren Zwanges“ (Harten, 1991, S. 71) oderauch „eines krankhaften Triebes“ (Harten, 1991, S. 71). Im angloameri­kanischen Raum durchläuft der Begriff nicht diese Wandlung. Experten führten hier später als beschreibende Gemeinsamkeit aller Sucherkrankungen das Wort „addiction“ ein (Har­ten, 1991).

Umgangssprachlich wird die Wortendung „-sucht “ gerne Begriffen angehängt, die eine starke intrinsische Motivation ausdrücken sollen (z. B. Geltungssucht, Genusssucht, Hab­sucht, Kaufsucht, Liebessucht, Eifersucht), ohne dass damit ein pathologischer Zustand beschrieben werden soll. Welche Voraussetzungen vorliegen müssen, um eine Sucht be­handlungsbedürftig zu machen, soll in den nächsten Abschnitten geklärt werden.

1.1.1 Der Begriff „ Sucht“

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) verwendete den Begriff "Sucht" in ihrem offiziel­len Sprachgebrauch in den Jahren von 1957-1964. Anschließend wurde er durch die Be­griffe "Missbrauch" und "Abhängigkeit" ersetzt. In Deutschland hat sich jedoch für den Zu­stand der Abhängigkeit von einem Verhalten der Begriff der „Verhaltenssucht“ etabliert. Auch die in diese Kategorie fallenden pathologischen Verhaltensweisen werden meistens mit der entsprechenden Endung „-sucht“ betitelt (z. B. Spielsucht, Kaufsucht, Arbeitssucht, Computerspielsucht) oder durch den Verweis auf eine pathologische Ausprägung um­schrieben (z. B. pathologisches Kaufverhalten oder pathologisches Computerspielverhal­ten) (Thalemann, 2009).

Da für das Phänomen der Verhaltenssucht (und somit auch der Computerspielsucht) noch kein international gebräuchlicher Standard festgelegt wurde, wird in dieser Arbeit, der Vereinfachung dienend, der Begriff Sucht äquivalent mit den Begriffen Abhängigkeit, Miss­brauch und pathologischem Gebrauch benutzt.

1.1.2 Sucht und Gesellschaft

Das aktive Herbeiführen eines veränderten Bewusstseinszustandes ist so alt wie die Menschheit selbst und kann in jeder Kultur angetroffen werden (Harten, 1991). Dabei un­terscheiden sich je nach Kulturkreis die Arten der akzeptierten Formen der Berauschung sowie deren Darreichungsformen. Oftmals spielt auch die Zugehörigkeit zu einer bestimm­ten sozialen Schicht oder Religion eine Rolle bei der Frage nach der Akzeptanz des Ver­haltens. Zudem sind wirtschaftliche und politische Interessen von Belang, wenn es um die Legalität oder Illegalität einer Methode zur Rauschinduktion geht.

Die vielfältigen Methoden zum Erreichen eines veränderten Bewusstseinszustandes können grob in zwei Kategorien eingeteilt werden: das Zuführen von psychotropen Sub­stanzen in den Organismus und die aktive Modulierung der Biochemie durch bestimmte Verhaltensweisen ohne Substanzzufuhr.

Da die vorliegende Arbeit sich hauptsächlich mit einem Phänomen aus dem Spektrum der stoffungebundenen Abhängigkeiten, nämlich der Computerspielabhängigkeit, beschäf­tigt, wird oftmals ganz bewusst auf die Verwendung des pharmakologisch geprägten Be­griffs „Droge“ verzichtet. Stattdessen soll der Begriff „Suchtmittel“ auch jene Objekte um­fassen, die bei Verhaltenssüchten ein Suchtverhalten auslösen, wie z. B. Computerspiele beim Computerspielsüchtigen oder Glücksspielautomaten beim Glücksspielsüchtigen.

Grob zusammengefasst erklärt sich die aktuelle Forschung den aufrechterhaltenden Prozess hinter einem Suchtverhalten durch zwei motivational bedingte Faktoren. In der Anfangsphase genügt der hedonistisch als positiv empfundene Effekt des Suchtmittels, um eine erneute Verhaltenswiederholung in Gang zu setzen. Das Suchtmittel dient hierbei als positiver Verstärker. Später kommt als weiterer motivationaler Faktor das Vermeiden von Entzugssymptomen durch kontinuierliche Verhaltenswiederholung als aufrechterhaltender Faktor hinzu. In dieser Konstellation bekommt das Suchtmittel die zusätzlichen Eigen­schaften eines negativen Verstärkers (Robinson & Berridge, 2000). Die detaillierten Ur­sprünge, Zusammenhänge und Folgen von abhängigem Verhalten sollen in den folgenden Kapiteln erörtert werden.

1.1.3 Definition und Klassifikation von Abhängigkeit

Wenn Verhaltenssucht eine Abhängigkeitserkrankung darstellt, so muss sie die Kriterien für abhängiges Verhalten bei psychotropen Substanzen erfüllen. Abhängigkeit bezeichnet ein Verhalten, das sich durch eine verminderte Kontrollfähigkeit und ein starkes Aus­übungsverlangen auszeichnet. In seiner extremsten Ausprägung kommt es zu zwanghaf­ten und durch den Betroffenen nicht mehr kontrollierbaren suchttypischen Verhaltenswei­sen. Typischerweise beginnt eine süchtige Fehlentwicklung mit einer tiefgreifenden und emotional als positiv empfundenen Reaktion auf den Konsum einer bestimmten Substanz oder die ungewöhnlich intensive Ausübung einer Tätigkeit. Die Motive für ein anhaltendes Ausüben eines abhängigen Verhaltens sind dabei mannigfaltig, ihnen gemeinsam scheint jedoch der Wunsch zu sein, die subjektiv als belastend empfundene Alltagsrealität hinter sich zu lassen und die eigenen Emotionen zu regulieren ohne an den tatsächlichen Auslö­sern der unerwünschten Empfindungen zu arbeiten (Türk & Bühringer, 1999).

Dabei ist es wichtig zu erkennen, dass so gut wie jede menschliche Verhaltensabfolge qualitativ und quantitativ Dimensionen annehmen kann, die sie in den Rang eines abhän­gigen Verhaltens erheben. So können beispielsweise Arbeit, Sport, Einkäufen oder die Nutzung elektronischer Medien allesamt in derartiger Form betrieben werden, dass sie die Kriterien eines Abhängigkeitssyndroms nach ICD-10 (Dilling et al., 2000) erfüllen (siehe Tabelle 1.1).

1.1.3.1 Entstehung und Aufrechterhaltung

Trotz einer Vielzahl von theoretischen Modellen aus unterschiedlichen Bereichen der Suchtforschung gelingt es keiner dieser Theorien für sich allein, ein umfassend befriedi­gendes Verständnis der Entstehung und der Aufrechterhaltung von abhängigem Verhalten zu vermitteln. Mittels eines integrativen Prozesses wird deshalb in der aktuellen Forschung versucht, aus den einzelnen Theorien ein multikausales Modell der Suchtentstehung und -aufrechterhaltung zu bilden. Dieses Kapitel soll einen kurzen Überblick über die vermute­ten Einflussfaktoren geben. Informationsrundlage bildet hierfür der Artikel von Türk und Bühringer (1999).

Mit Hilfe von Längsschnittuntersuchungen sollten die Risikofaktoren für abhängiges Verhalten identifiziert werden. Als ein maßgeblicher Faktor stellte sich das Alter heraus. Dabei wurde das frühe Jugendalter als häufigster Einstiegszeitpunkt für abhängiges Ver­halten identifiziert. Wichtige Einflussfaktoren für die Ausprägung des abhängigen Verhal­tens stellten die Quantität an Harmonie und das Vorhandensein von Vorbildern im familiä­ren Umfeld dar. Im schulischen Bereich stellten sich Misserfolgserlebnisse und eine dar­aus resultierende Beeinträchtigung des Selbstwertgefühls als Risikofaktoren heraus.

Als ausschlaggebender Faktor bei der Aufrechterhaltung von süchtigem Verhalten konnte die Einstellung der Peer-group gegenüber dem Suchtverhalten gefunden werden. Verstärkend auf abhängiges Verhalten wirkt sich demnach eine unterstützende und akzep­tierende Einstellung des Umfelds gegenüber dem eigenen abhängigen Verhalten aus. Auf­grund des geringen Alters des Phänomens der Onlinespielsucht sind Aussagen über den Einfluss des ungenügenden Vorbildes innerhalb der Familie bei Onlinespielesucht nur schwer zu treffen. Die anderen genannten Faktoren stellen aber auch bei dieser speziellen Form der Abhängigkeit ein Risiko dar. Im Bereich der Peer-group stellt sich eine interes­sante Variation des üblicherweise beobachtbaren Verhaltens ein. Indem der Kontakt zu den lokal ansässigen Altersgenossen sich meist durch anhaltende Onlinepräsenz verrin­gert, wendet sich der Betroffene immer mehr seiner virtuellen Peer-group innerhalb des Onlinespiels zu. Eine verständnisvolle und verstärkende Einstellung hinsichtlich des Spie­lens von Onlinespielen kann in dieser Population als natürlicherweise gegeben vorausge­setzt werden.

Tabelle 1.1

Kriterien des Abhängigkeitssyndroms nach ICD-10 und deren Entsprechung für Compu­terspielabhängigkeit

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Zahlreiche Autoren (Berridge, 2007; Berridge & Robinson, 1993; Everitt et al., 2001; Franken, 2003; O’Brien et al., 1997; Robinson & Berridge, 2000) schlagen ein integratives psychobiologisches Erklärungsmodell zu abhängigem Verhalten vor. Dabei werden aktuel­le Erkenntnisse aus den Bereichen der kognitiven, lerntheoretischen und neurobiologi­schen Forschung zueinander in Beziehung gesetzt. Kernaussage dieser Theorie ist, dass die positive Erinnerung an die Wirkung des Suchtverhaltens als motivationaler Initiator ei­ner erneuten Suchthandlung fungiert. Eine ausführliche Einführung in dieses Modell wird in dieser Arbeit in den Kapiteln 1.8 ff. gegeben.

Auf die lerntheoretischen Faktoren bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von ab­hängigem Verhalten wird in den folgenden Kapiteln genauer eingegangen.

1.1.3.2 Lernen und konditionierte Responses

Eine biologische Grundvoraussetzung für Lernprozesse, wie sie beim Menschen beobach­tet werden können, ist die Plastizität neuronaler Verbindungen. Zunächst muss eine Infor­mation vom Organismus durch seine Sinnesorgane aufgenommen, anschließend verar­beitet und schließlich gespeichert werden. Wenn diese Information Einfluss auf zukünftiges Verhalten hat, dann hat „Lernen“ stattgefunden (Goltz & Kiefer, 2008).

Bei Suchterkrankungen spielt vor allem das belohnungsassoziierte Lernen eine wichti­ge Rolle (Robinson & Berridge, 1993, 2000). Besonders das mesolimbische System ver­mittelt bei der Informationsverarbeitung von hedonistisch relevanten Konsequenzen und der Identifizierung von belohnungsversprechenden Reizen. Nach dem Modell der klassi­schen Konditionierung können ursprünglich neutrale Stimuli durch ihre zeitliche und räumli­che Nähe zu drogenassoziierten Reizen zu Auslösern für das initiale „Verlangen“ (Craving) werden, das als motivationale Grundlage den Weg für die Ausübung des suchtspezifi­schen Verhaltens bahnt (Robinson & Berridge, 1993, 2000). Zusätzlich erhöht sich die Wahrscheinlichkeit eines erneuten Auftretens des Suchtverhaltens durch Mechanismen des operanten Konditionierens. Hierbei spielen sowohl die positive Verstärkung mittels (kurzfristig) appetenter hedonistischer Konsequenzen durch Ausüben des Suchtverhaltens als auch die negative Verstärkung durch das temporäre Wegfällen aversiver Empfindun­gen und eventueller Entzugserscheinungen eine Rolle (Goltz & Kiefer, 2008).

1.1.3.3 Neuronale Grundlagen abhängigen Verhaltens (Goltz & Kiefer, 2008)

Im Gegensatz zum „klassischen“ Lernen komplexer Informationen, wie z. B. dem Erlernen von Sprache, findet das Lernen von abhängigen Verhaltensweisen in den phylogenetisch sehr alten Regionen des menschlichen Gehirns statt. Eine zentrale Rolle spielt hierbei das dopaminerge mesolimbische System. Einen Großteil seiner Nervenfasern entspringen dem ventralen Tegmentum und projizieren über das ventrale Striatum weiter in den präfrontalen Kortex. Bei der Enkodierung von Informationen in das Langzeitgedächtnis spielt der Hippokampus eine entscheidende Rolle. Das ventrale Tegmentum mit seinen vielen reziproken Verbindungen zum Hippokampus ist hier wichtig für die Einspeicherung von Stimuli, die mit belohnenden Signalen verstärkt wurden. Das ventrale Striatum mit dem Nucleus accumbens als zentralem Organ ist für die Reaktion auf unkonditionierte und konditionierte Reize zuständig. Des Weiteren ist die basolaterale Amygdala an der Er­schaffung von Assoziationen zwischen Hinweisreizen und Belohnung beteiligt. In den spä­teren Verlaufsstadien des abhängigen Verhaltens entwickeln sich weitestgehend automati­sierte Reiz-Reaktions-Schemata, die durch das dorsolaterale Striatum gesteuert werden.

Das folgende Kapitel soll einen tieferen Einblick in die kortikalen Abläufe bei einer be­stehenden Abhängigkeit gewähren.

1.1.3.4 Sucht und das dopaminerge System

Ein immer wiederkehrender Befund bei der Untersuchung von Substanzen und Verhal­tensweisen, die zu abhängigem Verhalten führen, ist deren Eigenschaft, den Dopaminpe­gel in den synaptischen Spalten des Nucleus accumbens zu erhöhen (Wise, 1996). Wäh­rend Dopamin bis vor einiger Zeit noch in dem Ruf stand, selbst der Auslöser des gefühl­ten „Vergnügens“ zu sein, geht man mittlerweile davon aus, dass seine Funktion komple­xer ist. Dopamin ist nach aktuellen Theorien nicht für das Induzieren des hedonistischen Empfindens selbst zuständig, sondern vielmehr ein Detektor „glücksversprechender“ Sti­muli (Franken, 2003). Robinson und Berridge (1993; 2000) gehen davon aus, dass Dopa­min die Aufgabe hat, die Aufmerksamkeit des Organismus auf jene Stimuli zu lenken, die eine potentielle Belohnung (oder Bedrohung) ankündigen. Bezogen auf Suchtmittel postu­lieren die Autoren, dass wiederholtes Ausführen von Suchtverhalten zu adaptiven Prozes­sen im dopaminergen mesolimbischen System führt. Mittels Konditionierungsprozessen findet in dieser Region eine Sensitivierung statt. Diese führt zu einer erhöhten Aufmerk­samkeitszuteilung auf suchtmittelrelevante Reize, die durch den Konditionierungsprozess selbst zu belohnungsanzeigenden Reizen geworden sind. Ausführlich werden diese soge­nannten „incentive motivational processes" in Kapitel 1.8 der vorliegenden Arbeit erläutert.

Ergänzt werden Robinsons und Berridges (1993; 2000) Befunde durch Versuche zu belohnungsassoziiertem Lernen mittels Rechenmodellen (Montague et al., 2004). Die zu­grunde liegende Annahme hinter diesen Experimenten ist, dass biologische Systeme ihr Verhalten derart ausrichten, dass sich die Wahrscheinlichkeit des Erhaltens einer zukünfti­gen Belohnung maximiert. In biologischen Systemen wird der Erfolg oder Misserfolg die­ses belohnungsmaximierenden Verhaltens mittels dopaminerger Transmissionen kodiert. So wird ein phasischer Anstieg des Dopaminpegels in Folge eines Verhaltens vom System als ein Signal dafür wahrgenommen, dass die Konsequenzen des Verhaltens besser aus­gefallen sind als ursprünglich erwartet. Dies bezeichnet man auch als einen positiven Vo- hersagefehler für ein Belohnungsereignis (positive reward-prediction error). Fallen die be­lohnenden Konsequenzen eines Verhaltens geringer aus als erwartet, führt dies zu einer phasischen Abnahme der Dopaminausschüttung. In diesem Fall spricht man von einem negativen Vohersagefehler für ein Belohnungsereignis (negative reward-prediction error) (Montague et al., 2004).

Stoffgebundene Suchtmittel, die eine vermehrte Dopaminausschüttung verursachen, „überlisten“ somit das natürliche Lernsystem des Menschen, indem alle Handlungen im Zusammenhang mit dem Substanzgebrauch zu Ergebnissen führen, die vom System als „besser als erwartet“ eingestuft werden, unabhängig von der subjektiven Bewertung. Hy­man (2005) bezeichnet die langfristigen Folgen dieses Prozesses als eine spezielle Form einer Gedächtniserkrankung. Anstatt dem üblicherweise mit dem Wort assoziierten Ge­dächtnisverlust werden in diesem Fall drogenassoziierte Gedächtnisinhalte „zu genau“ und „zu stark“ erinnert. Der abhängigen Person fällt es dadurch schwer, drogenassoziierte Sti­muli „aus dem Köpf' zu bekommen und zu ignorieren.

In Kapitel 1.9 ff. wird die Rolle von Dopamin innerhalb einer Abhängigkeitserkrankung und dem dabei auftretenden Aufmerksamkeitsbias ausführlich behandelt.

1.1.4 Verhaltenssucht

Das Konzept der Berauschung ohne Substanzzufuhr ist keineswegs neu. So findet sich bereits 1512 die Erwähnung des Begriffs „Spielsucht“ (Maaler, Diefenbach, 1512; nach Harten, 1991) und 1680 wird erstmals das Vorkommen einer „Kaufsucht“ schriftlich festge­halten (Stieler, 1680; nach Harten, 1991). Mit der „hemmungslose Lust am Geschlechtli­chen“ (Harten, 1991, S. 91) in Form von „Lustsucht“ wird 1577 durch Luther (nach Harten, 1991) eine Form der modernen Sexsucht beschrieben und 1834 erwähnt Hübner (nach Harten, 1991) das Phänomen der „Tanzsucht“. Dennoch gibt es bis zum heutigen Tag in der Fachwelt keine international einheitliche Definition von substanzungebundener Abhän­gigkeit. Im Gegensatz zum stoffgebundenen klinischen Abhängigkeitsbegriff sind auch die Entstehungs- und Aufrechterhaltungsmechanismen sowie Prävalenzen, Komorbiditäten und mögliche therapeutische Interventionsmaßnahmen bei stoffungebundenen Abhängig­keiten unzureichend erforscht (Thalemann, 2009).

Wölfling und Müller (2010) beschreiben die Symptome von Verhaltenssüchtigen auf­grund von Beobachtungen aus dem klinischen Alltag: Betroffene von stoffungebundenen Süchten berichten in der Regel von einem Kontrollverlust über ein ursprünglich als ange­nehm und erwünscht empfundenes Verhalten. Sie berichten weiter von einem starken Drang, dem Verhalten in qualitativ und quantitativ gesteigerter Form nachzugeben. In Fol­ge dessen wird ein Großteil der zur Verfügung stehenden Zeit für diese Verhaltensweise aufgewendet. Ab einem bestimmten Zeitpunkt beginnen die Folgeerscheinungen des Suchtverhaltens pathologische Dimensionen anzunehmen. Durch die exzessive Ausfüh­rung des Suchtverhaltens ergeben sich psychosoziale Einschränkungen mittels einer Prio­ritätenverschiebung in der privaten Zeiteinteilung zu Ungunsten der Pflege sozialer Bezie­hungen. Hinzu kommen berufliche Leistungseinbußen und Beeinträchtigungen der psy­chovegetativen Funktionen, wie den zirkadianen Rhythmen und Veränderungen im emoti­onalen Erleben. Kognitive Bewertungsbiases bezüglich des Suchtverhaltens durch die Be­troffenen tragen zum Ausbleiben einer Krankheitseinsicht und zur Aufrechterhaltung des Suchtverhaltens bei (Wölfling & Müller, 2010).

1.1.4.1 Definition und Klassifikation

Unter Verhaltenssucht versteht man ein stoffungebundenes Abhängigkeitsverhalten. Der Betroffene stellt demnach Verhaltensweisen zur Schau, die die Abhangigkeitskriterien aus Tabelle 1.1 (siehe Kap. 1.1.3) erfüllen, ohne dem Organismus exogen Substanzen zuzu­führen. Der psychotrope Effekt wird ausschließlich durch körpereigene biochemische Ver­änderungen herbeigeführt, die wiederum durch „exzessiv“ betriebene belohnende Verhal­tensweisen ausgelöst werden. Mit exzessiven Verhaltensweisen ist eine qualitative oder quantitative Ausprägung des Verhaltens gemeint, die klar über das allgemein gesellschaft­lich und kulturell anerkannte „normale“ Maß hinausgeht (Thalemann, 2009).

Da Verhaltenssüchte bislang weder in die ICD noch das DSM aufgenommen wurden, existieren auch keine einheitlichen Kriterien für die Diagnosestellung. Dementsprechend sind auch in verschiedenen Forschungsarbeiten zu diesem Thema teilweise unterschiedli­che Kriterien angewandt worden. Eine relativ gut untersuchte Ausprägungsform einer Ver­haltenssucht stellt das pathologische Glücksspiel dar. Dies hat dazu geführt, dass einige Forscher die hierfür geltenden Diagnosekriterien auf die jeweils von ihnen untersuchten Verhaltenssüchte übertragen haben. Andere Arbeiten haben die Kriterien des Abhängig­keitssyndroms nach ICD-10 (Dilling et al., 2000) als Diagnosekriterium verwendet. All dies macht es schwierig, bisherige Studien zu vergleichen und lassen Rufe nach einem ver­bindlichen Kriterienkatalog zur Diagnose von Verhaltenssüchten laut werden (Thalemann, 2009). Grüsser und Thalemann haben 2006 fünfzehn diagnostische Kriterien ausgearbei­tet, die sich sowohl an den allgemeinen Abhängigkeitserkmalen nach ICD-10 (Dilling et al., 2000) als auch den Kriterien für pathologisches Glücksspiel orientieren (siehe Tabelle 1.2).

In der klinischen Praxis werden Verhaltenssüchte in der Regel als „abnorme Gewohn­heiten und Störungen der Impulskontrolle“ (F63.8 im ICD-10) diagnostiziert. Grundlage hierfür ist, dass Patienten mit Verhaltenssüchten oftmals über einen unkontrollierbaren Im­puls berichten, ihrem Suchtverhalten nachzugeben. Allerdings zeigen sowohl Studien als auch Berichte von Praktikern, dass diese Kriterien das Störungsbild nur unzureichend be­schreiben (Thalemann, 2009).

1.1.4.2 Entstehung und Aufrechterhaltung

Zur Entstehung und Aufrechterhaltung von Verhaltenssüchten gibt es - analog zu den stoffgebundenen Süchten - vielfältige Modelle. Die grundlegenden kognitiven und lernthe­oretischen Faktoren, die abhängiges Verhalten begünstigen, unterscheiden sich bei stoff­gebundenen und stoffungebundenen Abhängigkeitserkrankungen dabei nicht. Obwohl kein Modell in der Lage ist, den komplexen Sachverhalt eines abhängigen Verhaltens voll­ständig zu erklären, tragen doch alle dazu bei, das Störungsbild einzuengen und „greifba­rer“ zu gestalten.

Ein Faktor, der auf kognitiver Ebene abhängiges Verhalten begünstigt, ist eine geringe Selbstwirksamkeit. Hinter diesem Begriff verbirgt sich die Selbsteinschätzung, kaum oder gar nicht über die notwendigen Fähigkeiten zu verfügen, um zukünftigen Risikosituationen angemessen begegnen zu können (Thalemann, 2009).

Ein weiterer kognitiver Faktor, der süchtiges Verhalten beeinflusst, ist die individuelle Wirksamkeitserwartung in Bezug auf die Ausführung des entsprechenden Suchtverhal­tens. Als suchtbegünstigend hat sich hierbei die Antizipation stark positiver Effekte bei gleichzeitiger Erwartung geringer negativer Auswirkungen durch das süchtige Verhalten erwiesen. Im Zusammenspiel entfalten diese beiden kognitiven Faktoren eine Spiralwir­kung zugunsten des abhängigen Verhaltens. Je weiter fortgeschritten die Abhängigkeit ist, desto mehr steigt die positive Erwartung an die Wirksamkeit des Suchtverhaltens (u. a.

Tabelle 1.2

Diagnostische Kriterien einer Verhaltenssucht

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Diagnostische Kriterien einer Verhaltenssucht (nach Grüsser & Thalemann, 2006)

1. Verhalten wird über längeren Zeitraum (mind. 12 Monate) in einer exzessiven, von der Norm und über das Maß (z. B. Häufigkeit) hinaus abweichenden Form gezeigt
2. Kontrollverlust über das exzessiv ausgeführte Verhalten (Dauer, Häufigkeit, Intensität, Risiko)
3. Belohnung (das exzessive Verhalten wird als unmittelbar belohnend empfunden)
4. Toleranzentwicklung (das Verhalten wird länger, häufiger und intensiver durchgeführt, um den gewünschten Effekt zu erhalten, bei gleichbleibender Intensität und Häufigkeit des Verhaltens bleibt die gewünschte Wirkung aus)
5. Anfänglich angenehmes belohnendes Verhalten wird im Verlauf der Suchtentwicklung zunehmend unangenehmer
6. Unwiderstehliches Verlangen, das Verhalten ausüben zu wollen/müssen
7. Funktion (das Verhalten wird vorrangig eingesetzt, um die Stimmung/Gefühle zu regulieren)
8. Wirkungserwartung (Erwartung eines angenehmen/positiven Effektes durch die exzessive Verhaltensausführung)
9. Eingeengtes Verhaltensmuster (gilt auch hinsichtlich Vor- und Nachbereitung des Verhaltens)
10. Gedankliche Beschäftigung mit Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung des exzessiven Verhaltens und unter Umständen den antizipierten Folgen der exzessiven Verhaltensdurchführung
11. Irrationale, verzerrte Wahrnehmung bezüglich verschiedener Bereiche des exzessiven Verhaltens
12. Entzugserscheinungen (psychische und physische Entzugserscheinungen)
13. Fortsetzung des exzessiven Verhaltens trotz schädlicher Folgen (gesundheitlich, beruflich, sozial)
14. Konditionierte Reaktionen (treten bei Konfrontation mit internalen und externalen Reizen auf, die mit dem exzessiven Verhalten assoziiert sind sowie bei der kognitiven Beschäftigung mit dem exzessiven Verhalten)
15. Leidensdruck durch die Beseitigung von Entzugserscheinungen) bei gleichzeitiger Abnahme der Selbst­wirksamkeitserwartung (Thalemann, 2009).

Neben den kognitiven Bedingungen spielen auch lerntheoretische Überlegungen eine wichtige Rolle bei der Entstehung und Aufrechterhaltung von abhängigem Verhalten. Ge­nau wie bei der stoffgebundenen Abhängigkeit (siehe Kap. 1.7.3.2) werden auch bei Ver­haltenssüchten ehemals neutrale Stimuli durch Prozesse der klassischen und operanten Konditionierung zu Auslösern konditionierten Suchtverhaltens. Klassische Konditionie­rungsprozesse schaffen dabei Assoziationen zwischen den ehemals neutralen Stimuli aus dem Umfeld des Suchtverhaltens und den positiven Effekten des Ausübens des Suchtver­haltens (Everitt et al., 2001). Diese Reize lösen einen erlernten motivationalen Zustand aus, der wiederum zu Suchtverlangen (Craving) und letzten Endes zur erneuten Ausübung des Suchtverhaltens führt (Robinson & Berridge, 1993; 2000).

Operante Konditionierungsprozesse verfestigen das Suchtverhalten durch positive Ver­stärkung mittels des angenehmen hedonistischen Empfindens nach der Ausübung des Verhaltens und des Wegfalls unangenehmer Empfindungen wie Entzugserscheinungen und innerer Anspannungszustände (negative Verstärkung).

Des Weiteren kann auch auf stoffungebundene Abhängigkeitserkrankungen das integrati­ve psychobiologische Erklärungsmodell (Berridge, 2007; Berridge & Robinson, 1993; Eve­ritt et al., 2001; Franken, 2003; O’Brien et al., 1997; Robinson & Berridge, 2000) ange­wandt werden. Ausführlicheres zu diesem Modell findet sich in der vorliegenden Arbeit in den Kapiteln 1.8 ff.

1.1.5 Computer- und Onlinespielsucht

Der Begriff Onlineabhängigkeit subsumiert exzessive Verhaltensweisen, die sich auf Onlineaktivitäten beziehen, wie z. B. Chatten, online Einkäufen oder im Internet Recher­chieren. Das pathologische Onlinespielen stellt eine Unterform der Onlineabhängigkeit dar, der aufgrund ihres häufigen Vorkommens eine besondere Beachtung geschenkt werden muss. Die von Computerspielsüchtigen am häufigsten genutzten Computerspiele entstam­men dem Genre des Massive Multiplayer Online Role Playing Games (MMORPG). Wie die deutsche Übersetzung „Massen-Mehrspieler-Online-Rollenspiel“ bereits vermuten lässt, handelt es sich bei dieser Art der Spiele um virtuelle Welten, in denen bis zu mehrere Tausend Spieler gleichzeitig am Spielgeschehen teilhaben. Hierbei scheint gerade die so­ziale Komponente dieser Spielart in der Lage zu sein, initial suchtgefährdete Spieler lang­fristig an das Spiel zu binden (Wölfling & Müller, 2009; 2010).

1.1.5.1 Definition und Klassifikation

Die Erfüllung der Suchtkriterien Toleranzentwicklung, Verhaltenseinengung und Entzugs­symptome äußern sich bei der Computerspielabhängigkeit durch eine exzessive Steige­rung der Spielzeiten (Toleranz), einer gedanklichen Fixierung auf das Spielverhalten auch bei Tätigkeiten abseits des Computers (Verhaltenseinengung) und einer gereizten oder depressiven Verstimmtheit bei längerer Spielabstinenz (Entzugssymptome). Weitere Merk­male einer Abhängigkeitserkrankung sind starkes Verlangen, verminderte Kontrollfähigkeit und anhaltender Substanzgebrauch trotz eindeutig schädlicher Folgen. Diese Kriterien werden durch das Vorliegen eines nicht mehr als kontrollierbar empfundenen Verlangens, zu spielen, und ein Fortführen des Spielverhaltens trotz negativer Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit in Schule/Arbeitsplatz, dem Verlust freundschaftlicher Bindungen, Kon­flikten im familiären Umfeld und gesundheitlicher Probleme durch körperliche Fehlhaltun­gen und Schlafprobleme erfüllt (Wölfling & Müller, 2009; 2010).

Wölfling und Müller (2010) gehen nach Sichtung verschiedener Untersuchungen von ei­ner Prävalenz zwischen 3 % und 5 % aus, wobei Männer mit einem Verhältnis von 9:1 deutlich häufiger als Frauen betroffen zu sein scheinen. Als weitere in der Praxis häufig beobachtete komorbide Symptome zählen die Autoren Depressivität, Zwanghaftigkeit, Psychotizismus und soziale Ängste auf.

1.1.5.2 Entstehung und Aufrechterhaltung

Untersuchungen mit validen Forschungsergebnissen zur Pathogenese und zu den Vulne­rabilitätsfaktoren von Computerspielabhängigkeit liegen bis zum heutigen Zeitpunkt nicht vor. Verschiedene Untersuchungen (Batthyany et al., 2009; Hahn & Jerusalem, 2001) konnten jedoch aufzeigen, dass computerspielabhängige Probanden dysfunktionale Co- pingstrategien bei Stress (vom englischen: to cope with = „bewältigen", „überwinden") ver­wenden und gleichzeitg eine verminderte Kompetenzerwartung an den Tag legen. Gerade bei der Aufrechterhaltung des abhängigen Verhaltens spielt ein medienfokussiertes Co­ping eine wichtige Rolle. Abhängige Computerspieler nutzen signifikant häufiger Compu­terspiele, um ihre Emotionen zu regulieren und Stress zu bewältigen, und weisen höhere Werte in sozialer Unsicherheit auf (Wölfling & Müller, 2010).

Nach einem von Wölfling und Müller (2009) erstellten Vulnerabilitätsmodell zur Compu­terspielabhängigkeit stellen ein stark ausgeprägter Neurozitismus, eine schwach ausge­prägte Gewissenhaftigkeit, ein Hang zur Extraversion sowie frühe positive Erfahrungen mit Computerspielen Risikofaktoren für die Entwicklung einer Computerspielabhängigkeit dar. Durch soziale Nicht-Beachtung innerhalb der angestrebten Peer-Group und gleichzeitigen positiven Erfahrungen innerhalb virtueller sozialer Gefüge (wie z. B. Gilden) sinken die Kompetenzerwartungen im realen Umfeld bei einem gleichzeitigem Anstieg der Kompe­tenzerwartung im virtuellen Raum. Wölfling und Müller (2009) sprechen in diesem Zusam­menhang von einem so genannten „Immersionseffekt“.

1.2 Spiel und Computerspiel

Das Spielen von Computerspielen ist, nüchtern betrachtet, kein produktiver Zeitvertreib. Dennoch berichtet der GfK Panel Services Deutschland (2010a) in der ersten Hälfte des Jahres 2010 von geschätzten 24,7 Mio. verkauften Computer- und Videospielen für das Gesamtjahr 2010. Die folgenden Kapitel sollen Aufschluss darüber geben, warum so viele Menschen ihre Zeit mit Computerspielen verbringen. Außerdem soll aufgezeigt werden, dass der Wunsch, Computerspiele zu spielen, dem natürlichen Spieltrieb des Menschen entspringt und warum die elektronische Form des Spiels besonders gut geeignet ist, die­sen Trieb zu befriedigen.

Computerspiele stellen eine spezielle Form des Spiels dar. Der Spieler kann sich inner­halb einer elektronisch erstellten „Parallelwelt“ seinem natürlichen Spieltrieb hingeben. Um besser verstehen zu können, warum der Mensch Computerspiele spielt, schauen wir uns zunächst an, was die Eigenarten des menschlichen Spielverhaltens ausmachen. Dieses stellt nämlich einen natürlichen Teil des menschlichen Handlungsrepertoires dar. Als die drei notwendigen Kennzeichen des Spiels in der Handlungstheorie definiert Oerter (1993) „Handlung als Selbstzweck“, „Wiederholung und Ritual“ und „Realitätskonstruktion“, auf die im Folgenden genauer eingegangen wird. Des Weiteren soll gezeigt werden, dass auch dem Spielen von Computerspielen die Merkmale des Spiels innewohnen.

1.2.1 Zweckfreiheit

Im Handlungsmodell nach Heckhausen (1977, nach Oerter, 1993) spiegelt sich das Spiel als eine Ernsthandlung ohne Folgen wider (siehe Abb. 1.1). Ein Spiel wird also um seiner selbst willen ausgeführt und eventuell entstehende Folgen sind unbeabsichtigt. Auch das Spielen von Computerspielen kann im Allgemeinen als eine Ernsthandlung ohne Folgen betrachtet werden. Eventuelle Auswirkungen auf das Alltagsleben des Spielers sind unab­sichtlicher Natur und treten, wenn überhaupt, lediglich als Nebenerscheinung des Spielver­haltens auf.

Dem Prinzip des Spiels steht der Erwerb des Lebensunterhalts diametral entgegen. Im Gegensatz zum Spiel stehen bei der Arbeit die Folgen der Handlung im Vordergrund.

1 landlung;-,Htruktur von " Ettis thund I ungen "

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1.1:

Gegenüberstellung der Handlungsstruktur des Spiels zur Ernsttätigkeit (dem Motivations­modell von Heckhausen, 1977 entlehnt, nach Oerter, 1993) erst einmal spielerisch einzuüben (Oerter, 1993). Oerter (a. a. O.)

Werden die Auswirkungen des Spiels wichtig, so wandelt es sich in Arbeit (Oerter, 1993, S. 5). Beispiele hierfür sind Berufsmusiker, Profisportler und im Bereich des Computer­spiels die sogenannten professionellen „E-Sportler“.

1.2.2 Wechsel des Realitätsbezugs

Zu den Grundcharakteristika des Spiels gehört es, ein Phänomen des realen Lebens aus dem Lebensalltag zu lösen und in eine imaginierte Situation zu übertragen. Kinder und Tie­re nutzen diesen „geschützten Raum“, um später notwendige Handlungsabfolgen verwen­det zur Veranschaulichung das Beispiel eines kleinen Jungen, der mittels Kasperlepuppen eine abgewandelte Situation aus seinem Alltag nachspielt. Dabei findet eine zweifache Umwandlung der Realität statt. Im ersten Schritt erschafft die Nachstellung mittels Puppen eine fiktive Welt. Im zweiten Schritt wird die erlebte Situation verfremdet wiedergegeben.

Um dieses Beispiel auf MMOGs zu übertragen, könnte man sagen, dass diese Pro­gramme eine künstliche Welt erschaffen, die von „virtuellen Puppen“ bevölkert wird. In Onlinespielen werden diese graphischen Stellvertreter des Spielers „Avatare“ genannt. Auch Computerspiele beinhalten Phänomene des realen Lebensalltags, die Situationen aus dem Leben der Spieler widerspiegeln. So haben beispielsweise alle MMORPGs ein virtuelles Währungssystem. Zum Erwerben von Gütern muss der Spieler auf die eine oder andere Art Zahlungsmittel ansammeln. Man könnte argumentieren, dass hier spielerisch eingeübt wird, dass dem Erwerb einer Sache eine Form von Leistung vorausgehen muss, die monetär entlohnt werden muss. Auch die Kommunikation mit menschlichen Mitspielern innerhalb eines MMOGs stellt ein Phänomen aus dem realen Leben des Spielers dar, das losgelöst vom Lebensalltag im „geschützten Raum“ der Spielwelt stattfindet.

Wie bei einem Wechsel des Realitätsbezugs verlangt, bilden die dargestellten Situatio­nen innerhalb der Spielwelten von MMOGs verfremdete Abbilder der Realität nach. Einen Extremfall dieser Verfremdung stellen bei einigen MMORPGs speziell ausgewiesene Rol­lenspielserver dar. Auf diesen muss sich jeder Spieler eine Fantasiegeschichte zu seinem Avatar ausdenken. Innerhalb des Spielgeschehens muss sich der Spieler entsprechend den ausgedachten Charakterzügen seines Avatars verhalten und auch in der Kommunika­tion mit seinen Mitspielern ganz „in seiner Rolle“ bleiben. Ein Ausbrechen aus der Rolle und Erwähnen der realen Welt sind hier verpönt.

Gerade die Übertragung des Aspektes der spielerischen Einübung macht einen proble­matischen Aspekt von Computerspielen sichtbar. In der Mehrzahl der erfolgreichsten und beliebtesten Computerspiele werden gewaltbeinhaltende Handlungsfolgen eingeübt. Es werden eben nicht später praktikabel anwendbare soziale Fähigkeiten trainiert, sondern das geschickte Einsetzen der eigenen virtuellen Fähigkeiten im Kampf gegen feindlich ge­sinnte „andersartige Wesen“.

Auf der anderen Seite berichten viele Spieler, dass sie ihre im Onlinespiel erworbenen Führungsqualitäten (z. B. als Gildenmeister1 oder Raidleiter2 ) auch im realen Leben an­wenden konnten. Yee (2006) fand, dass 50,3 % aller Befragten der Meinung waren, durch Onlinespiele etwas über Führung gelernt zu haben.

1.2.3 Wiederholung und Ritual

Als drittes, kennzeichnendes Kriterium eines Spiels führt Oerter (1993) das Prinzip von „Wiederholung und Ritual“ an. Im Zusammenhang mit diesem Erkennungsmerkmal des Spiels wird das Prinzip des „Flow-Erlebens“ (Csikszentmihalyi, 1993) eingeführt. Eine tiefer gehende Auseinandersetzung mit diesem Phänomen findet in den Kapiteln 1.2.3 f. statt.

Wiederholung im Spiel führt oftmals zu Flow-Zuständen (a. a. O.) und somit zu einem Verschmelzen mit und Aufgehen in der Tätigkeit. Gerade im Bereich der Computerspiele stellen sich wiederholende Handlungen mit leichten Variationen oftmals das Grundelement des Spiels dar. So verbringt z. B. ein Spieler des Spiels Counterstrike seine Zeit mit der ständigen Wiederholung der virtuellen Handlungen des Rennens, Zielens und Schießens. Bei MMORPGs ist ebenfalls ein Kernbereich des Spielerlebens der Kampf. Hat der Spieler eine Abfolge von Handlungen innerhalb des Kampfgeschehens erlernt, die meistens zum Erfolg führt, so wird er diese so oft wie möglich wiederholen. „Rituale sind festgelegte For­men sozialer Verhaltensweisen, die zu bestimmten Anlässen immer wieder und in der glei­chen Weise reproduziert werden“ (Oerter, 1993, S. 17). Im öffentlichen Leben äußert sich dies in unserem Kulturkreis hauptsächlich durch Wettkämpfe sportlicher Natur. Doch auch für den Onlinespielespieler kann das allabendliche Treffen und gemeinsame Raiden (siehe Fußnote 2) mit den Mitspielern seiner Gilde (siehe Fußnote 1) zu einem Ritual werden.

Oerter (1993) sieht zwei Hauptfunktionen von Ritualen: Einerseits bewirkt die durch sie hergestellte Ordnung Gefühle von Sicherheit und Geborgenheit. Die allabendliche Ge­schichte, die die Mutter ihrem Kind vor dem Schlafengehen vorliest, ist hierfür sicherlich ein gutes Beispiel. Andererseits bieten Rituale die Möglichkeit, Gefühle des „Besonderen“ bis hin zum Erhabenen zu erfahren (z. B. Volksfeste oder religiöse Zeremonien).

In der virtuellen Welt des Onlinespielers entstehen Sicherheit und Geborgenheit durch das Wissen, zu bestimmten festen Zeiten immer die selben Mitspieler antreffen zu können oder sich darauf verlassen zu können, einmal die Woche einen bestimmten Teil der Spie­lewelt für einen größeren Kampf aufzusuchen. Das Besondere und Erhabene kann der Spieler sowohl durch Rituale seitens der Entwickler, wie z. B. besondere Aktionen anläss­lich von Feiertagen, als auch von seinen Mitspielern erleben. Hierzu zählen Ereignisse wie das Aufnahmeritual in eine Gilde oder eine virtuelle Hochzeit mit einem Mitspieler.

1.2.4 Intrinsische Motivation und Flow-Erleben

Abhängige Verhaltensweisen entziehen sich der bewussten Kontrolle des Ausführenden und resultieren in subjektiv als belohnend empfundenen Gefühlszuständen bis hin zum Er­leben eines Flow-Zustandes (Rheinberg, 2006).

Warum ist der Vorgang des Spielens eines Computerspiels dazu in der Lage, für Men­schen zu einer abhängigkeitserzeugenden Erfahrung zu werden? Eine mögliche Antwort darauf liegt in der Fähigkeit von Computerspielen, Empfindungen von „flow“ auszulösen. „Flow“ bezeichnet einen Zustand, in dem der Erlebende Empfindungen von Zeit und Raum hinter sich lässt und vollkommen in der aktuellen Tätigkeit aufgeht (Csikszentmihalyi, 1993). Rheinberg (2006) bezeichnet das Flow-Erleben als das „selbstreflexionsfreie, gänz­liche Aufgehen in einer glatt laufenden Tätigkeit, bei der man trotz voller Kapazitätsauslas­tung das Gefühl hat, den Geschehensablauf noch gut unter Kontrolle zu haben“ (Rhein­berg, 2006, S. 345).

Als Csikszentmihalyi (1993) Personen, die hoch motiviert bestimmten Aktivitäten ohne er­kennbare Belohnung nachgingen, nach ihren Beweggründen fragte, fand er zwischen sechs und neun wiederkehrende Bestandteile, die charakteristisch für das Flow-Erleben sind. Die wichtigsten dieser Komponenten werden in Tabelle 1.3 aufgeführt.

Zu den Handlungen, die besonders geeignet sind Flow-Erleben auszulösen, zählt Csikszentmihalyi die sogenannten autotelischen Aktivitäten. Darunter subsumiert er all jene Tätigkeiten, die ausschließlich aufgrund intrinsischer Motivation ausgeführt werden. Ein intrinsisches Motiv liegt immer dann vor, wenn sich der Anreiz zum Ausüben eines Verhaltens „nicht in erster Linie aus den erwarteten Ergebnisfolgen, sondern aus dem Tä­tigkeitsvollzug“ (Rheinberg, 2006, S. 334) ergibt. Somit ist es neben dem Wechselspiel von Spannung und Lösung innerhalb des Spielverlaufs (Heckhausen, 1964/65; Huizinga, 1955, nach Oerter, 1993) das Spielen des Spiels an sich, welches sich selbst belohnt und verstärkt (Hunt, 1965; Heckhausen, 1989, nach Oerter, 1993). Dass Computerspiele sehr gut geeignet sind, Flow-Erleben zu erzeugen, wird im folgenden Kapitel ausführlich erör­tert. Ein erster Hinweis ergibt sich aber bereits aus einer Untersuchung zur Spielmotivation bei Computerspielern anhand des Online-Browser-Spiels Space Merchant Realms, in der das Vorliegen von überwiegend intrinsischen Motiven festgestellt wurde (Schultheiss, 2009).

Beispiele für typische Situationen, in denen sich Menschen im Flow-Zustand befinden, sind u. a. Chirurgen während der Operation, Musiker beim Spielen ihres Instruments, Schach­spieler während des Schachspielens und Computerspieler beim Computerspielen (Rhein­berg, 2006). Im /tow-Zustand folgt Handlung auf Handlung, und zwar nach einer inneren Logik, welche kein bewusstes Eingreifen von Seiten des Handelnden zu erfordern scheint. Er erlebt den Prozess als ein einheitliches „Fließen“ von einem Augenblick zum nächsten, wobei er Meister seines Handelns ist und kaum eine Trennung zwischen sich und der Umwelt, zwischen Stimulus und Reaktion, oder zwischen Vergangenheit, Ge­genwart und Zukunft verspürt. (Csikszentmihalyi, 1993, S. 59.)

In seinem Buch von 2004 benutzt Rheinberg das Bild eines „Computerfreaks“, um einen typischen Menschen im Flow-Zustand beispielhaft zu beschreiben: „Beispiele sind der Computerfreak, der erst am schmerzenden Rücken mitten in der Nacht merkt, dass er schon wieder viele Stunden am Rechner zugebracht und dabei das Essen und einen Ter­min vergessen hat“ (Rheinberg, 2004, S. 154).

Csikszentmihalyi (1993) postuliert einen Flow-Kanal, der zwischen den beiden Polen „Angst“ und „Langeweile“ verläuft (siehe Abb. 1.2). Bei einem Ansteigen der Anforderun­ gen über die eigenen Fähigkeiten hinaus verlässt man den Bereich des Flow- Empfindens und wird, je nach Intensität der Anforderung, über Sorge hin zu einem angstvollen Empfin­den gelangen. Umgekehrt wird eine Unterforderung der eignen Fähigkeiten über ein Emp­finden von Langeweile in ihrer extremsten Ausprägung auch wieder zu einem Empfinden von Angst. Bei diesem Phänomen wird also nicht versucht, einen Endzustand herzustel­len, sondern vielmehr möglichst lange und intensiv einer Tätigkeit nachgegangen, die im Zustand des Verrichtens als stark belohnend empfunden wird. Selbst die Kenntnis langfris­tig stark aversiver Konsequenzen bei Tätigkeiten wie starkem Rauchen, übermäßigem Es­sen oder exzessivem Computerspielen werden im Flow-Zustand ausgeblendet und ver­stärken somit den Reiz zur Ausführung der entsprechenden Tätigkeit noch mehr.

Tabelle 1.3

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Hauptkomponenten des Flow-Erlebens

Sechs Hauptkomponenten des Flow-Erlebens (nach Csikszentmihalyi, 1975; Rheinberg, 2002)

1. Man fühlt sich optimal beansprucht und hat trotz hoher Anforderung das sichere Gefühl, das Geschehen noch gut unter Kontrolle zu haben. (Balance zwischen Anforderung und Fähigkeit auf hohem Niveau.)
2. Handlungsanforderungen und Rückmeldungen werden als klar und interpretationsfrei erlebt, so dass man jederzeit und ohne nachzudenken weiß, was jetzt als richtig zu tun ist.
3. Der Handlungsablauf wird als glatt erlebt. Ein Schritt geht flüssig in den nächsten über, als liefe das Geschehen gleitend wie aus einer inneren Logik. (Aus dieser Komponente rührt wohl die Bezeichnung »Flow«.)
4. Man muss sich nicht willentlich konzentrieren, vielmehr kommt die Konzentration wie von selbst, ganz so wie die Atmung. Es kommt zur Ausblendung aller Kognitionen, die nicht unmittelbar auf die jetzige Ausführungsregulation gerichtet sind.
5. Das Zeiterleben ist stark beeinträchtigt; man vergisst die Zeit und weiß nicht, wie lange man schon dabei ist. Stunden vergehen wie Minuten.
6. Man erlebt sich selbst nicht mehr abgehoben von der Tätigkeit, man geht vielmehr gänzlich in der eigenen Aktivität auf (sog. »Verschmelzen« von Selbst und Tätigkeit). Es kommt zum Verlust von Reflexivität und Selbstbewusstheit.

Nach Erhebungen der Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse aus dem Jahre 2000 befinden sich zwei Drittel der deutschen Bevölkerung „ab und zu“ in diesem Zustand. Mit eingeschlossen sind damit auch jene 25 % der Deutschen, die „häufig“ Flow-Erlebnis­se haben. Lediglich zehn Prozent der Bevölkerung kennen diesen Zustand gar nicht. Sowohl Massimini und Carli (1991) als auch Rheinberg (1996) untersuchten, welche Akti­vitäten das Erreichen eines Flow-Zustandes begünstigen. Demnach scheinen besonders handwerklich/künstlerische Aktivitäten, Aktivitäten geistiger Produktivität und Aktivitäten sozialer Interaktion (insbesondere sexueller Aktivität) das Erreichen eines Flow-Zustandes zu fördern. Hierbei ist insbesondere der Aspekt der sozialen Interaktion für Online-Spiele interessant, bei denen ja ein Großteil des Spielerlebnisses aus der Interaktion mit anderen Mitspielern besteht.

Dass das Computerspielen besonders gut geeignet ist um Flow-Zustände zu erzeugen, soll im folgenden Kapitel erläutert werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1.2:

Flow-Kanalmodel nach Csikszentmihalyi (1993)

1.2.5 Flow-Erleben Im Computerspiel

Gerade Computerspiele eignen sich besonders gut, um unter kontrollierten Bedingungen Flow-Zustände zu manipulieren. Bei dieser Art der Manipulation können alle Bedingungen der Aufgabe und Situation konstant gehalten werden, während der Parameter der Anfor­derung bzw. Schwierigkeit variiert werden kann. Csikszentmihalyis (1993) Flow-Kanalm­odell (siehe Abb. 1.2) postuliert hierbei einen kurvilinearen Verlauf. Mit wachsenden Anfor­derungen steigen die Werte für das Flow-Empfinden. Nachdem ein optimaler Beanspru­chungsgrad erreicht wurde, fallen die Werte für das Flow-Erleben wieder ab, wenn der An­forderungsgrad weiter ansteigt. Schafft es ein Computerspiel, bei einem Spieler Flow- Empfinden auszulösen, so liegt dies daran, dass der Spieler in einen „unterbrechungsfrei­en und schnell laufenden Zyklus von eigenem Output und unmittelbarer Umweltantwort gerät, den man bei voller Mobilisierung eigener Ressourcen gerade noch gut beherrschen kann“ (Rheinberg & Vollmeyer, 2003, S. 18).

Eine Studie von Rheinberg und Vollmeyer (2003) zum Flow-Erleben beim Spielen eines Computerspiels konnte das Vorhandensein dieses Zusammenhangs zwischen Beanspru­chung und subjektiv erlebtem Flow-Empfinden nachweisen. Dabei stieg das Flow-Erleben der Probanden kontinuierlich mit der erhöhten Beanspruchung innerhalb des Spiels an, um dann nach Erreichen der höchsten Schwierigkeitsstufen auf einen Minimalwert abzufallen (Rheinberg & Vollmeyer, 2003). Diese Befunde stehen im Einklang mit dem von Csiks­zentmihalyi (1993) postulierten Flow-Kanal-Modell (siehe Abb. 1.2). Der größtmögliche Flow-Effekt konnte in diesem Fall beim Spielen des Spiels Roboguard auf der Schwierig- Bei dem Computerspiel „Roboguard“ stellte sich bei den Probanden auf der Schwierig­keitsstufe Acht ein Empfinden optimaler Schwierigkeit bei gleichzeitig hohem Flow-Empfin­den ein.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Ein wichtiger Faktor für das Entstehen eines Flow-Empfindens ist eine „klare und eindeuti­ge Zielsetzung innerhalb der Tätigkeit“ (Wünsch & Jenderek, 2008, S. 50). Computerspiele gewährleisten dies durch klar erkennbare Spielziele. Beispiele sind das Sammeln von Er­fahrungspunkten zum Erreichen des nächsten Levels seines Avatars oder das Ansammeln von Spielgold, um einen bestimmten Ausrüstungsgegenstand erwerben zu können. Auf den ersten Blick scheint ein klar definiertes Ziel der Vorgabe der „Zweckfreiheit“ eines Spiels im Handlungsmodell nach Heckhausen (1977, nach Oerter, 1993) zu widerspre­chen. Tatsächlich bezieht sich diese Forderung allerdings lediglich auf die Folgen der Handlung für das Alltagsleben. Zielverfolgungen innerhalb des Spiels zum Erreichen eines Spielziels sind davon nicht betroffen.

Weiterhin ist laut Wünsch und Jenderek (2008) die Feedbackschleife zwischen den Aktio­nen des Computerspielers und den Reaktionen des Computerprogramms sehr gut geeig­net, um ein optimales Beanspruchungsniveau für den Flow-Effekt zu erreichen. Zusätzlich kommt die meist vorhandene Funktion des Computerspiels, die Schwierigkeit des Spiels durch ein Anpassen der Schwierigkeitsstufe den individuellen Fähigkeiten anzugleichen, dem potentiellen Erreichen eines Flow-Zustandes entgegen.

Da ein Flow-Zustand auch immer mit einem Verlust des Zeitempfindens einhergeht, un­tersuchten Rau und seine Kollegen (2006), ob der Grad der Erfahrung im Umgang mit Computerspielen einen Einfluss auf den Umfang der erlebten Zeitverzerrung hat. Sie teil­ten ihre Versuchsgruppe in spielerfahrene Experten und Anfänger ohne Spielerfahrung ein und ließen ihre Versuchspersonen (Vpn) ein Offline-Rollenspiel im Mehrspielermodus spielen. Je nach Versuchsgruppe wurden sie nach 30-, 60- oder 90-minütigem Spiel unter­brochen, um einen Fragebogen zum Spielerleben auszufüllen. Die Ergebnisse zeigten, dass lediglich 26,92 % der Anfänger die mit Spielen verbrachte Zeit korrekt einschätzen konnten, ohne sie zu unter- (42,31 %) oder zu überschätzen (30,77 %). Auch bei den Ex­perten waren lediglich 31,58 % in der Lage, ihre Spielzeit richtig einzuschätzen. Die Abwei­chungen von der tatsächlich gespielten Zeit lagen dabei über beide Gruppen im Schnitt ungefähr zwischen 3 und 15 Minuten. Das Unterschätzen der mit Spielen verbrachten Zeit bei einem Großteil der Versuchspersonen deutet auf das Vorhandensein eines Flow-Ef­fekts beim Spielen von Computerspielen hin, der erfahrene wie unerfahrene Spieler glei­chermaßen in ihrer Zeitwahrnehmung beeinflusst (Rau et al., 2006).

1.2.6 Computerspielen als spezielle Form des Spiels

Das Computerspielen stellt eine Variation des klassischen Spielens dar. Spezifisch für die­se Form des Spiels ist seine Gebundenheit an ein technisches Medium. Ansonsten ist auch das Computerspielen eine „freie, innerhalb eines eigenen Realitätsrahmens intrin­sisch motivierte, .zweckfreie’ Handlung“ (Wünsch & Jenderek, 2008, S. 47).

Wünsch und Jenderek definieren das Computerspiel als eine Form des Spiels, „bei dem der Spielende durch technisch vermittelte Simulation und Regelüberwachung (.Spiel­leitung’) eine .Stimulation’ erfährt und die Kommunikation innerhalb der Simulation, also die Interaktion mit dem Spielgeschehen und den Spielpartnern, ebenfalls technisch vermittelt erfolgt“ (Wünsch & Jenderek, 2008, S. 47).

Die Spielwelt wird also vom Medium Computer erzeugt und somit als Simulation be­zeichnet. Innerhalb dieser Simulation sind die Regeln von der Software festgelegt, deren Einhaltung ebenfalls vom Programm überwacht wird. Stimulation erhält der Spieler durch das starke Ansprechen der auditiven und visuellen (in Ausnahmefällen auch der hapti- sehen) Sinneskanäle durch das Computerspiel. Wünsch und Jenderek wählen das Wort „Stimulation“ deshalb, weil die Ausprägung der Sinnesreizung weit über das zur Vermitt­lung des Regelwerks und der Kommunikation notwendige Mindestmaß hinausgeht. Kom­munikation innerhalb des Computerspiels kann, je nach Art des Spiels, zwischen Spieler und Computerprogramm oder aber auch zwischen zwei Spielern innerhalb der vom Pro­gramm vorgegebenen Möglichkeiten stattfinden. Je „interaktiver“ ein Programm gestaltet ist, desto mehr „kommuniziert“ es mit dem Spieler, indem es auf Handlungen des Spielers mit Veränderungen innerhalb der Spielwelt reagiert (Wünsch & Jenderek, 2008).

Was macht also den besonderen Reiz von Computerspielen aus? Was bringt Men­schen aller Altersgruppen dazu, sich über lange Zeiträume hinweg einer zweckfreien Be­schäftigung zuzuwenden? Wünsch und Jenderek sind der Ansicht, Computerspiele seien hervorragend dazu geeignet, den Menschen „zu unterhalten“. Den Begriff der Unterhaltung führen die Autoren auf das Erleben einer als positiv empfundenen Makroemotion zurück, die eng mit den Faktoren von erlebter Souveränität und Kontrolle verbunden ist. Sie beru­fen sich dabei auf die Triadisch-Dynamische Unterhaltungstheorie (TDU) von Früh (2002, nach Wünsch & Jenderek, 2008). Dies erklärt die große Beliebtheit von Computerspielen, sind doch die Möglichkeiten aktiv den Verlauf des Geschehens zu beeinflussen ungleich größer als bei anderen Unterhaltungsmedien. Im Gegensatz zu Filmen oder Unterhal­tungsliteratur bieten Computerspiele außerdem die Möglichkeit, sich einem „kontrollierten Kontrollverlust“ auszusetzen. Diese Eigenart des Spiels ermöglicht die zeitweise Unterwer­fung des eigenen Handelns unter die Regeln des Spiels, ohne jedoch Konsequenzen die­ser Handlungen auf die erlebte Alltagswirklichkeit befürchten zu müssen (Wünsch & Jen­derek, 2008).

Als weiteren Aspekt für den Erfolg von Computerspielen führen Wünsch und Jenderek (2008) die Notwendigkeit an, sich emotional oder kognitiv auf das Unterhaltungsangebot einzulassen, um eine Form der Unterhaltung zu erfahren. Da das Spielen eines Computer­spiels ohne aktives Eingreifen seitens des Spielenden nicht möglich ist, kann man davon ausgehen, dass jeder freiwillig spielende Computerspieler diese Vorbedingung zum Unter­haltungserleben erfüllt.

1.2.7 Merkmale eines erfolgreichen Computerspiels

Wood und Kollegen haben 2004 untersucht, welche die wichtigsten strukturellen Charakte­ristika eines Computerspiels sind. In ihrer Untersuchung wurden 382 Computerspieler ge­beten, die Wichtigkeit von einzelnen Spielelementen zu bewerten. Tabelle 1.4 zeigt alle Merkmale, die von über 50 % der Teilnehmer als wichtig eingestuft wurden. Dabei zeigt sich, dass neben realistischen Grafik- und Soundeffekten vor allem die Möglichkeit zur Weiterentwicklung des Spielcharakters und ein schnelles „Mitgerissen werden“ eine ent- Tabelle 1.4

Die wichtigsten Merkmale eines Computerspiels aus Sicht von Computerspielern (nach Woods et al., 2004)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Cheats/Easter eggs 50.1 % scheidende Rolle für den Computerspieler spielen. Innerhalb des Spielgeschehens sind die Möglichkeit zum Entdecken neuer Spielbereiche und Überraschungselemente sowie das Erfüllen von Quests (oftmals in Teilziele unterteilte Spielaufgaben) die als am wichtigs­ten empfundenen Elemente.

Außerdem ziehen die Autoren einen Vergleich zwischen Computerspielen und Glücks­spielautomaten. So sehen sie folgende Merkmale als die wichtigsten Gemeinsamkeiten:

1) Die Notwendigkeit, auf Stimuli zu reagieren, die auf eine vorhersehbare Art und Weise reagieren (und von einer Sofwareschleife gesteuert werden),
2) die Notwendigkeit von starker Konzentration,
3) die Notwendigkeit von exakter Hand-Augen-Koordination,
4) weite Abschnitte des Spiels können durch die individuellen Fähigkeiten des Spielers beeinflusst werden (trifft stärker auf den Bereich der Computerspiele zu),
5) das Vorhandensein visueller und auditiver Belohnungsreize für erfolgreiches Spielverhalten (z. B. blinkende Lichteroderelektronische Soundeffekte),
6) das schrittweise Anwachsen von Belohnungen für bestimmte Verhaltensweisen innerhalb des Spielverlaufs, das „richtiges“ Verhalten belohnt,
7) die digitale Darstellung von „richtigem Verhalten“ in Form von angesammelten Punkten oder Geldbeträgen und
8) die Möglichkeit, Aufmerksamkeit und Anerkennung innerhalb seiner Peer-Group (durch Wettbewerb) zu erlangen.

Computerspielabhängigkeit, wie wir sie heute kennen, rückte erst mit dem Siegeszug der MMORPGs in den Fokus der Öffentlichkeit. Ein Faktor, warum problematisches Spielver­halten gerade im Genre der MMORPGs gehäuft auftritt, liegt im Aufbau dieser Spiele be­gründet. Das folgende Kapitel beschäftigt sich im Detail mit dem Aufbau und den Merkma­len eines erfolgreichen Onlinespiels und der Rolle der sozialen Komponente in diesem Genre.

1.2.8 Merkmale eines erfolgreichen Onlinespiels

Merkmale eines MMORPGs sind eine persistente Spielwelt, die sich auf dem Server des Spieleherstellers befindet und zu der der eigene Computer lediglich das „Zugangstor“ dar­stellt. Der Begriff der Persistenz leitet sich von dem lateinischen Begriff persistere („ver­harren“) her und bezeichnet allgemein die dauerhafte Beschaffenheit einer Sache. Im Be­reich der Onlinespiele versteht man unter einer persistenten Spielwelt eine virtuelle Welt, die auch in Abwesenheit des einzelnen Mitspielers weiter fortbesteht und sich verändert (Yee, 2006). Weiterhin zeichnet sich ein MMORPG durch die Anwesenheit einer erhebli­chen Anzahl weiterer „menschlicher Mitstreiter“ aus, die mit ihren Avataren zur gleichen Zeit dieselbe Spielwelt bevölkern.

Auch typisch für das Genre des MMORPG ist die Abwesenheit eines endgültigen Spiel­ziels. Obwohl mit fortschreitender Entwicklung des Avatars neue Schauplätze innerhalb des Spiels und neue virtuelle Handlungsoptionen zugänglich werden, gibt es keine Hand­lung, die zu einer endgültigen Beendigung des Spielablaufs führen würde.

Stark vereinfacht könnte man ein MMORPG als einen Chatroom mit vielfältigen Mög­lichkeiten der Zerstreuung bezeichnen. Neben der Möglichkeit der Kommunikation ist es möglich, virtuelle Abenteuer mit seinen Mitspielern (sog. Quests) zu bestreiten, Handel mit virtuellen Gütern zu treiben, seine virtuellen Kräfte im Wettstreit mit anderen Mitspielern zu messen oder sich für seine virtuellen Errungenschaften in Form von zur Schau getragenen „außergewöhnlichen“ Ausrüstungsgegenständen bewundern zu lassen (Yee, 2006).

Die spielinternen Aufgaben sind vielfältig und gewinnen an Komplexität, je tiefer der Spieler in das Spiel eintaucht. Gleichzeitig steigt der virtuelle „Wert“ der Belohnungen und der Zeitaufwand, der zum Erfüllen der Aufgaben benötigt wird. Zumeist umfassen diese Quests das Töten einer größeren Anzahl bestimmter Gegner und das Beschaffen be­stimmter Gegenstände, die diese Gegner bei sich tragen. Im Allgemeinen hinterlässt jeder getötete Gegner zufallsgenerierte Wertgegenstände nach einem Verstärkungsplan (rein­forcement schedule) mit Zufallsquote (random-ratio). Zusätzlich erhält der Spieler soge­nannte Erfahrungspunkte, die er zum Ausbauen der Fähigkeiten seines Avatars nutzen kann (Yee, 2006).

Im fortschreitenden Spielverlauf gewinnt zudem die Notwendigkeit zur Zusammenarbeit mit anderen Spielern an Gewicht. So gibt es bei MMORPGs zumeist einen sogenannten Endspiel-Bereich. Dieser Bereich kennzeichnet die vom Spiel vorgegebene Obergrenze des Entwicklungspotentials der Fähigkeiten des Avatars. Hat ein Spieler diese Grenze er­reicht, besteht nur noch die Möglichkeit, durch Erfüllen der schwersten Aufgaben im Spiel, die Ausrüstungsgegenstände seines Avatars zu verbessern. Diese Aufgaben im Endspiel­Bereich lassen sich im Allgemeinen nur innerhalb einer ausbalancierten und auf einander abgestimmten Gruppe erledigen (Yee, 2006).

Spätestens an diesem Punkt, wenn weder Fähigkeiten des Avatars noch Ausrüstungs­gegenstände im großen Umfang ausbaufähig sind, beginnt das Spiel die realen Fähigkei­ten des Spielers zu beeinflussen. Nun entscheiden Führungseigenschaften, Teamwork, Reaktionsfähigkeit, Übersicht und Ausdauer über Sieg oder Niederlage. Um bestimmte Aufgaben im Endspiel-Bereich zu erledigen, kann ein gemeinsames Zusammenarbeiten und -kämpfen von bis zu fünf Stunden und mehr notwendig sein. Bei einer so zeitaufwän­digen Freizeitbeschäftigung ist es nicht verwunderlich, dass Ressourcen aus anderen Be­reichen des alltäglichen Lebens abgezogen werden müssen.

Ducheneaut und Kollegen haben 2006 eine Studie veröffentlicht, die das Spielverhalten von 129.327 verschiedenen Spielcharakteren des MMORPG World of Warcraft (WoW) über einen Zeitraum von mehreren Monaten untersuchte. Aus dem Verhalten der Spileler zogen sie außerdem Rückschlüsse über die erfolgreichen Komponenten von MMORPGs. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass im Fall von WoW der Erfolg sowohl auf soziale Komponenten, als auch auf das Design des Spielablaufes zurückzuführen ist. Die Autoren bedienten sich bei der Datenerhebung eines speziellen Verfahrens, die die Daten auf di­rektem Wege über eine automatisierte Informationsabfrage innerhalb des Spieles selber erfasst. Mittels eines selbstgeschriebenen Programms konnten die Untersucher in regel­mäßigen, kurzen Abständen für jeden eingeloggten Charakter abfragen, ob dieser Spieler sich in einer Gruppe befindet, welcher Rasse innerhalb des Spiels er angehört, welcher Klasse sein Charakter zugeordnet ist, auf welchem Server er spielt, in welcher Region des Spiels er sich befindet, in welcher Gilde er Mitglied ist und was sein aktueller Erfahrungsle- vel ist.

Was die soziale Komponente des Spiels betrifft, so kamen Ducheneaut und seine Mit­arbeiter (2006) zu dem Schluss, dass gerade die Menge derzeit, die innerhalb einer Grup­pe verbracht wurde, Rückschlüsse auf den tatsächlichen Anteil der sozialen Komponente innerhalb eines MMORPG zuließe. Überraschend war hierbei die Erkenntnis, dass die De­finition von sozialer Interaktion im Fall von WoW eine andere ist, als man auf den ersten Blick vermuten würde. So verbrachten die Spieler im Durchschnitt lediglich zwischen 30 % und 40 % ihrer Spielzeit in einer festen Spielgruppe. Ducheneaut und Kollegen (2006) zo­gen aus ihren Daten den Schluss, dass die menschlichen Mitspieler in einem MMORPG in erster Linie als Zeugen für den persönlichen Erfolg dienen, mit deren Hilfe das eigene Selbstbild erhöht werden soll: „The other players have important roles beyond providing di­rect support and camaraderie in the context of quest groups: they also provide an au­dience, a sense of social presence, and a spectacle“ (Ducheneaut et al., 2006, S. 413). Ducheneaut und seine Mitarbeiter (2006) gehen also davon aus, dass die wichtigste Rolle eines MMOG in der erwünschten Selbstdarstellung liegt. ,,...'it is not “the people that are addictive' but rather, 'it’s the image of myself I get from other people'“ (Ducheneaut et al., 2006, S. 413) Laut den Autoren sei es keine Seltenheit, Spieler an hoch frequentierten Or­ten anzutreffen, während diese keinerlei Tätigkeit nachgingen, außer dem Zur-Schau-Stel- len ihrer Ausrüstungsgegenstände. Die wichtigste soziale Komponente eines MMOG ist demnach die Möglichkeit, sich in einer Form präsentieren zu können, welche von den Mit­spielern mit Respekt und Bewunderung beantwortet wird.

Was den Erfolgsfaktor im Design eines Onlinespiels ausmacht, erklären Duche- neaut und seine Mitarbeiter am Beispiel von WoW. Sie vergleichen den Aufbau des Spiels mit einer virtuellen Skinner-Box, in der sich der Spieler ständig kurz davor befin­det, die nächste Belohnung in Form von neuen Fähigkeiten für seinen Avatar oder neue Gegenstände oder Zugang zu neuen Gebieten zu erhalten.

While WoWdoes not appear at first to be a particularly sociable environment, it clearly has an addictive and carefully crafted reward structure. WoW truly is “a virtual Skinner box”, smoothly increasing reward and difficulty and reinforcing player commitment along the way. Players are always on the edge of opening up new abilities, of discovering new content. The increase in playing time rightbefore new abilities become available illustrates how eas­ily players can be driven by such rewards. As such, WoW is an interesting experiment in the psychology of motivation and the determinants of “fun”. (Ducheneaut et al., 2006, S. 413)

Je länger das Spiel andauert, desto mehr steigen sowohl die Schwierigkeit als auch der Umfang der Belohnungen, um so schleichend das Engagement des Spielers für das Spiel zu erhöhen. Der Erfolg von WoW im Allgemeinen und Ducheneauts Befund im Speziellen, dass die Spielzeiten kurz vor dem Erreichen neuer Fähigkeiten deutlich ansteigen, zeigen, dass dieses Konzept funktioniert (Ducheneaut et al., 2006).

1.2.9 Demographische Verteilung und Spielmotivation von Onlinespielern

Yee sammelte 2006 mittels Online-Fragebögen statistische Daten von 30.000 Benutzern von MMORPGs. Das Durchschnittsalter der Spieler lag in dieser Untersuchung bei 26,57 Jahren mit einer Altersrange von 11 bis 68 Jahren. Er stellte eine insgesamt relativ hohe Nutzungsdauer in seiner Stichprobe fest. So lag die durchschnittliche Wochennutzungs­dauer bei 22 Stunden, also bei mehr als drei Stunden täglich. Ducheneaut und Kollegen (2006) fanden ebenfalls hohe Nutzungsraten in ihrer Untersuchung. So hatte ein durch­schnittlicher Spieler mit einem Level-60-Charakter (ein weit fortgeschrittener Spielcharak­ter) das zeitliche Äquivalent zu 47 Arbeitstagen a 8 Stunden innerhalb der Spielwelt ver­bracht.

Mittels einer Faktorenanalyse konnte Yee (2006) ein Fünf-Faktoren-Modell zur Nut­zungsmotivation von MMORPGs erstellen. Nach diesem stellen Erfolg (Achievement), Be­ziehungen (Relationships), Eintauchen/Versinken (Immersion), Realitätsflucht (Escapism) und Beeinflussungsmöglichkeit (Manipulation) die bedeutendsten Motivationsfaktoren für das Spielen von MMORPGs dar. Männliche Spieler sind dabei signifikant öfter von den Motiven Erfolg und Beeinflussungsmöglichkeit getrieben als ihre weiblichen Mitspielerin­nen. Diese folgen am häufigsten dem Beziehungsmotiv.

Weitere Befunde derselben Studie zeigen auf, dass die Spieler innerhalb des MMOR­PGs für sie bedeutungsvolle Beziehungen zu anderen virtuellen Charakteren unterhalten, befriedigende emotionale Erlebnisse erfahren und Führungseigenschaften erwerben, die sie auch im echten Leben anbringen können.

1.3 Suchtgedächtnis

Die Kernanahme der vorliegenden Arbeit beruht auf der Hypothese, dass es möglich ist, eine erhöhte Aufmerksamkeitszufuhr für einen suchtrelevanten Stimulus mittels eines LPPs sichtbar zu machen. Diese Vermutung entsprang den Beobachtungen verschiede­ner Forscher (Cacioppo et al., 1993; Carretie et al., 1997; Schupp et al., 1997; 2004; 2006a; 2006b; 2000; Pastor et al., 2008), die Veränderungen in evozierten Potentialen (EP) bemerkt hatten, die durch emotional relevante Stimuli ausgelöst wurden. Nachfolgend soll den Fragen nachgegangen werden, warum ein erhöhtes LPP auf eine erhöhte Auf- mersamkeitszufuhr hindeutet, warum Dopamin der vermutliche Mediator dieses Prozesses ist und warum suchtassoziierte Stimuli zu emotional relevanten Stimuli werden können.

Franken hat 2003 ein integratives Model zu Abhängigkeit und Craving vorgestellt. Darin werden Craving und Rückfälle durch den psychologischen Mechanismus des „attentional bias“ (Aufmerksamkeitsbias) unter Einbeziehung von neuropsychopharmakologischen Me­chanismen erklärt. Das Modell erklärt, welche kognitiven Prozesse zwischen drogenrele­vanten Stimuli, der darauf folgenden physiologischen und biochemischen Reaktion des Or­ganismus und dem letztendlichen Verhalten des Subjekts auf den Stimulus vermittelnd wir­ken. In den folgenden Abschnitten soll dieses Model vorgestellt werden. Die involuntäre er­höhte Aufmerksamkeitszuwendung auf drogenrelevante Stimuli mittels Konditionierungs­prozessen bietet einen Erklärungsvorschlag, warum es überhaupt möglich ist, suchtcha­rakteristische EEG-Muster bei Abhängigen zu beobachten.

1.3.1 Die Aufmerksamkeitsverteilung bei der Wahrnehmung emotionaler Inhalte (Franken, 2003)

Um die Rolle der Aufmerksamkeitserhöhung auf suchtrelevante Reize bei Suchtkranken besser zu verstehen, muss zunächst die Funktion der Aufmerksamkeit im evolutionären Setting betrachtet werden. Dieselben Mechanismen, die das Überleben der Spezies Mensch sichern, sind nämlich auch für das Hervorstechen von Suchtstimuli bei Abhängi­gen zuständig. Der folgende Abschnitt beschäftigt sich mit der Frage, welche Rolle Auf­merksamkeit in einem evolutionären Setting spielt, wo jeder Eigenschaft des Menschen eine überlebenswichtige Grundfunktion innewohnt.

Bei der Wahrnehmung von Umweltreizen spielt der vorherrschende „drive“-Zustand eine wichtige Rolle (Lang et al., 1997). Der hungrige Organismus wird Nahrungsreizen eine vorrangige Wahrnehmung und Verarbeitung zuweisen, der paarungsbereite Organis­mus entsprechend partnerwahlrelevanten Hinweisen. Da sich Umweltbedingungen und „drive“-Zustände schnell ändern können, spielt eine flexible Wahrnehmung eine unver­zichtbare Rolle für adaptives Verhalten. Dabei wird längst nicht jeder präsentierte Stimulus auch zwangsläufig in eine mentale Repräsentation überführt. Da jedem Organismus nur begrenzte kognitive Ressourcen zur Wahrnehmung zur Verfügung stehen, ist eine Form der Vorauswahl evolutionär relevanter Reize für den Organismus überlebenswichtig. Ohne eine solche Vorauswahl würde der Organismus zudem ziellos auf jeden neuen Umweltreiz reagieren und vorausschauendes Handeln wäre nicht mehr möglich.

Reize, die für das Überleben des Organismus relevant sind, spielen also in der Wahr­nehmung eine besondere Rolle. Da das bloße Wahrnehmen solcher Reize allein nicht ausreicht, um das Überleben des Organismus zu sichern, muss diesen Reizen ein motiva­tionaler Faktor innewohnen, der den Organismus zu dem in der jeweiligen Situation über­lebenswichtigem Annäherungs- oder Vermeidungsverhalten antreibt. Beispielsweise ge­nügt es angesichts großen Hungers nicht, eine Nahrungsquelle bloß zu entdecken, um zu überleben, solange nicht auch eine Annäherung an die Nahrungsquelle zur tatsächlichen Stillung des Hungerbedürfnisses daraufhin erfolgt. Aufmerksamkeit und Motivation sind so­mit eng miteinander verbunden.

Durch den Mechanismus der Aufmerksamkeit werden saliente Stimuli in aversive und appetente Stimuli eingeteilt. Um zu überleben, muss ein Organismus unkonditionierte ap­petente Stimuli, wie Nahrung und Sexualpartner, aufsuchen und gleichzeitig unkonditio­nierte aversive Stimuli, wie Fressfeinde oder extreme Klimabedingungen, meiden. Durch assoziative (klassische) Konditionierung lernen Organismen, welche Reize in Verbindung mit appetenten und aversiven Stimuli auftreten. Dieser anreizbasierte motivationale Pro­zess resultiert in Annäherungsverhalten auf konditionierte appetente Stimuli und Vermei­dungsverhalten auf konditionierte aversive Stimuli.

Aufmerksamkeit steht somit am Anfang eines evolutionär überlebenswichtigen Prozes­ses. Innerhalb dieses Prozesses dienen Emotionen der Einteilung von Reizen in appetent oder aversiv, woraufhin ein motivationaler Impuls letzten Endes zum ausführenden Verhal­ten führt: Annäherung an oder Vermeidung von relevanten Stimuli.

Die zugehörigen neurobiologischen Pfade, die für diesen Aufmerksamkeitsbias verantwort­lich sind, schließen sowohl die Verarbeitung der bedrohlichen Information als auch eine daraus folgende motorische Bahnung mit ein. Das Zentrum der neuronalen Verarbeitung von Angst stellt die Amygdala dar. Neuronale Verschaltungen leiten diejenigen Informatio­nen zur Amygdala, die weitestgehend unter der Kategorie „angstbesetzte Stimuli“ zusam­mengefasst werden können. Dort wird eine Weiterleitung zu den motorischen Hirnregionen zur Einleitung eines entsprechenden Verhaltens veranlasst. Schädigungen in dieser Hirn­region führen zu massiven Verhaltensänderungen. So verlieren z. B. Affen ihre instinktive Angst vor Schlangen und Ratten ihre Angst vor Katzen. Gleichzeitig beeinträchtigt eine Schädigung der Amygdala beim Menschen die Fähigkeit, Gefahrensignale zu erlernen (LeDoux, 1998).

Derselbe Mechanismus, der überlebenswichtigen Stimuli eine besondere Rolle inner­halb der menschlichen Wahrnehmung zukommen lässt, greift auch im Fall von Suchtver­halten. Im speziellen Fall einer Verhaltenssucht lernt der Organismus, welche Stimuli als Signalreize für das als appetent erlebte Verhalten auftreten. Diese Signalreize wiederum lösen motivationale Prozesse aus, die letzten Endes in einem Annäherungsverhalten re­sultieren.

1.3.2 Aufmerksamkeit und Abhängigkeit

Wenn man nach den Berührungspunkten von Aufmerksamkeit und Abhängigkeit sucht, trifft man früher oder später auf das Phänomen der ständigen Beschäftigung (preoccupati­on) des Abhängigen mit der Droge und allem, was mit ihr in Verbindung steht (Robinson & Berridge, 2000). Die Unfähigkeit eines Abhängigen, seine Aufmerksamkeit und damit sei­ne Gedanken, Gefühle und Handlungen für längere Zeit von der Droge oder mit ihr in Ver­bindung stehenden Dingen weg zu lenken, wird zu einem zentralen Aspekt in dessen Le­ben. Als erschwerender Faktor für den Abhängigen beim Versuch, sich nicht mit seinem Suchtmittel zu beschäftigen, kommt hinzu, dass im Zusammenhang mit der Droge auftre­tende ursprünglich neutrale Reize durch Prozesse der klassischen und operanten Konditi­onierung zu appetenten Stimuli werden. Robinson und Berridge (a. a. O.) erklären, dass diese Reize eine anreizbasierter Hervorhebung erhalten (siehe Kap. 1.4.3): „They become especially salient Stimuli, Stimuli that grab attention, that become especially attractive and wanted, thus eliciting approach and guiding behavior to the goal“ (a. a. O., S. 105).

Obwohl sich weitaus weniger wissenschaftliche Arbeiten mit den Auswirkungen von appe­tenten Reizen auf die Aufmerksamkeitsleistung beschäftigen, deuten die Befunde jedoch auch bei dieser Konstellation auf einen Aufmerksamkeitsbias hin (Franken, 2003). So konnten einige Studien konnten zeigen, dass die Verarbeitung appetenter Informationen Auswirkungen auf die kortikale Aufmerksamkeitsmessung bei ereigniskorrelierten Potenti­alen (Carretie et al., 1997, 2000; Cuthbert et al., 1998; Hillman et al., 2000; Martin, 1998; Palomba et al., 1997; Schupp et al., 1997) und beim Schreckreflex (Elektromyografie) hat (Cuthbert et al., 1998; Hamm et al., 1993; Kaviani et al., 1999; Schupp et al., 1997). Zu­dem beeinflusst die Anwesenheit appetener Stimuli die Reaktionszeiten (z. B. Mogg et al., 1998).

Alle aufgezählten Studien zeigen, dass nicht nur angstbesetzte Stimuli die Fähigkeit besitzen, automatisch die menschliche Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Auch positiv valent besetzte Stimuli sorgen für eine bottom-up Redistribution der Aufmersamkeitsres- sourcen. Da zumindest für bereits drogenabhängige Individuen drogenrelevante Reize ap- petent besetzt sind (Geier et al., 2000; Mucha et al., 2000), kann die These aufgestellt wer­den, dass auch diesen Reizen von entsprechenden Personen automatisch mehr Aufmerk­samkeit zugewiesen wird (Franken, 2003).

1.3.3 Der Aufmerksamkeitsbias als impliziter kognitiver Pro­zess

Innerhalb des Paradigmas der Aufmerksamkeit können zwei große Unterformen der Auf­merksamkeit unterschieden werden. Auf der einen Seite die Vigilanz als ein unspezifischer genereller Zustand der Erregung und andererseits die selektive Aufmerksamkeit (Franken, 2003). Letztere bezeichnet die kognitive Funktion, die die Verarbeitung relevanter Stimuli fördert und die Verarbeitung weniger relevanter Stimuli hemmt. Innerhalb des Konzepts der selektiven Aufmerksamkeit existiert eine wichtige Sub-Kategorisierung: die Unterschei­dung zwischen expliziter (willkürlicher) und impliziter (unwillkürlicher) Aufmerksamkeit. Explizite Aufmerksamkeit bezeichnet hierbei einen aktiven, gerichteten, vorsätzlichen und kontrollierten Top-down-Vorgang. Im Gegensatz dazu ist ein impliziter Aufmerksamkeits­vorgang passiv, reaktiv, ungesteuert, automatisch und geschieht mittels einer Bot- tom-up-Verarbeitung (Franken, 2003).

Willkürliche Aufmerksamkeit spielt demnach eine Rolle, wenn eine Person aktiv Stimuli von persönlicher Relevanz aus ihrer Umwelt herausfiltert. Da im Kontext von Abhängigkeit suchtrelevante Reize emotionale und motivationale Relevanz mittels unwillkürlicher Kondi­tionierungsprozesse erhalten, spielt in der vorliegenden Arbeit die unwillkürliche Aufmerk­samkeit eine besondere Rolle.

Ob ein emotionaler Stimulus passiv betrachtet wird oder aktiv evaluiert wird, hat dabei kei­nen Einfluss auf das Auftreten eines LPPs (Codispoti, & De Cesarei, 2007). Ist eine Vp in­struiert, jeden Stimuli, kurz nachdem er ausgeblendet wurde, auf den Dimensionen Valenz und Erregung zu bewerten, tritt ebenso ein erhöhtes LPP auf (a. a. O.), wie wenn die Rei­ze passiv betrachtet werden (Carretie et al., 1997).

Beim Prozess der unwillkürlichen Aufmerksamkeit werden Aufmerksamkeitsressourcen basierend auf der Salienz der aktuellen Stimuli verteilt. Dieser Bottom-up-Prozess sorgt dafür, dass Stimuli mit der höchsten Salienz auch die meiste Aufmerksamkeit erhalten, während Stimuli mit sehr geringer Salienz vom Organismus ignoriert werden. Ungerichtete Aufmerksamkeit ist immer dann besonders wichtig für das Überleben des Organismus, wenn eine Person überraschenden, neuartigen, unerwarteten oder bedrohlichen Reizen ausgesetzt ist. Dieser Anpassungsmechanismus der selektiven Aufmerksamkeit erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass der aktuell „wichtigste“ Stimulus das Verhalten bestimmt (Holland & Gallagher, 1999). Unwillkürliche Aufmerksamkeitsprozesse beim Auftreten salienter Sti­muli entziehen der gerichteten Aufmerksamkeit Ressourcen und führen zu einer Neuorien­tierung zugunsten des salienten Stimulus. Während einer Aufgabe zur gerichteten Auf­merksamkeit wird diese unterbrochen, sobald ein Stimulus auftaucht, der über entspre­chende Salienz verfügt. Beispielsweise wird bei einem Museumsbesuch auch die inten­sivste Betrachtung und gedankliche Auseinandersetzung mit einem Kunstwerk augenblick­lich unterbrochen, wenn im benachbarten Raum der Alarm ausgelöst wird (Corbetta & Shulman, 2002).

Wenn man einen Aufmerksamkeitsbias untersucht (wie die automatische Aufmerksam­keitsreaktion auf saliente Stimuli) kann man sich diesen Kapazitätsmangel zu nutzen ma­chen. Die Grundannahme ist hierbei, dass diejenigen willkürlichen oder unwillkürlichen Aufmerksamkeitsressourcen, die einer Sekundäraufgabe zugeteilt sind, nicht mehr für die Bearbeitung einer Primäraufgabe zur Verfügung stehen (Franken, 2003). Dieser Effekt zeigt sich sehr anschaulich bei sogenannten Dual-Task - Messungen. Einer der meistge­nutzten Dual-Task - Tests mit einer affektiven Komponente ist der emotionale Stroop-Test (J. M. G. Williams et al., 1996). Bei diesem Test wird die Versuchsperson (Vp) aufgefor­dert, diejenige Farbe zu benennen, in der ein emotional besetztes Wort (z. B. Angst) ge­schrieben ist. Im Allgemeinen erbringt die Bearbeitung dieser Aufgabe folgenden Befund: Die explizit durchgeführte Aufgabe (das Benennen der Farbe) wird vom impliziten Auf­merksamkeitsprozess behindert, indem die Vp vom emotionalen Inhalt des Wortes abge­lenkt wird. Die Konsequenz dieses Prozesses ist, dass die Reaktionszeiten für das Benen­nen der Farbe bei emotional besetzten Wörtern länger als bei Wörtern neutraler Valenz sind. So zeigen z. B. Spinnenphobiker längere Reaktionszeiten beim emotionalen Stroop- Test mit spinnenbezogenen Wörtern als Personen, die keine Angst vor Spinnen haben (Watts, 1986). Thomas und Kollegen (2007) konnten neben einem Bias in den Reaktions­zeiten auch ein LPP in evozierten Potentialen finden, die durch affektiv besetzte Wörter im emotionalen Stroop-Test ausgelöst wurden. Diese Befunde stützen die These, dass LPPs ein physiologisches Korrelat des Aufmerksamkeitsbias auf emotionale Reize sind.

Aus den vorausgehenden Ausführungen wird ersichtlich, dass die Aufmerksamkeitsver­arbeitung beim Betrachten salienter Stimuli ein weitestgehend automatisierter Prozess ist.

Tiffanys „Cognitive Model of Drug Urges and Drug-Use Behavior“ (1990) geht davon aus, dass auch der Vorgang der Drogeneinnahme weitgehend automatisiert ist:

Over a history of repeated practice, the cognitive systems controlling many aspects of drug procurement and consumption take on the character of automatic processes. That is, much of the drug-use behavior of the addict may become largely automatized. Thus, drug-use be­havior in the addict represents a constellation of specific skills involving drug acquisition and drug consumption. Over a history of repeated practice, the cognitive systems controlling many aspects of drug procurement and consumption take on the character of automatic processes. That is, much of the drug-use behavior of the addict may become largely auto­matized. Thus, drug-use behaviors tend to be relatively fast and efficient, readily enabled by particular stimulus configurations (i.e., stimulus bound), initiated and completed without in­tention, difficult to impede in the presence of triggering stimuli, effortless, and enacted in the absence of awareness, (a. a. O., S. 154)

Die Rolle von „awareness“ bei der automatischen Verarbeitung drogenassoziierter Stimuli ist weitestgehend unerforscht (Franken, 2003). Aus der Suchtforschung ist bekannt, dass Opiate auch ohne subjektiv empfundene Effekte handlungsverstärkend wirken. So fanden Lamb und seine Mitarbeiter (1991), dass ehemals heroinabhängige Versuchspersonen auch dann zielgerichtet auf das Erhalten einer Dosis Morphium hinarbeiteten, wenn die Dosis so gering war, dass die subjektiv berichteten Effekte sich nicht von denen aus der Plazebobedingung unterschieden. Umgekehrt wurde die Handlungsfolge zur Erhaltung der Substanz in der Plazebobedingung nach dem ersten Erhalten einer Injektion fast von allen Vps umgehend und vollständig eingestellt. Wyvell und Berridge (2000) konnten anhand ei­nes Tierexperiments verdeutlichen, dass amphetamininduziertes verstärktes „Wollen“ von Saccharose nicht mit einem vermehrten hedonistischen „Mögen“ einhergeht. „Wollen“ wur­de in diesem Fall mit dem Drücken eines Hebels zum Erhalten einer Belohnung operatio­nalisiert, während das Maß für „Mögen“ mittels des Geschmacksreaktionstest (Vorstellung des Tests in Kap. 1.4.1) ermittelt wurde. Robinson und Berridge (2000) gehen in diesem Zusammenhang davon aus, dass das neuronale System, das für „incentive attribution“ (appetente Attribution) von Umweltreizen verantwortlich ist, zielgerichtetes Verhalten pro­duzieren kann, auch ohne dass ein bewusstes „Wollen“ wahrgenommen werden kann.

Auch in neueren Theorien der Informationsverarbeitung von Emotionen (Gray, 1990; Müller, 1996; Öhmen, 1997) wird davon ausgegangen, dass nicht bewusst wahrgenom­mene Reize dennoch zielgerichtetes Verhalten auslösen können. Es gibt zahlreiche Hin­weise darauf, dass subliminal präsentierte emotionale Informationen einen Einfluss auf das Verhalten haben können, ohne dass sich die Person dieser Informationen bewusst wird (vorbewusste Verarbeitung) (Fox, 1996; Mogg & Bradley, 1998; Morris et al., 1998). So führt die subliminale Präsentation von aversiven Stimuli, z. B. in Form von maskierten emotional besetzten Wörtern oder Bildstimuli zu vorbewusster Verarbeitung und resultiert in antizipatorischem Verhalten in Form von erhöhter Aufmerksamkeit auf einen Stimulus (z. B. van den Hout et al., 1997; van Honk et al., 1998) oder durch veränderte Verhaltens­daten (z. B. eine erhöhte Reaktionszeit). Neurobiologische Studien zeigen in diesem Zu­sammenhang die Existenz von neuronalen Routen, die unter der Beschreibung „quick and dirty“ zusammengefasst werden. Es wird vermutet, dass diese Routen emotionale Infor­mationen vorbewusst verarbeiten (LeDoux, 1996).

Unbewusste kognitive Prozesse, die in die Verarbeitung von angstbesetzten Stimuli in­volviert sind, sind gut untersucht und belegt (Mogg & Bradley, 1998; Öhman, 1997; van den Hout et al., 1997). Obwohl die Erkenntnislage bei appetenten Stimuli lange Zeit weni­ger eindeutig war, gibt es mittlerweile viele Studien, die Belege dafür finden konnten, dass emotionale Stimuli aller Valenzen demselben kognitiven Verarbeitungsphänomen unterlie­gen (Franken, 2003; Lang et al., 1997; Berridge & Winkielman, 2003; Winkielman & Ber­ridge, 2004).

Welche Hirnstrukturen an der Verarbeitung dieser Phänomene beteiligt sind und welche neuroanatomischen Pfade in diesen Prozessen verwendet werden, wird im folgenden Ka­pitel erläutert.

1.3.4 Neuroanatomische Pfade von Craving und Aufmerk­samkeitsprozessen

In den letzten Jahren haben eine Vielzahl von Studien mit funktionaler Magnetresonanzto­mographie (fMRT) und PET-scans gezeigt, dass der striatale thalamo-orbitofrontale Kreis­lauf beim zielgerichteten Verhalten eine entscheidende Rolle spielt (Volkow & Fowler, 2000).

Untersuchungen mittels bildgebender Verfahren im Zusammenhang mit Drogen und Cra­ving zeigten, dass bei Süchtigen eine Vielzahl von Hirnstrukturen veränderte Reaktionen im Vergleich zu gesunden (nicht süchtigen) Probanden beobachtet werden können (siehe Tabelle 1.5). Interessanterweise scheinen diese Strukturen nicht spezifisch auf den Zu­stand des Cravings anzusprechen. Vielmehr entsprechen die Aktivierungsmuster den- jenigen, die gesunde Probanden beim Anblick appetenter Stimuli sexuellen Inhalts zeigen (Franken, 2003). Einzige Ausnahme bildet der anteriore Gyrus cinguli (Anterior cingulate cortex - ACC), der spezifisch für den Zustand des „Drogencravings“ aktiviert zu sein scheint (Garavan et al., 2000; Wexler et al., 2001).

Tabelle 1.5

Hirnstrukturen welche, im Vergleich mit gesunden Kontrollpersonen, bei drogenabhängi­gen Probanden veränderte Reaktionen zeigten (nach Franken, 2003)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Zu den gesicherten Erkenntnissen gehört darüber hinaus, dass während des Drogencra­vings zumindest teilweise dieselben Gehirnareale aktiviert werden, die während eines akti­ven Arbeitsgedächtnisses aktiviert sind (Grant et al., 1996; White, 1996). Diese hauptsäch­lich präfrontalen Strukturen sichern die Aufrechterhaltung der mentalen Repräsentation des Handlungsziels und ermöglichen somit Anpassungen im Verhalten zur Zielerreichung. Bei belohnenden Stimuli wird zusätzlich eine Aktivierung der Amygdala beobachtet (Grant et al., 1996). Der Zustand des Cravings scheint somit im Organismus einen Zustand her­vorzurufen, der eigentlich typisch für den Vorgang eines geplanten Handelns zur Errei­chung eines belohnenden Ziels ist. Eine mögliche Erklärung wäre, dass diese Aktivierung den Zustand der ständigen geistigen Beschäftigung mit dem Suchtmittel (preoccupation) repräsentiert. Auch zeigen neuere Studien, dass Craving und Aufmerksamkeitsprozesse gemeinsame neuronale Regionen besitzen. So konnten Due und Kollegen (2002) zeigen, dass Drogenreize wie seltene Zielreize verarbeitet werden, was bedeutet, dass durch Dro­genreize Regionen aktiviert werden, die üblicherweise für die Aufmerksamkeit zuständig sind.

Studien mit bildgebenden Verfahren konnten zeigen, dass der ACC am Prozess der se­lektiven Aufmerksamkeit beteiligt ist (Bush et al., 2000; MacLeod & MacDonald, 2000). Bei Aufgaben, die eine Reaktionskonkurrenz erzeugen (wie z. B. der Stroop-Test), ist der ACC ebenfalls involviert (Tamminga, 1999).

Der ACC hat reziproke Verbindungen mit der Amygdala und dem Nucleus accumbens. Beide Strukturen sind am Prozess des Reiz-Belohungslernens beteiligt (Kelley, 1999; Par­kinson et al., 2000). Diese vernetzten Regionen sind vermutlich mit dafür verantwortlich, mögliche Belohnungen anzuzeigen (Childress et al., 1999). Eine notwendige Vorausset­zung für das Anzeigen einer Belohnung ist die selektive Aufmerksamkeit. Bei einem Aus­fall des ACC kommt es beim Menschen zu einer Unterbrechung der kontrollierten kogniti­ven Verarbeitung (Ochsner et al., 2001; Türken & Swick, 1999). Diese Autoren kommen nach neuropsychologischen Testungen zu der Annahme, dass der ACC die zielbedingte Relevanz von Stimuli überwacht und gegebenenfalls eine Neuorientierung der Aufmerk­samkeit signalisiert (Ochsner et al., 2001). Lang und seine Mitarbeiter (1998) gehen davon aus, dass die cingulären und amygdalären Regionen kritisch für das Zusammenspiel von Aufmerksamkeit und Emotionen sind. Sobald ein appetenter (oder aversiver) Reiz durch den visuellen Kortex identifiziert wurde, werden motivationale/aufmerksamkeitsverarbeiten- de Zentren wie die Amydala und der ACC zur weiteren Verarbeitung aktiviert.

Befunde aus bildgebenden Studien zur dopaminergen Beteiligung bei Kokainabhängigkeit kamen zu dem Schluss, dass die ungewöhnliche Dopaminregulation des ACC für den Kontrollverlust bei der Drogeneinnahme und dem starken Verlangen danach verantwortlich sein könnte (Volkow et al., 1999a).

Neben dem ACC spielt die Amygdala eine besondere Rolle bei der Verarbeitung von appetentem und aversiv motiviertem Verhalten (Breiter et al., 1997; Childress et al., 1999; Holland & Gallagher, 1999; LeDoux, 1998). Neben der klassischen Rolle der Amygdala bei der Konditionierung von Angst (LeDoux, 1996), gibt es Beweise für eine Beteiligung von ihr bei der Konditionierung appetenter Reize (Holland & Gallagher, 1999) und der Wahrneh­mung emotionaler Reize (Davidson & Irwin, 1999 nach Franken, 2003). Speziell zwischen Drogencraving und amygdaliner Aktivierung besteht eine Korrelation (Breiter et al., 1997; Childress et al., 1999).

Ebenso wie der ACC spielt auch die Amygdala eine Rolle bei der selektiven Aufmerksam­keit. Ihre Funktion beinhaltet hierbei, die selektive Aufmerksamkeit auf un- und konditio­nierte Belohnungsreize zu lenken. Morris und Mitarbeiter (1998) fanden, dass dies auch ohne bewusste Wahrnehmung funktioniert.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das dopaminerge System des kortikostriata- len Kreislaufs, hierbei besonders ACC, Amygdala und Nucleus accumbens, eine Rolle bei der Integration von Aufmerksamkeitsleistungen spielt, die wiederum zum Signalisieren von Belohnungen notwendig sind. Der daraus resultierende Zustand gesteigerter Aufmerksam­keit für belohnungsrelevante Reize steht im Zusammenhang mit exzessivem Verlangen, also dem Craving (Franken, 2003).

1.3.5 Anreizbasierte Motivationsprozesse

Viele neuere Theorien der Abhängigkeit beinhalten das Konzept der „incentive motivational processes“ (anreizbasierten Motivationsprozesse) (Berridge, 2007; Cox & Klinger, 1988; Robinson & Berridge, 2000). Ikemoto und Panksepp (1999) definieren den anreizbasierten Motivationsprozess als einen kognitiven und affektiven Zustand, der durch Stimuli ausge­löst wird, die mit der Wahrnehmung unkonditionierter Stimuli assoziiert sind: „Incentive mo­tivation is a cognitive and affective state triggered by stimuli associated with the perception of unconditioned stimuli“ (Ikemoto & Panksepp, 1999, S. 14).

Unterstützt durch zahlreiche empirische Belege postuliert die Theorie der anreizbasier­ten Motivationsprozesse also, dass drogenassoziierte Stimuli mittels anreizbasierter Her­vorhebung dazu in der Lage sind, sowohl physiologische wie auch emotionale klassisch konditionierte Reaktionen auszulösen. Dies ist wichtig für die vorliegende Untersuchung, da dies bedeutet, dass suchtrelevanten Reizen die Eigenschaft innewohnt, messbare phy­siologische Reaktionen hervorzurufen. Speziell die erhöhte Aufmerksamkeit, die einem suchtspezifischen Reiz mittels anreizbasierter Hervorhebung zuteil wird, schlägt sich in ei­nem veränderten LPP im EEG-Muster nieder (Schupp et al., 2000).

In den nachfolgenden Abschnitten soll gezeigt werden, warum für die vorliegende Ar­beit das Zutreffen der „incentive-sensitization“ Theorie (Robinson & Berridge, 1993) ange­nommen wurde.

1.3.6 Anreizbasierte Hervorhebung

Ein Kernkonstrukt der Theorie der anreizbasierten Motivationsprozesse ist die anreizba­sierte Hervorhebung („incentive salience“). Berridge (2007) definiert diese wie folgt:

Incentive salience is essentially a conditioned motivation response of a brain, usually triggered by and assigned to a reward-related stimulus. Incentive salience is related to but not reducible to the stimulus’s sensory representation or what has been learned about it. Formally, incentive salience is a motivational transformation ofa reward-related neural rep­resentation, such as a perceived or recalled CS or UCS. (Berridge, 2007, S. 19)

Laut Berridge (2007) wird die anreizbasierte Hervorhebung bei jeder Wahrnehmung des Belohnungsstimulus dynamisch innerhalb des mesolimbischen Systems erzeugt. Wenn ei­nem belohnungsrelevanten Stimulus anreizbasierte Hervorhebung zugeteilt wird, so wan­delt sich die mentale Repräsentation dieses Stimulus zur Abbildung eines motivational po­tenten Anreizstimulus. Sowohl unkonditonierte Belohnungsstimuli als auch konditonierte Belohnungshinweise werden durch anreizbasierte Hervorhebung „attraktiv“ also zu etwas, das der Organismus „haben will“.

Ein wichtiger neuropharmakologischer Baustein der Theorie der anreizbasierten Her­vorhebung ist Dopamin als Neurotransmitter im mesolimbischen System (Berridge & Ro­binson, 1998). Obwohl es zu einfach wäre, zu behaupten, Dopamin wäre der alleinige Auslöser von anreizbasierter Hervorhebung, so zeigen doch viele Untersuchungen, dass durch eine Manipulation des Dopaminpegels veränderte anreizbasierte Hervorhebung er­reicht werden kann, ohne Lernvorgänge oder das hedonistische Empfinden zu beeinflus­sen (Berridge & Robinson, 1998; Cagniard et al., 2005; Peciña et al., 2003; Robinson & Berridge, 1993). Für eine detailliertere Ausführung zur Rolle von Dopamin bei Abhängig- keits- und Lernprozessen sei auf Kapitel 1.4 der vorliegenden Arbeit verwiesen.

1.3.7 Anreizbasierte Hervorhebung bei ausgebildeter Abhän­gigkeitserkrankung

Eine der auffälligsten Verhaltensänderungen bei einer ausgebildeten Abhängigkeit ist die Hypersensibilisierung auf die belohnungsbasierten Motivationseffekte („incentive motivatio­nal effects“) von Drogen und drogenassoziierten Stimuli (Robinson & Berridge, 1993).

Anreiz-Sensibilisierung („incentive sensitization“) verursacht einen Wahrnehmungsbias, indem die Aufmerksamkeitsverarbeitung zugunsten drogenassoziierter Reize verschoben wird. Gleichzeitig nimmt die Motivation des Organismus, drogenassoziierten Reizen nach­zugehen, die Droge zu beschaffen und einzunehmen, pathologische Dimensionen an.

Robinson und Berridge (2008) unterscheiden hierbei implizite Prozesse in Form von un­bestimmtem Mangelempfinden und explizite Prozesse in Form von bewusst wahrgenom­menem Craving nach dem Suchtmittel.

Zusätzlich zur anreizbasierten Hervorhebung von drogenassoziierten Reizen haben zahl­reiche Studien drogenbedingte Veränderungen im präfrontalen Kortex im Bereich der Exe­kutivfunktionen gefunden. Eine Kombination aus anreizbasierter Hervorhebung und Beein­trächtigungen der Exekutivfunktionen bilden eine solide Erklärungsbasis für die Grundla­gen abhängigen Verhaltens.

Die zentrale These der Theorie der anreizbasierten Hervorhebung ist, dass anfällige Personen unter bestimmten Voraussetzungen eine Veränderung von neurologischen Ver­knüpfungen durchlaufen, wenn sie wiederholt abhängigkeitserzeugenden Substanzen aus­gesetzt sind. Die Veränderungen betreffen dabei diejenigen neurologischen Regelkreisläu­fe, die dafür verantwortlich sind, für das Überleben der Art relevante Stimuli aus ihrer Um­welt hervorstechen zu lassen und mit einem motivationalen Impuls (Annäherung oder Ver­meidung) zu versehen. Durch diesen natürlichen Prozess der Neuroadaptation werden die synaptischen Verbindungen im mesolimbischen dopaminergen System hypersensibel für die Anwesenheit drogenrelevanter Informationen. Zusätzlich führt die neuronale Anpas­sung zu pathologischen Verhaltensweisen, bedingt durch die überhöhten motivationalen Impulse in Verbindung mit diesen ehemals neutralen Reizen. Einmal etabliert, bleibt die neurologische Verknüpfung zwischen den drogenrelevanten Reizen und der Zuteilung von anreizbasierter Hervorhebung zeitlich konstant erhalten, auch wenn zwischenzeitlich der Konsum der Droge eingestellt wird (Robinson & Berridge, 2008).

1.3.8 Aufmerksamkeitsbias bei Drogenreizen

Es gibt zahlreiche Belege für das Vorhandensein eines Aufmerksamkeitsbias bei Abhän­gigkeitserkrankungen (Franken, 2003). So konnte dieser bei stoffgebundenen Abhängig­keiten für Alkohol, Nikotinabhängigkeit, Kokainabhängigkeit und Opiatabhängigkeit nach­gewiesen werden (vgl. Tabelle 1.6). Neurophysiologische Hinweise auf eine erhöhte Auf­merksamkeit bei der Verarbeitung drogenrelevanter Hinweise stammen aus Untersuchun­gen mittels EEG. Eine Analyse stimulusinduzierter Veränderungen im EEG-Ausschlag weist darauf hin, dass drogenspezifische Reize bei abhängigen Probanden zu intensiveren kognitiven Verarbeitungen führen (Franken, 2003).

Ereigniskorrelierte Potentiale (ERP) sind ein Indikator für Aufmerksamkeitsprozesse, die mittels EEG beobachtbar sind (vgl. Kapitel 1.5.2). So löst das Betrachten emotionaler Stimuli ein erhöhtes „late positive Potential“ aus, was wiederum auf eine erhöhte Aufmerk­samkeitsleistung schließen lässt (Schupp et al., 2000). Verschiedene Studien konnten eine solche erhöhte ERP-Komponente bei substanzabhängigen Personen finden (vgl. Tabelle 1.6). Bei den nicht-stofflichen Abhängigkeitserkrankungen konnte eine erhöhte ERP- Kom­ponente bei Glücksspielsüchtigen (Grüsser et al., 2005) und Computerspielsüchtigen (Thalemann et al., 2007) gefunden werden.

Laut Franken (2003) kann die Rolle der Aufmerksamkeitsverteilung bei abhängigem Verhalten teilweise mit Hilfe des Modells der kognitiven Verarbeitung von Tiffany (1990) er­klärt werden. Tiffany vermutete, dass das Verhalten während des Drogenkonsums haupt­sächlich über automatisierte Prozesse gesteuert wird. Nach dieser Modellvorstellung ist Craving ein nicht-automatisierter kognitiver Prozess, der durch eine Unterbrechung des automatisierten Drogenkonsumverhaltens ausgelöst wird. Cepeda-Benito und Tiffany (1996) haben unterstützende Hinweise für ihre Theorie gefunden: Reizinduziertes Craving unterbricht die Leistung während einer Reaktionszeitaufgabe. Dieselben Befunde konnten auch bei Studien zur kognitiven Kapazität bei gleichzeitiger Präsentation drogenrelevanter Stimuli gefunden werden (Sayette & Hufford, 1994; Sayette et al., 1994, zitiert nach Fran­ken, 2003).

Neuere Forschungsergebnisse lassen jedoch die Vermutung zu, dass nicht, wie bei Tif­fanny (1990) vermutet, der Prozess des Cravings für die nachlassende Leistung verant­wortlich ist, sondern der einhergehende Aufmerksamkeitsbias für drogenrelevante Stimuli (Franken, 2003).

1.4 Die Rolle von Dopamin bei Abhängigkeit

In der vorliegenden Arbeit spielt der Neurotransmitter Dopamin eine wichtige Rolle. Ihm werden im Zusammenhang mit Sucht und Belohnungslernen verschiedene entscheidende Funktionen zugeschrieben. Berridge (2007) fasst den aktuellen Stand der Forschung zu­sammen, indem er die drei wahrscheinlichsten Theorien zur Rolle des mesolimbischen do­paminergen Systems bei Belohnung gegenüberstellt:

1) Dopamin ist verantwortlich dafür, dass wir etwas mögen, indem es die hedonistische Gefühlskomponente bei Belohnungen vermittelt.
2) Dopamin unterstützt den Lernmechanismus, indem es bei gelernten Erwartungen zukünftiger Belohnung vermittelt.
3) Dopamin verstärkt das Verlangen nach belohnungsrelevanten Stimuli, indem es diese Reize hervorstechen lässt.

Tabelle 1.6

Studien zum Aufmerksamkeitsbias bei drogenrelevanten Stimuli in abhängigen Patienten (nach Franken, 2003)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Wie im folgenden Kapitel erörtert werden soll, weisen mehr Erkenntnisse auf die dritte Theorie, das anreizbasierte Hervorheben (incentive salience), hin, als auf die beiden ande­ren theoretischen Konstrukte (Berridge, 2007).

1.4.1 Die Rolle von Dopamin beim Belohnungslernen

Lange Zeit wurde davon ausgegangen, dass die erste der oben aufgeführten Theorien zu­treffen würde und der Neurotransmitter Dopamin der Auslöser des emotionalen Erlebens beim Erhalten von Belohnungen sei. Verschiedene neuere Forschungsergebnisse deuten jedoch darauf hin, dass Dopamin weder notwendig noch hinreichend für die Wahrneh­mung von hedonistischem „Vergnügen“ bei sensorischer Stimulation ist. Eine Möglichkeit, hedonistisches „Vergnügen“ oder „Missfallen“ messbar zu machen, stellt der Geschmacks­reaktionstest (taste reactivity test) dar. Anhand von stereotypen Mimiken und Körperbewe­gungen auf bestimmte Flüssigkeiten wie z. B. Saccharose oder Natriumchlorid kann auf deren subjektiven affektiven Eindruck im Versuchssubjekt geschlossen werden. Typische Gesichtsbewegungsreaktionen auf einen angenehmen Flüssigkeitsreiz beinhalten rhythmi­sche Mundbewegungen, gefolgt von rhythmischem Hervorschieben der Zunge und latera­len Zungebewegungen. Unangenehme Flüssigkeitsreize verursachen typischerweise ein weites Öffnen des Mundes und Körperbewegungsmuster, wie z. B. Schütteln des Kopfes. Ursprünglich von Grill und Norgren (1977) bei Ratten festgestellt, konnte dieser Effekt auch auf menschliche Säuglinge und verschiedene Primatenarten übertragen werden (Steiner et al., 2001).

Verschiedene Untersuchungen haben sich mit einem möglichen Zusammenhang von Dopamin und hedonistischem Empfinden auseinandergesetzt, ohne einen solchen finden zu können. So konnte in Tierversuchen nachgewiesen werden, dass bei Ratten auch nach Zerstörung von 99 % der Dopaminrezeptoren im Nucleus accumbens und Neostriatum keine erkennbaren Veränderungen in den Reaktionen auf „angenehme“ und „aversive“ Geschmacksfärbungen auftreten. Dies gilt sowohl für die unmittelbare Reaktion als auch für später gezeigtes Lernverhalten in Bezug auf diese Geschmacksfärbungen. Bei der Un­tersuchung des Lernverhaltens folgte einer Exposition zu Saccharose die orale Injektion von Lithiumchlorid. Sowohl die Kontroll- als auch die Versuchsgruppe zeigten nach drei­maliger assoziativer Paarung deutlich verringerte „positive“ Geschmacksreaktionsmuster durch die Gabe von Saccharose (Berridge & Robinson, 1998). Auch eine pharmakologi­sche Blockade von Dopaminrezeptoren durch Pimozid zeigte keine veränderte unmittelba­re Geschmacksreaktion sowohl auf Saccharose- („angenehm“) als auch Chininlösungen („aversiv“). Nach einigen Minuten kontinuierlicher Präsentation bzw. wiederholten Darrei­chungen gingen die Geschmacksreaktionen in diesem Versuch zwar deutlich zurück, dies wird aber auf eine sensomotorische Beeinträchtigung durch die Gabe von Pimozid zurück­geführt (Pecina et al., 1997). In diese Befundlage passen auch Erkenntnisse von Schulz und seinen Mitarbeitern (2006). Diese hatten bei Affen beobachtet, dass Dopamninneuro- ne ihre Aktivität bei der eigentlichen Gabe von Saft einstellen, nachdem eine klare Assozi­ation zwischen Hinweisreiz und Belohnung hergestellt ist und stattdessen auf den Hinweis­reiz reagieren (Schultz, 2006; Schultz et al., 1997, vgl. Berridge, 2007).

Auch für die Vermutung, dass Dopamin nicht für das Lernen von neuem Verhalten not­wendig ist, gibt es aktuelle Hinweise. Berridge (2007) stellt die Frage, ob Dopamin auf di­rektem Wege für das Lernen einer Verbindung von Reiz und Belohnung verantwortlich ist und kommt zu dem Schluss, dass die aktuelle Forschungslage deutliche Zweifel an dieser Annahme zulässt. So konnten Cannon und Palmiter (2003) nachweisen, dass Knock-out - Mäuse (Versuchstiere, bei denen bestimmte Gene deaktiviert wurden) ohne die Fähigkeit zur Dopaminproduktion weiterhin Saccharose und Sacharin gegenüber Wasser bevorzu­gen. Außerdem besitzen diese Tiere immer noch die Fähigkeit zu lernen, aus welcher Quelle die bevorzugte Flüssigkeit bezogen werden kann und suchen diese dann auch be­vorzugt auf. In ähnlicher Weise konnten Hnasko und seine Mitarbeiter (2005) zeigen, dass Knock-out - Mäuse ohne Dopamin im Organismus (denen vorher Koffein verabreicht wur­de) sich bevorzugt an jenem Ort aufhalten, an dem ihnen gelegentlich Morphium verab­reicht wird.

Wenn Dopamin schon nicht für das Lernen von neuem Verhalten notwendig ist, modu­liert es beim Belohnungslernen dann zumindest die Stärke der Assoziation zwischen Reiz und Belohnung? Sollte dies der Fall sein, so müsste ein erhöhter Dopaminspiegel Beloh­nungslernen schneller oder zumindest effektiver gestalten (Berridge, 2007). Tatsächlich konnten Cagniard und ihre Kollegen (2005) keinen Unterschied im Lernverhalten von Mäu­sen mit genetisch chronisch erhöhtem extrazellulärem Dopaminspiegel und ihrer genetisch unveränderten Kontrollgruppe feststellen. Im ersten Teil dieser Untersuchungsreihe wurde mittels klassischer Konditionierung eine assoziative Reaktion zwischen einem Lichtsignal und Futter hergestellt. Bei einem anschließenden Experiment innerhalb dieser Versuchs­reihe lernten die Mäuse mittels operanter Konditionierung, Futter durch das Drücken eines Hebels zu erlangen. In beiden Versuchen konnte kein signifikanter Unterschied in der Lerngeschwindigkeit zwischen den genetisch veränderten Mäusen und ihrer unveränder­ten Kontrollgruppe festgestellt werden. Auch bei einem anschließenden Löschungungsex- periment der erlernten Konditonierung zeigten die Mäuse mit chronisch erhöhtem Dopa­minspiegel kein beständigeres „Drückverhalten“ im Vergleich zu ihrer Kontrollgruppe. Die­se Befunde sprechen also gegen die Vermutung, ein erhöhter Dopaminspiegel würde eine stärkere assoziative Bindung zwischen Reiz und Belohnung beim Belohnungslernen verur­sachen (a. a. O.). Dem widersprechen zwar Befunde von Peciña und Kollegen aus dem Jahre 2003, als genetisch modifizierte Mäuse mit erhöhtem Dopaminpegel in weniger Durchgängen als ihre unmodifizierten Gegenstücke lernten, eine Laufbahn abzulaufen, um eine gezuckerte Belohnung zu erhalten, doch interpretieren die Autoren dieses Verhalten als einen Ausdruck erhöhter Motivation (a. a. O.).

Eine weitere mögliche Funktionsweise von Dopamin beim Belohnungslernen ist dessen Eigenschaft, Reaktionen des „haben Wollens“ („wanting“) auszulösen. Die Befundlage spricht dafür, dass eine Aktivierung des dopaminergen Systems ausreichend ist, um reizin­duziertes anreizbasiertes Hervorheben („incentive salience”) zu verstärken (Berridge, 2007). So fanden Peciña und ihre Mitarbeiter (2003) eine erhöhte “Motivation” in genetisch manipulierten Mäusen mit chronisch erhöhtem Dopaminspiegel. Diese Mäuse lernen in weniger Durchgängen, eine Laufbahn abzulaufen, um an eine gezuckerte Frühstücksflo­cke zu gelangen, und sind insgesamt schneller bei ihrer Belohnung. Der Geschwindig­keitsvorteil entsteht dadurch, dass die genetisch veränderten Mäuse schneller die Startbox verlassen, seltener Pausen auf der Laufbahn einlegen, seltener ihre eigenen Schritte zu­rückverfolgen und weniger Erkundungsverhalten auf dem Weg zu ihrer Belohnung an den Tag legen. Die eigentliche Laufgeschwindigkeit der Mäuse unterscheidet sich in diesem Experiment nicht signifikant, so dass eine motorische Überlegenheit der mutierten Tiere als Faktor ausgeschlossen werden kann (a. a. O.).

Berridge (2007) fasst die Rolle von Dopaminneuronen im Lernprozess folgendermaßen zusammen: „Dopamine neurons may not be the source of their own learning-related chan­ges in firing patterns. Instead, their associative signáis are a consequence, not a cause, of learning elsewhere in the brain“ (a. a. O., S. 16).

1.4.2 Dopamin und motivationale Prozesse

Es ist bekannt, dass das dopaminerge System eine entscheidende Rolle bei Abhängig­keitsprozessen spielt (Di Chiara, 1999; Koob & LeMoal, 2001). Auch wenn die exakte Rol­le von Dopamin in dieser Region sehr komplex ist (Berridge & Robinson, 1998; Di Chiara, 1999; Ikemoto & Panksepp, 1999; Robinson & Berridge, 1993; Salamone et al., 1997; Schultz, 1998; Spanagel & Weiss, 1999), so steht doch fest, dass alle Missbrauchsdrogen eine Ausschüttung von Dopamin im mesolimbischen dopaminergen System (besonders im Nucleus accumbens) zur Folge haben (Wise, 1996). Dabei wird eine erhöhte dopaminerge Aktivität im Nucleus accumbens nicht nur durch belohnende Stimuli ausgelöst sondern auch durch strafende Reize (Gray et al., 97b). Daraus könnte gefolgert werden, dass die Ausschüttung von mesolimbischem Dopamin einen weniger spezifischen Vorgang darstellt als bisher allgemein angenommen (Franken, 2003). Weiterhin konnte gezeigt werden, dass Dopamin mit der Neugier auf alle salienten Stimuli (Joseph et al., 1996), anderen mo­tivationalen Verhaltensweisen wie Nahrungsmittelaufnahme (Bassareo & Di Chiara, 1997; Tando & Chiara, 1998) und sexuellem Verhalten in männlichen Ratten in Verbindung steht (Phillips et al., 1991, zitiert nach Franken, 2003).

Eine weitere, gesicherte Erkenntnis ist, dass durch den Prozess der klassischen Kondi­tionierung mit Drogen assoziierte Reize ebenfalls in der Lage sind, Dopaminausschüttun­gen im mesolimbischen System zu verursachen (Di Ciano et al., 1998; Duvauchelle et al., 2000; Gratton & Wise, 1994; Kätner & Weiss, 1999; Kiyatkin & Stein, 1996; Kiyatkin et al., 1993).

Aktuellen Studien zufolge häufen sich die Hinweise, dass das mesolimbisch-dopami- nerge System bei Belohnungen weniger für die Vermittlung von hedonistischem „Vergnü­gen“ zuständig ist (Wise & Bozarth, 1987), als vielmehr eine wichtige Rolle im Prozess des „Wollens/Verlangens“ spielt, so wie im Fall von Drogencraving (Robinson & Berrigde, 1993; Berridge, 2007). Die „incentive sensitization“ Theorie von Robinson und Berridge (1993) (vgl. Kapitel 1.4.6) geht davon aus, dass Abhängigkeit erzeugende Drogen die me­solimbische Dopaminausschüttung erhöhen und dadurch denjenigen Wahrnehmungen und mentalen Repräsentationen eine „incentive salience“ zuweisen, die mit der Aktivierung des Systems in Verbindung gebracht werden.

1.4.3 Dopamin und seine Rolle bei der Aufmerksamkeitsver­arbeitung

Wickelgren (1997) geht davon aus, dass Dopamin die Aufmerksamkeit des Gehirns trig­gert und auf appetente Stimuli allgemein sowie auf Drogenreize speziell lenkt. Die Aus­schüttung von dopaminergen Neurotransmittern im corticostriatalen Belohnungszentrum durch belohnungssignalisierende Hinweise führt zu verschiedenen charakteristischen Ver­haltensweisen bei Abhängigkeit, wie z. B. dem exzessiven Fokus auf Aktivitäten, die zu weiterem Drogenkonsum führen.

Hintergrund dieser extremen Fokussierung ist ein „Überlernen“ von Drogenstimuli (Hy­man, 2005) durch ständige positive reward-prediction error (Montague et al., 2004). Der dogeninduzierte Dopaminüberschuss im mesolimbischen System führt dazu, dass die Er­gebnisse aller Handlungen rund um den Drogenkonsum vom Organismus mit der Ein­schätzung „besser als erwartet“ bewertet werden (Hyman, 2005) (vgl. auch Kapitel 1.1.3.4). Evolutionärer Hintergrund dieser durch Dopamin modulierten Aufmerksamkeits­umverteilung ist, dass Stimuli, die Belohnung oder Bedrohung ankündigen, mit geringerer Wahrscheinlichkeit vom Subjekt ignoriert werden (Franken, 2003). Im Zusammenspiel mit anderen Hormonen hat Dopamin somit u. a. die Funktion, die Aufmerksamkeit des menschlichen Gehirns auf konditionierte Anreize (incentives) zu lenken. Auch wenn für diese Aussage direkte Beweise fehlen, so gibt es doch zahlreiche Belege aus Studien, die die Beteiligung von Dopamin am Aufmerksamkeitssystem belegen (Franken, 2003). In den folgenden Abschnitten werden einige dieser Befunde genauer erläutert.

Ein Paradigma, welches Dopamin mit Aufmerksamkeit in Verbindung bringt, stellt die sogenannte „prepulse inhibiton“ (PPI) dar (Ellenbroek et al., 1996). PPI bezeichnet das ro­buste Phänomen, dass der Schreckreflex inhibiert wird, wenn dem Schreckreflex ein schwächerer Impuls vorausgeht. So erzeugt z. B. ein lautes Geräusch eine geringere Schreckreaktion, wenn ihm ein leiseres Geräusch „als Warnung“ vorausgeht. Einige Studi­en deuten darauf hin, dass der PPI durch dopaminerge Wirkstoffe beeinflusst werden kann (Abduljawad et al., 1998). Da aber sowohl Dopaminantagonisten als auch -agonisten den PPI reduzieren können (Kumari et al., 1999) ist die Rolle von Dopamin in diesem Prozess nicht eindeutig geklärt.

Auch Studien zur Latenzinhibition (LI) zeigen, dass das Dopaminsystem mit Funktionen der Aufmerksamkeit verbunden ist. LI steht für die verlangsamte Konditionierung, die ein­tritt, wenn der zu konditionierende Stimulus zunächst einige Male ohne Konsequenzen präsentiert wird (pre-exposure) (Gray et al., 1997a). Es wird angenommen, dass die Laten­zinhibition den Prozess der selektiven Aufmerksamkeit reflektiert, wobei irrelevante Infor­mationen vom Organismus ausgeblendet werden (Lubow, 1989; Moser et al., 2000). Die LI repräsentiert somit die Fähigkeit des Organismus, auf irrelevante Stimuli nicht zu reagie­ren. Für eine Beteiligung des dopaminergen Systems an der LI sprechen zahlreiche Be­funde (Gray et al., 1997a; Moser et al., 2000). So tritt LI sowohl bei Schizophreniepatien­ten, als auch bei Versuchspersonen unter dem Einfluss von Amphetaminen und anderen Dopaminagonisten, nicht, oder nur vermindert, auf (Gray et al., 1992; Moser et al., 2000). Entscheidend für das Verhindern der LI scheint dabei ein erhöhter Dopaminpegel während der Konditionierungsphase zu sein (a. a. O.). Eine mögliche Schlussfolgerung aus diesen Befunden wäre somit, dass ein erhöhter Dopaminpegel allem sensorischen Input zusätzli­che Aufmerksamkeit, ähnlich wie bei der anreizbasierten Hervorhebung, zukommen lässt. Umgekehrt konnte konnte gezeigt werden, dass Dopaminantagonisten die LI potenzieren und somit selektive Aufmerksamkeitsfunktionen verbessern (Moser et al., 2000; Williams et al., 1996, 1997a).

Wenn die selektive Aufmerksamkeit allgemein erhöht ist (z. B. durch die Gabe von Do­paminantagonisten) müssen als Konsequenz automatische Prozesse verringert sein (vgl. Kap. 1.3.3). Mit dieser Annahme in Einklang stehend verursachen Krankheiten, die mit ei­nem verringerten Dopaminspiegel einhergehen, wie z. B. die parkinsonsche Krankheit, se­lektive Aufmerksamkeitsdefizite (Stam et al., 1993; Yamaguchi & Kobayashi, 1998). In die­sem Zusammenhang ist interessant, dass eine Subpopulation von Parkinsonpatienten existiert, bei denen die Gabe von dopaminergen Medikamenten zu suchtähnlichen Verhal­tensweisen führt. “More recently, it has become apparent that dopaminergic medications may also potentiate the appearance of drug-responsive compulsive behaviors (pathologic­al gambling, hypersexuality, and food bingeing) and the development of punding, a form of complex behavioral stereotypy” (Evans et al. 2006, S. 852). Im Umkehrschluss zu den oben aufgeführten Argumenten in Bezug auf Dopamin und seine Wirkung auf die selektive Aufmerksamkeit kann geschlossen werden, dass bei dieser Patientengruppe verstärkt au­tomatische Prozesse das Verhalten bestimmen.

Bei gesunden Probanden sind Dopaminantagonisten dazu in der Lage, die selektive Aufmerksamkeit zu modulieren (Vitiello et al., 1997). Aufmerksamkeitsänderungen verlau­fen dabei U-förmig: Sowohl erhöhte, als auch verringerte dopaminerge Aktivität führt zu ei­ner Beeinträchtigung der selektiven Aufmerksamkeit (Shelley et al., 1997). Neuere Studien an gesunden Probanden konnten zeigen, dass selbst geringe Dosen des Dopamin-D-Ant- agonisten Haloperidol die elektrophysische Reaktion auf Stimuli unterdrücken (Ahveninen et al., 2000 nach Franken, 2003) und zu reduzierter Interferenz beim Stroop-Test führen, also erhöhte selektive Aufmerksamkeit produzieren (Williams et al., 1997b).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Dopaminantagonisten dazu in der Lage sind, die selektive Aufmerksamkeit zu beeinflussen. Welche Befunde im Zusammenhang von Computerspielen und dopaminerger Aktivität gemacht wurden, soll im folgen Kapitel erläu­tert werden.

1.4.4 Dopamin und Computerspieler

Koepp und seine Mitarbeiter untersuchten 1998 die Menge an ausgeschüttetem Dopamin im menschlichen Gehirn während des Spielens eines Computerspiels. Der striatale Dopa­minpegel wurde hierbei mittels injiziertem c-markiertem Racloprid (C-RAC) und anschlies­sender Pos/franen-Ern/ss/ons-Tomographie erfasst. Während des Spielens des Computer­spiels zeigte sich eine signifikante Reduktion der Bindung des Racloprid. Da sich Racloprid an den Dopaminrezeptor bindet, deutet eine hohe ungebundene Konzentration auf eine Blockade des Rezeptors durch endogenes Dopamin hin. Es wird angenommen, dass ein 1-prozentiger Rückgang in striatal gebundenem C-RAC wenigstens einen 8-prozentigem Anstieg des endogenen Dopaminpegels widerspiegelt. Koepp und seine Mitarbeiter (1998) fanden in ihrem Experiment einen 13-prozentigen Rückgang in gebundenem C-RAC, was auf eine Verdopplung des endogenen Dopaminpegels während des Spielens des Compu­terspiels hindeutet. Ein Anstieg dieser Größenordnung ist vergleichbar mit einer intravenö­sen Injektion von Amphetamin (Breier et al., 1997, zitiert nach Koepp et al., 1998) oder Methylphenidat (Volkow et al., 1994, zitiert nach Koepp et al., 1998). Der größte Anstieg wurde hierbei im ventralen Striatum gemessen. Weiterhin wurde eine positive Korrelation zwischen „Erfolg“ im Computerspiel und dem Anstieg des Dopaminpegels gefunden (Koepp et al., 1998). Ein nicht unerheblicher Aspekt, der die Generalisierbarkeit der Studie einschränkt, ist jedoch die Tatsache, dass die Probanden in diesem Versuch für erfolgrei­ches Handeln im Computerspiel eine reale monetäre Belohnung erhielten. Somit könnte ein Voranschreiten im Computerspiel als konditioniertes Belohnungssignal für eine antizi­pierte real stattfindende Belohnung fungiert haben. Andererseits basiert das Gamedesign vieler MMOGs stark auf dem Belohnungsprinzip und zumindest für manche Spieler könnte die soziale Verstärkung durch andere Mitspieler einen ähnlich realen Charakter haben (vgl. Kapitel 1.1.9).

1.4.5 Das kognitiv-psychopharmakologische Modell nach Franken

Verschiedene Studien zeigen starke Korrelationen zwischen Drogencraving und Aufmerk­samkeitsbias (Franken, 2000; Franken et al., 2000). Allerdings sind die Beziehungen zwi­schen Emotionen (Craving) und Kognitionen (Aufmerksamkeitsbias) sehr komplex und machen eine Erfassung von Kausalbeziehungen schwierig. Die Auffassung, dass emotio­nale Zustände (states) die Fokussierung von Aufmerksamkeit modulieren können, ist weit­gehend akzeptiert (Franken, 2003). Auf der anderen Seite wirken Aufmerksamkeitsprozes­se ebenfalls auf emotionale Prozesse ein. So konnten z. B. MacLeod und Mitarbeiter (2002) zeigen, dass ein Aufmerksamkeitsbias dazu in der Lage ist, die emotionale Vulne­rabilität und die emotionalen Reaktionen zu modifizieren. Obwohl dies nicht direkt getestet wurde, lassen diese Ergebnisse darauf schließen, dass ein Aufmerksamkeitsbias für Dro­genreize auch Craving und Rückfälle modulieren kann. Franken postuliert in seinem Mo­dell, dass Aufmerksamkeitsbias und Craving sich gegenseitig beeinflussen können. Das Modell basiert auf der Annahme, dass der Aufmerksamkeitsbias durch die erhöhte Dopa­minausschüttung zuerst das Gefühl des Cravings auslöst (ohne Aufmerksamkeit kein Cra­ving). Die Aktivierung von Craving verstärkt wiederum den Aufmerksamkeitsbias.

Wie kann ein Aufmerksamkeitsbias zu Drogeneinnahme und Rückfällen beitragen? Drei mögliche Wege scheinen besonders wahrscheinlich:

1. Die Aufrechterhaltung von Abhängigkeitsverhalten als Resultat einer erhöhten Wahrscheinlichkeit, drogenspezifische Reize zu entdecken und wahrzunehmen. Dieser automatische Selektionsprozess ist verantwortlich dafür, dass drogenspezifische Signale leichter entdeckt werden. Die Wahrnehmung drogenspezifischer Signale führt wiederum zu konditionierten Reaktionsmustern (z. B. Craving), die wiederum zu Suchtrückfällen führen können (O’Brien, 1997).
2. Sobald ein Drogenhinweis entdeckt wurde, wird dieser automatisch verarbeitet und es ist schwer, diesem Reiz die Aufmerksamkeit wieder zu entziehen. Aufmerksamkeitsabhängige kognitive Prozesse wie Erinnerungsbiase (erhöhtes Erinnerungsermögen für drogenbezogene Reize) (Hyman, 2005) können zu verstärktem Craving führen (Franken et al., 2003). Es ist nachvollziehbar, dass eine verstärkte Aufmerksamkeitsfokussierung auf Drogenreize weitere explizite kognitive Prozesse, wie z. B. positive drogenbedingte Erwartungen und intrusive Gedanken, auslöst.
3. Durch eine begrenzte Kapazität der menschlichen Aufmerksamkeit würde die automatische Fokussierung auf drogenspezifische Reize zu einer Unfähigkeit führen, konkurrierende Reize zu verarbeiten. So würde diese eingeschränkte Aufmerksamkeit zugunsten von Drogenreizen z. B. den „anfallartigen“ Konsum („binge use“) von Drogen erklären. „Bingeing“ kann als Störung der Sättigung angesehen werden. In der Gegenwart von Drogenreizen schenken „Binger“ rivalisierenden Reizen, welche z. B. Sättigung signalisieren, keine Aufmerksamkeit (Epstein et al., 1997). Die automatische Natur dieses Vorgangs macht es schwer, die eigenen Aufmerksamkeitsressourcen auf (erlernte) kognitive und behaviorale Vermeidungsstrategien bezüglich der Drogeneinnahme zu fokussieren und somit einen Rückfall zu vermeiden (Franken, 2003).

Im Modell von Franken (2003) wird dem Aufmerksamkeitsbias die Rolle eines kognitiven Vermittlers zugesprochen. Dieser wirkt zwischen den klassisch konditionierten Assoziatio­nen bei drogenrelevanten Reizen, Craving und einem letztendlichen Rückfall. Dieser Auf­merksamkeitsbias ist während der kognitiven Verarbeitung drogenassoziierter Reize an­wesend. Da dieser kognitive Bias zumindest teilweise unfreiwillig und unwillentlich vonstat- ten geht, scheint dies für die Existenz eines „automatisierten“ Pfades zu fortwährendem Drogenkonsum zu sprechen (Franken, 2003).

1.5 Messen einer physiologischen Abhängigkeitskomponente mittels EEG

Zahlreiche Studien zu verschiedenen Abhängigkeitserkrankungenen konnten bei abhängi­gen Versuchspersonen eine spezifische Veränderung im elektroenzephalographischen Muster nachweisen. Diese Abweichung zeigte sich in Form einer erhöhten Positivität ca. 300 ms nach Stimulus beginn und wurde immer dann beobachtet, wenn der Versuchs­gruppe Stimuli aus dem Bereich ihrer Abhängigkeit präsentiert wurden. Tabelle 1.7 zählt einen Teil der Studien auf, die dieses sogenannte „late positive potential“ (LPP) bei süchti­gen Probanden finden konnten.

Die folgenden Kapitel sollen Hintergrundinformationen zur Funktionsweise der elektro­enzephalographischen Ableitung von Spannungswechseln im kortikalen Bereich liefern. Außerdem soll aufgezeigt werden, dass emotional anregende Stimuli spezifische

Tabelle 1.7

Studien mit verändertem LPP bei drogenrelevanten Stimuli in abhängigen Patienten

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

EEG-Muster produzieren und dass abhängige Personen Suchtstimuli (aus ihrem jeweili­gen Suchtspektrum) als emotional relevant wahrnehmen.

1.5.1 Physiologische Grundlagen der Ableitung

Ein EEG bildet Veränderungen in der elektrischen Spannung an der Schädeloberfläche ab, die ihren Ursprung in der Großhirnrinde haben und durch die Entladung postsynapti­scher Potentiale entstehen. Die Größe dieser Spannungen bewegt sich im Bereich von 200 pV und hat eine zeitliche Auflösung im Millisekundenbereich. Da der menschliche Schädel einen hohen Übergangswiderstand für elektrische Impulse darstellt, können nur synchrone Aktivitäten größerer Zellverbände erfasst werden, die eine räumliche Ausrich­tung zur Kortexoberfläche aufweisen.

Subkortikale Strukturen, wie z. B. der Thalamus, zeichnen sich für die Synchronisation der Aktivität einzelner Zellverbände verantwortlich und erzeugen somit die typischen Wel­lenmuster in Spontanableitungen. Im Allgemeinen werden die Rhythmen der spontanen Spannungswechsel in 5 Frequenzbereiche unterteilt. Delta-Wellen (1-4 Hz) werden dabei dem Tiefschlafzustand eines gesunden Erwachsenen zugeteilt.

Theta-Wellen (4-8 Hz) treten hauptsächlich in Phasen der tiefen Entspannung und der Meditation auf. Alpha-Wellen (8-13 Hz) kennzeichnen einen entspannten Wachzustand und Beta-Wellen (12-30 Hz) treten zumeist im wachen Alltagszustand auf. Das Gam­ma-Band (30-80 Hz) wird bei Prozessen der Objekterkennung gemessen (Graman & Schandry, 2009).

1.5.2 Ereigniskorrelierte Potentiale

Neben der immerwährenden Spontanaktivität des menschlichen Gehirns lösen spezielle Situationen typische Spannungsänderungen aus. Diese ereignisbezogenen hirnelektri­schen Potentialänderungen werden evozierte oder auch ereigniskorrelierte Potentiale (EKP) genannt. Dabei können sowohl äußere Einwirkungen der physischen Umwelt als auch Ereignisse innerhalb der menschlichen Psyche EKPs auslösen.

Im EEG präsentieren sich EKPs als komplexe Wellenformen mit multiplen Extrempunk­ten. Bestimmten Ereignissen können hierbei sich wiederholende charkteristische Muster zugewiesen werden. EKPs haben deutlich geringere Amplituden (1-30 pV) als die Muster der Spontanaktivität und werden über Mittelungsverfahren aus dem spontanen EEG her­ausgerechnet (Graman & Schandry, 2009).

Üblicherweise werden EKPs anhand ihrer Komponenten beschrieben. Diese wiederum werden nach der Polarität ihrer Amplitude und der Latenzzeit ihres Auftretens benannt. Ein positiver Ausschlag nach 100 Millisekunden trägt die Bezeichnung „P100“, ein negativer Ausschlag nach 270 Millisekunden wird als „N270“ bezeichnet.

Bei spezifischen Verfahren zur Erfassung einer kognitiven Komponente kann der Name einer Komponente auch unabhängig von der Latenzzeit verwendet werden. So besitzt zwar ein akustisch evoziertes Potential eine P300 nach einer Latenzzeit von 300 ms, bei einem visuell evozierten Potential tritt derselbe Kurvenverlauf jedoch erst nach 500 ms und mehr auf. Dennoch spricht man auch in diesem Fall von einer P300 und nicht von einer P500 (Graman & Schandry, 2009).

Werden EKPs durch emotionales Stimulusmaterial ausgelöst, verändert sich der Kur­venverlauf der P300-Komponente. Im Bereich von ca. 300 bis 700 ms nach Stimulusbe- ginn tritt, besonders im parietalen Kopfbereich, eine erhöhte Positivität auf. (Schupp et al., 2000). Dieses Phänomen wird als „late positive potential“ (LPP), „late positive component“ (LPC) oder auch als P3b bezeichnet. Abbildung 1.4 zeigt beispielhaft typische Verlaufs­muster von evozierten Potentialen bei einer Versuchsanordnung mit visuellen Reizen un­terschiedlicher affektiver Valenz.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1.4:

Typische Verläufe visuell evozierter Potentiale (VEP) durch Stimuli mit unterschiedlichen affektiven Valenzen, gemessen an parietalen Elektroden. Hervorgehoben wurde der Be­reich des LPP von 400 bis 700 ms nach Stimulusbeginn.

1.5.3 EEG und Emotion

Eine verbreitete wissenschaftliche Methode, evozierte Potentiale mit Hilfe eines Elektroen- zephalographen (EEG) abzuleiten, stellt das sogenannte „Oddball-Paradigma“ dar. Mit die­ser Versuchsanordnung können bei Versuchspersonen für Reize, die aus einem gegebe­nen Kontext herausragen, evozierte Potentiale mit einer P300-Komponente abgeleitet wer­den. Folgt also z. B. bei ansonsten gleichbleibenden Bedingungen auf vier tiefe Töne ein hoher Ton, so führt dieser zur Auslösung eines evozierten Potentials mit P300. Neben der Möglichkeit, mittels akustischer Stimuli evozierte Potentiale auszulösen, ist für die vor­liegende Arbeit vor allem das Verwenden von visuellen emotionalen Stimuli interessant, weil solche Reize den Kontext von Onlinespielen besonders gut abbilden. 1993 wurde von Cacioppo und seinen Mitarbeitern untersucht, ob es möglich ist, denselben Effekt auch in einem sogenannten affektiven Oddball-Paradigma zu finden (Cacioppo et al., 1993). Der Versuchsablauf orientierte sich weitestgehend am Versuchsaufbau des klassischen Od- ball-Paradigmas, nur wurden die ehemals einfachen Stimuli nun durch komplexere visuelle Bildreize unterschiedlicher affektiver Valenz ersetzt. Dadurch konnte gezeigt werden, dass ein emotional valenter Reiz (unabhängig von seiner Bewertung), der einer Reihe von Bild­reizen entgegengesetzter Valenz folgt, ein evoziertes Potential mit erhöhtem „late positive potential“ (LPP) auslöst.

Weitere Versuche mit affektiv valenten visuellen Stimuli konnten aufzeigen, dass Odd­ball-Paradigmen nicht zwingend notwendig sind, um LPPs zu erzeugen (Schupp et al., 2000). Bei einem direkten Vergleich eines affektiven Oddball-Paradigmas mit einer ge­blockten Präsentation der Stimuli wurden in beiden Bedingungen vergrößerte LPPs bei af­fektiv valenten Stimuli gefunden (Pastor et al., 2008). Der Befund des erhöhten LPPs bei affektiv besetzten Stimuli hat sich dabei in zahlreichen Studien als robust erwiesen (Carre- tié et al., 1997).

Das vergrößerte LPP bei affektiv valenten Reizen wird als Ausdruck einer nicht-intentio­nalen Aufmerksamkeitssteigerung interpretiert, ausgelöst durch affektive Reize von moti­vationaler Bedeutung. Evolutionär relevanten Reizen, die z. B. auf eine Gefahr hindeuten oder fortpflanzungsrelevante Situationen anzeigen, werden demnach vom Organismus au­tomatisch verstärkt Aufmerksamkeitsressourcen zugeteilt (Lang et al., 1997). Dieser Zu­stand erhöhter motivationaler Aufmerksamkeit wird im Zusammenhang mit Abhängigkeits­erkrankungen auch mit einem „Craving“ nach dem jeweiligen Suchtmittel assoziiert (Nam­koong et al., 2004).

1.5.4 Sucht und LPP

Die oben aufgeführten Erkenntnisse führten zu der Frage, ob mit Hilfe des affektiven Odd­ball-Paradigmas auch die emotional/motivationale Komponente von Abhängigkeit auf dem EEG sichtbar gemacht werden könnte. Die Idee dahinter war, dass ein Suchtkranker, un­abhängig von der Form seiner Abhängigkeit, über Prozesse der klassischen und operan­ten Konditionierung bestimmte ehemals für ihn affektiv neutrale Reize im Verlauf seiner Abhängigkeit als motivational relevant wahrnehmen würde (Everitt et al., 2001; vgl. Kap. 1.1.3.2).

Ein Abhängigkeitserkrankter müsste demnach mit erhöhten LPPs auf eine Reihe sucht­relevanter Reize reagieren, während eine nicht suchterkrankte Kontrollperson lediglich eine Reihe affektiv neutraler Reize wahrnehmen würde, ohne dass vergrößerte LPPs auf­treten. Genau dieser Effekt konnte bei einer Vielzahl unterschiedlicher Suchterkrankungen nachgewiesen werden (vgl. Tabelle 1.7).

Auch bei nicht-stofflichen Abhängigkeiten, wie z. B. der Glücksspielsucht, konnte in der Versuchsgruppe ein erhöhtes LPP beim Betrachten glücksspielbezogener Stimuli gefun­den werden (Grüsser et al., 2005). Für Computerspielsüchtige konnten Thalemann und seine Mitarbeiter (2007) vergrößerte Amplituden im LPP beim betrachten computerspielre­levanter Stimuli ermitteln.

1.5.4.1 Evozierfe Potentiale bei Computerspielsüchtigen

2007 untersuchten Thalemann, Wölfling und Grüsser mittels computerspielrelevanten Bild­reizen ob bei exzessiven Computerspielern auffällige EEG-Muster gefunden werden könn­ten. Um in die Versuchsgruppe aufgenommen zu werden, mussten die Probanden we­nigstens drei Abhängigkeitskriterien nach ICD-10 (Dilling et al., 2000) erfüllen. Gemessen wurde dies mittels des Questionnaire of Differentiated Assessment of Addictioo (Grüsser et al., 2007, zitiert nach Thalemann et al., 2007).

Im Gegensatz zu Gelegenheitsspielern zeigte die Gruppe der exzessiven Nutzer signifi­kant höhere kortikale Reaktionen auf Bildstimuli zum Thema Computerspiele. Bei den ex­zessiven Spielern war die Amplitude des LPP bei computerrelevanten Stimuli vergrößert. Gelegenheitsspieler zeigten eine solche Erhöhung lediglich bei emotional anregendem Sti­mulusmaterial. Dies veranlasste Thalemann und seine Kollegen (a. a. O.) zu der Annah­me, dass exzessive Computerspieler Stimuli aus dem Bereich der Computerspiele als an­regender als die Kontrollgruppe wahrnahmen. Vergleichbare Befunde wurden in der Suchtforschung bei Abhängigen von unterschiedlichsten Substanzen (und nicht-stoffge­bundenen Abhängigkeiten) in Reaktion auf thematische Stimuli zu ihren jeweiligen Sucht­mitteln gefunden. Die Ergebnisse von Thalemann und Kollegen (a. a. O.) bestätigen somit die Vermutung, dass exzessive Computerspieler computerrelevante Reize auf dieselbe Weise wahrnehmen wie suchtkranke Menschen suchtrelevante Stimuli.

1.6 Zusammenfassung

Dem natürlichen Spieltrieb des Menschen entgegenkommend, stellen Computer- und spe­ziell Onlinespiele eine häufig genutzte Form des Zeitvertreibs dar. Ziel der vorliegenden Ar­beit ist es u. a. festzustellen, ob eine hohe Nutzungsdauer bereits ein problematisches Verhalten oder sogar ein Anzeichen einer bestehenden Onlinespielesucht darstellt. Dazu wird untersucht, ob hoch involvierte Onlinespieler physiologische Anzeichen einer Abhän­gigkeit aufweisen. Anhand der Merkmale des Spiels nach Oerter (1993) konnte aufgezeigt werden, dass Computer- und Onlinespiele die Kriterien eines Spiels erfüllen, indem sie die Attribute der „Zweckfreiheit“, des „Wechsels des Realitätsbezugs“ und „Wiederholung und Ritual“ aufweisen. Außerdem konnte gezeigt werden, dass die Motivation, Computer- und Onlinespiele zu spielen, intrinsischen Motiven entspringt (Schultheiss, 2009; Yee, 2006) und sich Computerspiele u. a. aufgrund der meist variierbaren Schwierigkeitsstufen her­vorragend dazu eignen, Flow-Zustände im Spieler auszulösen (Rheinberg & Vollmeyer, 2003). Flow-Erleben zeichnet sich wiederum dadurch aus, dass während dieses Zustan­des das Zeitgefühl weitestgehend verloren geht (Csikszentmihalyi, 1993), was eine hohe Nutzungsdauer wahrscheinlicher macht. Entsprechend sind Glücksspielautomaten hervor­ragende Beispiele für elektronische Geräte, die die natürlichen Verstärkermechanismen des Menschen nutzen, um möglichst hohe Nutzungszeiten zu produzieren. Kapitel 1.1.8 führt die Gemeinsamkeiten von Computerspielen und Glücksspielautomaten nach Woods und Kollegen (2004) auf und beschäftigt sich außerdem mit den Kennzeichen eines erfolg­reichen Computerspiels. Viele dieser Verstärkermechanismen von Computerspielen wur­den in Onlinespielen perfektioniert. Ducheneaut und Mitarbeiter (2006) sprechen dem De­sign des MMORPGs World of Warcraft gar die Eigenschaften einer „virtuellen Skin- ner-Box“ zu, in der sich der Spieler jederzeit kurz davor befindet, eine neue Belohnung zu erhalten. So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass Yee (2006) eine durchschnittliche Wochennutzungsdauer von 22 Stunden für Spieler von MMORPGs fand.

Von außen betrachtet erscheint ein Onlinespielkonsum von 6-8 Stunden pro Tag süch­tigem Verhalten zu entsprechen. Um zu überprüfen, ob diese Vermutung zutrifft, wurden die Kriterien von Abhängigkeit abgeklärt und auf Onlinespieler übertragen. Tabelle 1.1 in Kapitel 1.2.3 gibt eine Übersicht über die Kriterien des Abhängigkeitssyndroms nach ICD­10 (Dilling et al., 2000) und wie sich entsprechendes Verhalten im Falle einer Computer- und Onlinespielsucht präsentiert (Wölfling & Müller, 2009). Für ein Abrutschen in abhängi­ge Verhaltensweisen hat der aktuelle Forschungsstand vor allem die Risikofaktoren jun­ges Einstiegsalter, Mangel an Harmonie im familiären Umfeld, die Abwesenheit von ent­haltsamen Vorbildern innerhalb der Familie und Misserfolgserlebnisse im schulischen Be­reich identifiziert (Türk & Bühringer, 1999).

Lerntheoretisch erklärt sich das „Erlernen“ von abhängigem Verhalten vor allem durch die Mechanismen der klassischen und operanten Konditionierung. Nach dem Modell der klassischen Konditionierung können ursprünglich neutrale Stimuli durch ihre zeitliche und räumliche Nähe zu drogenassoziierten Reizen zu Auslösern für das initiale „Verlangen“ werden, das als motivationale Grundlage den Weg für die Ausübung des suchtspezifi­schen Verhaltens bahnt (Robinson & Berridge, 1993, 2000). Zusätzlich erhöht sich die Wahrscheinlichkeit eines erneuten Auftretens des Suchtverhaltens durch Mechanismen des operanten Konditionierens. Hierbei spielen sowohl positive Verstärkung mittels (kurz­fristig) appetenter hedonistischer Konsequenzen durch Ausüben des Suchtverhaltens als auch negative Verstärkung durch das temporäre Wegfällen aversiver Empfindungen und eventueller Entzugserscheinungen eine Rolle (Goltz & Kiefer, 2008).

Wie in Kapitel 1.1.3.4 ausgeführt wird, ist ein Grund für das zeitliche Überdauern von abhängigen Verhaltensweisen und das Auftreten von Rückfällen, auch nach Jahren der Abstinenz, ein „Überlernen“ von Drogenstimuli (Hyman, 2005). Der dogeninduzierte Dopa­minüberschuss im mesolimbischen System führt dazu, dass die Ergebnisse aller Handlun­gen im Zusammenhang mit dem abhängigen Verhalten vom Organismus „besser als er­wartet“ eingeschätzt werden (a. a. O.). Evolutionärer Hintergrund dieser durch Dopamin modulierten Aufmerksamkeitsumverteilung ist, dass Stimuli, die Belohnung oder Bedro­hung ankündigen, mit geringerer Wahrscheinlichkeit vom Subjekt ignoriert werden (Fran­ken, 2003). Dies steht im Einklang mit aktuellen Forschungsergebnissen, die dafür spre­chen, dass Dopamin nicht selbst der Auslöser von gefühltem „Vergnügen“ ist, sondern vielmehr ein Detektor „glücksversprechender“ Stimuli (a. a. O.).

Für evolutionär relevante Reize existiert ein impliziter, willentlich nicht beeinflussbarer Aufmerksamkeitsbias. Der Prozess der anreizbasierten Hervorhebung verwandelt über Konditionierungsprozesse (und unterstützt durch Veränderungen in den Exekutivfuntionen) ehemals neutrale Reize in motivational relevante Reize. Diese emotional/motivational rele­vanten Reize lösen im neostriatalen mesolimbischen System eine vermehrte Dopaminaus­schüttung aus. Diesen Dopaminausstoss wiederum kann man mittels EEG messen, da der suchtspezifische EEG-Ausschlag identisch mit dem Ausschlag bei evolutionär relevan­ten Stimuli ist. Das bedeutet, dass auch bei süchtigen Onlinespielern bei der Konfrontation mit onlinespielspezifischen Stimuli LPPs gefunden werden müssen. Ob hochgradig enga­gierte Onlinespieler, die bis zu acht Stunden täglich mit Onlinespielen verbringen, sich aber selber nicht als süchtig bezeichnen würden, physiologische Anzeichen einer Abhängigkeit aufzeigen, soll mittels der vorliegenden Untersuchung geklärt werden.

2 Fragestellungen/Hypothesen

2.1 Fragestellungen

Aus dem Erkenntnisstand der aktuellen Forschung ergab sich als Ziel der vorliegenden Ar­beit festzustellen, ob es sich bei exzessivem Onlinespielen um Suchtverhalten handelt und daher hochgradig engagierte Onlinespieler physiologische Anzeichen von Abhängigkeit zeigen. Dazu wird eine Gruppe mit hochgradig engagierten Onlinespielern mit einer Grup­pe von Nicht- bzw. Gelegenheitsspielern von Onlinespielen verglichen werden. Erhoben werden dabei die Merkmale von abhängigem Verhalten mittels eines Fragebogens (Hahn & Jerusalem, 2001), das subjektiv empfundene Craving vor und nach der Untersuchung durch Analogskalen sowie das Vorhandensein physiologischer Suchtmerkmale in Form von EEG-Aufzeichnungen.

Folgende Fragen sollten durch die Untersuchung geklärt werden:

- Zeigen hochgradig engagierte Spieler von Onlinespielen bereits physiologische Merkmale von süchtigem Verhalten in Form eines erhöhten LPPs beim Anblick von onlinespielrelevanten Stimuli?
- Ist eine eventuell vorhandene affektiv-motivationale Konditionierung bereits so weit generalisiert, dass schon allgemein computerrelevante Reize ausreichend sind, um einen erhöhten emotional/motivationalen Zustand auszulösen?
- Löst das Betrachten von onlinespielrelevanten Stimuli einen ausgeprägteren emotional/motivationalen Zustand aus als das Betrachten von allgemein computerspielrelevanten Stimuli?
- Kann bei der Versuchsgruppe nach Betrachten aller Stimuli ein erhöhtes Craving nach Onlinespielen gefunden werden?

Diese Fragen werden im folgenden Kapitel in Hypothesen übersetzt.

2.2 Hypothesen

Wie Tabelle 2.1 zu entnehmen ist, wurden die Stimuli aus den verschiedenen Bereichen numerischen Kategorien zugeordnet.

Tabelle 2.1

Zuordnung der Stimuli-Gruppen zu numerischen Kategorien

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1) In der Versuchsgruppe sind die LPPs der Stimuli aus den Kategorien 3, 4 und 5 größer als die LPPs der Stimuli der Kategorie 1.
2) In der Versuchsgruppe sind die LPPs der Stimuli aus den Kategorien 3, 4 und 5 größer als oder gleich groß wie die LPPs der Stimuli der Kategorie 2.
3) In der Versuchsgruppe sind die LPPs der Stimuli aus der Kategorie 5 größer als die LPPs der Stimuli der Kategorien 3 und 4.
4) In der Kontrollgruppe unterscheiden sich die LPPs der Kategorien 3, 4 und 5 nicht von den LPPs der Stimuli der Kategorie 1.
5) In der Versuchsgruppe ist der durchschnittlich angegebene Wert auf der Analogskala (zur Erfassung des momentanen Spielwunsches) nach der Präsentation größer als vor der Präsentation.

3 Methode und Versuchspersonen

3.1 Beschreibung der Stichprobe

Die Stichprobe für das Experiment umfasste insgesamt 15 Personen in der Experimental­gruppe der hochgradig engagierten Spieler und 15 Personen in der Kontrollgruppe von Nicht- bzw. Gelegenheitsspielern. Die Testpersonen der Experimentalgruppe waren bei ei­ner Altersspanne von 18 bis 33 Jahren im Mittel 24,14 Jahre alt, wobei alle Versuchsteil­nehmer dieser Gruppe männlichen Geschlechts waren. Akquiriert wurden die hochgradig engagierten Spieler der Experimentalgruppe aus Gruppen zum Thema „Onlinespiele“ in­nerhalb der Internetplattform „StudiVZ“ (http://www.studivz.de) und über Aushänge an der Universität Regensburg (s. Anhang xx). Der Text der Aushänge bzw. Anschreiben beinhal­tete einen Suchaufruf an Personen, die „viel und gerne Onlinespiele spielen“. Personen, die diesem Aufruf folgten, wurden der Experimentalgruppe zugeteilt, sofern sie im Durch­schnitt mind. eineinhalb Stunden pro Tag Onlinespiele spielten.

Aufgrund des Untersuchungsgegenstandes war eine zufällige Zuordnung von Perso­nen in Experimental- und Kontrollgruppe nicht möglich. Somit handelt es sich bei der vor­liegenden Untersuchung um ein quasi-experimentelles Design. Um den Einfluss von Stör­variablen wie Alter und Geschlecht auf die Untersuchung auszuschließen, wurden die Kontrollpersonen im Hinblick auf diese Faktoren so ausgewählt, dass diese Faktoren zwi­schen den beiden Gruppen konstant gehalten werden konnten.

Die Kontrollpersonen wurden über Aushänge an der Universität Regensburg angewor­ben, wobei nur solche Personen ausgewählt wurden, die nie oder im Durchschnitt höchs­tens eine Stunde pro Tag Computerspiele spielten. Schließlich lag das Durchschnittsalter in der Kontrollgruppe bei 25,14 Jahren, wobei die Alterspanne von 20 bis 45 Jahren reich­te. Hierbei handelte es sich ebenfalls ausschließlich um männliche Versuchsteilnehmer. Die Teilnahme am Experiment war für alle Testpersonen freiwillig. Sofern es sich um Stu­dierende der Psychologie handelte, wurden diese mit vier für das Studium erforderlichen Forschungsstunden vergütet. Die übrigen Untersuchungsteilnehmer erhielten eine Auf­wandsentschädigung in Höhe von zehn Euro für ihre Teilnahme.

3.2 Versuchsplan / Design

Im Experiment wurden mit den Variablen Versuchsgruppe und Stimulusgruppe zwei unab­hängige Variablen systematisch variiert. Die unabhängige Variable (UV) Versuchsgruppe lag in den zwei Faktorstufen hochgradig engagierte Onlinespieler und Nicht- bzw. Gele­genheitsspieler vor. Der Faktor Stimulusgruppe wurde in den fünf Stufen Affektiv neutrale Stimuli, affektiv valente Stimuli, Computerrelevante Stimuli, Computerspielrelevante Stimu­li und Onlinespielrelevante Stimuli variiert.

Als abhängige Variablen (AVn) wurden die Amplitude des LPPs beim Betrachten der Stimulusbilder durch eine EEG-Messung sowie das Craving der Vpn nach dem Spielen ei­nes Onlinespiels vor und nach dem Betrachten der Bilder auf einer Likert-Skala erhoben.

Eine Vp absolvierte das Quasi-Experiment in einer von zwei möglichen Ausprägungen der UV Versuchsgruppe und durchlief alle fünf Variationen der UV Stimulusgruppe. Damit lag der Untersuchung ein mehrfaktorieller, mulitvariater 2x5-Versuchsplan zugrunde, wobei die Auswirkungen der UV Versuchsgruppe im Between-subjects-Design und die Auswir­kungen der UV Stimulusgruppe im Within-Subjects-Design untersucht wurden.

Die Zuteilung in eine der beiden Bedingungen hochgradig engagierte Onlinespieler und Nicht-bzw. Gelegenheitsspieler richtete sich nach dem bestehenden individuellen Compu­ter- bzw. On//nesp/e/verhalten. Somit war es nicht möglich, die Versuchsteilnehmer zufällig einer der beiden Bedingungen zuzuordnen. Es wurde jedoch darauf geachtet, dass mögli­che Störvariablen in beiden Bedingungen konstant gehalten wurden. So wurden Anzahl, Alter und Geschlecht der Versuchspersonen der Kontrollgruppe den Merkmalen der Expe­rimentalgruppe angeglichen (siehe Kapitel 3.1).

Tabelle 3.1 gibt einen Überblick über die verschiedenen Versuchsbedingungen, die in Kapitel 3.4.1.1 näher beschrieben werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3.3 Operationalisierung der Variablen

3.3.1 Operationalierung der Unabhängigen Variablen

3.3.1.1 Operationalierung der Unabhängigen Variable Versuchsgruppe

Die vorliegende Arbeit untersucht u.a., inwiefern sich die physiologischen Reaktionen von hochgradig engagierten Onlinespielern und Nicht- bzw. Gelegenheitsspielern beim Be­trachten von onlinespielrelevanten Stimuli unterscheiden. Ob ein Stimulus ein LPP auslöst, hängt von seiner Valenz und der darauf folgenden unkonditionierten bzw. konditionierten Aufmerksamkeitsreaktion ab. Wie in den Kapiteln 1.3.1f. erläutert wurde, existiert ein un­konditionierter Aufmerksamkeitsbias für evolutionär relevante Reize und ein konditionierter Aufmerksamkeitsbias für suchtrelevante Stimuli. Als physiologisches Korrelat des Auf­merksamkeitsbias gilt das LPP, eine späte Komponente des evozierten Potentials (EPs) mit großer Positivität (Schupp et al., 1997, vgl. auch Kapitel 1.5). Mittels einer Aufzeichnung von EPs ist es demnach möglich nachzuweisen, ob eine hohe zeitliche Zuwendung zu Onlinespielen bereits die Kriterien erfüllt, um entsprechende Stimuli aus diesem Themenbereich mit emotionaler/motivationaler Relevanz auszustatten. Das Vor­handensein eines LPPs bei onlinerelevanten Stimuli innerhalb der Gruppe der hochgradig engagierten Onlinespielern würde somit eine physiologische Reaktion abbilden, die sonst nur von abhängigen Personen auf einen Suchtstimulus gezeigt wird. Ob dies der Fall ist und inwieweit eine eventuell stattgefundene Generalisierung möglicher konditionierter Re­aktionen stattgefunden hat, ist Gegenstand der vorliegenden Untersuchung.

Tabelle 3.1

Schematische Darstellung des experimentellen Designs für die Hypothesen 1-5

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Faktorstufen hochgradig engagierte Onlinespieler und Nicht- bzw. Gelegenheitsspieler waren so konzipiert, dass sie zwei extreme Ausprägungen im Umgang mit Onlinespielen abbildeten.

Hochgradig engagierte Onlinespieler repräsentieren dabei Personen, die vor allem durch die quantitative Ausprägung ihres Spielverhaltens große Vorerfahrung mit dem Spie­len von Onlinespielen haben. Durch das hohe Aufwenden von Zeit und Engagement die­ses Personenkreises in Aktivitäten rund um das Onlinespiel entsteht bei Außenstehenden, insbesondere bei Erziehungsberechtigten und Partnern, oftmals der Eindruck des Vorhan­denseins eines abhängigen Verhaltens. Ob hochgradig engagierte Onlinespieler, zumin­dest teilweise, die Kriterien von Abhängigkeit nach dem ICD-10 erfüllen (vgl. Kapitel 1.1.3.1), wird im vorliegenden Versuch durch eine modifizierte Version der Internet Sucht Skala (ISS-20) von Hahn und Jerusalem (2001) ermittelt. Für die Experimentalgruppe wur­den dementsprechend nur solche Personen ausgewählt, die ein so hohes zeitliches Enga­gement in das Spielen von Onlinespielen investieren, dass davon ausgegangen werden kann, dass sie dadurch andere Interessen vernachlässigen (Verhaltenseinengung). Ein hoher zeitlicher Aufwand sollte auch mit negativen Auswirkungen auf soziale Beziehungen verbunden sein und Konsequenzen im beruflichen Umfeld mit sich ziehen. Der ISS-20 (Hahn & Jerusalem, 2001) erfasst diese und weitere Auswirkungen des Onlinespielverhal­tens mittels Selbstauskunft auf den fünf Subskalen Toleranz, Kontrollverlust, Entzug, ne­gative Konsequenzen im sozialen Bereich und negativen Konsequenzen im beruflichen Bereich (vgl. Kapitel 3.5.5).

Jede Vp der Experimentalgruppe durchlief die Präsentation aller fünf Stufen der Stimu­lusgruppen, während gleichzeitig die zugehörigen EPs der Versuchsperson zu jeder Sti­mulusgruppe mittels EEG aufgezeichnet wurden.

Die Gruppe der Nicht- bzw. Gelegenheitsspieler diente als Kontrollgruppe. Die erhobe­nen Daten dieser Stichprobe verstehen sich als repräsentative Werte für den nicht Online­spiele spielenden Teil der Bevölkerung, innerhalb der Beschränkungen durch die Kenn­werte der Experimentalgruppe (Einwohner Deutschlands, männlich, zwischen 20 und 45, etc.). Somit bilden die Messwerte dieser Gruppe die Vergleichsgrundlage (Baseline) für die Befunde aus der Gruppe der hochgradig engagierten Onlinespieler. Aufnahmevorausset­zung für diese Gruppe war eine geringe bzw. nicht existente Vorerfahrung im Umgang mit Onlinespielen. Dementsprechend wurden nur Personen aufgenommen, die im Durch­schnitt weniger als eine Stunde pro Tag mit dem Spielen von Onlinespielen verbringen. Aufgrund ihrer geringen Spielerfahrung bzw. zeitlicher Investition in Onlinespiele kann davon ausgegangen werden, dass diese Personen keine suchtähnliche oder suchtartige Affinität gegenüber Onlinespielen aufweisen. Daher kann ausgeschlossen werden, das eventuell auftretende physiologische Reaktionen in den EEG-Aufzeichnungen dieser Per­sonen beim Betrachten der Computer-, computerspiel- und onlinespielbezogenen Stimuli auf das Vorliegen einer entsprechenden Abhängigkeit zurückzuführen wäre. Weiterhin werden die Mitglieder dieser Gruppe nur niedrige Werte in der ISS-20 (Hahn & Jerusalem, 2001) und deren Subskalen erzielen. Nicht- bzw. Gelegenheitscomputerspieler müssten den Stimuli aus den Kategorien computerrelevant, computerspielrelevant und onlinespiel­relevant emotional neutral gegenüberstehen. Mit der Hilfe der aufgezeichneten EPs kann bestimmt werden, ob diese Stimuli eine emotionale/motivationale Relevanz für Personen mit keiner oder nur geringer Erfahrung im Umgang mit Onlinespielen haben.

Beide Versuchsgruppen durchliefen jeweils alle Bedingungen der UV Stimulusgruppe. Bei der Erstellung der Präsentation wurde die Reihenfolge der visuellen Stimuli mittels ei­nes computergestützten Randomisierungsprozesses einmalig festgelegt. Hierbei wurde darauf geachtet, dass nie mehr als zwei Bilder einer Kategorie direkt nacheinander zu se­hen waren (vgl. zur genauen Auswahl und zum Ablauf der Präsentation Kapitel 3.5 und 3.6). Die einmal zusammengestellte Präsentation wurde für beide Versuchsgruppen kon­stant gehalten. Des weiteren wurde bei allen Versuchspersonen unmittelbar vor Beginn und nach Ende der Stimulipräsentation die Messung ihres Verlangens und ihrer Lust nach dem Spielen von Onlinespielen mit Hilfe einer Craving-Analogskala (siehe Anhang xx) durchgeführt.

Für eine Minimierung von umweltbedingten Störvariablen sorgte ein konstant Halten der Umgebungsvariablen Art der Präsentation (dieselbe Präsentation) und Ort der Präsen­tation (dasselbe Labor, am selben Computer) für die Experimental- und die Kontrollperso­nen.

3.3.1.2 Operationalisierung der UV Stimulusgruppe

Im vorliegenden Experiment wurden von allen Vps evozierte Potentiale auf visuelle Stimuli unterschiedlicher Kategorien aufgezeichnet. Hierbei war besonders der Bereich von 400 ms bis 800 ms nach Stimulusbeginn interessant. Beim Betrachten emotional valenter Sti­muli zeigt sich in diesem Bereich eine Positiverung („late positive potential“ - LPP) im Kur­venverlauf der Messwerte. Personen, die abhängige Verhaltensweisen zeigen, reagieren, vermittelt durch Konditionierungsprozesse, auf Stimuli ihres jeweiligen Suchtbereichs auf die gleiche Weise wie auf emotional valente Stimuli (vgl. Kapitel 1.5.4). Wenn hochgradig engagierte Onlinespieler bereits Zeichen einer Onlinespielesucht zeigen, wird sich dies durch das Auftreten eines LPPs in ihren EPs beim Betrachten von onlinerelevanten Stimuli äußern.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach der Generalisierung der konditio­nierten Reaktion. Reicht für einen Onlinespielsüchtigen bereits der Anblick einer Compu­termaus, um einen emotional-motivationalen Zustand auszulösen oder geschieht dies nur beim Anblick von Stimuli aus genau dem Spiel, das er als sein „Lieblingspiel“ erachtet? Falls hochgradig engagierte Onlinespieler bereits Anzeichen einer Verhaltenssucht zeigen sollten, würde mit Hilfe der vorliegenden Untersuchung geklärt werden, wie ähnlich oder zusammenhängend die Stimuli zum eigentlichen Suchtmittel (dem Onlinespiel) sein müs­sen, um physiologische Reaktionen auslösen zu können. Dies ist insbesondere für die Therapie von Onlinespielabhängigkeit ein wichtiger Aspekt. Mit Hilfe der gewonnen Er­kenntnisse wäre ein Therapeut in der Lage, besser abzuschätzen zu können, inwieweit schon entfernt mit der Onlinespieltätigkeit assoziierte Reize suchtbezogene Reaktionen auslösen können und somit suchtaufrechterhaltend oder rückfallbegünstigend wirken kön­nen. Da solche entfernt mit Onlinespielen assoziierte Reize, wie z. B. Desktopcomputer, im Alltag generell und auch in vielen Berufsfeldern eine wichtige Rolle einnehmen, wären hier ggf. weitreichende Konsequenzen zu berücksichtigen. Beispielsweise könnte sich die Fra­ge stellen, ob ehemals onlinespielsüchtige Personen computerbezogene Berufe, wie z. B. den des Bürokaufmanns oder Fachinformatikers, ausüben könnten, ohne einem hohen Rückfallrisiko in suchthaftes Spielverhalten ausgesetzt zu sein.

Um die im vorangegangenen Kapitel genannten Punkte untersuchen zu können, wurde die Variable Stimulusgruppe in fünf Stufen variiert: (1) emotional neutrale Stimuli, (2) emo­tional valente Stimuli, (3) computerrelevante Stimuli, (4) computerspielrelevante Stimuli und (5) onlinespielrelevante Stimuli. Die Stimuli der Faktorstufen 3, 4 und 5 verbindet das Merkmal, dass ihnen potentiell die Eigenschaft innewohnt, auf onlinespielsüchtige Proban­den emotional und motivational aktivierend zu wirken. Durch dieses Kriterium vereint und der sprachlichen Vereinfachung dienend wurden diese drei Stimulusgruppen zusammen­genommen als Targetstimuli bezeichnet.

Der Faktor emotional neutrale Stimuli diente als untere Baseline, d. h. die Messergeb­nisse dieses Faktors repräsentieren sowohl in der Versuchs- als auch in der Kontrollgrup­pe die Reaktion auf einen Stimulus emotional neutraler Valenz. Die Werte dieses Faktors dienten somit zur Abgrenzung gegenüber den Werten aller anderen Faktorstufen. Wenn z. B. ein hochgradig engagierter Onlinespieler eine emotional-motivationale Reaktion auf die Stimuli aus der Faktorstufe 5 (onlinespielrelevante Stimuli) zeigt, so wird sich dies durch eine deutliche Positivierung im Kurvenverlauf seiner EPs im Bereich des LPPs (400 ms bis 800 ms nach Stimulusbeginn) im Vergleich zu den emotional neutralen Stimuli der Faktorstufe 1 zeigen. Umgekehrt wurde erwartet, dass die Vps der Kontrollgruppe keine emotional-motivationale Reaktion auf die Stimuli der Faktorstufe 5 zeigen und sich somit der Kurvenverlauf der EPs dieser Faktorstufe sich mit dem Kurvenverlauf der EPs aus der Faktorstufe emotional neutrale Stimuli deckt.

Als emotional neutrale Stimuli wurden 15 Bilder aus dem International Affective Picture System (IAPS) (Lang et al., 2008) ausgewählt, die hinsichtlich der Dimension Valenz als neutral und auf der Skala Erregung als niedrig eingestuft waren (vgl. Kapitel 3.5.2 und An­hang XX). Aufgrund ihrer geringen emotionalen Valenz wurde erwartet, das im von diesen Stimuli ausgelösten EP kein LPP gefunden werden würde. Somit dienten die in dieser Sti­mulusgruppe erhobenen Daten als Baseline-Werte zum Vergleich mit all jenen Stimuli, für die erwartet wurde keine emotional-motivationale Reaktion hervorzurufen.

Durch die Bilder der Stimulusgruppe emotional valente Stimuli konnte der charakteristi­sche Kurvenverlauf der Messwerte des EPs inklusive des LPPs bei der Konfrontation mit emotional relevanten Reizen erhoben werden. Die erhobenen Daten dieser Faktorstufe dienten somit als obere Baseline: Sie repräsentierten in Versuchs- und Kontrollgruppe die emotional-motivationale Reaktion auf einen Stimulus positiver emotionaler Valenz. Mit Hil­fe der gewonnen Daten aus dieser Faktorstufe können mehrere Erkenntnise gewonnen werden. Einerseits zeigt das Auftreten eines LPPs in den aufgezeichneten evozierten Po­tentialen (EPs) das Funktionieren des Versuchsaufbaus. Die Reize dieser Faktorstufe, die durch das IAPS (Lang, 2001) als emotional Valent identifiziert wurden, sind dazu in der Lage, das physiologische Korrelat des emotional-motivationalen Aufmerksamkeitsbias für evolutionär relevante Stimuli (vgl. Kapitel 1.5.4) in Form eines LPPs auszulösen. Weisen die EPs der Fakftorstufe emotional valente Stimuli, über alle Versuchspersonen gemittelt, im Bereich von 400 ms bis 800 ms nach Stimulusbeginn einen signifikant positivieren Kur­venverlauf auf, so ist unser Versuchsaufbau dazu geeignet Stimuli mit emotional-motivatio­naler Komponente zu identifizieren. Dies ist wichtig, da nur so das Vorhandensein eines konditionierten Aufmerksamkeitsbias für onlinerelevante Stimuli in der Experimentalgruppe überprüft werden kann.

Weiterhin dienen die Daten aus der Stimulusgruppe 2 (emotional valente Stimuli) als Vergleichswerte für die Faktorstufen 3 (computerrelevante Stimuli), 4 (computerspielrele­vante Stimuli) und 5 (onlinespielrelevante Stimuli). Wenn sich die Stimuli dieser drei Fak­torstufen in der Experimentalgruppe als emotional/motivational relevante Targetstimuli her­ausstellen, so kann der jeweilige Kurvenverlauf mit demjenigen aus der Stimulusgruppe 2 verglichen werden. Dies lässt einen Rückschluss über die Stärke der emotional-motivatio­nalen Reaktion zu (Schupp??, 2001). Umgekehrt deutet das Ausbleiben eines LPPs von vergleichbarer Stärke wie in Faktorstufe 5 bei Betrachten der Targetstimuli auf die Abwe­senheit einer emotional-motivationalen Relevanz für die Mitglieder der Experimentalgruppe und somit auf die Abwesenheit von abhängigen Verhaltensweisen hin. Die emotional va­lente Stimulusgruppe bestand aus 15 Bildern des IAPS (Lang et al., 2008), die dort mit je­weils hohen Werten auf der Valenz- und der Erregungsskala eingestuft waren (vgl. Kapitel 3.5.2 und Anhang XX).

Die Faktorstufen computerrelevante Stimuli, computerspielrelevante Stimuli und online­spielrelevante Stimuli dienten als Targetstimuli, mit deren Hilfe neben dem Auftreten sucht­bezogener Reaktionen auch noch die Stärke der Generalisierung der konditionierten Re­aktionen erfasst werden sollte. Die Targetbilder wurden vom Autor aus dem Internet bezo­gen. Bei ihrer Auswahl wurde darauf geachtet, dass die abgebildeten Gegenstände bzw. Spielausschnitte hinsichtlich Größe, farblicher Vielfalt, Elementanzahl und Raumaufteilung mit den Bildern aus dem IAPS (Lang, 2001) übereinstimmte. Zudem wurde darauf geach­tet, dass die Stimulsbilder von nichtsüchtigen Personen als emotional neutral und wenig erregend wahrgenommen werden, was mit Hilfe des Vortests (vgl. Kapitel 3.4.1, Anhang XX) sichergestellt wurde.

Unter die Kategorie computerrelevante Stimuli fielen solche Bilder, die im weitesten Sinne zum Spielen eines Computerspiels benötigt werden. Sie umfassen Fotografien von Computermäusen, Laptopcomputern und kompletten Computerarbeitsplätzen. Die compu­terbezogenen Bilder spiegelten den stärksten Generalisierungsgrad der erwarteten Sucht­reaktionen wider. Es wurde erwartet, dass diese Reize Reaktionen von ähnlicher Stärke wie die emotional valenten Bilder produzieren würden, da sie mit dem Suchtverhalten des Onlinespielens Zusammenhängen. Von anderen Abhängigkeitserkrankungen (z. B. Alko­holabhängigkeit) ist bekannt, dass bereits mit dem Suchtverhalten schwach zusammen­hängende Reize Suchtreaktionen (wie LPP und Craving) auslösen können (Namkoong et al., 2004). So besteht z. B. in der Untersuchung von Namkoong und seinen Kollegen (a. a. O.) ein alkoholrelevanter Reiz aus einem Whiskyglas, gefüllt mit einer nicht identifi­zierbaren, klaren Flüssigkeit auf einer ansonsten leeren Tischplatte. Für diese Stimulus­gruppe wurden daher Bilder solcher Elemente ausgewählt, die zwar nicht direkt ein Ele­ment des Onlinespielens sind, jedoch während des Verhaltens anwesend sind, wie z. B. eine Computermaus oderein Laptop. Insgesamt wurden 15 computerbezogene Bilder ver­wendet. (vgl. Kapitel 3.5.2 und Anhang XX).

Für die Kategorie computerspielrelevante Stimuli wurden Screenshots von Computer­spielen verwendet, die zwar über einen internetgestützten Mehrspielermodus verfügen, von ihrem Design jedoch primär für den Einzelspielermodus gestaltet sind. Mit den compu­terspielbezogenen Stimuli wurde ein mittlerer Generalisierungsgrad onlinespielsuchtrele­vanter Reize operationalisiert. Offline-Computerspiele haben mit Onlinespielen viele Ge­meinsamkeiten. Zum einen teilen sie die typischen Elemente eines Spiels (vgl. Kapitel 1.2.7). Zum anderen finden sie in den gleichen Umgebungsbedingungen (visuelle und au­ditive Wahrnehmungsfokussierung, überwiegend am eigenen PC, etc.) statt. Dennoch feh­len den Spielen dieser Kategorie diejenigen Merkmale, die in Kapitel 1.2.8 als typisch für MMOPGs beschrieben werden, wie z. B. eine persistente Spielwelt. Es wurden 15 Bilder ausgewählt, die Spielausschnitte weitverbreiteter Computerspiele der gängigen Genres Action, Rollenspiel und Echtzeit-Strategie abbildeten. Dadurch konnte sichergestellt wer­den, dass die hoch involvierten Spieler der Experimentalgruppe die Spiele zumindest er­kennen, selbst wenn sie sie nicht selbst gespielt haben. Durch die Berücksichtigung meh­rerer unterschiedlicher Genres und der Fokussierung auf Spiele mit hohen Verkaufszahlen wurde außerdem die Wahrscheinlichkeit maximiert, Stimuli in das Set aufzunehmen, die emotional-motivationale Reaktionen bei hochfrequenten Onlinespielern auslösen. Sollte die individuelle Präferenz des Genres einen Störfaktor für das Experiment darstellen, so würde das Vorhandensein verschiedener Genres über alle Versuchspersonen gemittelt ei­nen ausgleichenden Faktor bedeuten (vgl. Kapitel 3.5.2 und Anhang XX).

In der Kategorie onlinespielrelevante Stimuli wurden Screenshots von zwei reinen Onlinespielen verwendet. D. h. diese beiden Spiele entsprechen den in Kapitel 1.2.8 be­schriebenen Merkmalen eines MMOGs. Wegen seiner weiten Verbreitung wurde außer­dem das Spiel Counterstnke in diese Kategorie aufgenommen. Streng genommen stellt dieses Spiel ein normales Offline-Computerspiel mit einem Internet-Mehrspielermodus dar. Dieser Online-Mehrspielermodus erfreut sich jedoch so großer Beliebtheit, dass eine Auf­nahme in diese Kategorie angemessen erschien. Außerdem wurde mit der Aufnahme von Spielszenen dieses Spiels in die Gruppe der Targetstimuli ein zweites Genre eingeführt, wodurch sich die Wahrscheinlichkeit erhöhte, dass sich unter den Versuchspersonen Spie­ler befinden würden, die auf die spezifischen Reize mit einem messbaren konditionierten Aufmerksamkeitsbias reagieren würden. Die Faktorstufe onlinespielrelevante Stimuli stellt die Umsetzung spezifischer onlinespielsuchtrelevanter Reize dar, von denen erwartet wird, dass sie suchttypische Reaktionen (operationalisiert als Amplitude des LPP und Ausmaß des Cravings nach Onlinespielen) auslösen, sofern sie auf einen Rezipienten treffen, der ein hochgradig engagierter Onlinespieler ist. Aufgrund der engen Passung zwischen den typischen Reizen, die üblicherweise beim Onlinespielen präsent sind und den Stimuli die­ser Stimulusgruppe wird erwartet, dass diese Bilder für hochgradig engangierte Spieler eine so hohe emotionale Relevanz besitzen, dass sie nicht nur charakteristische emotiona­le bzw. suchtartige Reaktionen überhaupt hervorrufen, sondern dass diese Reaktionen auch zusätzlich stärker ausfallen als bei allen anderen Stimulusgruppen. Die Reize dieser Bedingung wurden umgesetzt, indem Spielausschnitte aus den erfolgreichsten Onlinespie­len ausgewählt wurden, die typische Spielsituationen von Onlinespielen abbilden. Um die unterschiedlichen Vorlieben von hochgradig engagierten Onlinespielern für verschiedene Genres abzudecken und diese Präferenzen als Störvariable somit ausschließen zu kön­nen, wurden dabei Ausschnitte von Spielen aus den Bereichen Online-Rollenspiel und Online-Shooter verwendet. Online-Rollenspiele stellen die beliebtesten, weitestverbreiteten und kommerziell erfolgreichsten Vertreter der Onlinespiele dar. Aus diesem Grund sind zwei der drei Spiele in dieser Stimulusgruppe Anhänger dieses Genres. Um die Vorlieben der Stichprobe möglichst breitgefächert abzudecken, wurden Spielszenen aus dem, in den westlichen Ländern, erfolgreichsten Onlinerollenspiel World of Warcraft verwendet. Die Nutzung dieses Spiels ist durch eine Abonnementstruktur mit monatlichen Kosten verbun­den. Um auch jenen Vps treffende Tagetstimuli zu bieten, die vor diesen monatlichen Kos­ten zurückschrecken, wurden zusätzlich Screenshots des Online-Rollenspiels Guild Wars aufgenommen. Bei diesem MMORPG fallen lediglich die Anschaffungskosten an, jedoch keine monatlichen Nutzungsgebühren. Insgesamt wurden für diese Stimulusgruppe 15 Bil­der von Onlinespielausschnitten zusammengestellt (vgl. Kapitel 3.5.2 und Anhang XX).

Durch die Kombination der beiden UVn Versuchsgruppe und Stimulusgruppe entstan­den 10 Versuchsbedingungen: (1) „Nicht- bzw. Gelegenheitsspieler - emotional neutrale Stimuli“, (2) „Nicht- bzw. Gelegenheitsspieler - emotional valente Stimuli“, (3) „Nicht- bzw. Gelegenheitsspieler - computerrelevante Stimuli“, (4) „Nicht- bzw. Gelegenheitsspieler - computerspielrelevante Stimuli“, (5) „Nicht- bzw. Gelegenheitsspieler - onlinespielrelevan­te Stimuli“, (6) „hochgradig engagierte Onlinespieler - emotional neutrale Stimuli“, (7), „hochgradig engagierte Onlinespieler - emotional valente Stimuli“, (8) ,, hochgradig enga­gierte Onlinespieler - computerrelevante Stimuli“, (9) „hochgradig engagierte Onlinespieler - computerspielrelevante Stimuli“, (10) „hochgradig engagierte Onlinespieler - onlinespiel­relevante Stimuli“.

Die Kombinationen 1-5 dienten als Kontrollbedingungen für die UV Versuchsgruppe, die Gruppen 6-7 als Kontrollbedingungen für die UV Stimulusgruppe innerhalb der Experi­mentalgruppe und die Kombinationen 8-10 als Experimentalbedingungen, (vgl. Kapitel 3.2 und Tabelle 3.1).

3.3.1.3 Operationalisierung der UV Messzeitpunkt

Zur Erfassung der Werte für die AV Craving wurde bei jeder Vp zu zwei Zeitpunkten ihr ak­tuelles „Verlangen ein Onlinespiel zu spielen“ und ihre momentane „Lust ein Onlinespiel zu spielen“ mittels einer 0-100mm-Analogskala erfasst (vgl. Kapitel.3.4.2.2). Der erste Mess­zeitpunkt befand sich am Anfang des Versuchsablaufs, unmittelbar vor der Bearbeitung des ISS-20 Fragebogens (Hahn & Jerusalem, 2001) und der darauf folgenden Präsentati­on der visuellen Stimuli. Dies war wichtig, da ansonsten die Gefahr bestanden hätte, dass bereits die Beschäftigung mit den onlinespielsuchtbezogenen Fragen des ISS-20 (a. a. O) als onlinespielrelevanter Reiz hätte wirken können und somit möglicherweise ein erhöhtes Craving ausgelöst hätte, bevor die Präsentation der Stimuli überhaupt begonnen hätte. Dies hätte die Vergleiche der Craving-Ausprägung vor und nach der Stimuluspräsentation stark verfälscht.

Der zweite Messzeitpunkt befand sich unmittelbar nach Beendigung der Präsentation der Bildstimuli. Verschiedene Autoren (z. B. Namkoong et al., 2004, Thalemann et al., 2007) berichten, dass bei abhängigen Teilnehmern das Craving nach ihrem jeweiligen Suchtmittel nach der Präsentation von den ihrer Sucht entsprechenden visuellen Reizen deutlich ansteigt. Der Zeitpunkt der zweiten Messung wurde dementsprechend zeitlich hin­ter die Präsentation der Stimuli gelegt. Es wurde davon ausgegangen, dass Probanden der Experimentalgruppe zum zweiten Messzeitpunkt auf beiden Skalen höhere Werte ge­funden werden würden als zum ersten Messzeitpunkt.

3.3.2 Operationalisierung der AV

Im Experiment wurden mit Amplitude des LPP und Craving zwei AVn gemessen, die un­terschiedliche Ausdrucksformen von bzw. Indikatoren für Abhängigkeit darstellen. Dabei ist zwar anzunehmen, dass diese beiden Konstrukte aufgrund ihrer Korrespondenz zur Aus­prägung einer vorliegenden Sucht positiv miteinander korrelieren, jedoch nicht interagie­ren. Von daher kann davon ausgegangen werden, dass sich die Erhebungen der beiden Variablen gegenseitig nicht beeinflussen. Somit können beide Kennwerte ohne Schwierig­keiten in einer Untersuchung erhoben werden.

3.3.2.1 Operationalisierung der AV Amplitude des LPP

In dem Kapitel 1.5 wurde im Detail ausgeführt, dass ein im Rahmen einer EEG-Aufzeich­nung von EPs auftretendes LPP ein physiologisches Korrelat einer emotionalen/motivatio- nalen Reaktion auf einen relevanten bzw. belohnungsversprechenden Stimulus darstellt. Zudem wurden Befunde aus der Literatur zusammengetragen, die belegen, dass dieser Ausschlag bei suchtkranken Personen auch beim Betrachten suchtbezogener Reize auf­tritt. Als Hintergrund hierfür wurde dargelegt, dass bei abhängigen Personen ehemals neu­trale Stimuli durch ihre zeitliche und räumliche Nähe zu belohnungsankündigenden Reisen über Konditionierungsprozesse und den Prozess der anreizbasierten Hervorhebung selbst zu emotional valenten Stimuli werden (vgl. Kapitel 1.1.3.2 und 1.3.5ff.). Erkennbar ist das Vorliegen eines solchen Ausschlags durch eine erhöhte Positivität der Messwerte im Be­reich des LPPs. In der graphischen Auswertung des Kurvenverlaufs manifestiert sich die­ser Unterschied in einer größeren Amplitude des LPPs für diejenigen Stimuli, die dazu in der Lage sind, mittels eines Aufmerksamkeitsbias höhere Aufmerksamkeitsressourcen auf sich zu vereinen (Carretie et al., 1997; Lang et al., 1997). Deshalb wurde in der vorliegen­den Studie als Indikator einer manifesten Onlinespielsucht das Vorliegen einer physiologi­schen Abhängigkeitskomponente durch das Auftreten oder Ausbleiben eines LLPs bei der Betrachtung der Reize aus der Gruppe der Targetstimuli (computerrelevante, computer­spielsrelevante und onlinespielrelevante Stimuli) operationalisiert.

Der Beginn des LPPs wird von verschiedenen Autoren mit einer Zeitspanne von 300 bis 400 ms nach der Wahrnehmung des auslösenden Ereignisses angesetzt (Carretie et al., 1997; Lang et al., 1997, Schupp et al., 1997). Der Endpunkt des LPPs wird in der Lite­ratur für zwischen 750 und 900 ms nach dem Ereignis festgelegt (a. a. O.). Davon ausge­hend wurde in der vorliegenden Studie das LPP als der Bereich von 400 ms bis 900 ms nach Beginn der Stimulusrezeption definiert. Dabei wurden in beiden Versuchsgruppen je­weils die EPs bzw. LPPs mittels EEG während der gesamten Stimulipräsentation aufge­zeichnet und getrennt für die fünf verschiedenen Stimulusgruppen erhoben. Die Messung Erfolgte durch 62 nicht polarisierbare Ag/AgCI Elektroden, die im gleichen Abstand zuein­ander angeordnet waren. Eingebetet waren diese in eine elastische Haube der Firma Easy Cap, FMS. Als Referenz dienten die Mastoiden. Zur Verbesserung der elektrolytischen Leitfähigkeit wurde Eci Electrogel (Electrocap International, Inc.) verwendet. Zusätzlich wurde eine Elektrookulografie (EOG) zur Korrektur von Augenmuskelartefakten aufge­zeichnet. Es wurden Epochen von 100 ms vor Stimulusbeginn bis 800 ms nach Stimulus- beginn aufgenommen. Dabei wurde eine Impendanz der Elektroden auf dem Skalp von unter 10 kQ eingehalten. Die Daten wurden mit einer Sample Rate von 500 Hz aufgezeich­net werden. Dabei war der Bandpassfilter des Verstärkers (Neuroscan) auf 0,1 Hz und 100 Hz eingestellt. Zusätzlich wurde ein Low-Pass-Filter von 40 Hz verwendet.

Verschiedene Autoren (Schupp et al., 2006; Thalemann et al., 2007) kamen überein­stimmend zu dem Befund, dass das LPP seine stärkste Ausprägung an den parietalen Elektroden entwickelt. Speziell die Elektrode Pz hat sich als ein hervorragend geeigneter Messpunkt für das physiologische Korrelat des Aufmersamkeitsbias bei emotional-motiva­tional relevanten Stimuli herausgestellt (a. a. O.). Dementsprechend wurden für das vorlie­gende Experiment die Messwerte der Elektrode Pz verwendet. Für jede Vp wurde ein Mit­telwert für das LPP für alle Stimuli einer Stimulusgruppe gebildet.

Die vom EEG aufgezeichneten Rohdaten wurden dabei folgendermaßen behandelt: Es wurde eine automatische Artefaktablehnung verwendet. Diese verwarf Segmente, in de­nen Spannungssprünge von mehr als 20 pV pro Samplepunkt auftraten. Zusätzlich wur­den all jene Segmente verworfen, bei denen die absolute Differenz zwischen zwei Werten innerhalb des Segments 100 pV überstieg. Außerdem wurden nur die Segmente mit in die Auswertung einbezogen, bei denen die Amplitude -200 pV nicht unterschritt und 200 pV nicht überschritt. Weiterhin wurden die segmentierten EEG-Daten am mittleren Span­nungswert -100ms bis 0ms relativ zum Stimulus baseline-korrigiert.

3.3.2.2 Operationalisierung der AV Craving

Im vorliegenden Versuch wurde die AV Craving der Versuchsteilnehmer ein Onlinespiel zu spielen vor und nach der Präsentation der Stimuli erhoben. Verschiedene Untersuchungen hatten festgestellt, dass bei abhängigen Teilnehmern das Verlangen ihr Suchtmittel zu konsumieren nach der Präsentation von Suchtstimuli deutlich anstieg (Namkoong et al., 2004, Thalemann et al., 2007). In der vorliegenden Untersuchung wurde das momentane Craving der Versuchsteilnehmer anhand zweier vertikaler, visueller 0-100-mm Analogska­len (siehe Anhang) zu zwei Zeitpunkten erhoben. Die erste Erhebung fand unmittelbar vor Beginn der Stimulipräsentation statt, die Zweite unmittelbar nach Beendigung der Präsen­tation. Es wurde jeweils der aktuell in diesem Moment von der Vp wahrgenommene Zu­stand mittels Selbstauskunft anhand zweier Analogskalen erfragt. Dabei wurden auf der ersten Analogskala das Konstrukt „Lust ein Onlinespiel zu spielen“ abgefragt und auf einer zweiten Skala das Konstrukt „Verlangen ein Onlinespiel zu spielen“.

Das Konstrukt „Lust ein Onlinespiel zu spielen“ wurde bereits im Vorfeld der Untersu­chung vom Versuchsleiter als ein kognitiv, rationales, „kopfgesteuertes“ Empfinden des Wunsches ein Onlinespiel zu spielen festgelegt. Dadurch sollte jenen Probanden, die ei­nen weniger guten Zugang zu ihren Emotionen haben, ermöglicht werden die Ausprägung ihres aktuellen Wunsches ein Onlinespiel zu spielen auszudrücken.

Das Konstrukt „Verlangen ein Onlinespiel zu spielen“ wurde ebenfalls im Vorfeld der Untersuchung vom Versuchsleiter definiert. Es spiegelt die emotionale, instinktive, „aus dem Bauch“ kommende Komponente des Wunsches ein Onlinespiel zu spielen wider. Personen, die einen guten Zugang zu ihren Wünschen und Empfindungen haben, können Anhand dieses Konstrukts einen akkuraten Wert für die Stärke ihres momentanen Wunsches ein Onlinespiel zu spielen abgeben. Weitere Informationen zur Gestaltung der Skalen befinden sich in Kapitel 3.5.6.

Die Unterschiedliche Bedeutung der beiden Analogskalen wurde den Vps in der In­struktion (siehe Anhang xx) zu diesem Teil des Versuchs mündlich erläutert Bei der Auswertung der AV Craving wurden die beiden Skalenwerte jeder Vp vor und nach der Stimulipräsentation miteinander verglichen. Außerdem wurde ein Mittelwert aus den beiden Konstrukten erstellt und ebenfalls die beiden Erhebungszeitpunkte miteinander verglichen.

3.4 Versuchsmaterialien

3.4.1 Auswahl der Stimuli

Für die vorliegende Untersuchung wurden die Stimuli der Faktorstufen emotional neutrale Stimuli und emotional valente Stimuli der UV Stimulusgruppe dem International Affectiv Picture System (IAPS) (Lang et al., 2008) entnommen.

Die Stimuli der Kategorien computerrelevante Stimuli, computerspielrelevante Stimuli und onlinespielrelevante Stimuli wurden vom Versuchsleiter aus dem Internet ausgewählt. Um sicherzustellen, dass diese Bilder emotional neutrale Stimuli darstellen, wurden sie in ei­nem Vortest nach dem Selben Verfahren bewertet, welches bei der Erstellung des IAPS (a. a. O.) verwendet wurde. Alle Bilder des IAPS (a. a. O.) wurden von Vpn auf den drei Skalen Valenz (angenehm - unangenehm), Arousal (ruhig - erregt) und Dominanz (ge­führt - dominant) bewertet. Für die Auswahl der Stimuli für die vorliegende Untersuchung wurden die ersten beiden Skalen (Valenz und Arousal) der lAPS-Untersuchung verwen­det. Die Dominanz-Skala war für die vorliegende Fragestellung ohne Belang und wurde somit nicht erfasst.

Es wurden 30 Vpn (15 weiblich und 15 männlich) im Alter zwischen 18 und 65 Jahren untersucht. Das Durchschnittsalter lag bei 35,8 Jahren. Diese wurden über Aushänge an der Universität Regensburg akquiriert. Sofern diese ein Psychologiestudium absolvierten, bekamen sie eine Versuchspersonenstunde für ihre Teilnahme. Die Untersuchung fand in einem CIP-Pool der Universität Regensburg statt. Jeder Teilnehmer bekam einen eigenen Bewertungsbogen (siehe Anhang 1.2). Die Teilnehmer verteilten sich im Raum, so dass ein ungestörtes ausfüllen des Bewertungsbogens gewährleistet war. Zu Beginn der Prä­sentation wurde das Licht gedämpft. Präsentiert wurden insgesamt 90 visuelle Stimuli. Davon waren jeweils 25 aus den Bereichen computerrelevante Stimuli, computerspielrele­vante Stimuli und onlinespielrelevante Stimuli. Zusätzlich befanden sich 15 Kontrollstimuli aus dem IAPS (a. a. O.) in der Präsentation. Diese Bilder waren im IAPS (a. a. O.) auf der Skala Arousal als besonders hoch und auf der Skala Valenz als besonders angenehm be­wertet worden. Jeder Stimulus wurde für eine Periode von 15 Sekunden präsentiert. Zwi­schen den Stimuli lag ein 5-sekundiges Intervall. Die Bildstimuli wurden mit einem Beamer der Marke Acer in einer Größe von 1,2 x 2,2 m mit 600dpi auf eine Leinwand projiziert.

Jede Vp hatte die Aufgabe, die ihr präsentierten Bilder 15 Sekunden lang auf sich wir­ken zu lassen und sie anschließend auf den Dimensionen Arousal und Valenz auf einer 9­stufigen Likert-Skala (siehe Anhang xxx) zu bewerten.

3.4.2 Visuelle Stimuli und Präsentation

Alle visuellen Stimuli wurden auf Größe, Helligkeit und Farbtiefe genormt. Jeder Stimu­lus hatte eine Bildbreite von 480 Pixeln. Um die ursprünglichen Proportionen zu erhal­ten variierte die Bildhöhe innerhalb der Stimuli zwischen 281 und 389 Pixeln.

Im exakten Zentrum jedes Stimuli wurde ein weißes Fadenkreuz mit schwarzen Be­grenzungslinien eingefügt. Als Interstimulus-Reiz diente ein Bild mit den Maßen 480x360 Pixeln, das in der Farbe des Hintergrundes der Präsentation (weiß) gehalten war und in dessen Zentrum ebenfalls ein Fadenkreuz eingefügt wurde. Für den Be­trachter ergab sich somit während der Präsentation der Eindruck eines ständig in der Mitte des Bildschirms präsenten Fadenkreuzes, das die darunterliegenden Stimuli überlagert. Zusätzlich wurden jeweils acht Bilder aus jeder Kategorie zufällig als Taget- stimuli ausgewählt. Vonjedem Targetstimuli wurde eine zweite Version erstellt, die sich von der Ursprünglichen dadurch unterschied, dass der innere Kreis des eingefügten Fadenkreuzes rot eingefärbt war.

Die Bildreize entstammten den folgenden fünf Kategorien mit jeweilis 15 Stimuli:

1) Affektiv neutrale Stimuli3: 15 Bilder aus dem International Affective Picture System (IAPS) (Lang et al., 2008) mit neutraler affektiver Valenz und niedrigem Erregungs­niveau. Zur Auswahl der Bilder wurden alle Bilder des IAPS nach ihrer affektiven Valenz sortiert. Die 15 Bilder, welche in der Bewertung ihrer Valenz und ihres Erre­gungsniveaus am nächsten am Wert Null waren, wurden ausgewählt.
2) Affektiv valente Stimuli4: 15 Bilder aus dem International Affective Picture System mit positiver affektiver Valenz und hohem Erregungsniveau. Zur Auswahl der Bilder wurden alle Bilder des IAPS nach ihrer affektiven Valenz sortiert. In Erwartung ei­ner größtenteils aus männlichen Probanden bestehenden Experimentalgruppe wurden die IAPS Ergebnisse für männliche Teilnehmer verwendet. Die 15 Bilder, welche in der Bewertung ihrer Valenz und ihres Erregungsniveaus den höchsten positiven Wert erreichten, wurden ausgewählt.
3) Computerrelevante Stimuli: Acht Bilder zu „Computer“ (Vier Bilder von Desk- top-PCs, vier Bilder von Laptop-PCs), fünf Bilder zu „Computerperipherie“ (Zwei Bilder von Headsets, drei Bilder von Computermäusen/Tastaturen), zwei Bilder zu „Betriebssystemen“ (zwei Bilder von aktiven „MS Windows“ Benutzeroberflächen).
4) Computerspielrelevante Stimuli (Spiele mit Mehrspielermodus, aber keine aus­schließlichen Onlinespiele): fünf Screenshots aus dem Computerspiel „GTA3“ (Ka­tegorie: Action), vier Screenshots aus dem Computerspiel „Diablo 2“ (Kategorie: Rollenspiel), sechs Screenshots aus dem Computerspiel „Command & Conquer 3“ (Kategorie: Echtzeit-Strategie).
5) Onlinespielrelevante Stimuli (reine Onlinespiele): sechs Screenshots aus dem Computerspiel „World of Warcraft“ (Kategorie: Online-Rollenspiel), sechs Screen­shots aus dem Computerspiel „Guild Wars“ (Kategorie: Online-Rollenspiel), drei Screenshots aus dem Computerspiel „Counter Strike“ (Kategorie: Online-Shooter).

Zur Präsentation wurde die Software „Presentation“ der Firma Neurobehavioral Systems, Inc. verwendet. Alle Bilder wurden in zwei pseudorandomisierten Blöcken präsentiert. Die Reihenfolge der Bilder innerhalb der Präsentation wurde durch einen computergestützten Randomisierungsprozess einmalig festgelegt. Diese Reihenfolge wurde für jede Vp kon­stant gehalten. Die Präsentationsdauer für jeden Bildstimulus lag in einem Intervall zwi­schen 0,9 und 1,5 Sekunden. Auf jeden Bildreiz folgte ein Interstimulus Intervall zwischen ein und zwei Sekunden.

3.4.3 Coverstory

Die Probanden bekamen die Information, dass es möglich sei, emotionale Reaktionen auf dem EEG sichtbar zu machen. Ihnen wurde erklärt, dass bei der Präsentation emotional anregender Bilder das Gehirn mit einem speziellen Ausschlag an einer bestimmten Stelle im Gehirnwellenmuster reagiere. Den Vps wurde erklärt, dass sie durch ihre Teilnahme an der Untersuchung mithelfen würden Antworten auf die folgenden Fragen zu finden: „Re­agiert das Gehirn auf Bilder aus Computerspielen genauso wie auf Bilder von realen Situa­tionen?“ und „Sind die Gefühlsreaktionen auf Situationen in Computerspielen genauso stark wie auf Situationen im echten Leben?“

3.4.4 Distraktoraufgabe

Die Probanden bekamen die Aufgabe, während der Präsentation der Stimuli schnellstmög­lich eine Taste zu drücken, wenn sich der innere Kreis des ständig die Stimuli überlagern­den Fadenkreuzes rot färben sollte. Diese Aufgabe brachte keinen Informationsgewinn für die vorliegende Untersuchung und diente lediglich dazu, die Konzentration und den Wach­heitsgrad der Probanden konstant zu halten.

3.4.5 Fragebögen

Zur Feststellung der Ausprägung des Computerspielverhaltens wurde eine modifizierte Version der Internet Sucht Skala (ISS-20) (Hahn & Jerusalem, 2001) verwendet. Hierbei wurden die Fragen wörtlich übernommen und jeweils Sinn erhaltend die Worte „Inter- net-Surfen“, „Internet“, „Internet-Nutzung“, „Netz“, und „Online-Welt“ durch die Worte „On­line-Spielen“ bzw. „Onlinespiele“ ersetzt. Zusätzlich wurde je eine Frage nach der täglichen Onlinespieldauer in Stunden und eine Frage nach dem momentanen „Lieblingsspiel“ ge­stellt. Die ISS-20 klassifiziert Personen mit einem Gesamtscore zwischen 50 und 59 als „suchgefährdet“. Ab einem Ergebnis von 60 wird der Ausfüllende als „süchtig“ eingestuft.

Die ISS-20 erhebt die Auswirkungen des Onlinespielverhaltens mittels eines Selbstaus­kunftfragebogens auf den fünf Subskalen Toleranzentwicklung (Cronbachs Alpha = .81), Kontrollverlust (Cronbachs Alpha = .82), Entzugserscheinungen (Cronbachs Alpha = .83), negative Konsequenzen soziale Beziehungen (Cronbachs Alpha = .82) und negative Kon­sequenzen Arbeit und Leistung (Cronbachs Alpha = .83). Der Test wurde mittels einer Stichprobe von 7091 Einwohnern der Bundesrepublik Deutschland validiert. Da die Teil­nehmer nicht aus zufällig ausgewählt wurden, sondern über Medienaufrufe akquiriert wur­den, kam es zu einer Überrepräsentation von jüngeren und männlichen Teilnehmern. Dies wurde durch die Autoren durch eine Quotenkontrolle (Meier/Hansen, 1999) der sozio­demographischen Merkmale der Befragungsteilnehmer mit bekannten Merkmalsverteilun­gen der Grundgesamtheit der Internetnutzer... ,, (a. a. O., S. 223) kompensiert.

Der Fragebogen wurde mit Hilfe des Programms „Grafstat 4“ von Uwe Diener erstellt. Alle Probanden füllten den Bogen kurz vor Beginn des Experiments auf einem Laptop aus.

3.4.6 Analogskala zur Erfassung des aktuellen Cravings

Im vorliegenden Versuch wurde bei jeder Vp zu zwei Zeitpunkten (vor und nach der Prä­sentation der visuellen Stimuli) das aktuelle Craving ein Onlinespiel zu spielen mittels zwei­er Analogskalen erhoben. Dabei wurden auf der ersten Analogskala das Konstrukt „Lust ein Onlinespiel zu spielen“ abgefragt und auf einer zweiten Skala das Konstrukt „Verlan­gen ein Onlinespiel zu spielen“ (vgl. Kapitel 3.4.2.2). Die vertikalen Analogskalen hatten je­weils eine Länge von 100 mm und waren an ihren Polen mit Bezeichnungen der beiden extremsten Ausprägungen beschriftet. Dabei befand sich die größtmögliche positive Aus­prägung am oberen Skalenrand und die geringste Ausprägung am untere Rand der Skala. Die Skala „Lust ein Onlinespiel zu spielen“ hatte am oberen Ende die Beschriftung „Größt­mögliche Lust“ und an ihrem unteren Ende die Beschriftung „Absolut überhaupt keine Lust“ . Die Skala zur Erfassung des Verlangens („Verlangen ein Onlinespiel zu spielen“) verlief zwischen den Extrempunkten „Absolut überhaupt kein Verlangen“ und „Größtmögli­ches Verlangen“.

3.5 Ablauf der Untersuchung

Jede Vp wurde in einem Einzelsetting getestet. Zum verabredeten Zeitpunkt wurde die je­weilige Testperson vom Versuchsleiter und seinem Assistenten am vereinbarten Treff­punkt abgeholt, begrüßt und zum Testraum gebracht. Bei diesem handelte es sich um ein ruhiges EEG-Labor der Universität Regensburg, das neben einem Arbeitsbereich für den Versuchsleiter mit den nötigen Computern zum Steuern der Bildschirmpräsentation sowie zum Überwachen und Aufzeichnen der Hirnstrommessung auch eine separate elektroma­gnetisch abgeschirmte und schallgedämmte Kabine mit den Ableitungsinstrumenten um­fasste. In dieser war ein vom Versuchsleiterplatz aus steuerbarer Computerbildschirm un­tergebracht sowie ein Stuhl, der bezüglich seiner Sitzposition, Höhe und Ausrichtung auf jede VP individuell eingestellt werden konnte, so dass für jeden Probanden während der Durchführung des Experiments eine entspannte und ruhige Körperhaltung bei freiem Sichtfeld auf den Bildschirm möglich war. Hier nahm die VP Platz. Zu diesem Zeitpunkt war der Bildschirm noch ausgeschaltet.

Als erstes wurde die Vp daraufhin instruiert, mit Hilfe der beiden Craving-Analog -Ska­len das Ausmaß ihres aktuellen Verlangens sowie ihre momentane Lust darauf, ein Onlinespiel zu spielen, anzugeben. Hierfür wurde dem Probanden erläutert, dass er „Lust“ als einen kognitiven, rationalen, „kopfgesteuerten“ Impuls verstehen solle, während „Ver­langen“ einem emotionalen „Bauchgefühl“ entspreche. Eine detaillierte Beschreibung der Analogskalen und eine Erläuterung des Craving-Konzepts und seiner Bedeutung für die vorliegende Untersuchung finden sich in Kapitel 3.4.2.2 und 1.4.5.

Anschließend wurde die VP angeleitet, den Fragebogen zur Feststellung der Ausprä­gung des Computerspielverhaltens zu bearbeiten, der in Anlehnung an den Fragebogen von Hahn und Jerusalem (2001) das Vorliegen der diagnostischen Abhängigkeitskriterien nach dem ICD-10 abfragte (vgl. Kapitel 3.5.5). Zusätzlich wurden Daten bezüglich dem Al­ter, dem Geschlecht, dem aktuellen Lieblingsspiel und dem Zeitpunkt des letzten Online­spielkonsums erhoben.

Daraufhin begannen die direkten Vorbereitungen für die Durchführung der Hirnstrom­messung. Hierzu wurde zunächst mittels einer Vermessung des Schädelumfangs der Vp die passende Größe der benötigten EEG-Haube mit den angefügten Elektroden für die Hirnstrommessung ermittelt. Im Anschluss wurde dem Probanden die EEG-Haube ent­sprechender Größe aufgesetzt und an den einzelnen Elektroden mit Hilfe der Paste zur Verbesserung der elektrolytischen Leitfähigkeit (vgl. Kapitel 3.4.2.1) eine Impedanz von unter 10kQ hergestellt. Dies nahm in Abhängigkeit von der Passung zwischen Kappengrö­ße und Schädelumfang und von der elektrolytischen Leitfähigkeit des Schädels der Vp zwischen 20 und 60 Minuten in Anspruch. Sobald die passende Impedanz an allen 62 Elektroden erreicht war, wurde der Proband über den Ablauf des Experiments und seine nachfolgenden Aufgaben innerhalb der Untersuchung instruiert. Hierfür wurde eine für alle standardisierte und für alle Vpn konstant gehaltene Instruktion mündlich vorgegeben. Zu­nächst wurde die VP angewiesen, sich an ihrem Sitzplatz so zu positionieren, dass sie den Bildschirm frontal uneingeschränkt sehen und die Leertaste auf der vor ihr positionierten Tastatur erreichen konnte ohne sich bewegen zu müssen, und dabei gleichzeitig eine möglichst bequeme Position zu finden, in der sie für die Dauer des Experiments von 35 Mi­nuten angenehm verharren könnte. Dabei wurde besonders betont, wie wichtig die Ver­meidung jeder Art von Bewegungen für die Durchführung der Untersuchung seien und die Vp darum gebeten, sich um eine möglichst bewegungsfreie Haltung zu bemühen und auch Bewegungen der Augen so weit wie möglich zu vermeiden. Zur weiteren Stabilisierung der Körperposition wurde der Kopf der Vp mittels einer Kopfstütze stabilisiert. In dieser wurde der Kopf der Vp von unten durch eine Kinnstütze stabilisiert und seitlich und nach vorne gerichtete Bewegungen durch eine Stirnstütze eingeschränkt. Weiterhin wurde dem Pro­banden erklärt, dass von nun an permanent ein Fixationskreuz in Form eines Fadenkreu­zes in der Mitte des Bildschirms zu sehen sein würde, während gleichzeitig eine Reihe von Bildern im Hintergrund erscheinen würde. Hierzu wurde der VP erläutert, dass ihre Aufga­be darin bestehe, während der gesamten Bilderpräsentation dieses Fixationskreuz mit dem Blick zu fixieren und bei einem in unregelmäßigen zeitlichen Abständen auftretenden Farbwechsel des inneren Kreises des Fadenkreuzes von schwarz nach rot die Leertaste so schnell wie möglich zu betätigen. Zur besseren Verständlichkeit dieser Instruktion wur­de hierfür beispielhaft der Farbwechsel des Fixationskreuzes am Bildschirm demonstriert. Bei dieser Aufgabe handelte es sich um eine Distraktoraufgabe, die zum einen dazu dien­te, sicherzustellen, dass die Testpersonen tatsächlich während der gesamten Untersu­chungsdauer kontinuierlich auf den Bildschirm und damit auch auf die Stimulipräsentation schauten. Zum anderen sollte durch die so herbeigeführte Fokussierung auf das Fixations­kreuz und damit einhergehende leichte kognitive Ablenkung der Gedanken von den Bil­dern weg dafür sorgen, dass die Probanden über die gezeigten Stimuli nicht intensiv nach­denken konnten, sondern diese eher beiläufig und dadurch gefühlsmäßig wahrnahmen und verarbeiteten. Auf diese Weise sollte verhindert werden, dass kognitive Überlegungen die emotionalen Reaktionen verfälschten. Außerdem sollte die Distraktoraufgabe die Kon­zentration der Vp auf die präsentierten Bildreize sicherstellen. Die bloße 35-minütige passi­ve Betrachtung sich wiederholender Bildreize in einem schallgedämpften Raum beinhal­tete das Risiko des Aufkommens von Gefühlen der Langeweile und Schläfrigkeit. Sofern die VP anschließend an die Instruktion eine geeignete Sitzhaltung gefunden hatte und be­züglich des Ablaufs des Experiments sowie bezüglich ihrer Aufgabe keine Fragen mehr hatte, wurde die Ableitungskabine verschlossen und die Präsentation der Stimuli mit der integrierten Disktratoraufgabe sowie die parallel aufgezeichnete Hirnstrommessung ge­startet.

Zwischen den zwei Präsentationsblöcken wurde jeweils eine etwa zehminütige Pause eingelegt, in der die VP die Gelegenheit hatte, ihre Haltung etwas zu entspannen, um auch während des zweiten Bilderblocks eine konzentrierte Sitzhaltung zu ermöglichen.

Im Anschluss an die Präsentation wurden den Testpersonen erneut die Analogskalen hinsichtlich des Verlangens und der Lust danach, ein Onlinespiel zu spielen, vorgelegt, mit der Bitte die in diesem Moment aktuelle Intensität dieser Cravingformen einzuschätzen.

Abhängig davon, wie schnell bei den einzelnen Testpersonen an den einzelnen Elektro­den der EEG-Kappe die benötigte Impedanz erreicht war, dauerte das gesamte Experi­ment zwischen 80 und 140 Minuten.5

Abschließend erhielt jeder Proband ein ausführliches Debriefing über den Untersu­chungsgegenstand des Experiments und die Vergütung für die Teilnahme in Form von 4 Forschungsstunden oder 10 Euro. Zudem wurde den Personen eine Duschkabine sowie zugehörige Utensilien zur Verfügung gestellt, um sich von der leitfähigkeitserhöhenden Creme zu befreien.

3.6 Manipulationscheck

Um zusätzlich abzusichern, dass es sich bei den hochgradig engagierten Onlinespielern tatsächlich um süchtige Personen handelte, wurde zusätzlich zur EEG-Messung der EPs und LPPs auch ihre Abhängigkeit im Sinne der diagnostischen Suchtkritieren nach dem ICD-10 erhoben. Dies diente dazu, bei einem evtl. Ausbleiben suchttypischer LPPs in der vorliegenden Untersuchung besser unterscheiden zu können, ob dieses Ausbleiben auf mangelndes Suchtpotential bei den VPn oder andere Faktoren zurückzuführen wäre. Dar­über hinaus konnte hierdurch untersucht werden, inwieweit Verhaltenskriterien von Abhän­gigkeit mit physiologischen Suchtkorrelaten tatsächlich korrelieren oder ob möglicherweise diese unterschiedlichen Komponenten der Abhängigkeit erst bei unterschiedlichen Sucht­stadien auftreten. Hierzu wurden die Verhaltenskriterien der Sucht mit Hilfe des Fragebo­gens von Hahn und Jerusalem (2001) erhoben, der für die vorliegende Studie zur Erfas­sung einer Onlinespielsucht abgewandelt wurde. Hierfür wurden die Fragen wörtlich über­nommen und jeweils Sinn erhaltend die Worte „Internet-Surfen“, „Internet“, „Internet-Nut­zung“, „Netz“, und „Online-Welt“ durch die Worte „Online-Spielen“ bzw. „Onlinespiele“ er­setzt (vgl. Kapitel 3.5.5).

3.7 Statistische Auswertung der Veruchsergebnisse

Wie in Kapitel 3.2 ausführlich dargestellt wurde, wurden im Experiment die Wirkungen der zwei systematisch variierten UVn Versuchsgruppe und Stimulusgruppe auf die beiden AVn Amplitude des LPPs und Craving untersucht, so dass bei Manipulation der UV Ver­suchsgruppe im between-subjects-Design und Manipulation der UV Stimulusgruppe im wi- thin-subjects-Design ein mehrfaktorieller, multivariater Versuchsplan mit Messwiederho­lung im Hinblick auf die UV Stimulusgruppe entstand. Deshalb boten sich für die Auswer­tung varianzanalytische Verfahren an. Varianzanalytische Verfahren sind an folgende Bedingungen geknüpft: (1) normalverteilte Fehlerkomponenten, (2) homogene Fehlervari­anzen und (3) unabhängige Fehlerkomponenten (Bortz, 1999). Diese Voraussetzungen er­wiesen sich bei ihrer statistischen Überprüfung für die AV Amplitude des LPPs als hinrei­chend erfüllt. Deshalb wurden die Auswirkungen der UVn auf die AVn Amplitude des LPPs wie folgt untersucht: Bei der Variation des within-subjects Faktors Stimulusgruppe wurden die Mittelwerte der Amplitude des LPPs einer jeden Stimulibedingung als unter­schiedliche Messzeitpunkte behandelt. Zur Auswertung des Zusammenhangs zwischen zwei Stimulusgruppen innerhalb einer Versuchsgruppe wurde dementsprechend eine ein­faktorielle ANOVA mit Messwiederholung verwendet. Um festzustellen, ob ein genereller Unterschied zwischen den Versuchsgruppen über alle Stimulusgruppen hinweg existiert, wurde eine zweifaktorielle ANOVA mit Messwiederholung verwendet. Die between-sub- jects Unterschiede zwischen Experimental- und Kontrollgruppe in den einzelnen Stimulus­bedingung wurden mittels einfaktorieller ANOVAs berechnet. Für die AV Craving erwiesen sich die oben genannten notwendigen Stichprobenkennwerte für varianzanalytische Ver­fahren als nicht erfüllt. Somit wurden die Auswirkungen der UVn Versuchsgruppe und Messzeitpunkt auf die AVn Craving mittels des Wilcoxon-Tests für verbundene Stichpro­ben ermittelt. Bei der explorativen Datenanalyse musste berücksichtigt werden, dass zwar die Werte der Amplitude des LPPs in den jeweiligen Gruppen Normalverteilt sind, die Wer­te aller anderen erhobenen Daten (ISS-20, Cravingskalen) jedoch nicht. Aus diesem Grund wurde das nonparametrische Testverfahren nach Spearman zur Überprüfung von etwaigen Korrelationen verwendet. Alle inferenzstatistischen Entscheidungen wurden auf Basis eines Signifikanzniveaus von a = 0.05 getroffen. Da die AVn Amplitude des LPP und Craving Suchtkorrelate auf unterschiedlichen Verhaltensdimensionen erfassen, konnte von einer Adjustierung des a- Fehlers abgesehen werden.

Alle statistischen Datenanalysen und graphischen Ergebnisdarstellungen erfolgten mit­tels des Statistikprogramms PASW18 und Microsoft Office Excel 2007.

4 Ergebnisse

Zur sprachlichen Vereinfachung werden die einzelnen Stimulusgruppen in den folgenden Kapiteln wie folgt bezeichnet: Emotional neutrale Stimuli - Neutral, emotional valente Sti­muli - Emotional, computerrelevante Stimuli - Computer, computerspielrelevante Stimuli - Computer, onlinespielerelevante Stimuli - Online.

4.1 Gruppenvergleich

4.1.1 Fallauswahl

Wie Abbildung 4.1 zu entnehmen ist, gab es in beiden Gruppen und fast allen Stimulusbedingung ausreißende Werte bei den Mittelwerten der Amplitude im Bereich des LPPs. Ausreißer in den positiven und den negativen Bereich wurden in der Experimentalgruppe bei den onlinespielerlevanten Stimuli und in der Experimental- sowie Kontrollgruppe bei den spielerelevanten Stimuli gefunden. Einen Ausreißer in den negativen Wertebereich gab es in der Kontrollgruppe bei den Stimuli der onlinespielerlevanten Stimuli. In den positiven Wertebereich gab es Ausreißer bei Experimental- und Kontrollgruppe bei den emotional neutralen Stimuli und in der Kontrollgruppe in den Stimulusbedingungen emotional valente Stimuli und computerelevante Stimuli. Lediglich bei den emotional valenten Stimuli und den computerelevanten Stimuli innerhalb der Experimentalgruppe wurden keine ausreißenden Werte gefunden. Keiner der ausreißenden Werte wurde als Extremwert identifiziert. Somit konnten die kompletten Daten aller 30 Versuchspersonen für die Datenanalyse verwendet werden.

4.1.2 Beschreibung der Stichprobe

Tabelle 4.1 und Abbildung 4.2 geben eine Übersicht über die Verteilung der Mittelwerte und Standardabweichungen in den beiden Versuchsgruppen und aufgeschlüsselt für die einzelnen Stimulusgruppen. Dabei verteilten sich die Werte in der Kontrollgruppe wie folgt: Neutral: M = 0.72 (SD = 1.15), Emotional: M = 2.33 (SD = 2.3) und Computer: M = 0.96 (SD = 1.24). In der Experimentalgruppe sah die Verteilung wie folgt aus: Neutral: M = 1.14 (SD = 1.39) Emotional: M = 2.49 (SD = 1.83) und Computer: M = 1.38 (SD = 1.57). Abbil­dung 4.3 zeigt den gemittelten Kurvenverlauf der evozierten Potentiale aufgeteilt nach Ver­suchsgruppe und Stimulusbedingung. Abbildung 4.2 verdeutlicht anschaulich, dass die Sti­muli der Kategorie emotional valente Stimuli höhere Mittelwerte produzierten als die Stimuli der anderen vier Kategorien. Weiterhin fielen in beiden Versuchgruppen und allen Stimuli- kategorien hohe Standardabweichungen auf.

Tabelle 4.2 liefert einen Überblick über die Ergebnisse der im Experiment verankerten Dis­traktoraufgabe. Insgesamt wurde auf 99.13 % der Zielreize korrekt reagiert, wobei in der Experimentalgruppe 99.03 % und in der Kontrollgruppe 99.33 % der Reaktionen richtig waren.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4.1

Gruppierte Boxplotdarstellung aller Mittelwerte des LPPs an der Elektrode Pz, sortiert nach Stimulusgruppen.

Tabelle 4.1

Mittelwerte und Standardabweichung derAVn

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4.2

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Darstellung der Mittelwerte des LPPs an der Elektrode Pz. Sortiert nach Stimulusgruppe und Aufgeteilt in Versuchs- und Kontrollgruppe. Fehlerbalken zeigen zwei Standardabwei­chungen in den positiven sowie negativen Bereich.

Tabelle 4.2

Mittelwerte und Prozentanteile der Ergebnisse der Distraktoraufgabe

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Außer bei den computerspielerelevanten Stimuli fanden sich systematisch höhere Mittel­werte der Amplituden im LPP an der Elektrode Pz innerhalb der Experimentalgruppe. Ab­bildung 4.3 zeigt, dass die Stimuli der Kategorie emotional valente Stimuli in beiden Ver­suchsgruppen eine größere Amplitude im evozierten Potential im Bereich von 400 ms bis 900 ms auslösten (die Werte der Y-Achse verlaufen absteigend), während die gemittelten Kurvenverläufe der übrigen Kategorien deutlich geringere Amplituden produzierten und deutlich näher beieinander lagen.

Abbildung 4.4 zeigt noch einmal auf, dass die Mittelwerte der einzelnen Stimulusbedin­gungen in den Bedingungen Neutral, Emotional und Computer weitestgehend parallel ver­laufen, mit einem geringen, aber systematisch positiveren Verlauf in der Experimentalgrup­pe.

Experimentalgruppe:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Darstellung des gemittelten Kurvenverlaufs der evozierten Potentiale für Experimental- (oben) und Kontrollgruppe (unten).

Anmerkungen. In den linken Bildern wird der gemittelte Verlauf der emotional valenten Stimulus­gruppe und der emotional neutralen Stimulusgruppe nachgezeichnet, die rechten Bilder zeigen den gemittelten Kurvenverlauf für alle Stimulusbedingungen. Die Werte der Y-Achse verlaufen abstei­gend.

Wie Tabelle 4.3 entnommen werden kann, unterschieden sich die beiden Versuchsgrup­pen in den erhobenen Kennwerten zu ihrem Onlinespielverhalten. Die täglich mit Online­spielen verbrachte Zeit lag mit einem Mittelwert von 3.64 Stunden und einem Spitzenwert von sieben Stunden in der Experimentalgruppe deutlich höher als in der Kontrollgruppe mit durchschnittlich 0.25 Stunden und einem Maximum von 1.5 Stunden. Auch die Computer- und Onlinespielerfahrung in Jahren war in der Experimentalgruppe mit durchschnittlich 13.53 Jahren (Computerspiele) und 5.68 (Onlinespiele) Jahren deutlich höher als in der Kontrollgruppe mit 4.83 Jahren bzw. 1.33 Jahren.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4.4

Graphische Darstellung der Mittelwerte der AVn in den Versuchsgruppen zur Verdeutli­chung der Wirkung der Faktorstufen der UV„Stimulusgruppe“.

Der Durchschnitt des in der ISS-20 erreichten Gesamtscores war mit 37.32 Punkten eben­falls in der Experimentalgruppe höher als bei den Vps der Kontrollbedingung mit 22.80 Punkten. Auch in allen Subskalen der ISS-20 von den hochgradig engagierten Onlinespie­lern wurden durchschnittlich höhere Punktwerte erreicht. Ein Proband der Experimental­gruppe erreichte mit 53 Punkten den als „suchtgefährdet“ festgelegten Bereich (Hahn & Jerusalem, 2001). Von keinem Teilnehmer wurde der Wert von 60 Punkten erreicht, ab dem Personen als „süchtig“ klassifiziert werden. In Kapitel 4.4 werden die Ergebnisse der Untersuchung dieser Daten im Hinblick auf korrelative Zusammenhänge betrachtet.

4.1.3 Zwischensubjekteffekte

Der Vergleich der Mittelwerte der einzelnen Stimulusgruppen zwischen Experimental- und Kontrollgruppe wurde mittels mehrfaktorieller ANOVA mit Messwiederholung berechnet. Der Mauchly-Test auf Spherizität ergab für die verschiedenen Stimulusgruppen einen Wert von p <.01. Somit konnte eine Homogenität der Kovarianzen abgelehnt werden und es wurde der Greenhouse-Geisser-Test verwendet. Dabei unterschieden sich die Mittelwerte Stimulusgruppe wurden keine Interaktionseffekte gefunden (F(1.84, 51.34) = .31; p =.72). Es ergab sich auf dem 5 %-Niveau kein signifikanter Unterschied in den Mittelwerten zwi­schen den verschiedenen Versuchsgruppen (F(1, 28) = .41; p =.72). Wie in Abbildung 4.3 zu erkennen ist, gab es in der Stimulusgruppe Spiele einen geringen, nicht signifikanten In­teraktionseffekt zwischen den Werten der Kontrollgruppe und der Experimentalgruppe. Die Mittelwerte der Experimentalgruppe M = 0.38 (SD = 2.48) lagen hier leicht unterhalb jener der Kontrollgruppe M = 0.47 (SD = 1.41). Die Mittelwerte innerhalb der Stimulusbe­dingung Online liefen im Gruppenvergleich auseinander und zeigten eine höhere Tendenz innerhalb der Experimentalgruppe M = 0.22 (SD = 1.69) gegenüber der Kontrollgruppe M = 0.80 (SD = 1.79), wobei der Unterschied jedoch mit F(1, 28) = .83; p =.37 statistisch nicht signifikant war.

Tabelle 4.3

Übersicht über die erfassten Kennwerte in den beiden Versuchsgruppen. Gruppenunter­schiede wurden mittels des Mann-Whitney-U-Tests für unabhängige Stichproben ermittelt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Anmerkungen. Die mit * versehenen Vergleiche sind statistisch signifikant.

4.1.4 Gruppenvergleich über die UV Stimulusbedingung

Die Einzelunterschiede zwischen Experimental- und Kontrollgruppe in jeder Stimulusbe­dingung wurden mittels einfaktorieller ANOVAs berechnet. Die Mittelwerte innerhalb der Stimulusgruppe Neutral unterschieden sich zwischen den Gruppen nicht signifikant: F(1, 28) = .80; p =.38. In den beiden Versuchsgruppen gab es innerhalb der Stimulusgruppe Emotional keine signifikanten Unterschiede der Mittelwerte: F(1, 28) = .04; p =.84. Die Mit­telwerte innerhalb der Stimulusgruppe Computer zeigten zwischen den Gruppen keine si­gnifikanten Unterschiede: F(1, 28) = .67; p = .42. Die Mittelwerte innerhalb der Stimulus­gruppe Spiel wiesen keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen auf: F(1, 28) = .02; p =.90. Zwischen den beiden Versuchsgruppen fanden sich innerhalb der Stimulus­gruppe Online keine signifikanten Unterschiede bei den Mittelwerten: F(1, 28) = .83; p = . 37.

4.1.5 Gruppenvergleich über die A V Craving

Das Konstrukt Craving setzte sich aus den Mittelwerten der beiden Analogskalen Lust ein Onlinespiel zu spielen und Verlangen ein Onlinespiel zu spielen zusammen. Wie Tabelle 4.4 und Abbildung 4.5 entnommen werden kann, waren in der Experimentalgruppe die Werte aller Skalen zu allen Zeitpunkten signifikant höher als in der Kontrollgruppe. Die Dif­ferenz zwischen Zeitpunkt T1 und Zeitpunkt T2 unterschied sich zwischen den beiden Gruppen auf keiner Skala signifikant.6

4.2 Innersubjekteffekte

4.2.1 Within-subjects Vergleich der Stimulusbedingung

4.2.1.1 Experimentalgruppe

Für den within-subjects Vergleich der Stimulusgruppen innerhalb der Versuchsgruppen er­gaben sich folgende Werte für die Experimentalgruppe: Es wurde ein signifikanter Unter­schied von F(1, 14) = 6.92 und p =.02 zwischen den Faktoren Neutral und Emotional ge­funden. Die Mittelwerte zwischen den Stimulusgruppen Neutral und Computer unterschie­den sich nicht signifikant: F(1, 14) = .71; p =.41. Die Mittelwerte zwischen den Stimulus­gruppen Neutral und Spiel unterschieden sich ebenfalls nicht signifikant: F(1, 14) = 3.02; p = .10. Mit F(1, 14) = 3.21 und p =.10 wurde kein signifikanter Unterschied zwischen den Faktoren Neutral und Online gefunden. Die Unterschiede der Mittelwerte zwischen den Stimulusgruppen Emotional und Computer waren nicht signifikant: F(1, 14) =3.77; p =.07. Es wurde ein signifikanter Unterschied (F(1,14) = 7.56; p =.02) zwischen den Faktoren Emotional und Spiel gefunden. Die Unterschiede der Mittelwerte zwischen den Stimulusgruppen Emotional und Online waren ebenfalls signifikant: F(1, 14) = 8.23; p = .01. Die Mittelwerte zwischen den Stimulusgruppen Online und Computer unterschieden sich nicht signifikant: F(1, 14) = 3.15; p =.10. Die Mittelwerte der Stimulusgruppen Online und Spiele zeigten keine signifikanten Unterschiede: F(1, 14) = 1.32; p = .27. Tabelle 4.5 gibt einen komprimierten Überblick über die statistischen Zusammenhänge der Stimulus­gruppen innerhalb der Experimentalgruppe.

Tabelle 4.4

Übersicht über die Gruppenunterschiede der Mittelwerte derCraving-Skalen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Graphische Darstellung der Mittelwerte derAVn ..Craving" zu den beiden Messzeitpunk­ten für beide Versuchsgruppen für alle Subskalen.

Tabelle 4.5

Tests der Innersubjekteffekte in der Experimentalgruppe

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Anmerkung. Die mit * versehenen Vergleiche sind statistisch signifikant.

4.2.1.2 Kontrollgruppe

Innerhalb der Kontrollgruppe ergab der within-subject Vergleich der Stimulusgruppen fol­gende Ergebnisse: Zwischen den Faktoren Neutral und Emotional wurde ein signifikanter Unterschied gefunden: F(1, 14) = 6.89; p =.02. Die Unterschiede der Mittelwerte zwischen den Stimulusgruppen Neutral und Computer waren nicht signifikant: F(1, 14) = 1.48; p = . 24. Zwischen den Stimulusgruppen Neutral und Spiele ergab sich ein nicht signifikanter Unterschied von F(1, 14) = 2.41; p =.14. Die Mittelwerte zwischen den Stimulusgruppen Neutral und Online unterschieden sich nicht signifikant: F(1,14) = 3.93; p =.07.

4.3 Craving

Da die erfassten Werte der Analogskalen zur Erfassung des Cravings nach dem Spielen von Onlinespielen nicht normalverteilt waren, wurde der Wilcoxon-Test für verbundene Stichproben zur statistischen Analyse verwendet. Tabelle 4.6 gibt einen Gesamtüberblick über alle Befunde zum Craving der Versuchsteilnehmer.

4.3.1 Gesamtstichprobe

Es wurden keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Erhebungszeitpunkten auf der Skala für das Konstrukt Verlangen gefunden (z = 1.03, N - Rangbindungen = 28, p = .31, zweiseitig). Es konnten ebenfalls keine signifikanten Unterschiede zwischen dem ersten und dem zweiten Erhebungszeitpunkt auf der Skala für das Konstrukt Lust gefun­den werden (z = .66, N - Rangbindungen = 29, p =.51, zweiseitig). Auch zwischen den Mittelwerten der Skalen Verlangen und Lust zusammengenommen konnten keine signif- kanten Unterschiede zwischen den Medianen der Differenzen zu den beiden Erhebungs­zeitpunkten gefunden werden (z = .89, N - Rangbindungen = 28, p=.37, zweiseitig).

Tabelle 4.6

Test des Cravings nach dem Spielen von Onlinespielen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Anmerkungen.

a) Zeitpunkt 1 bezieht sich auf den ersten Messzeitpunkt der Daten vor der Präsenta­tion der visuellen Stimuli. Zeitpunkt 2 bezieht sich auf den zweiten Messzeitpunkt der Daten im An­schluss an die Präsentation der visuellen Stimuli.
b) Die Differenz errechnet sich aus Zeitpunkt 2 minus Zeitpunkt 1

4.3.2 Experimentalgruppe

Es wurden keine signifikanten Unterschiede zwischen dem Erhebungszeitpunkt vor und nach der Präsentation der visuellen Stimuli auf der Skala für das Konstrukt Verlangen ge­funden (z = -.28, N - Rangbindungen = 15, p = .78, zweiseitig). Zwischen den beiden Erhe­bungszeitpunkten auf der Skala für das Konstrukt Lust konnten ebenfalls keine signifikan­ten Unterschiede gefunden werden (z = -.17, N - Rangbindungen = 15, p = .87, zweiseitig). Auch zwischen den Mittelwerten der Skalen Verlangen und Lust zusammen­genommen wurden keine signifikanten Unterschiede zwischen den Medianen der Differen­zen zu den beiden Erhebungszeitpunkten gefunden (z = -.16, N - Rangbindungen = 14, p = .88, zweiseitig).

4.3.3 Kontrollgruppe

Zwischen den beiden Erhebungszeitpunkten auf der Skala für das Konstrukt Verlangen wurden keine signifikanten Unterschiede gefunden (z = -1.40, N - Rangbindungen = 13, p = .16, zweiseitig). Ebenfalls konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen dem ers­ten und dem zweiten Erhebungszeitpunkt auf der Skala für das Konstrukt Lust gefunden werden (z = -1.48, N - Rangbindungen = 14, p =.14, zweiseitig), sowie zwischen den Mit­telwerten der Skalen Verlangen und Lust zusammengenommen keine signifikanten Unter­schiede zwischen den Medianen der Differenzen zu den beiden Erhebungszeitpunkten ge­funden werden konnten (z = -1.41, N- Rangbindungen = 14, p =.16, zweiseitig).

4.4 Explorative Datenanalyse

Verschiedene Kennwerte der Vps wurden explorativ auf korrelative Zusammenhänge hin untersucht. Dazu wurden die Werte aller Versuchsteilnehmer beider Versuchsgruppen ver­wendet. Da zwar die Werte der Amplitude des LPPs in den jeweiligen Gruppen normalver­teilt waren, die Werte der anderen erhobenen Daten (ISS-20, Cravingskalen) jedoch nicht, wurde das nonparametrische Testverfahren nach Spearman verwendet.

Es gab keine signifikante Korrelation zwischen den Mittelwerten der Amplitude des LPPs in der Stimulusbedingung Online und der täglich mit Onlinespielen verbrachten Zeit (rs= .13, N = 30, p = .25, einseitig). Auch zwischen den Mittelwerten der Amplitude des LPPs in der Stimulusbedingung Online und dem Gesamtscore des ISS-20 gab es keine si­gnifikante Korrelation (rs= -.05, N = 30, p =.40, einseitig). Es gab weder eine signifikante Korrelation zwischen den Mittelwerten der Amplitude des LPPs in der Stimulusbedingung Online und den Werten der Skala zur Erfassung des Verlangen ein Onlinespiel zu spielen vor der Präsentation der Bildstimuli (rs= .06, N = 30, p =.37, einseitig) noch nach der Prä­sentation der Bildstimuli (rs= -.01, N=30, p=.47, einseitig). Auch zwischen den Mittelwer- ten der Amplitude des LPPs in der Stimulusbedingung Online und den Werten der Skala zur Erfassung der Lust ein Onlinespiel zu spielen vor der Präsentation der Bildstimuli (rs = -.08, N = 30, p =.34, einseitig) und nach der Präsentation der Bildstimuli (rs =.05, N = 30, p =.41, einseitig) konnte keine signifikante Korrelation gefunden werden. Die Mittelwerte der Amplitude des LPPs in der Stimulusbedingung Online und der Mittelwert aus den Ska­len Verlangen ein Onlinespiel zu spielen und Lust ein Onlinespiel zu spielen korrelierten weder vor der Präsentation der Bildstimuli (rs =.09, N = 30, p =.33, einseitig) noch nach der Präsentation der Bildstimuli (rs= .03, N =30, p=.43, einseitig) signifikant. Eine signifi­kante positive Korrelation konnte zwischen dem Gesamtscore des ISS-20 und der täglich mit Onlinespielen verbrachten Zeit gefunden werden (rs= .75, N = 30, p <.01, einseitig). Vor der Präsentation der Bildstimuli bestanden signifikante positive Korrelationen zwischen dem Gesamtscore des ISS-20 und den Werten der Skala zur Erfassung des Verlangen ein Onlinespiel zu spielen (rs =.64, N = 30, p <.01, einseitig), den Werten der Skala zur Erfassung der Lust ein Onlinespiel zu spielen (rs =.63, N =30, p <.01, einseitig) und dem Mittelwert aus beiden Skalen (rs= .72, N = 30, p<.01, einseitig). Auch nach der Präsenta­tion der Bildstimuli wurden signifikante positive Korrelationen zwischen dem Gesamtscore des ISS-20 und den Werten der Skala zur Erfassung des Verlangen ein Onlinespiel zu spielen (rs =.68, N = 30, p <.01, einseitig), den Werten der Skala zur Erfassung der Lust ein Onlinespiel zu spielen (rs =.73, N = 30, p <.01, einseitig) und dem Mittelwert aus bei­den Skalen (rs= .72, N = 30, p<.01, einseitig) gefunden. Weiterhin waren positive Korrela­tionen zwischen dem Gesamtscore des ISS-20 und dem Zeitraum, seit dem Computer­spiele gespielt werden (rs= .59, N = 30, p <.01, einseitig), sowie dem Gesamtscore des ISS-20 und dem Zeitraum, seit dem Onlinespiele gespielt werden (rs= .74, N = 30, p<.01, einseitig), zu verzeichnen. Abbildung 4.6 verdeutlicht einen Teil der signifikanten Ergebnis­se graphisch.

Auch zum Überprüfen von Korrelationen innerhalb der Experimentalgruppe zwischen dem Zeitpunkt des letzten Spielens eines Onlinespiels und den verschiedenen Erhebungs­zeitpunkten der Skalen zum Erfassen des Cravings ein Onlinespiel zu spielen wurde das nonparametrische Testverfahren nach Spearman zur verwendet. Der Vereinfachung die­nend wird der Zeitpunkt des letzten Spielens eines Onlinespiels im folgenden Abschnitt mit der Variable Zuletzt bezeichnet.

Zwischen der Variable Zuletzt und dem Verlangen ein Onlinespiel zu spielen vor der Präsentation der visuellen Stimuli wurde keine signifikante Korrelation gefunden (rs = -.22, N = 15, p = .22, einseitig). Auch zwischen der Variable Zuletzt und der Lust ein Onlinespiel zu spielen vor der Stimuluspräsentation wurde keine signifikante Korrelation gefunden (rs = .01, N = 15, p = .49, einseitig). Nach der Präsentation der Stimuli wurde zwischen der Variable Zuletzt und den Mittelwerten der Skala Verlangen ein Onlinspiel zu spielen (rs 96 = .18, N = 15, p = .26, einseitig) und Lust ein Onlinespiel zu spielen (rs = .25, N = 15, p = . 19, einseitig) keine signifikanten korrelativen Zusammenhänge erfasst. Abbildung 4.7 stellt

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4.6

Graphische Darstellung des Zusammenhangs von: 1) Gesamtscore des ISS-20 und Mit­telwert der Skalen „Verlangen und Lust ein Onlinespiel zu spielen“ vor Präsentation der Bildstimuli, 2) Gesamtscore des ISS-20 und Mittelwert der Skalen „Verlangen und Lust ein Onlinespiel zu spielen“ nach Präsentation der Bildstimuli, 3) Gesamtscore des ISS-20 und Anzahl der Stunden, die der Proband täglich mit dem Spielen von Onlinespielen verbringt, 4) Gesamtscore des ISS-20 und Anzahl der Jahre seit denen der Proband Onlinespiele spielt. den Zusammenhang zwischen der Variable Zuletzt und den Mittelwerten beider Skalen Verlangen und Lust ein Onlinespiel zu spielen graphisch dar. Vor (rs = -.13, N = 15, p = . 32, einseitig) und nach (rs = .19, N = 15, p = .25, einseitig) der Präsentation der Stimuli zeigte sich keine signifikante Korrelation zwischen dem Gesamtkonstrukt Craving und der Variable Zeitpunkt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung der Zusammenhänge zwischen dem Zeitpunkt des letzten Spielens eines Onlinespiels und dem Craving nach dem Spielen eines Onlinespiels innerhalb der Experi­mentalgruppe vor (links) und nach (rechts) der Präsentation der visuellen Stimuli.

5 Diskussion

Die im vorigen Kapitel vorgestellten Ergebnisse werden in den folgenden Abschnitten der Diplomarbeit eingehend diskutiert. Dazu wird erörtert, inwieweit die vorgefundenen Daten die in Kapitel 2 aufgeworfenen Fragestellungen beantworten können und den ebenfalls an dieser Stelle aufgestellten Hypothesen entsprechen. Bei Ergebnissen, die von den Erwar­tungen abweichen, werden mögliche Ursachen für diese Befunde diskutiert, die aus der Li­teratur oder den Charakteristika der vorliegenden Untersuchung abgeleitet werden kön­nen.

Zunächst werden der Erfolg der experimentellen Manipulationen und mögliche Aus­wirkungen auf die Studie besprochen. Anschließend werden die Auswirkungen der UVn Versuchsgruppe und Stimulusgruppe auf die AVn Amplitude des LPP diskutiert, wobei auch auf Ergebnisse der explorativen Datenanalyse eingegangen wird. Außerdem werden die Befunde der Variation der UV Messzeitpunkt auf die Ergebnisse der AV Craving wei­tergehend erörtert. Im dritten Teil wird eine abschließende Gesamtdiskussion der Befunde getätigt, in der eine Kritik über das Vorgehen in dieser Untersuchung sowie ein Ausblick für weitere Fragestellungen enthalten ist, wie sie sich aus dieser Studie ergeben.

5.1 Diskussion des experimentellen Designs

In der vorliegenden Untersuchung wurden die Auswirkungen von onlinespielrelevanten Sti­muli unterschiedlicher Ausprägung auf hochgradig engagierte Onlinespieler und Nicht- bzw. Gelegenheitscomputerspieler mittels EEG-Aufzeichnungen untersucht. Bevor weiter auf die Einzelbefunde eingegangen wird, soll diskutiert werden, ob das experimentelle De­sign prinzipiell dazu in der Lage war, emotional-motivationale Zustände zu erfassen.

Eine Kernthese der vorliegenden Untersuchung war, dass emotional-motivationale Zu­stände einerseits durch evolutionär relevantes Stimulusmaterial, wie sexuelle Bildreize (po­sitive Valenz) oder gewaltbetonte Bilder (negative Valenz), ausgelöst werden und anderer­seits dieser Zustand einen Aufmerksamkeitsbias zugunsten dieser Stimuli zur Folge hat. Mittels elektroenzephalographischer Messungen ist es wiederum möglich, diese dopamin­vermittelte zusätzliche Aufmerksamkeit zu erfassen und in Kennwerten zu beschreiben. Um zu Überprüfen, ob der vorliegende Versuchsaufbau dazu geeignet war, emotional-mo­tivationale Prozesse bei den Probanden auszulösen und aufzuzeichnen, müssen die Da­ten der Stimulusgruppen emotional neutrale Stimuli und emotional valente Stimuli genauer betrachtet werden. Die Bildreize dieser beiden Kategorien entstammen einem unter wis­senschaftlichen Kriterien zusammengestellten Stimulusset namens IAPS, in dem alle Bil­der von ca. 100 Probanden auf den Ebenen Valenz (angenehm - unangenehm), Arousal (ruhig - erregt) und Dominanz (geführt - dominant) bewertet wurden (Lang et al., 2008). Somit war bereits im Vorfeld der eigentlichen Untersuchung sichergestellt, dass die Bilder der Kategorie emotional valente Stimuli eine hohe positive Valenz und eine stark erregen­de Komponente besitzen würden. In verschiedenen Untersuchungen zum Themengebiet „Emotion und LPP“ wurden mehrfach Bilder des IAPS verwendet, wodurch gezeigt werden konnte, dass diese Stimuli dazu in der Lage sind, „late positive potentials“ (LPPs) in evo­zierten Potentialen (EPs) auszulösen (z. B. Cuthbert et al, 2000; Schupp et al., 2000; Tha- lemann et al., 2007).

Bild 1 (links oben) in Abbildung 4.3 (S. 90) zeigt sehr anschaulich auf einen Blick die Kurvenverläufe der EPs der Stimulusgruppen emotional neutrale Stimuli und emotional valente Stimuli innerhalb der vorliegenden Untersuchung. Deutlich ist ein positiverer Ver­lauf (hohe Werte verlaufen auf der Y-Achse absteigend) der Mittelwerte der emotional va­lenten Stimuli im Vergleich mit den Mittelwerten der emotional neutralen Stimuli zu erken­nen. Dieser erste Eindruck wird im statistischen Vergleich bestätigt. Sowohl in der Experi­mentalgruppe (F(1, 14) = 6.92; p =.02) als auch in der Kontrollgruppe (F(1, 14) = 6.89; p =.02) konnten signifikante Unterschiede zwischen den beiden Stimulusgruppen gefunden werden. Auch die großen Effektstärken von jeweils p 2 =.33 in beiden Versuchsgruppen zeigen deutliche Unterschiede zwischen den emotional neutralen Stimuli und den emotio­nal valenten Stimuli der beiden Stimulusgruppen.

Aus den aufgeführten Befunden lässt sich somit klar ableiten, dass der vorliegende Ver­suchsaufbau grundsätzlich dazu geeignet ist, emotional-motivational relevante Stimuli zu identifizieren. Die EPs der emotional valenten Stimuli konnten sich durch stärkere Positivi- tät von denen der emotional neutralen Stimuli abheben und somit die Befunde zahlreicher vorangegangener Studien (a. a. O.) replizieren.

Ob das experimentelle Design auch dazu geeignet war eventuell vorhandene physiolo­gische Korrelate einer etwaig bestehenden Onlinespielabhängigkeit abzubilden wird in Ka­pitel 5.5 ausführlich diskutiert.

5.1.1 Diskussion der Distraktoraufgabe

Wie aus Tabelle 4.2 (S. 89) ersichtlich wird, war die Distraktoraufgabe in beiden Gruppen erfolgreich darin, die Aufmerksamkeit der Probanden über das gesamte Experiment hin­weg aufrecht zu erhalten. Im Durchschnitt wurden von jeder Vp weniger als 1 % der Ziel­reize verpasst und es kam pro Person zu weniger als einer falschen Reaktion auf Nicht­Zielreize.

5.1.2 Diskussion des Gruppenvergleichs

Der direkte Vergleich über alle Stimulusgruppen zeigte keine signifikanten Unterschiede bei den Mittelwerten der Amplitude des LPPs zwischen hoch engagierten Onlinespielern und Nicht- bzw. Gelegenheitscomputerspielern. Aus den theoretischen Vorgaben ergab sich der Rückschluss, dass die Mitglieder der Experimentalgruppe, sollten sie Onlinespiel­süchtig sein, beim Anblick der Targetstimuli positiv erhöhte Mittelwerte im Bereich des LPPs aufweisen müssten. Da umgekehrt die Mitglieder der Kontrollgruppe die Targetsti­muli als emotional neutrale Stimuli wahrnehmen sollten, müsste es in diesen Stimulus­gruppen signifikante Abweichungen zwischen den Gruppen geben. Um dies überprüfen zu können soll im folgenden Kapitel zunächst abgeklärt werden, ob die Probanden der Kon­trollgruppe die Targetstimuli als Reize ohne emotionale Valenz wahrgenommen hatten.

5.1.2.1 Diskussion der Innersubjekteffekte innerhalb der Kon­troll-gruppe

Zunächst soll auf die Überprüfung der folgenden Hypothese aus Kapitel 2.2 der vorliegen­den Arbeit eingegangen werden: In der Kontrollgruppe unterscheiden sich die Mittelwerte der EPs im Bereich des LPPs in den Kategorien Computer, Spiele und Online nicht von den Mittelwerten der EPs im Bereich des LPPs der emotional neutralen Stimuli. Wie die Ergebnisse aus Kapitel 4.2.1.2 zeigen, konnte diese Hypothese bestätigt werden: In der Kontrollgruppe konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen den Mittelwerten der einzelnen Gruppen der Targetstimuli und den Mittelwerten der Gruppe der emotional neu­tralen Stimuli gefunden werden. Da in Kapitel 5.1 bereits gezeigt werden konnte, dass der Versuchsaufbau dazu in der Lage ist, emotional valente Stimuli zu identifizieren, kämen le­diglich technische Aspekte seitens der Aufzeichnung oder den Spezifikationen der gewähl­ten Stimuli als Fehlerquellen in Frage. Ein systematischer Messfehler, der nur bei den Tar­getstimuli auftrat, erscheint sehr unwahrscheinlich und Spezifikationen bezüglich Breite und Farbtiefe wurden für alle Stimuli konstant gehalten. Wenn Messfehler und Störfaktoren keinen Einfluss auf die erhobenen Daten hatten, sprechen die Ergebnisse dafür, dass Nicht- bzw. Gelegenheitscomputerspieler in der Gesamtpopulation Computer-, computer­spiel- und onlinespielrelevante Stimuli als emotional neutrale und motivational irrelevante Reize wahrnehmen.

5.1.2.2 Diskussion des Gruppenvergleichs über die UV Stimulusbedin- gung

Nachdem abgeklärt werden konnte, dass die Mitglieder der Kontrollgruppe die Targetsti­muli als emotional neutrale Stimuli verarbeiteten, soll nun der Vergleich der Mittelwerte der Zielreize zwischen den Versuchsgruppen näher betrachtet werden. Die Ergebnisse aus 101 Kapitel 4.1.4 zeigen auf, dass die Mittelwerte der Stimuli der Gruppen Computer, Spiele und Online sich zwischen den beiden Versuchsgruppen allesamt nicht signifikant unter­schieden. Dies lässt den Rückschluss zu, dass hochgradig engagierte Onlinespieler Com­puter-, computerspiel- und onlinespielrelevante Stimuli ebenfalls als emotional neutrale und motivational irrelevante Reize wahrnehmen. Ob diese Befunde den Schluss zulassen, dass die Mitglieder der Experimentalgruppe kein pathologisches Onlinespielverhalten auf­weisen, oder die Ergebnisse u. U. auf die Auswahl der Stimuli, die Zusammensetzung der Experimentalgruppe oder andere Störvariablen zurückzuführen sein könnten, wird in Kapi­tels 5.1.3.2 ausführlich erörtert.

5.1.3 Diskussion der Innersubjekteffekte innerhalb der Expe­rimentalgruppe

5.1.3.1 Targetstimuli vs. emotional neutrale Stimuli

Ein Anliegen der vorliegenden Arbeit war es, herauszufinden, ob hochgradig engagierte Spieler von Onlinespielen bereits physiologische Merkmale von süchtigem Verhalten in Form eines erhöhten LPPs beim Anblick von onlinespielrelevanten Stimuli zeigen würden. Zur statistischen Überprüfung dieser Fragestellung wurde die Hypothese aufgestellt, dass die Targetstimuli der Kategorien computerrelevante Stimuli, computerspielerelevante Sti­muli und onlinespielerelvante Stimuli innerhalb der Experimentalgruppe in ihren EPs grö­ßere Amplituden im Bereich des LPPs als die Stimuli der Kategorie emotional neutrale Sti­muli produzieren würden. Es wurde also vermutet, dass hochgradig engagierte Online­spieler die Targetstimuli nicht als Stimuli neutraler emotionaler Valenz wahrnehmen wür­den, sondern als Reize mit einer emotional-motivationalen Komponente.

Bild 2 (rechts oben) in Abbildung 4.3 (S. 90) gibt einen Überblick über die gemittelten Kurvenverläufe der EPs der Targetstimuli im Vergleich zu den von den emotional neutra­len Stimuli ausgelösten EPs innerhalb der Experimentalgruppe. Wie zu erkennen ist, schwankten die Werte der Targetstimuli und emotional neutralen Stimuli in weiten Teilen der Ableitung um den selben Bereich. Lediglich die Kurve der emotional valenten Stimuli setzte sich deutlich von allen anderen Stimulusgruppen ab. Die statistische Überprüfung der augenscheinlichen Ähnlichkeit zwischen den gemittelten Verläufen der Targetstimuli und den emotional neutralen Stimuli bestätigte die Abwesenheit eines signifikanten Unter­schieds zwischen den Stimuli der einzelnen Gruppen. Somit konnte die oben genannte Hypothese nicht bestätigt werden und es muss davon ausgegangen werden, dass hoch­gradig involvierte Onlinespieler Computer-, computerspiel- und onlinespielrelevanten Rei­zen nicht mehr Aufmerksamkeit zuwenden als emotional neutralen Stimuli. Hochgradig en­gagierte Onlinespieler zeigen somit nicht das physiologische Abhängigkeitskorrelat einer emotional-motivationalen Verarbeitung von suchtspezifischen Stimuli in Bezug auf die prä­sentierten Stimuli.

5.1.3.2 Targetstimuli vs. emotional valente Stimuli

Eine weitere Möglichkeit der Einordnung der Ergebnisse der Experimentalgruppe besteht im Vergleich mit der oberen Baseline der emotional valenten Stimuli. Wenn hochgradig en­gagierte Onlinespieler onlinespielrelevante Stimuli als emotional-motivational aktivierende Stimuli erleben, so müssen die erhobenen Messwerte der EPs für diese Stimuli im Bereich des LPPs auf einem vergleichbaren Niveau wie die Werte der emotional valenten Stimuli liegen. In der vorliegenden Arbeit wurde davon ausgegangen, dass onlinespielrelevante Stimuli für hochgradig engagierte Onlinespieler sogar einen stärkeren emotional-motivatio­nalen Impuls beinhalten und somit die gefundenen Messwerte der Targetstimuli sich ober­halb der Werte der emotional valenten Stimuli wiederfinden würden. Diese Vermutung wurde in Kapitel 2.2 durch die dritte Hypothese formuliert.

Die in Kapitel 4.2.1.1 aufgezeigten Ergebnisse ergaben signifikante Unterschiede zwi­schen den emotional valenten Stimuli und den Stimuli der Kategorien Spiel und Online. Der Unterschied zwischen den Stimulusgruppen Emotional und Computer wurde mit p = . 07 nicht signifikant. Wird jedoch die große Effektstärke von p 2 =.21 mit in Betracht gezo­gen, kann von einem tendenziell signifikanten Zusammenhang ausgegangen werden. Der Unterschied zwischen den Targetstimuli und den emotional valenten Stimuli zeigt jedoch immer einen höheren Wert für die emotionalen Reize an: MEmotionai (2.49) > Meuter (1.38) > Moniine (0.80) > Mspiei (0.38). Somit muss die Hypothese, dass hochgradig engagierte Onlinespieler die Targetstimuli als stärker emotional-motivational anregend ansehen als suchtunspezifische emotional valente Stimuli, als nicht zutreffend abgelehnt werden. Per­sonen mit einem starken Onlinespielkonsum zeigten also keine physiologisch messbare Komponente von abhängigem Verhalten in Form eines erhöhten LPPs und sahen Reize aus dem Umfeld des Onlinespielens nicht als emotional-motivational relevante Stimuli an.

Verschiedene Ursachen kommen als Erklärungsmodelle zu den gefundenen Ergebnis­sen in Frage. Bevor durch die Ablehnung der Annahme, es läge ein pathologisches Onlinespielverhalten vor, die Gegenteilige These eines unbedenklichen Spielverhaltens als endgültige Erklärung der Befunde akzeptiert werden kann, müssen zuerst mögliche Alter­nativerklärungen für das Zustandekommen der Daten in Betracht gezogen werden. So stellt sich u. a. die Frage, ob die hohe Anzahl von Wiederholungen jedes Stimuli eine Form der Habituation ausgelöst haben könnte und somit dazu geführt hätte, dass keine Reaktion auf die Targetstimuli in Form eines erhöhten LPPs mehr stattfand? Dies würde Erklären, warum in der Experimentalgruppe keine erhöhten Amplituden im Bereich des LPPs bei den Targetstimuli auftraten. Ganz offensichtlich würde jedoch gegen diese Theorie spre­chen, dass dieser Effekt auch Auswirkungen auf die Ergebnisse der emotional valenten Stimuli hätte haben müssen, da diese in derselben Frequenz präsentiert wurden. Da die LPPs der emotionalen Stimuli allerdings deutlich erhöhte Amplituden aufwiesen, scheint kein Habituationseffekt durch die Anzahl der Wiederholungen aufgetreten zu sein. Unter­stützt wird diese Vermutung durch Befunde von Codispoti und seinen Mitarbeitern (2006). Diese kamen zu dem Schluss, dass bei hochfrequenter Präsentation emotional-motivatio­nal relevanter Stimuli zwar eine leichte Habituation des LPPs stattfindet, der generelle Ef­fekt der signifikant erhöhten Positivität im Vergleich zu Reizen neutraler Valenz aber beste­hen bleibt.

Wichtig für den die Interpretation der vorliegenden Daten ist die Antwort auf die Frage, ob Faktoren der sozialen Erwünschtheit Störvariablen im vorliegenden Experiment darstel­len könnten? Obwohl in den Probanden durch die Coverstory der Eindruck von einer Un­tersuchung zur emotionalen Wahrnehmung von Computerspielen geweckt werden sollte, ist nicht auszuschließen, dass einzelne Vps denoch erkannten, dass sie an einem Experi­ment zum Thema „Onlinespielsucht“ teilnahmen. Bereits die Zugangsvoraussetzung zur Experimentalgruppe, täglich mehr als drei Stunden Onlinespiele zu spielen, hätte hier ei­nen Hinweis auf den tatsächlichen Untersuchungsgegenstand darstellen können. Weiter­hin zielten die Fragen der ISS-20 auf Verhaltensweisen ab, welche einigen Probanden als suchtrelevant aufgefallen sein könnten, so dass bei einigen Probanden kurz vor Beginn der Stimuluspräsentation der Eindruck entstanden sein könnte, an einem Experiment zur Erfassung von Abhängigkeit teilzunehmen. Die sehr transparent gehaltenen Fragen der ISS-20 würden es erlauben, das Ergebnis in eine sozial erwünschte Richtung zu beeinflus- sen.Bei der Bearbeitung der Suchtskala muss also davon ausgegangen werden, dass so­zial erwünschtes Antworten einen Störfaktor darstellte. Entscheidend für die Interpretation der Daten der EEG-Aufzeichnung ist jedoch die Frage, ob es möglich war, dass die Pro­banden ein sozial erwünschtes „Mind-Set“ während der Betrachtung der Bilder aufrechter­hielten. Der Begriff des „Mind-Sets“ bezieht sich hierbei auf das aktive aufrechterhalten von negativen Emotionen oder das Unterdrücken von aufkommenden positiven Emotionen ge­genüber den Targetstimuli. Obwohl eine solche Manipulation seitens der Vp prinzipiell durchaus denkbar wäre, erscheint sie denoch aus verschiedenen Gründen eher unwahr­scheinlich. Zunächst einmal würde ein solcher Vorgang sehr viel kognitiven „Kraftaufwand“ erfordern. Jeder Stimulus war nur für einen kurzen Zeitraum sichtbar, bevor er bereits durch den Nächsten abgelöst wurde. Bis der Proband erkannt hätte welcher Stimulustyp gerade present ist um dann aktiv darauf zu reagieren, wäre bereits ein Teil der Präsentati­onsdauer verstrichen. Weiterhin wurde in Kapitel 1.3.3 ausführlich dargelegt, dass die Ver­arbeitung belohnungsanzeigender Stimuli eine implizite Aufmerksamkeitsreaktion darstellt, welche nicht willkürlich beeinflusst werden kann. Der große notwendige Aufwand und die Forschungslage zur impliziten Verarbeitung belohnungsrelevanter Stimuli lassen somit eine aktive Manipulation seitens der Vpn mit dem Ziel einer sozial erwünschten Präsentati­on in Bezug auf die Werte des LPPs unwahrscheinlich erscheinen.

Eine mögliche Erklärung für das Ausbleiben einer erhöhten Amplitude des LPPs eröff­net sich durch die Frage nach der Eignung des Stimulusmaterials. Unter Umständen stellt die Onlinespielsucht eine sehr spezifische Sucht dar, für die nur durch sehr spezifische Reize belohnungsanzeigend wirken. Sollte dies der Fall sein, hätte im Vorfeld abgeklärt werden müssen, mit welchem Spiel die einzelne Versuchsperson aktuell die meiste Zeit verbringt um individuell abgestimmte visuelle Reize in die Präsentation einzubauen.

Eine weitere kritische Variable in Hinblick auf das Ausbleiben von signifikanten Anzei­chen einer emotional-motivationalen Reaktion beim Betrachten der Targetstimuli könnte auf die Umgebung der Laborbedingungen zurückzuführen sein. Die eher sterilen Umwelt­bedingungen könnten den von den Probanden gewohnten Umgebungsvariablen beim Onlinespielkonsum so sehr widersprechen, dass keiner der Stimuli sie in eine Stimmung versetzten konnte, welche sie gemeinhin mit dem Spielen von Onlinespielen in Verbindung bringen. In Kapitel 5.8 wird auf diesen Aspekt im Zusammenhang von möglichen Kritik­punkten an diesem Experiment noch einmal genauer eingegangen. Weiterhin könnte das Wissen, im Moment der experimentellen Untersuchung und bis zur Rückkehr eigenen Computer, nicht dem Spielen von Onlinespielen nachgehen zu können, einen Einfluss auf die Stimmung des Probanden und dadurch auf die Verarbeitung der Stimuli gehabt haben. Welcher Art dieser Einfluss sein könnte und in welche Richtung er das Experiment beein­flussen würde, sind jedoch mit dem vorliegenden Versuchsaufbau nicht zu überprüfende Einflussgrößen.

Ein wichtiger Faktor bei der Interpretation der Ergebnisse stellt die Zusammensetzung der Experimentalgruppe dar. Denn: Die Gruppe der hochfrequenten Onlinespieler ist eine potentiell heterogene Gruppe. Zwar wurde mittels der ISS-20 festgehalten, ob die Vps in Selbstauskunft als Süchtig einzuschätzen sind, doch dies schließt nicht aus, dass nicht doch abhängige und nicht abhängige Personen in dieser Gruppe vertreten waren. Sollten sich einige wenige Onlinespielsüchtige in der Gruppe der hochgradig engagierten Online­spieler befunden haben, so wäre ihr statistischer Einfluss unter Umständen zu gering um einen signifikanten Gruppenunterschied sichtbar werden zu lassen. Eine Einzelbetrach­tung der gemittelten Kurvenverläufe des EPs aller Mitglieder der Experimentalgruppe zeig­te jedoch keinen Fall auf, in dem die Kurven der Targetstimuli näher an dem Verlauf der emotional valenten als an den emotional neutralen Stimuli lagen. Es zeigte also kein Pro­band Kurvenverläufe, wie sie bei einer emotional-motivationalen Reaktion auf die Stimuli der Targetgruppen zu erwarten gewesen wären. Unter der Annahme, dass keine unbe­kannten Störvariablen das Ergebniss beeinflussen, kann also davon ausgegangen wer­den, dass die Gruppe der hochfrequenten Onlinespieler eine homogene Gruppe von nicht­süchtigen Probanden darstellte.

5.1.3.3 Diskussion des Generalisierungseffektes innerhalb der Target­stimuli

Eine Forschungsfrage der vorliegenden Arbeit beschäftigte sich mit der Reizgeneralisie­rung bei vorhandener Onlinespieleabhängigkeit. Es wurde vermutet, dass die Stimuli der Kategorie Online innerhalb der Experimentalgruppe zu einer stärker ausgeprägten emotio­nal-motivationalen Verarbeitung führen würden als die Stimuli der Kategorien Spiele und Computer. Hintergrund dieser Überlegung war, dass der Grad der suchtrelevanten Spezifi­tät weiter abnimmt, wenn nicht mehr Reize aus Onlinespielen, sondern Bilder von regulä­ren Computerspielen oder Computerzubehör präsentiert werden. Daraus leitete sich die Hypothese ab, dass innerhalb der Gruppe der hochgradig engagierten Onlinespieler die LPPs der Stimuli der Kategorie Online größer sein würden, als die LPPs der Stimuli der Kategorien Computer und Spiele.

Der direkte Vergleich der Gruppenmittelwerte untereinander erbrachte keine signifikan­ten Unterschiede zwischen den Stimuluskategorien. Auch der augenscheinliche Vergleich der erhobenen Daten offenbarte, dass die Mittelwerte der Stimuli der Kategorie Computer nicht unterhalb des Mittelwerts der Stimuli der Kategorie Online liegen: Mcomputer (1.38) > MOniine(0.80) > MSpei(0.38). Die aufgestellte Hypothese musste somit verworfen werden. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass onlinspielrelevante Stimuli bei hochgradig engagierten Onlinespielern zu einer stärker ausgeprägten kognitiven Verarbeitung führen als Computer- oder computerspielrelevante Reize.

Da innerhalb der Experimentalgruppe keine physiologischen Merkmale einer abhängig­keitsanzeigenden Reaktion auf eine Kategorie der Targetstimuli gezeigt wurde, ¡steine In­terpretation bezüglich einer eventuell vorhandenen Reizgeneralisierung im Grunde nicht möglich. Die erhobenen Daten deuten darauf hin, dass keiner der hochfrequenten Online­spieler der vorliegenden Untersuchung Anzeichen eines Bias in der kognitiven Verarbei­tung der Targetstimuli zeigte. In der Abwesenheit eines Effekts ist es dementsprechend nicht möglich eine Generalisierung desselben weiter auszuführen. Allerdings sind die leicht erhöhten Werte innerhalb der Gruppe der computerrelevanten Stimuli ein unerwarteter Be­fund. Hier stellt sich die Frage, ob dieses Ergebnis auf Messungenauigkeiten oder einen latenten Effekt zurückzuführen sind. Sollte tatsächlich ein systematisch erhöhtes LPP vor­liegen, müsste genauer Betrachtet werden, woher dieses stammen könnte. Eine mögliche Theorie wäre, dass die Stimuli der Gruppen Spiele und Online zu speziell waren und des­halb die Onlinespieler keine emotional-motivationale Reaktion auf diese zeigten. Gleichzei­tig wäre es möglich, dass die Stimuli der Gruppe Computer allgemein genug gehalten wa­ren um zumindest bei einigen Onlinespielern als belohnungsanzeigende Reize kognitiv verarbeitet worden zu sein. Bei Betrachtung der Rohwerte (Tabelle 4.1 und Abbildung 4.2) fällt die hohe Varianz der Mittelwerte auf, welche es schwer macht für diese Überlegung eine endgültige Antwort zu finden. Die mittlere Amplitude des LPPs jeder Stimulusbedin- gung unterliegt großen intraindividuellen Schwankungen, so dass eine größere Stichprobe notwendig wäre um dem entgegenzuwirken. Werden die Mittelwerte der einzelnen Ver­suchspersonen verglichen, so findet sich ein Proband, der tatsächlich eine höhere Amplitu­de als Reaktion auf die Stimuli der Gruppe Computer als auf die Stimuli der Kategorie Emotional zeigte. Allerdings zeigte diese Person den höchsten Ausschlag auf die Stimu- lusgruppe Neutral und die Mittelwerte aller Gruppen liegen bei dieser Vp sehr eng bei ein­ander, so dass in diesem Fall eher von einer Messungenauigkeit ausgegangen werden muss. Der Gesamtbefund der erhöhten Werte innerhalb der Gruppe der computerrelevan­ten Stimuli erweckt den Eindruck einer zufälligen Schwankung und sollte in Abwesenheit einer größeren Stichprobe auch als solcher Interpretiert werden.

5.2 Diskussion der Auswirkungen der Präsentation der visuellen Stimuli auf das Craving der Probanden

In der vorliegenden Arbeit wurde das Craving der Probanden danach, ein Onlinespiel zu spielen, erfasst, indem zu zwei Zeitpunkten (vor und nach der visuellen Stimuluspräsentati- on) auf zwei Analogskalen jeweils das Verlangen ein Onlinespiel zu spielen und die Lust ein Onlinespiel zu spielen festgehalten wurden. Es wurde in diesem Zusammenhang die Hypothese aufgestellt, dass hochgradig engagierte Onlinespieler nach der Präsentation der visuellen Stimuli höhere Werte auf diesen Skalen erzielen würden als vor der Präsen­tation. Begründet wurde diese Vermutung durch Befunde aus der Suchtforschung, wonach der Anblick suchspezifischer Stimuli einen emotional-motivationalen Zustand im Süchtigen auslöst, der in engem Zusammenhang mit dem Zustand des Cravings steht (Franken, 2003).

Aus den Ergebnissen des Kapitels 4.3 ließen sich keine signifikanten Unterschiede zwi­schen den beiden Messzeitpunkten ableiten. Weder in der Experimentalgruppe, noch in der Versuchsgruppe, noch in der gesamten Stichprobe konnten signifikante Unterschiede zwischen den Werten des ersten Messzeitpunktes und den Werten des zweiten Messzeit­punktes gefunden werden. Auch jede der beiden Skalen des Konstrukts einzeln für sich über beide Messzeitpunkte betrachtet ergab keinen Unterschied auf signifikantem Niveau. Somit musste das Zutreffen der oben erwähnten Hypothese abgelehnt werden. Die vorlie­genden Ergebnisse führen zu dem vorläufigen Schluss, dass hochgradig engagierte Onlinespieler in der Gesamtpopulation auf onlinespielerelevante Stimuli nicht mit einem Craving nach dem Spielen von Onlinespielen reagieren.

Einige zu berücksichtigende Faktoren bei der Interpretation der Ergebnisse werden im Fol­genden diskutiert.

Ebenso wie für das Ausbleiben einer erhöhten Amplitude des LPPs könnte die ungenü­gende Spezifizität der Stimuli auch für ein Ausbleiben eines erhöhten Cravings nach Prä­sentation der Stimuli verantwortlich sein. Somit wäre es unter Umständen durch ein indivi­duell angepasstes Stimulusset möglich nach der Präsentation erhöhte Werte auf den Cra- vingskalen nachzuweisen. Weiterhin stellt sich die Frage nach der Introspektionsfähigkeit der Probanden. Es besteht die Möglichkeit, dass diese durchaus nach der Stimuluspräsen- tation eine indifferenzierte Erregung verspürten, diese aber nicht mit einer gesteigerten Lust bzw. einem erhöhten Verlangen nach dem Spielen von Onlinespielen in Verbindung brachten.

Genau wie bei den vorangegangenen Teilergebnissen des vorliegenden Versuchs be­steht auch bei der Erfassung des Cravings das Risiko, dass die Vps im Sinne sozialer Er­wünschtheit antworteten und ihren vermehrten Spielwunsch absichtlich geringer auf den Skalen eintrugen als sie ihn wahrnahmen. Letztendlich muss auch die Frage gestellt wer­den, ob zwei Analogskalen, die das aktuelle Verlangen und den aktuellen Wunsch danach, ein Onlinespiel zu spielen, überhaupt dazu in der Lage sind das Prinzip des Cravings nach dem Spielen eines Onlinespiels akkurat abzubilden? Unter Umständen wäre hier die Ein­führung eines besser untersuchten und erprobten Testinstruments nötig gewesen.

Weiterhin könnte das Wissen der Probanden, im Anschluss an das Experiment nach Hause gehen zu können und dort ein Onlinespiel spielen zu können, einen Einfluss auf die Stärke des Verlangens zum zweiten Messzeitpunkt gehabt haben. U. U. Wäre dieser Wert höher ausgefallen, wenn der Proband, als Teil des Versuchsaufbaus, in dem Glauben ge­lassen worden wäre, in absehbarer Zeit kein Onlinespiel spielen zu können.

Eine mögliche Alternativerklärung zur Abwesenheit eines gesteigerten Empfindens von Craving innerhalb der Experimentalgruppe zum zweiten Messzeitpunkt wäre, dass das Be­trachten von suchtrelevanten Stimuli bei visuellen Medien wie Onlinespielen bereits zur Suchtbefriedigung beitragen würde. Allerdings erscheint dieser Erklärungsversuch bei nä­herer Untersuchung des komplexen Vorgangs des Spielen eines Onlinespiels zu simpel. Wie in Kapitel 1.2.8 erläutert wurde, vergleichen Ducheneaut und seine Kollegen (2006) den Aufbau eines gelungenen Onlinespiels mit einer Skinner-Box. Der Spieler befindet sich permanent in einem Zustand kurz vor dem Erhalten der nächsten Belohnung und wird dadurch angetrieben weiter zu machen. Es erscheint unwahrscheinlich, dass dieser Zu­stand durch das einfache Betrachten einiger visueller Stimuli simuliert werden könnte. Auch fallen bei passiver Bildwahrnehmung in einem abgedunkelten Labor sämtliche anre­gende Faktoren durch die soziale Interaktion eines Onlinespiels weg. Somit sprechen die Befunde nur sehr bedingt für die Vermutung, dass innerhalb der Experimentalgruppe des­halb kein erhöhtes Craving nach der Präsentation festgestellt werden konnte, weil bereits eine Form der Suchtbefriedigung durch das Betrachten der onlinespielrelvanten Bildreize stattgefunden hatte.

Ein möglicher Faktor bei der Erfassung des Cravings und der Stärke der emotionalen Reaktion auf die präsentierten Stimuli könnte der Zeitpunkt des letzten Spielens eines Onlinespiels und somit die letzte potentielle „Suchtbefriedigung“ darstellen. Ein Vergleich, der sich Aufdrängt, stellt die Reaktion auf die sexuellen Darstellungen innerhalb der Reize der emotional positiven Stimuli dar. Hier stellt sich die Frage, ob eine Skala zur Erfassung der sexuellen Lust im Anschluss an die Präsentation der Stimuli zu erhöhten Werten ge­führt hätte, wenn die Probanden sich kurz vor dem Versuch sexuell Befriedigt hätten. Ähn­liche Überlegungen spielen auch bei den vorliegenden Befunden eine Rolle. Alle Proban­den wurden zum Zeitpunkt ihrer letzten Onlinespielaktivität befragt und es zeigten sich in der Experimentalgruppe Schwankungen zwischen den Zeiträumen „vor einer Stunde“ und „vor drei Tagen“. Die explorative Datenanalyse konnte keinen signifikanten Zusammen­hang zwischen dem Zeitpunkt des letzten Spielens und der Größe der Amplitude des LPPs bei den einzelnen Kategorien der Targetstimuli feststellen. Somit entsteht bei Be­trachtung der vorliegenden Ergebnisse der Eindruck, dass der Zeitpunkt des letzten Kon­takts mit dem vermeintlichen Suchtmittel keinen Einfluss auf die implizite Wahrnehmung der Targetstimuli hatte. Zwischen dem Zeitpunkt des letzten Spielens eines Onlinespiels und der Höhe des Cravings wurde keine Korrelation festgestellt. Es zeigte sich jedoch ein Trend, wenn die Korrelationen zwischen Craving und dem letzten Spielzeitpunkt zu den beiden Messzeitpunkten betrachtet wurden (siehe Abb. 4.6). Das Zusammenhangsmass veränderte sich dabei von rs = -.13 vor der Präsentation der Stimuli, auf rs = .19 nach der Stimuluspräsentation. Daraus lässt sich schließen, dass die Präsentation der Stimuli ten­denziell einen stärkeren Einfluss auf die Stärke des Cravings der Probanden hatte, je län­ger deren letzter aktiver Kontakt zu einem Onlinespiel zurücklag. 53 Diskussion der Befunde der explorativen Datenanalyse Kapitel 4.4 zeigt die Ergebnisse der explorativen Korrelationsvergleiche zwischen ver­schiedenen Kennwerten der Versuchsgruppen. Mit den Befunden der EEG-Aufzeichnung, den Ergebnissen des ISS-20 Fragebogens und den Werten der Craving-Skalen lagen drei Instrumente zur Erfassung einer möglichen Onlinespielabhängigkeit vor. Zusätzlich wur­den von allen Probanden verschiedene quantitative Daten zu ihrem Onlinespielverhalten erhoben, wie z. B. Fragen zu ihrem täglichen Onlinespielkonsum und der Länge der Vorer­fahrung mit Computer- und Onlinespielen.

Es zeigte sich beim Vergleich der Daten aller Vps beider Versuchsgruppen, dass kein si­gnifikanter Zusammenhang zwischen den Mittelwerten des LPPs der Targetstimuli und der täglich mit Onlinespielen verbrachten Zeit, dem Gesamtscore der ISS-20 und den Ana­logskalen zur Erfassung des Cravings zu beiden Erhebungszeitpunkten gefunden werden konnte. Es konnte somit kein Zusammenhang zwischen der gemittelten Amplitude des LPPs und den anderen Kennwerten des Onlinespielkonsums festgestellt werden. Diese Befunde würden dafür sprechen, dass die Werte des LPPs kein graduelles physiologi­sches Abbild der Nutzungsdauer von Onlinespielen darstellen, sondern vielmehr einem „alles-oder-nichts“ Indikator für das Vorhandensein eines Aufmerksamkeitsbias entspre­chen, wie er typisch für Menschen mit einer Suchterkrankung ist. Dies wäre sehr interes­sant, da es bedeuten würde, dass der Übergang von problematischem zu pathologischem Verhalten zwar fließend sein könnte, der Beginn des Suchtverhaltens aber klar durch die physiologische Reaktion auf problemverhaltensassoziierte Reize abgegrenzt werden könnte.

Zwischen dem Gesamtscore der ISS-20 und der täglich mit Onlinespielen verbrachten Zeit, dem Zeitraum seit dem bereits Computerspiele gespielt werden und dem Zeitraum seit dem bereits Onlinespiele gespielt werden, konnten signifikante korrelative Zusammen­hänge gefunden werden. Dies zeigt, dass der Gesamtscore der ISS-20 ein Indikator für den Grad der zeitlichen Involviertheit in das Spielen von Onlinespielen darstellt. Je länger der Zeitraum, seit dem sich der Proband mit Computer- und Onlinespielen beschäftigt, des­to höher fällt der Score auf der ISS-20 aus. Umgekehrt erlaubt der Score auf der ISS-20 ei­nen Rückschluss über die Länge, seit der sich der Proband bereits mit Computer- und Onlinespielen beschäftigt. Dieselben Rückschlüsse gelten für den täglichen Onlinspielkon- sum. Je länger der tägliche Zeitraum, in dem sich der Proband mit Onlinespielen beschäf­tigt, desto höher fällt der Score auf der ISS-20 aus, während gleichzeitig der Score der ISS-20 Rückschlüsse über die täglich mit dem Spielen von Onlinespielen verbrachte Zeit erlaubt. Ebenso fanden sich signifikante Zusammenhänge zwischen dem Gesamtscore der ISS-20 und den Analogskalen zur Erfassung des Cravings zu beiden Erhebungszeit­punkten. Hieraus lässt sich schließen, dass mit dem Grad der zeitlichen Involviertheit in das Spielen von Onlinespielen auch die grundsätzliche Lust bzw. das grundsätzliche Ver­langen nach dem Spielen von Onlinespielen steigt und umgekehrt. Diese Befunde wären Hinweise dafür, dass regelmäßiges hohes zeitliches Onlinespielengagement über längere Zeiträume hinweg tendenziell zu höheren Werten auf Onlinesuchterfassungskalen führt. Mit diesem Verhalten einher scheint ein höheres Verlangen nach Onlinespielen zu gehen. Dies stellt höchstwahrscheinlich einen Risikofaktor dar, der im Zusammenspiel mit be­stimmten Persönlichkeitsmerkmalen und psychosozialen Umständen das Ausbilden von pathologischem Onlinespielverhalten begünstigt.

5.4 Schlussfolgerungen aus der Untersuchung

Die hochgradig engagierten Onlinespieler aus der Stichprobe, die im vorliegenden Experi­ment untersucht wurde, zeigten trotz eines hohen Onlinespielekonsums von durchschnitt­lich 3.6 Stunden pro Tag und einem Maximum von 7 Stunden pro Tag auf multiplen Indika­toren keine Anzeichen von abhängigem Verhalten in Bezug auf Onlinespiele. Alternative Erklärungsversuche für das Zustandekommen der Ergebnisse, wie Habituationseffekte, Einflüsse durch sozial erwünschtes Verhalten und Zusammensetzung der Experimental­gruppe erscheinen eher unwahrscheinlich und über den Einfluss von Stimulusspezifzität und Umfeld der Präsentation liegen nur unzureichende Informationen vor. Somit ergibt sich ein homogenes Bild bezüglich der Abwesenheit von Abhängigkeit trotz augenschein­lich exzessiver Beschäftigung mit dem elektronischen Medium der Onlinespiele. Es zeigte sich, dass selbst Vps, die täglich 6-8 Stunden Onlinespiele spielten, weder auf der ISS-20, noch auf der Craving-Skala, noch in ihrer physiologischen Reaktion in Form des LPPs An­zeichen einer Abhängigkeit zeigten. Allerdings wurden im korrelativen Vergleich deutliche Tendenzen sichtbar. Je höher der erreichte Gesamtwerte in der ISS-20 war, desto höher waren auch die Werte auf den Craving-Skalen zu beiden Messzeitpunkten. Auch längere tägliche Nutzugsdauern von Onlinespielen schlug sich ebenso in höheren Ergebnissen in der ISS-20 nieder wie eine längere Erfahrung im Umgang mit Computer- bzw. Onlinespie­len.

Somit lässt sich zusammenfassend die Beobachtung tätigen, dass langjährige Online­spielerfahrung und hoher täglicher Konsum von Onlinespielen tendenziell zu einem höhe­ren Score auf der suchterfassenden ISS-20 und einem höheren Basiswert auf den Cra- vingskalen führen, dieser Umstand sich jedoch nicht in den Werten des LPPs nieder­schlägt. Dies ist insofern konform mit der aktuellen Befundlage, als dass „Belohnungen“ in der Amygdala und im Striatum nicht graduell, sondern mit einer „alles-oder-nichts“ Reakti­on verarbeitetet werden (Elliott et al. 2003). Somit muss davon ausgegangen werden, dass hochgradig engagierte Onlinespieler bis zu einem gewissen Punkt onlinespielrelevante Reize nicht als „belohnungsanzeigend“ wahrnehmen. Da also die Wahrnehmung dieser Stimuli nicht mit einem Aufmerksamkeitsbias verbunden ist, findet auch keine Dopamin­ausschüttung im mesolymbischen System statt, welche sich im evozierten Potential als LPP manifestieren würde. Da keine vermehrte Dopaminausschüttung stattfand, konnte bei den Probanden auch keine emotional-motivationale Aktivierung in Form von stärkerem Craving im Anschluss an die Präsentation der Stimuli erfasst werden.

5.5 Schlussfolgerungen über die Brauchbarkeit der experimen­tellen Manipulation

Die erfolgreiche Ableitung eines LPP-Bereichs mit erhöht positiver Amplitude für die Grup­pe der emotional valenten Stimuli zeigt, dass die experimentelle Manipulation grundsätz­lich erfolgreich war. Dass innerhalb der Experimentalgruppe keine physiologischen Korre­late von Abhängigkeit entdeckt werden konnten, muss daher in erster Linie darauf zurück­geführt werden, dass tatsächlich keine Onlinespielabhängigkeit bei den Probanden der Ex­perimentalgruppe vorlag. In einem vergleichbaren Versuchsaufbau zur Überprüfung von elektroenzepaholgraphischen Hinweisen auf eine Alkoholabhängigkeit bei suchtgefährde­ten Jugendlichen wurden ebenfalls keine auffälligen EEG-Werte gefunden (Ehlers et al., 2003). In Kombination mit Befunden zur dopaminergen Reaktion auf Belohnungsreize (El­liott et al., 2003), spricht dies für eine „alles-oder-nichts“ Verarbeitung von suchtrelevanten Reizen in den parietalen Regionen des Gehirns. Elliott und seine Kollegen (a. a. O.) hatten beobachtet, dass Belohnungsreize in der Amygdala und im Striatum unterhalb eines be­stimmten „Belohnungswerts“ gar nicht verarbeitet wurden, oberhalb eines Schwellenwer­tes jedoch eine kognitive Verarbeitung des Reizes in diesen Regionen stattfand. Somit kann geschlussfolgert werden, dass die in der vorliegenden Arbeit verwendete Methode zur Erfassung eines physiologischen Korrelats von Onlinespielabhängigkeit, geeignet ist.

5.6 Schlussfolgerungen bezüglich der Hypothesen

Die Hypothesen 1 bis 4 der vorliegenden Arbeit zielten alle darauf ab, die Mittelwerte der evozierten Potentiale der Targetstimuli im Bereich des LPPs in Relation zu setzen um da­durch Rückschlüsse ziehen zu können, ob diese Stimuli bei hochgradig engagierten Onlinespielern emotional-motivationale Reaktionen auslösen. Dabei sollte einerseits mit­tels Hypothese 1 der Abstand der gemittelten Amplituden der LPPs von der Reaktion auf die Stimuli emotional neutraler Valenz abgegrenzt werden, von denen keinerlei emotional­motivationale Reaktion erwartet wurde. Andererseits sollte mit Hilfe von Hypothese 2 der Vergleich der Werte der Targetstimuli mit den gemittelten Amplituden der emotional valen­ten Stimuli verglichen werden. Dies diente dazu, die Reaktionen auf die Targetstimuli mit den Reaktionen auf emotional-motivational aktivierende Reize in Beziehung zu setzen. Zu­sammengenommen erlaubten diese beiden Hypothesen, die elektroenzepholgraphischen Reaktionen von hochgradig engagierten Onlinespielern auf onlinespielrelevante Stimuli un­terschiedlicher Intensität den beiden Dimensionen „emotional-motivational aktivierend“ und „nicht emotional-motivational aktivierend“ zuzuordnen. Die Zurückweisung von Hypothese 1 führte zu dem Rückschluss, dass die gemittelten Amplituden der Targetstimuli in den sel­ben „nicht emotional-motivational aktivierenden“ Bereich der emotional neutralen Stimuli fielen. Aus der Zurückweisung von Hypothese 2 folgte der logische Schluss, dass die ge- 112 mittelten Amplituden der Targetstimuli nicht dem Bereich der „emotional-motivational akti­vierenden“ Reize der emotional valenten Stimuli zuzuordnen waren. Werden die Ergebnis­se der Überprüfung von Hypothese 1 und 2 zusammengenommen, ergibt sich das klare Bild, dass keine der Stimulusgruppen der Targetstimuli emotional-motivationale Reaktio­nen in den hochgradig ins Onlinespielen involvierten Betrachtern auslösen konnte.

Hypothese 3 zielte auf den Mechanismus der Reizgeneralisierung bei Konditionierungs­prozessen ab. Hätte bei der Gruppe der hochgradig engagierten Onlinespieler ein Konditi­onierungsprozess stattgefunden, der die onlinespielrelvanten Stimuli in „belohnungsver­sprechende“ Reize überführt hätte, so hätte mit Hilfe dieser Hypothese überprüft werden können, inwieweit die emotional-motivationale Reaktion auf diese Stimuli Generalisie­rungsprozessen unterworfen wäre. Da die onlinespielrelevanten Stimuli keine signifikant erhöhte Amplitude innerhalb des LPPs hervorriefen, war es nicht möglich zu beobachten, ob auch die computerspielrelevanten Stimuli oder gar die computerrelevanten Reize dazu in der Lage sind, physiologische Korrelate einer emotional-motivationalen Wahrnehmung zu produzieren. Zur Vertiefung dieses Wissensgebiets wäre eine weitere Versuchsreihe mit im Vorfeld eindeutig als onlinespielabhängig identifizierten Versuchspersonen sinnvoll.

Die Überprüfung von Hypothese 4 zielte darauf ab, sicherzustellen, dass die Targetsti­muli von einer nicht bzw. gelegentlich computerspielenden Population als Reize neutraler emotionaler Valenz wahrgenommen werden würden. Dies diente zur Absicherung dage­gen, dass nicht zufällig in den Gruppen der Targetstimuli solche Reize vertreten wären, die auch bei nicht onlinespielabhängigen Personen zu emotional-motivationaler Reizverarbei­tung geführt hätten. Die Bestätigung dieser Hypothese zeigte, dass dies nicht der Fall war und bekräftigte die Güte des Versuchsaufbaus.

Mit Hilfe von Hypothese 5 sollte die Stärke des subjektiv empfundenen Cravings als weiterer Indikator einer emotional-motivationalen Stimulusverarbeitung bei onlinspielsüchti- gen Probanden überprüft werden. Die besondere kognitive Verarbeitung, die „belohnungs­versprechenden“ Stimuli zuteilwird, beinhaltet eine motivationale Komponente. Diese wirkt sich aktivierend auf den Organismus aus und führt zu einem Zustand des „haben Wollens“ (Berridge, 2007). Onlinespielabhängige Probanden hätten somit nach der Präsentation der für sie emotional-motivational aktivierenden Stimuli subjektiv einen erhöhten Wunsch oder ein verstärktes Verlangen danach wahrnehmen müssen, ein Onlinespiel zu spielen. Dass dies in der vorliegenden Untersuchung nicht bestätigt werden konnte und die Hypothese somit verworfen werden musste, ist nur konsequent angesichts der erhobenen Werte der ISS-20 und der gefundenen Daten bezüglich der Amplitude des LPPs bei den onlinespiel­relevanten Reizen. Mit Hilfe der Selbstauskunft im ISS-20 schätzte keiner der Probanden der Experimentalgruppe sein Onlinespielverhalten und dessen Auswirkungen derart ein, dass er als „süchtig“ hätte klassifiziert werden müssen. Die elektroenzephalographische Erfassung der kognitiven Verarbeitung der onlinespielrelevanten Reize bestätigte diese Selbsteinschätzung mit objektiven physiologischen Daten durch die Abwesenheit suchts­pezifischer Verarbeitungsmuster beim Betrachten dieser Stimuli. Das am Ende diese Pro­zesses erwartungsgemäß das Ausbleiben eines erhöhten Cravings steht, folgt wiederum aus der Abwesenheit der emotional-motivationalen Aktivierung bei der kognitiven Verarbei­tung der onlinespielrelvanten Stimuli. Die Abwesenheit eines erhöhten Cravings bei den Vps der Experimentalgruppe nach der Präsentation der visuellen Stimuli ist somit als dritter Indikator dafür zu werten, dass eine sehr zeitintensive Nutzung des elektronischen Medi­ums „Onlinespiel“ nicht mit einem pathologischen Verhalten im Sinne einer Verhaltens­sucht gleichzusetzen ist.

Zusammengenommen ergeben die Ergebnisse der einzelnen Hypothesen ein einheitli­ches Bild. Nachdem mit der Annahme von Hypothese 4 klargestellt werden konnte, dass die Reize der Targetstimuli keine generell emotional-motivational aktivierenden Reize dar­stellen, konnte mittels der Ablehnung der Hypothesen 1 und 2 eine Zuordnung der Art der kognitiven Verarbeitung der Targetstimuli bei hochgradig engagierten Onlinespielern zur Kategorie der „nicht emotional-motivational aktivierenden“ Reize vorgenommen werden. Mit Ablehnung der Hypothese 5 wurde diese Zuordnung bekräftigt, da nur „belohnungsver­sprechende“ Reizen bei ihrer kognitiven Verarbeitung einen motivational aktivierenden Zu­stand des „haben Wollens“ beim Betrachter auslösen, welcher sich durch ein erhöhtes Craving nach Betrachten der Targetstimuli ausgedrückt hätte. Da die Targetstimuli keine emotional-motivational aktivierenden Reize für hochgradig engagierte Onlinespieler dar­stellten, konnten auch keine Anzeichen einer Reizgeneralisierung ermittelt werden, was sich in der Ablehnung von Hypothese 3 widerspiegelte.

5.7 Diskussion von Kritikpunkten und Beschränkungen der Un­tersuchung

Kapitel 5.1.3.2 konnte aufzeigen, dass der Versuchsaufbau dazu geeignet war, emotional­motivational aktivierende Stimuli zu identifizieren. Das bei den hochgradig engagierten Onlinespielern keine physiologischen Anzeichen von Abhängigkeit gefunden werden konn­ten, kann am Aufbau des Versuchsdesigns liegen. Da jedoch alle im Test verwendeten Suchtindikatoren einheitlich in die selbe Richtung ausschlugen, deutet dies eher auf eine Systematik als auf Zufallsergebnisse hin. Nichtsdestotrotz sollen in diesem Abschnitt mög­liche Schwachpunkte des Experiments diskutiert werden.

Eingeschränkt war in der vorliegenden Untersuchung der Zugriff auf geeignete Probanden für die Experimentalgruppe. Die räumlichen Beschränkungen durch die Immobilität der EEG-Messapparatur gab nur Personen aus dem wohnlichen Umkreis der Untersuchung die Möglichkeit, ohne unverhältnismäßigen Aufwand an der Untersuchung teilzunehmen. Sicher wirkte auch der verhältnismäßig hohe Zeitaufwand für die Teilnahme von zwei bis drei Stunden auf tendenziell interessierte Probanden abschreckend. Für zukünftige räum­lich gebundene Untersuchungen mit Onlinespielern sollte zudem im Vorfeld ein geeigneter „Pool“ von Teilnehmern ausgemacht werden. Die Akquirierung über die Internetplattform „StudiVZ“ erwies sich für die vorliegende Arbeit zwar als erfolgreich, aber sehr zeitintensiv. Zudem waren mit dem vorliegenden Stichprobenumfang bereits die Möglichkeiten dieser Form der Versuchspersonengewinnung ausgeschöpft.

Eine theoretische Einschränkung des Versuchsdesigns stammt von Robinson und Ber­ridge (2008). Diese berichten in ihrem Überblicksartikel vom Einfluss der Umgebungsvaria­ble während des Drogenkonsums. So wurden in Tierversuchen die eindeutigsten Ergeb­nisse von vermehrter Dopaminausschüttung beim Anblick suchtrelevanter Stimuli immer dann gewonnen, wenn die Datengewinnung am gewohnten Ort der Drogenverabreichung stattfand. Umgekehrt wurden typischerweise keine erhöhten Dopaminwerte gefunden, wenn die Testung an Orten stattfand, an denen die Tiere nie zuvor Drogen verabreicht be­kommen hatten. Da für die vorliegende Untersuchung angenommen wurde, dass erhöhte Amplituden im Bereich des LPPs durch dopamininduzierte Aufmerksamkeitssteigerungen für belohnungsrelevante Stimuli entstehen, wäre das Ausbleiben der Dopaminausschüt­tung abseits des üblichen Ortes der Ausübung des süchtigen Verhaltens eine wichtige Störvariable. Dem gegenüber stehen jedoch die Befunde all jener Untersuchungen, die auch unter Laborbedingungen bei abhängigen Personen erhöhte Amplituden beim Be­trachten suchtrelevanter Stimuli gefunden haben (vgl. Tabelle 1.7). Zur Klärung des Ein­flusses der Umgebungsvariable wäre eine Vergleichsuntersuchung hilfreich. Eine Gruppe von hochinvolvierten Computerspielern könnte dieselbe Stimuluspräsentation einmal unter Laborbedingungen und einmal am heimischen Computer präsentiert bekommen, während ihre EEG-Werte aufgezeichnet werden.

Der geringe Stichprobenumfang und das Fehlen einer dritten, tatsächlich abhängigen Versuchsgruppe relativieren die Generalisierbarbeit der Befunde dieser Arbeit. Wie jedoch bereits angeführt, ist bei dieser Art der Untersuchung gerade die Zusammenstellung der experimentellen Stichprobe zeitaufwendig und mit Hindernissen verbunden. Bei der Ver­suchspersonenakquirierung der Experimentalgruppe wurden Onlinespieler mit pathologi­schem Spielverhalten nicht explizit aus dieser Gruppe ausgeschlossen, zufallsbedingt be­fanden sich unter den geeigneten Teilnehmern jedoch keine. Dieser Umstand, in Verbin­dung mit dem fehlenden Zugriff auf eine größere Menge von adäquaten Teilnehmern, hät­te das erstellen einer dritten, reinen Gruppe von pathologisch Onlinespielabhängigen, zu einer logistisch kaum lösbaren Aufgabe anwachsen lassen.

5.8 Ausblick

In der vorliegenden Arbeit ist es mittels dreier Indikatoren erfolgreich gelungen, bei hoch­gradig engagierten Onlinespielern die Abwesenheit von pathologischem Spielverhalten nachzuweisen. Eine mögliche Verbesserung im Versuchsdesign für zukünftige Untersu­chungen wäre die zeitintensive aber potentiell wirkungsmaximierende individuelle Abstim­mung der Zielreize auf das Onlinespiel, welches von dem jeweiligen Proband aktuell am intensivsten gespielt wird. Da an der vorliegenden Untersuchung keine tatsächlich online­spielsüchtigen Personen teilgenommen hatten, konnten auch keine Erkenntnisse zur Reiz­generalisierung bei dieser Form der Abhängigkeit gewonnen werden. Eine Untersuchung dieses Forschungsgegenstandes würde abklären, ob eine individuelle Anpassung der Ziel­reize zu genaueren Erkenntnissen führt, oder ob eine breite Auswahl an onlinespielrelvan- ten Reizen denselben Effekt erbringt.

Ein Befund der vorliegenden Untersuchung zeigte, dass hochgradig engagierte Online­spieler onlinespielrelevante Stimuli kognitiv nicht als „belohnungsanzeigend“ verarbeiten. Interessant wäre in diesem Zusammenhang eine Untersuchung, welche sich mit den Krite­rien auseinandersetzt, welche den hochgradig engagierten Onlinespieler vom pathologi­schen Onlinespieler unterscheiden und ab welchem Punkt die physiologische Komponente des „belohnungsanzeigenden“ Aufmerksamkeitsbias auftritt.

Aufschlussreich für zukünftige Untersuchungen im Zusammenhang mit dem Thema der vorliegenden Arbeit wäre sicher auch ein genauerer Einblick in die Zusammenhänge zwi­schen Computerspiel und Dopaminausschüttung. Die einzige Untersuchung dieser Art, die vom Autor der vorliegenden Arbeit gefunden werden konnte, stammt von Koepp und sei­nen Mitarbeitern aus dem Jahr 1998 (vgl. Kapitel 1.4.4). In dieser Arbeit wurde von den Autoren über eine Verdoppelung des Dopaminpegels während des Spielens eines Vide­ospiels berichtet. In diesem Zusammenhang wäre es wichtig, zu explorieren, ob dies eine generelle Eigenschaft von Computerspielen ist, oder ob es hier Unterschiede abhängig vom Aufbau des Spiels gibt. Auch gibt es sicherlich intraindividuelle Besonderheiten, die bei bestimmten Personen zu besonders starker Dopaminausschüttung beim Computer­spielen führen. Weitere Forschungsprojekte in dieser Richtung könnten helfen, genetische und persönlichkeitsbezogene Vulnerabilitäten zu identifizieren.

Als informativ präsentiert sich auch der Vergleich der vorliegenden Untersuchung mit der einzigen veröffentlichten Studie zum Thema „Onlinespielsucht“, die ebenfalls evozierte Potentialen beim Anblick von computerspielrelevanten Stimuli auf das Vorliegen von LPPs untersuchte. Obwohl die Versuchsaufbauten in weiten Teilen identisch waren, konnten im vorliegenden Experiment die Ergebnisse von Thalemann und seinen Mitarbeitern (2007) nicht repliziert werden. Der größte Unterschied im Versuchsaufbau der vorliegenden Arbeit zum Design von Thalemann und seinen Kollegen (a. a. O.) war, dass die Probanden der Experimentalgruppe bei jenem Experiment im Vorfeld klar als „süchtig“ identifiziert worden waren. Außerdem war die durchschnittliche täglich mit Onlinespielen verbrachte Zeit bei Thalemann und seinen Mitarbeitern (a. a. O.) mit 4.31 Stunden minimal höher als im vor­liegenden Experiment mit 3.64 Stunden. Eine interessante Schlussfolgerung aus dem Ver­gleich der vorliegenden Arbeit mit der Untersuchung von Thalemann und seinen Kollegen (a. a. O.) ist sicherlich, dass es den Anschein macht, als wären die beiden im Vorfeld der Stimuluspräsentation verwendeten Messinstrumente zur Erfassung von Onlinespielsucht (Thalemann et al.: Questionnaire of Differentiated Assessment of Addiction, vorliegende Arbeit: ISS-20) jeweils trennscharf dazu in der Lage gewesen „süchtiges“ bzw. „nicht-süch­tiges“ Onlinespielverhalten zu identifizieren. Für zukünftige Untersuchungen wäre somit eine Erfassung von geeigneten Probanden mittels dieser beiden Messinstrumente mög­lich.

Einen weiteren interessanten Forschungsaspekt aus dem Bereich der Onlinespielsucht stellt die Beendigung des aktiven Spielens dar. Sofern das entsprechende Onlinespiel die Option dazu besitzt, ist das endgültige Löschen des Accounts und somit der bestehenden Avatare eine einschneidende Erfahrung für den Spieler. Interessant ist in diesem Zusam­menhang das abrupte Wegfällen der suchtverstärkenden bzw. -aufrechterhaltenden Peer­Group innerhalb des Onlinespiels. Eine sich aufdrängende Forschungsfrage wäre, ob die­ser Aspekt dazu führt, dass eine Onlinespielabhängigkeit leichter zu überwinden ist als vergleichbare Abhängigkeitserkrankungen.

6 Zusammenfassung

Hochgradig engagierte Onlinespieler, die bis zu acht Stunden täglich mit Onlinespielen verbringen, werden von ihrer Umwelt oftmals als Onlinespielabhängig wahrgenommen. In der vorliegenden Studie wurden 15 hochfrequente Nutzer von Onlinespielen mit einer tägli­chen Nutzungsdauer von mehr als drei Stunden auf physiologische Anzeichen einer Ab­hängigkeit hin untersucht. Dazu wurde sich zu nutze gemacht, dass für evolutionär rele­vante Reize ein impliziter, willentlich nicht beeinflussbarer Aufmerksamkeitsbias existiert (Franken, 2003), welcher bei Menschen mit einer Abhängigkeit durch den Prozess der an­reizbasierten Hervorhebung (Robinson & Berridge, 2008) auf ehemals neutrale Reize aus dem räumlich/zeitlichen Umfeld der Abhängigkeitsbefriedigung übertragen wird. Physiolo­gisch drückt sich dieser Aufmerksamkeitsbias durch eine vermehrte Dopaminausschüttung im neostriatalen mesolimbischen System aus, welche mittels EEG-Aufzeichnungen erfasst werden kann. Dieses physiologische Abhängigkeitsmerkmal wird als „late positive potenti­al“ (LPP) bezeichnet.

Mittels der Präsentation von visuellen Reizen wurde untersucht, ob hochgradig enga­gierte Onlinespieler physiologische Anzeichen einer Verhaltenssucht zeigen und inwieweit eine Generalisierung der Konditionierung der suchtspezifischen Reize bei bestehender Suchterkrankung fortgeschritten ist. Dazu wurden allen Vps onlinespielrelevante Stimuli unterschiedlicher Spezifizität als Targetstimuli präsentiert und die aufgezeichneten evozier­ten Potentiale mit denen von Nicht- bzw. Gelegenheitsspielern verglichen. Dabei wurden keine Unterschiede in den gemittelten Amplituden im Bereich des LPPs zwischen den bei­den Gruppen gefunden. Auch der within-subjects Vergleich zwischen den einzelnen Sti- mulusgruppen innerhalb der Experimentalgruppe offenbarte keinen Unterschied zwischen den Targetstimuli und den emotional neutralen Vergleichsreizen. Dadurch konnte gezeigt werden, dass die verwendeten onlinespielsuchtspezifischen Stimuli von hochgradig enga­gierten Onlinespielern als emotional-motivational irrelevant wahrgenommen wurden. In Kombination mit unauffälligen Cravingwerten im Anschluss an die Stimuluspräsentation und einer Klassifikation durch die Internet-Sucht-Skala 20 (Hahn & Jerusalem, 2001) un­terhalb des pathologischen Bereichs, konnte daraus geschlossen werden, dass die Vps der Experimentalgruppe keine Anzeichen eines pathologischen Spielverhaltens aufwiesen. Dementsprechend konnten keine Anzeichen einer Reizgeneralisierung gemessen werden. Zusammenfassend sprechen die Ergebnisse für eine „alles-oder-nichts“ Verarbeitung von suchtrelevanten Stimuli und zeigen, dass der Versuchsaufbau dazu in der Lage ist hoch­frequenten Onlinespieler ein nicht-süchtiges Verhalten zu bestätigen.

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8 Anhang

A Anschreiben innerhalb der Internetplatform StudiVZ

„Hi xxx,

Ich wollt dich mal kurz stören :-)

Ich arbeite an der Uni Regensburg an meiner Diplomarbeit und suche Leute, die gerne und regelmäßig WoW spielen und bei einem interessanten Experiment mitmachen wol­len. Damit wir besser verstehen können, was beim Computerspielen im Gehirn vor­geht, schließen wir unsere Versuchspersonen an ein EEG an (keine Angst, tut nicht weh ;-) und zeigen ihnen spielrelevante Bilder. Beim Betrachten entstehen dann soge­nannte evozierte Potentiale, die uns wiederum etwas über die Aktivität im Gehirn sa­gen.

Es wäre total super wenn du mir helfen könntest und dich als Versuchsperson be­reitstellen würdest.

Das Ganze würde an der Uni Regensburg stattfinden, ca. 2 Stunden dauern und wir können einen Termin ganz nach deinen Wünschen ausmachen. Ich kann dir aus der Lehrstuhlkasse 10 Euro Aufwandsentschädigung zahlen und es gibt nen Kaffee, was Süßes und meine ewige Dankbarkeit:-)

Falls du noch jemanden kennst, der Interesse an dem Experiment haben könnte, sei nicht schüchtern und gib mir doch ne Kontaktmöglichkeit zu der-/demjenigen (Es muss nicht WoW sein, sie/er dürfen auch ein anderes Onlinespiel spielen). Würde mich freu­en.

Schöne Grüße ,

B Modifizierter Fragebogen ISS-20 nach Hahn & Jerusalem (2001)

Fragebogen: Online-Spielverhalten

Hallo, schön, dass du dich entschieden hast, mir bei meiner Diplomarbeit zu helfen. Bitte fülle den untenstehenden Fragebogen vollständig aus und wähle immer die Antwortmöglichkeit aus, die für dich persönlich am Besten auf die Aussage zutrifft. Es gibt hierbei keine falschen oder richtigen Antworten, also mach dir nicht zu viele Gedanken, sondern antworte einfach spontan und ehrlich. Wenn du das Gefühl hast, dass keine Antwort für dich zutrifft, wähle bitte diejenige, welche am nächsten dran ist. Deine Angaben werden selbstverständlich vertraulich und anonym behandelt. Sollten noch Fragen oder Unklarheiten bestehen, kannst du mir jederzeit eine E-Mail (Adresse siehe unten) schreiben.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

C Analogskalen Craving

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

D Bewertungsbogen Vortest

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

E Ergebnisse Vortest

Tabelle C 1

Mittelwerte und Standardabweichung der Erregung der 75 durch den Autor ausgewähl­ten Stimuli, nach Erregunsniveau absteigend angeordnet. Mit * gekennzeichnete Bilder überschritten ein mittleres Erregungsniveau von 5 und wurden somit von der Verwen­dung als visuelle Stimuli im Haupttest ausgeschlossen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

[...]


1 Eine Gilde ist ein fester Zusammenschluss von Spielern innerhalb eines Online­spiels. Meist verfügt eine Gilde über eine hierarchische Struktur und einen eigenen Verhaltenskodex.

2 Als Raid wird der zeitweise Zusammenschluss von einer größeren Anzahl von Spie­lern zum Zwecke des Besiegens von besonders starken Gegnern bezeichnet.

3 Die Bilder aus dem IAPS mit den folgenden Nummern wurden als affektiv neutrale Stimuli verwendet: 2190, 2840, 5130, 5800, 7000, 7004, 7006, 7010, 7080, 7175, 7187, 7217, 7490, 7491, 7950.

4 Die Bilder aus dem IAPS mit den folgenden Nummern wurden als affektiv valente Stimuli verwendet: 4007, 4085, 4090, 4180, 4210, 4232, 4290, 4311, 4652, 4659, 4664, 4668, 4670, 4683, 4800.

5 Mir wichtige Menschen sagen, daß ich mich zu meinen Ungunsten verändert habe, seitdem ich Onlinespiele nutze.

6 | ¡Trifft nicht zu 2 | ¡Trifft kaum zu 3 | ¡Trifft eher zu 4 | ¡Trifft genau zu

Ende der Leseprobe aus 147 Seiten

Details

Titel
Die Modulation des "late positive potentials" bei hochgradig engagierten Onlinespielern
Hochschule
Universität Regensburg
Note
1,0
Autor
Jahr
2011
Seiten
147
Katalognummer
V583763
ISBN (eBook)
9783346155474
Sprache
Deutsch
Schlagworte
modulation, onlinespielern
Arbeit zitieren
Dipl. Psych. Ulrich Rippinger (Autor:in), 2011, Die Modulation des "late positive potentials" bei hochgradig engagierten Onlinespielern, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/583763

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