Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
2 Außerschulische Lernorte in der beruflichen Bildung
2.1 Notwendigkeit der Lernorte in der beruflichen Bildung
2.2 Begriffserklärungen und Merkmale
2.3 Das Potenzial von ASL für die Schule
2.4 Didaktisch-methodische Herangehensweisen
2.5 Das Paradoxon des schulischen Lernens
3 Schulisches Lernen am Lernort „Agritechnica“
3.1 Der Lernort „Agritechnica“
3.2 Besonderheiten und Anforderungen der „Agritechnica“
3.3 Durchführung der Veranstaltung
4 Diskussion
5 Ausblick
6 Fazit
Anhang 1.: Anforderungssituation
Anhang 2.: Lernfeld
Anhang 3: Ergebnisse
Anhang 4: Interviews
Abkürzungsverzeichnis
SuS Schüler und Schülerinnen
LuL Lehrer und Lehrerinnen
ASL Außerschulische Lernorte; Außerschulischer Lernort
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Ergebnisse (eigene Darstellung)
1 Einleitung
In der beruflichen Bildung sind Lernortkooperationen zwischen Schule, Betrieb und Ausbildungsstätte das Qualitätsmerkmal auf allen Ebenen der Zusammenarbeit. In der Praxis gelingt es jedoch nicht immer, die Lernorte methodisch, curricular und prozessual miteinander zu verbinden. Außerschulisches Lernen verspricht eine größere Realitätsnähe, kreative Eigentätigkeit, prozessorientiertes sowie ganzheitliches Lernen, eine ungeahnte Methodenvielfalt sowie die Förderung sozial kommunikativer Kompetenzen. Gleichzeitig muss das außerschulische Lernen den Anspruch entsprechen, mit der schulischen Leistungsbewertung und den curricularen Vorgaben im Einklang zu sein.
Im Rahmen des Praxissemesters stellt sich die Frage, wie die außerschulischen Veranstaltungen organisiert werden können und wie das Potenzial des außerschulischen Lernens vollständig ausgeschöpft werden kann. So ergab sich die Möglichkeit den Besuch der weltweit größten Fachmesse für Agrartechnik zu begleiten und methodisch und didaktisch aufzuarbeiten. In dieser Studienarbeit wird die folgende Forschungsfrage bearbeitet: Wie kann der Außerschulische Lernort (ASL) „Agritechnica“ in der beruflichen Bildung methodisch und didaktisch gestaltet werden, damit das außerschulische Lernen einen Nutzen für die SuS hat?
Um der Thematik näher zu kommen, beschäftigt sich der erste Teil der Studienarbeit mit der Theorie der ASL im Allgemeinen als auch im Kontext der beruflichen Bildung. Neben den Begrifflichkeiten und Merkmalen des außerschulischen Lernens werden Aspekte der didaktischen und methodischen Herangehensweise konkretisiert. Dabei wird auch das Paradoxon von Nähe und Distanz schulischen Lernens thematisiert.
Im zweiten Teil der Arbeit wird die Ausarbeitung des ersten Teils herangezogen, um den Besuch der „Agritechnica“ zu planen und durchzuführen. Zunächst werden die Besonderheiten und Anforderungen des Lernortes beschrieben, damit diese in den Planungsphasen berücksichtigt werden können. Die Planung selber gliedert sich in die Phase der Vorbereitung, die Phase der Durchführung und in die Phase der Reflexion.
Im dritten Teil der Arbeit werden die theoretischen Ansätze des ersten Teils mit der praktischen Umsetzung des zweiten Teils anhand von Kriterien tabellarisch verglichen. Dabei werden die praktischen Erfahrungen mit Hilfe von narrativen Interviews ergänzt. Die Ergebnisse werden anschließend diskutiert und geben Anreize für einen kurzen Ausblick in das Praxissemester. Abschließend wird ein Fazit gezogen.
2 Außerschulisches Lernen in der beruflichen Bildung
Um den Erziehungs- und Bildungsauftrag gerecht zu werden und um die SuS auf eine immer komplexer werdende Alltags- und Lebenswelt sowie gesellschaftlichen Herausforderungen vorzubereiten, ist der Schule nahegelegt neue Lehr-, Lern- und Unterrichtsorte zu etablieren. Die Folge dieser inneren Schulreform ist die Öffnung der Schule und das Aufsuchen von ASL. Dabei wird das fachliche Lernen ergänzt, vertieft und unter neuen Perspektiven relativiert. Lernorte außerhalb der Schule sollen Potenzial zur Überwindung von Fächergrenzen und methodischer Offenheit bieten. Die berufliche Bildung scheint mit dem dualen System und der Kooperation der Lernorte Schule, Betrieb und überbetriebliche Ausbildungsstätte diesem Versprechen voraus zu sein.
Im Zuge dieser Einschätzung beschäftigt sich die vorliegende Arbeit mit der Frage, wie das außerschulische Lernen in der beruflichen Bildung didaktisch und methodisch gestaltet werden kann. Dabei soll es nicht darum gehen, unterschiedliche Lernorte im dualen System genauer zu beschreiben, obwohl es dafür genügend Beispiele gibt. Stattdessen soll exemplarisch der Lernort „Agritechnica“ als weltweit größte Fachmesse für Agrartechnik didaktisch und methodisch aufgearbeitet werden. Da das Aufsuchen von Lernorten außerhalb der Schule immer ein höherer Aufwand bedeutet, stellt sich die Frage, ob die Erfahrungen, die außerschulisch gemacht werden können, und der zu erwartete Lernerfolg der SuS, diesen Aufwand rechtfertigen. Hierfür werden narrative Interviews herangezogen, die die praktischen Erfahrungen belegen sollen. Weiterhin ist zu klären, inwiefern das außerschulische Lernen in der beruflichen Bildung notwendig ist, was unter dem ASL verstanden wird, wo das Potenzial der ASL liegt und wie die didaktische und methodische Herangehensweise am ASL aussieht.
2.1 Notwendigkeit der Lernorte in der beruflichen Bildung
Ohne den Betrieb würde das komplexe System der Berufsbildung nicht funktionieren. In der beruflichen Bildung erfolgen Lernortkooperationen zwischen Betrieb, Schule und Ausbildungsstätte, die methodisch, curricular, prozessual miteinander verknüpft sind und den Vorteil des Zusammenwirkens vollständig ausschöpfen. Insbesondere das Lernfeldkonzept soll den schulischen Unterricht an berufliche Problemstellungen und Handlungsfeldern orientieren, um allgemeine und berufliche Kompetenzen der SuS zu fördern. In der Praxis ist die Abstimmung der unterschiedlichen Lernorte schwierig, wenn die Wissensbestände der Schule nicht in einem berufspraktischen Zusammenhang gebracht werden können (DIETRICH 2016, 53-65).
Am Lernort Betrieb orientiert sich die Ausbildung an die Auftragslage der beruflichen Bildung und damit an die vorhandenen Arbeits- und Geschäftsprozesse. Das Lernen erfolgt durch die Bewältigung praktischer Aufgaben und mithilfe eigener berufs-didaktischer Modelle, beiläufig und erfahrungsbasiert. Auch die überbetrieblichen Ausbildungsstätten stoßen bei inhaltlichen und terminlichen Abstimmungen auf Kritik. So werden spezifische Bereiche der überbetrieblichen Ausbildung modularisiert in Blockform verpflichtend durchgeführt. Durch eigene Methoden und didaktische Ansätze der Lernorte sowie fehlende Lernortkooperationen entstehen folglich inhaltliche Dopplungen (GRIMM 2018, 179-181).
Um den Vorteil der Lernortkooperationen vollständig ausschöpfen zu können, reicht kein einfacher Raum- oder Ortswechsel. Für das Zusammenwirken sind didaktische und methodische Herangehensweisen, Vor- und Nachbereitungsphasen sowie professionelles Lehrerverhalten notwendig. Der ASL kann möglicherweise Brücken schlagen um aufzuzeigen, wie schulische Inhalte zeitweilig außerhalb des Klassenraumes aufgegriffen werden können, Lernortkooperationen funktionieren und die SuS umfangreiche Lernerfolge erzielen (ERHORN und SCHWIER 2018, 7-12; DEINET und DERECIK 2018, 16-18).
2.2 Begriffserklärungen und Merkmale
In der neuen Bildungsdebatte skizziert ein erweiterter Bildungsbegriff das Zusammenspiel zwischen schulischem und außerschulischem Lernen. Demnach sind Bildungsprozesse und Orte in einem breiten Spektrum beschrieben und lassen sich im Lebensalltag nur schwer auseinanderhalten. Während formelle und nicht formelle Bildungsprozesse den schulischen und außerschulischen Institutionen zugeordnet werden, findet informelle Bildung in allen Bildungsprozessen und an allen Orten statt. Durch das informelle Lernen, dem situiertem, ungeplanten sowie beiläufigen Lernen, wird die Grundlage eines breiteren Bildungsbegriffes gelegt und die Gleichrangigkeit unterschiedlicher Orte betont (RATHGEB-SCHNIERER et al. 2011, 145-150).
Der Begriff „Lernort“ wurde erstmals durch den Deutschen Bildungsrat im Kontext des öffentlichen Bildungswesens verortet und benennt ihn als die „[…] anerkannte Einrichtung […], die Lernangebote organisiert. Dabei handele es sich aber nicht allein um räumlich verschiedene, sondern in ihrer pädagogischen Funktion unterscheidbare Orte“ (DEUTSCHER BILDUNGSRAT. 1974).
Der Lernort als eine im Rahmen des öffentlichen Bildungswesens anerkannte Einrichtung, wird dementsprechend in primäre Lernorte, die den primär pädagogischen Zwecken dienen und in sekundäre Lernorte, die primär außerpädagogischen Zwecken dienen, unterteilt. Insofern erfüllen die Schule, der Betrieb, die Lehrwerkstatt, etc. pädagogisch-didaktische Anforderungen, während sekundäre Lernorte wie die Gemeinde, das Einkaufszentrum, der Wald, etc. lediglich die primären Lernorte ergänzen. Erst durch den „intentionalen Einbezug in den Unterricht werden Lernorte außerhalb der Schule zu außerschulischen Lernorten“ ( THOMAS 2006, 283-287; FEIGE 2008, 67).
Grundsätzlich kann jeder außerhalb der Schule bestehende Ort zu einem schulisch genutzten ASL werden, wenn sich das Vorgehen didaktisch auf der Grundlage aktueller Lehrpläne legitimieren lässt. Der Lernort kann folglich als ein Ort beschrieben werden, der zu den vorgegebenen Lehr- und Bildungsplänen der Schule anschlussfähig ist, indem an ihm als „Originalschauplatz“ Themen und Inhalte des Unterrichts bzw. der Unterrichtsfächer direkt erarbeitet und erforscht werden können (DEINET und DERECIK 2018, 15-28).
Um das Potenzial der ASL auszuschöpfen, wird die Etablierung von lokalen Bildungslandschaften angestrebt. Diese sind definiert als „langfristige, professionell gestaltete, auf gemeinsames und planvolles Handeln abzielende […] Netzwerke zum Thema Bildung, die ausgehend von der Perspektive des lernenden Subjektes formale Bildungsorte […] umfassen und sich auf einen definierten lokalen Raum beziehen“ (BURK et al. 2008a, 20).
2.3 Das Potenzial von ASL für die Schule
Der ASL hat das Potenzial „originale Begegnungen“ zu ermöglichen, die direkten Begegnungen der SuS mit einem konkreten Ort, mit Menschen oder mit Ereignissen die exemplarisch die Natur, Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Gesellschaft präsentieren. Dabei können vorfindbare Inhalte, Phänomene und Gegebenheiten abstrakte und komplexe Wirkungszusammenhänge „begreifbar“ und „durchschaubar“ machen. Gleichzeitig rücken die Erfahrungen, Fähigkeiten, Interessen und Probleme der SuS in den Mittelpunkt des schulischen Lernens und das regionale und kommunikative Umfeld der Schule gewinnt an Bedeutung (BAAR. R. und SCHÖNKNECHT, 31-33).
Durch die „originalen Begegnungen“ und der offenen Unterrichtsgestaltung können die SuS die Alltags- und Lebenswelt in ihrer Komplexität und Widersprüchlichkeit erschließen. Dabei fördern die ASL fächerübergreifende Kompetenzen wie Selbst-, Sozial- und Methodenkompetenzen, die in der gemeinsamen Verantwortung aller Unterrichtsfächer liegen. Der offene und fächerverbindende Unterricht bewilligt Mitbestimmungs-möglichkeiten der SuS in inhaltlicher und methodischer Hinsicht, sodass eigene Erfahrungen ermöglicht und die Selbstständigkeit der SuS gefördert wird (SCHIEFER FERRARI 2008, 310-317).
Erkundungen am ASL sind fast nie auf ein einziges Unterrichtsfach oder auf einen Ort beschränkt. Vielmehr eröffnen sie vielfältige, fächerübergreifende Lernwege und erweisen ein implizites Lernpotenzial, welches den reinen Fachunterricht überschreitet. Im Rahmen der Qualitätsentwicklung von Schule und Unterricht können durch die ASL Lernortkooperationen vorangebracht werden. Gemeinsame Planungsphasen und Absprachen auf allen Ebenen der Zusammenarbeit werden ermöglicht (SCHIEFER FERRARI 2008, 318).
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