„Wenn eine Frau aus der Rolle der hilfreichen Begleiterin des Mannes heraustritt und selbstständig agiert, hat das schreckliche Folgen.“ (SCHULZE 2004). Dies vermittelt das Nibelungenlied, in welchem die mächtige und autonome Königin Brünhild als ungewöhnliches Phänomen, ja sogar als ein Störfaktor, auftritt. Ihre Macht soll von einem Mann überwunden werden, um die gesellschaftliche Ordnung in der Erzählwelt wiederherzustellen. Denn eine mächtige Frau ist für das Narrativ des Nibelungenliedes eine gefährliche Frau. Kriemhild wird im Gegensatz zu Brünhild als höfische Dame eingeführt. Durch die zunehmende Macht, die Kriemhild gewinnt und einsetzt, handelt sie jedoch nicht mehr nach dem Idealbild einer tugenderîohen vrouwe, im Gegensatz, sie entwickelt sich zu einer blutrünstigen Rächerin. Während sich Brünhild im Laufe des Liedes der Rolle der höfischen Dame annähert, entwickelt Kriemhild ‚unerwünschte‘ Handlungsweisen und entfernt sich immer weiter von dem im Nibelungenlied beschriebenen Prototyp einer adligen Frau. Diese quasi-chiastische Struktur im Auftreten der beiden Frauen wird in der Forschung erwähnt ( Vgl. FRAKES 1994; FRANK 2004; LIENERT 2003; NOLTE 2004; SCHULZE 2004; SEITTER 1987).
In der vorliegenden Bachelorarbeit möchte ich das Thema vertiefen, indem ich diese Struktur herausarbeite, um herauszufinden, ob die Macht der beiden Frauen sich ebenfalls quasi-chiastisch verhält.
Um das Machtverhältnis der beiden Frauen vergleichen zu können, ist es relevant, die Entwicklung ihrer Mächte separat zu betrachten. Diese sind in den Beziehungen zu den anderen Figuren sichtbar und lässt sich folglich anhand von Beziehungsverhältnissen herausarbeiten. Für diese Betrachtungen sind folgende Fragen von zentraler Bedeutung: Welcher Macht- und Gewaltformen bedienen sich Brünhild und Kriemhild? Auf welche Art und Weise und mit welchen Mitteln führen sie die unterschiedlichen Machtformen aus? Wie wirkt sich Brünhilds und Kriemhilds Macht auf die Figuren aus und wie verändert sich diese Macht im Laufe der Zeit? Existiert in der Gesellschaftsordnung des Nibelungenliedes eine vom Mann unabhängige Macht der Frauen? Dabei lautet meine Arbeitshypothese, dass die quasi-chiastische Struktur in den Beziehungen und Machtformen der beiden Frauen sichtbar ist. Je mehr Kriemhild an vom Mann unabhängiger Macht gewinnt, desto mehr verliert Brünhild diese Machtform.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Soziologische Machttheorien als Analysekategorien
- ,Macht nach POPITZ
- ,Gewalt' nach REEMTSMA
- Die Darstellung von Brünhild und Kriemhild im Vergleich
- Brünhilds Machtbeziehungen
- Brünhild und Gunther
- Brünhild und Siegfried
- Brünhild und Hagen
- Kriemhilds Machtbeziehungen
- Kriemhild und Siegfried
- Kriemhild und Hagen
- Brünhilds und Kriemhilds Machtbeziehung
- Brünhilds und Kriemhilds Macht im Vergleich
- Brünhild und ihre Macht
- Kriemhild und ihre Macht
- Vergleich
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Bachelorarbeit analysiert die Figuren Brünhild und Kriemhild im Nibelungenlied unter machttheoretischer Perspektive, um herauszufinden, ob die Macht der beiden Frauen sich quasi-chiastisch verhält und welche Auswirkungen die Macht der beiden Frauen auf das soziale Gefüge der Erzählwelt hat.
- Die Rolle von Brünhild und Kriemhild als mächtige Frauen im Nibelungenlied.
- Die Darstellung der Figuren Brünhild und Kriemhild im Vergleich.
- Die Machtbeziehungen der beiden Frauenfiguren zu anderen Figuren des Nibelungenliedes, insbesondere Gunther, Siegfried und Hagen.
- Die Veränderung der Macht der beiden Frauen im Laufe der Handlung.
- Die Frage, ob eine vom Mann unabhängige Macht der Frauen in der Gesellschaftsordnung des Nibelungenliedes existiert.
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel liefert eine Einführung in die Thematik der Arbeit und stellt die Forschungsfrage und die Arbeitshypothesen dar. Das zweite Kapitel stellt die soziologischen Machttheorien von Popitz und Reemtsma vor, die als Analysekategorien für die Arbeit dienen. Das dritte Kapitel vergleicht die einführende Beschreibung der beiden Frauenfiguren. Die Kapitel vier und fünf analysieren die Machtbeziehungen von Brünhild und Kriemhild zu den anderen Figuren des Nibelungenliedes. Das sechste Kapitel untersucht die Machtbeziehung zwischen den beiden Frauenfiguren. Das siebte Kapitel stellt die Macht von Brünhild und Kriemhild zusammenfassend dar und vergleicht diese anschließend. Die Arbeit schließt mit einem Fazit ab, das die Ergebnisse der Analyse zusammenfasst.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Themen Macht und Gender im Nibelungenlied, insbesondere mit der Rolle der Frauenfiguren Brünhild und Kriemhild. Die Analyse betrachtet die Machtphänomene in den Beziehungen der beiden Frauenfiguren zu den anderen Figuren des Nibelungenliedes und untersucht die Veränderung ihrer Macht im Laufe der Handlung. Dabei werden die Kategorien „Macht“ und „Gewalt“ nach Popitz und Reemtsma verwendet. Die Arbeit untersucht die Macht der beiden Frauen unter den Aspekten Gender, Stand und physische Stärke.
- Arbeit zitieren
- Lia Greiberg (Autor:in), 2020, Mächtige Frauen im Nibelungenlied, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/585130