Italo Calvino und "Tel Quel". Produktive Neufassung poststrukturaler Texttheorie in "Se una notte d'inverno un viaggiatore"


Masterarbeit, 2016

92 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Tel Quel

III. Théorie d’ensemble
III.I Production de texte
III.II Intertextualité
III.III Histoire und discours

IV. Untersuchung von Se una notte d’inverno un viaggiatore
IV.I Scrivere come processo combinatorio / Production de texte
IV.II Ogni libro nasce in presenza d’altri libri / Intertextualité
IV.III Un’avventura di lettura / Histoire und discours

V. Fazit

Literaturverzeichnis

I.Einleitung

In den 1950er und 1960er Jahren wurden insbesondere in Frankreich zunehmend Diskussionen bezüglich des Stellenwertes und der Leistungen des Literaturbegriffs geführt, wobei vornehmlich eine Gruppe von Literaturwissenschaftlern1, Philosophen und Semiologen dessen Umbewertung und Neubestimmung forderten. Diese Gruppe nannte sich Tel Quel, was zugleich der Name der Zeitschrift war, in der sie ihre Beiträge zu dieser Debatte veröffentlichten. Darin äußerten sie vermehrt Kritik am traditionellen Literaturbegriff, der stets den ideellen Kategorien von Repräsentation, Wahrheit, Subjekt und Sinn unterworfen gewesen sei, und nun aber von eben diesen gelöst werden müsse. Ihre konkreten Forderungen und Vorstellungen hinsichtlich eines neuen Literaturverständnisses, welches sowohl Theorie als auch Praxis betrifft, haben Tel Quel im Jahr 1968 in ihrer theoretischen Arbeit Théorie d’ensemble 2 zusammengetragen. In den 18 darin enthaltenen Aufsätzen verschiedener Mitglieder der Gruppe werden insbesondere die traditionellen Konzeptionen des Autors, Lesers und Werkes betrachtet, die es neu zu definieren gilt. Der Begriff des Werkes wird dabei durch den des Textes abgelöst, welcher wiederum eine zentrale Bedeutung einnimmt, weshalb Tel Quels, gemeinhin dem Poststrukturalismus zugeordnete, Theorie auch als Texttheorie bezeichnet wird.

In der vorliegenden Arbeit wird diese poststrukturale Texttheorie Tel Quels nun in Bezug auf Italo Calvinos (1923-1985) Roman Se una notte d’inverno un viaggiatore 3 (1979) untersucht. Calvino, der neben zahlreichen Romanen auch verschiedene literaturwissenschaftliche und -kritische Beiträge verfasst hat, war stets an aktuellen Diskussionen und Fragestellungen die Literatur betreffend interessiert. Daher stand er auch im regen Kontakt mit anderen Literaturwissenschaftlern und Schriftstellern, darunter insbesondere französischen Intellektuellen, wodurch er auch mit der Theorie Tel Quels konfrontiert wurde. Inwieweit diese Theorie nun in seinem Roman Se una notte aufgegriffen wird, ist Gegenstand der vorliegenden Arbeit.

Erstaunlicherweise findet sich bis heute bezüglich Tel Quels Arbeit Théorie d’ensemble neben der französischen Ausgabe lediglich eine deutsche Teilübersetzung aus dem Jahr 1971, was auf ein nicht allzu großes literarisches Interesse an diesem Werk zurückzuführen sein könnte. Diesen Eindruck bestätigen auch die wissenschaftlichen Beiträge zu diesem Thema, die sich auf die bekannteren Begriffe von intertextualité und écriture dieser Theorie beschränken und größtenteils auf Sekundärliteratur zurückgreifen. Eine umfassende Analyse der Théorie d’ensemble wurde dagegen bislang kaum durchgeführt. Eine der wenigen und zugleich wichtigsten Beiträge im deutschsprachigen Raum hat dabei Klaus W. Hempfer mit seiner Arbeit Poststrukturale Texttheorie und narrative Praxis aus dem Jahr 1976 geleistet. Ähnlich gestaltet sich die Lage bei Calvinos Roman Se una notte, der zwar vielfach zitiert und analysiert wurde, auch in Bezug auf Tel Quel, jedoch kaum tatsächlich auf die einzelnen Theoreme der Texttheorie hin untersucht wurde. Eine detailliertere Analyse hat Gerhard Regn 1983 mit Lektüre als Geschichte. Tel Quel und die Funktionalisierung von Literaturtheorie vorgenommen, die sechs Jahre später auch in Italienisch erschienen ist. Aufgrund der bislang kaum erfolgten Untersuchung von Se una notte hinsichtlich der jeweiligen Theoreme der Texttheorie Tel Quels, erweist sich diese als Notwendigkeit, der die vorliegende Arbeit nun nachkommen wird. In dieser wird zu untersuchen sein, inwiefern einzelne Theoreme der poststrukturalen Texttheorie Tel Quels in Calvinos Roman aufgegriffen und wie diese umgesetzt und funktionalisiert werden.

Dafür wird zu Beginn dieser Arbeit zunächst einmal die Gruppe Tel Quel genauer vorgestellt und ihre Positionierung sowie Erneuerungsbestrebungen hinsichtlich des traditionellen Literaturbegriffs dargelegt (Kapitel II). Darauf aufbauend wird die Texttheorie Tel Quels anhand ihrer theoretischen Arbeit Théorie d’ensemble 4 und der Darlegung der darin enthaltenen zentralen Grundbegriffe aufgeschlüsselt (Kapitel III). Dabei werden sich insbesondere die Konzeptionen des scripteur, lecteur, texte, der écriture (Kapitel III.I), der intertextualité (Kapitel III.II) und der histoire sowie des discours (Kapitel III.III) als zentrale Theoreme erweisen, die auch für die nachfolgende Untersuchung von Bedeutung sind. Diese Theoreme werden sodann im Rahmen einer Textanalyse des Romans Se una notte (Kapitel IV) nacheinander, der Reihenfolge des vorherigen Kapitels entsprechend, auf ihre Umsetzung und Funktionalität hin untersucht (Kapitel IV.I bis IV.III). Dabei wird der Text hinsichtlich seines Inhalts wie auch seiner Struktur betrachtet. Letztendlich wird das Fazit zeigen, inwiefern Calvino in seinem Roman, aufgrund der zuvor herausgestellten Funktionalisierung und Bewertung, der poststrukturalen Texttheorie Tel Quels folgt oder auch von dieser Abstand nimmt. In diesem Zuge kann sodann festgestellt werden, inwieweit hier deren produktive Neufassung vorliegt und welche Schlussfolgerungen sich daraus hinsichtlich Calvinos Positionierung zur Literatur und zum Erzählen allgemein ergeben (Kapitel V).

II.Tel Quel

Bevor die theoretische Arbeit Théorie d’ensemble ausführlicher betrachtet wird, anhand derer sich die von Tel Quel vertretene Texttheorie definieren lässt, wird die Gruppe an sich zunächst kurz vorgestellt, wobei insbesondere auf ihre Positionierung bezüglich des traditionellen Literaturbegriffs näher einzugehen ist.

Tel Quel (dt. ‚Wie es ist‘) lautet die in Paris in den Éditions du Seuil von 1960 bis 1982 erscheinende gleichnamige Zeitschrift unter der Leitung von Philippe Sollers und ist zugleich der Name der sich daraus herausbildenden Gruppe von Literaturwissenschaftlern, Philosophen, Semiologen und textwissenschaftlich interessierten Schriftstellern, die sich zu Beginn der 1960er Jahre zu formieren begann. Der Name Tel Quel referiert dabei auf ein Zitat Friedrich Nietzsches, mit dem die erste Ausgabe der Tel-Quel-Zeitschrift im März 1960 beginnt: „Je veux le monde et le veux Tel Quel“.5 Dieses drückt das Bestreben der Gruppe aus, die Welt neu zu betrachten, nämlich so, wie sie ist. Zu Tel Quel zählten verschiedene Mitglieder. Im Jahr 1963 waren dies u.a. Jean Thibaudeau, Jean-Louis Baudry, Jean Pierre Faye, Marcelin Pleynet, Jean Ricardou, Denis Roche und Philippe Sollers.6 Über die Jahre hinweg änderten sich die Mitglieder der Tel-Quel-Gruppe jedoch mehrmals und auch ihre Meinungen bezüglich der Ziele ihrer Arbeit differierten teilweise. Daher wird nachfolgend mit der Bezeichnung ‚Gruppe‘ kein Personenkreis gemeint, der spezifisch auf einzelne Namen abzielt, abgesehen von Sollers, der nicht nur Begründer, sondern, bis zur Auflösung der Gruppe, auch deren festes Mitglied war. Vielmehr orientiert sich dieser Begriff allgemein an dem von dieser Gruppierung vertretenen Verständnis von Literatur und der in diesem Zuge entwickelten Texttheorie, die Tel Quel in der 1968 erschienenen theoretischen Arbeit Théorie d‘ensemble dargelegt haben. Auf diese wird im nächsten Kapitel genauer eingegangen.

Die zunächst rein literarisch orientierte Zeitschrift veröffentlichte primär neben den eigenen Arbeiten solche der zeitgenössischen französischen Schriftsteller und orientierte sich an Vertretern des nouveau roman (dt. ‚Neuer Roman‘), der durch Alain Robbe-Grillet in den 1950er Jahren begründet wurde. Bestrebt wurde von den nouveaux romanciers der Versuch, neue Erzählweisen zu entwickeln und in diesem Zuge Abstand zur Tradition des Realismus und einer engagierten Literatur zu gewinnen. In diesem Sinne sollten Romane auf keiner Wirklichkeitsillusion mehr beruhen, wie dies traditionell der Fall war, und zweckfrei sein, also keinem z.B. politischen Interesse des Autors dienen. In seinem Essay Sur quelques notions périmées (1957) kritisierte Robbe-Grillet diesbezüglich die allgemein unreflektierte Charaktersierung und Vorstellung des Romans mit seiner klassischen Figurenkonzeption, der Geschichte sowie der Form-Inhalt-Dichotomie und führt an, dass diese normativen Kriterien nicht mehr auf zeitgenössische Werke zutreffen würden.7 Dem Telquelisten Jean Ricardou zufolge stimmten Tel Quel zwar nicht völlig mit den Prinzipien des nouveau roman überein, jedoch sah man darin „la seule école d’écriture valable à l’époque. C’était le seul moyen d’échapper à la montagne de conformisme“.8 Besonders die in den neuen Romanen enthaltene Abkehr vom traditionellen Geschichtenerzählen wurde in diesem Sinne von Tel Quel begrüßt, jedoch als nicht entschieden genug angesehen, sodass sich die Gruppe ab Mitte der 1960er Jahre auch vom nouveau roman abwand. Nachdem sich der nouveau roman als neue Romanform weitestgehend etabliert hatte, wurde er von Tel Quel zudem ebenso als zur bürgerlichen Literatur zugehörig angesehen wie die traditionellen Romane eines Balzac, also jene „spezifische literarische Form des bürgerlichen Zeitalters“9. Deshalb war der nouveau roman auch nicht mehr mit dem aufkommenden, neuen Literaturverständnis der Gruppe zu vereinbaren. Richtungsweisend für dieses Literaturverständnis, das seit den Anfängen der Gruppierung Tel Quels zunehmend radikaler wurde, war der veränderte Untertitel der Zeitschrift ab dem Jahr 1967 von Littérature zu Science/Littérature bzw. im Jahr 1971 dann zu Littérature/Philosophie/Science/Politique. Damit einher ging auch eine Ausweitung der thematischen Interessen der Tel-Quel-Gruppe auf weitere Bereiche. Man versuchte sich nun auch Wissenschaftsgebieten wie der Anthropologie, Mathematik, Psychoanalyse und dem Marxismus über die Theorie her zu nähern. Dafür veröffentlichten Tel Quel zunehmend Beiträge bedeutsamer Literaten, Philosophen und Linguisten, darunter Roland Barthes, Jacques Derrida, Michel Foucault, Jacques Lacan sowie Julia Kristeva. Insbesondere die Arbeiten Derridas und Kristevas sind dabei für Tel Quel bedeutsam geworden, baut ihre Theorie schließlich mitunter auf deren zentralen Konzepten der écriture sowie intertextualité auf. Auf diese wird ebenfalls im folgenden Kapitel eingegangen.

Einhergehend mit dem erweiterten Wissenschaftsgebiet beschäftigten sich Tel Quel auch mit dem Strukturalismus, der in den 1960er Jahren insbesondere in Frankreich wiederauflebte, und dessen Vertretern wie Claude Lévi-Strauss, Ferdinand de Saussure und Roman Jakobson. Im Gegensatz zum Strukturalismus, der sein Augenmerk auf ein gesamtes System legt, richtet sich das Interesse Tel Quels jedoch auf die generativen Prozesse, die hinter einem System stehen. So baut die Literaturtheorie Tel Quels zwar teilweise auf Konzeptionen des Strukturalismus auf, wie u.a. dem Zeichenbegriff von de Saussure, der im Kapitel III.I noch genauer definiert wird, betrachtet diese aber gleichzeitig kritisch und geht über sie hinaus. So wurden Tel Quel später dem Poststrukturalismus10 zugeordnet. Dabei meint ‚Poststrukturalismus‘ [...] keine einheitliche Methodenrichtung oder ‚Schule‘, sondern ein[en] Sammelbegriff für verschiedene, interdisziplinäre subjekt- und hermeneutikkritische Ansätze, die in Auseinandersetzung mit dem Strukturalismus seit dem Ende der 1960er Jahre in Frankreich entstanden.11

Die Ausweitung der Themengebiete markiert die Bestrebung Tel Quels, neben der literarischen Produktion insbesondere auch eine Literaturtheorie zu begründen und somit die vorherrschende Trennung von Theorie und Praxis in der Literatur aufzuheben.12 Dabei wurde Tel Quel oftmals der Vorwurf gemacht, sie hätten versucht, die literarische Praxis in Theorie aufzulösen. Dies weist Sollers in Théorie d’ensemble zurück und betont, dass ‚Theorie‘ hier vielmehr grundsätzlich als spezifische Form der Praxis zu verstehen sei (Vgl. Sollers, S. 72). Mit dieser neuen Literaturtheorie wollten Tel Quel mit der bisherigen Tradition brechen, die mit bestimmten vorherrschenden Erwartungen an Literatur und damit an den Autor und dessen Werk bis dato verbunden war.13 Der traditionelle Roman, insbesondere in Form des realistischen Romans des 19. Jahrhunderts, welcher mit bestimmten, eben als realistisch qualifizierten, Erzählweisen vorherrschte, wurde abgelehnt. Dagegen erfolgte ein genauer Umgang mit sogenannten nonkonformistischen Dichtern des 19. und frühen 20. Jahrhunderts wie Stéphane Mallarmé, Comte de Lautréamont und James Joyce. Deren poetische Sprache sahen Tel Quel als einen entscheidenden Einschnitt in der Literatur an, da sie den Status des sprechenden Subjekts erschüttert habe, indem sie die Sprache allein sprechen ließe.14 Dies wollten Tel Quel nun auch im Roman umsetzen, der nun mehr „langage sur le langage“ (Barthes, S. 41) sein sollte, genauer: „faire du langage un sujet“ (Ebd.). Dafür wandten sich Tel Quel von der, sich über die Jahre hinweg manifestierten, Vorstellung des Romans als Spiegel der Wirklichkeit ab. In diesem Zuge erklärten sie auch die damit einhergehenden Begriffspaare représentation, als Abbildung von Wirklichkeit bzw. Bild für etwas anderes, sowie expression, als Ausdruck subjektiven Bewusstseins, für reine Illusion.15 Ihnen zufolge sei [...] auch die realistische Nachahmung [...] eine Konstruktion, sie gebe nicht die Wirklichkeit, das Leben wieder, sondern sei eine bestimmte historisch-kulturell determinierte und konventionalisierte Weise, Sachverhalte in Aussagen abzubilden und Aussagen zu einem sinnvollen Ganzen zu verknüpfen [...].16

Für Tel Quel ist die realistische Darstellung auch nichts weiter als Kopie und Nachahmung, die sie ebenso wie den gesamten Begriff von Literatur in Frage stellten. Dabei kritisierten sie insbesondere die Vorstellung des Autors als Ursprung eines Werkes, des Werkes als fertiges Produkt und der Wirklichkeit als Gegenstand sprachlicher Abbildung.17 Tel Quel zufolge seien diese Konzeptionen dem abendländischen Denken und einer bürgerlichen Ideologie zuzuschreiben und eben aus diesem Grund abzulehnen. Um den Anspruch auf eine neue Literatur tatsächlich erheben und an einer Veränderung der gesellschaftlichen Prozesse und Denkweisen arbeiten zu können, müssten diese Begriffe daher umgeworfen und neu definiert werden. Dies betraf neben dem Autor und Werk vordergründig die Konzeptionen der Schrift, Sprache und Wirklichkeit, wobei für die Literaturtheorie Tel Quels insbesondere der Begriff des Textes und dessen Produktion von zentraler Bedeutung werden. Ihre Theorie wird daher auch als Texttheorie bezeichnet:

D’emblée, en mettant l’accent sur le texte, sur ses déterminations historiques et son mode de production; en dénonçant systématiquement la valorisation métaphysique des concepts ‘d’œuvre’ et ‘d’auteur’; en mettant en cause l’expressivité subjective ou soi-disant objective, nous avons touché les centres nerveux de l’inconscient social dans lequel nous vivons et la distribution de la propriété symbolique (Sollers, S. 70).

Trat der Produktionsprozess bis dato hinter das fertige ‚Produkt‘ des Textes zurück, dem dieses immerhin sein Dasein verdanke, ging es Jean Ricardou zufolge darum, eine neue Einsicht in die Gesetze der Produktion des Textes, in die Prinzipien seiner Erzeugung und Organisation zu gewinnen.18 Dabei versuche der Text den Rezipienten aufzuwecken, indem sich dieser der Wirklichkeit des Textes zuwende, anstatt einer Illusion von Wirklichkeit zuteil zu werden. Ricardous berühmte Worte über den ‚modernen Text‘, der weniger eine „écriture d’une aventure“, als eine „aventure d’une écriture“ (Ricardou, S. 252)19 sei, stehen dabei exemplarisch für Tel Quels Texttheorie sowie -praxis. Damit wird auf das Bestreben der Gruppe abgezielt, keine Geschichte im traditionellen Sinn mehr erzählen zu wollen, sondern das Schreiben einer solchen darzulegen, wobei insbesondere die Prozesse, die beim Schreiben selbst zutage treten und dieses bedingen, von Bedeutung sind. Wie dies von der Gruppe genau verstanden und angestrebt wurde, wird innerhalb des nächsten Kapitels betrachtet.

Indem der Schreibprozess eines Textes in den Vordergrund rückt, konzentrieren sich Tel Quel in ihrer Theorie und Praxis auf die Form und nicht mehr auf den Inhalt des Geschriebenen. Dies führte dazu, dass Romane dieser Gruppe, die als Nachfolger und Radikalisierung des nouveau roman auch als nouveau nouveau roman bezeichnet wurden, allgemein als wenig ‚lesbar‘ im herkömmlichen Sinne galten. Daher waren diese auch nur einem, zum großen Teil aus Akademikern und Intellektuellen bestehenden, begrenzten Publikum zugänglich. Tel Quel selbst betonten zwar, dass sich ihre Theorie sowie Praxis an das Proletariat und somit an eine breite Leserschaft richte, aber im Gegensatz zu Texten eines Flaubert oder Robbe-Grillet waren ihre Texte weitestgehend nur von philologischen Lesern rezipierbar.20 Diese radikale Einschränkung des Rezipientenkreises ergab sich aus dem Umstand, dass die Erwartungshaltung der, an traditionelle Werke gewöhnte, Leser von Tel Quel nicht erfüllt wurde. Zudem erfolgte in ihren Texten eine Substitution von psychologischen Figuren durch grammatikalische. Tel-Quel-Texte handeln nicht mehr von, durch Eigennamen oder Aussehen, individualisierten Personen bzw. Helden, sondern von Personalpronomen. Diese können in keiner Weise mehr als Abbildung oder Repräsentation der Wirklichkeit gelten, bei denen der Rezipient die Möglichkeit hätte, sich in irgendeiner Weise mit diesen zu identifizieren. Zu denken ist hier bspw. an Sollers‘ Roman Drame (1965), in dem es keine individualisierten Personen mehr gibt, sondern nur noch Pronomina der dritten (il) und ersten (je) Person, die lediglich eine funktionale Rolle spielen. Eine Handlung, wenn von einer solchen überhaupt noch gesprochen werden kann, wird für den Rezipienten somit nur noch schwer nachvollziehbar. Denn ihm fehlen traditionelle Orientierungspunkte, an denen er sich vorarbeiten könnte, wie klassische Figurenkonstellationen um einen Helden und dessen linear ablaufende Geschichte.

Der bis hier gegebene kurze Überblick über die Formation Tel Quels sowie deren Ansichten bezüglich des traditionellen Literaturbegriffs, wird im folgenden Kapitel durch den Fokus auf ihre theoretische Arbeit Théorie d’ensemble und die darin enthaltenen wichtigsten Grundlagen ergänzt. Anhand der Théorie d’ensemble wird aufgeführt, aus welchen Grundgedanken sich die Texttheorie Tel Quels genau zusammensetzt bzw. wie sich die Umsetzung ihrer Bestrebungen gestaltet und welche Konsequenzen dies für die Literaturpraxis birgt. Dafür werden die wichtigsten Konzeptionen der Texttheorie zusammengetragen und in ihrer Bedeutung und Wandlung hinsichtlich des traditionellen Verständnisses definiert, darunter die Begriffe des Schreibers und Lesers, des Textes, der Produktivität, der Schrift, der Sprache, der Intertextualität, der histoire und des discours.

III. Théorie d’ensemble

Neben den Artikeln Tel Quels, die bis zur Veröffentlichung ihrer theoretischen Arbeit Théorie d’ensemble im Jahr 1968 hauptsächlich in der gleichnamigen Zeitschrift erschienen, stellt diese Sammlung von Aufsätzen eine der wichtigsten Schriften und Darlegungen der Gruppe bezüglich ihrer eigenen Texttheorie und -praxis dar. Die insgesamt 18 Aufsätze enthalten Reflexionen über u.a. Sigmund Freud, Karl Marx und Wladimir Iljitsch Lenin. Der Schwerpunkt der Aufsatzsammlung liegt jedoch eindeutig auf sprach- und literaturtheoretischen Fragen der folgenden 14 Verfasser: Philippe Sollers, Michel Foucault, Roland Barthes, Jacques Derrida, Julia Kristeva, Marcelin Pleynet, Jean-Louis Baudry, Pierre Rottenberg, Jean-Joseph Goux, Jean Thibaudeau, Denis Roche, Jean Ricardou, Jacqueline Risset und Jean-Louis Houdebine. Bei der Theórie d’ensemble handelt es sich nicht um ein einheitlich klar definiertes Gedankengebäude der Texttheorie Tel Quels. Vielmehr ist sie als Sammlung von Grundlagen anzusehen, welche die Mitglieder hier in Aufsätzen aufführen, und aus der sich die Positionierung und Bestrebung der Gruppe genauer fassen lässt. Um die Texttheorie Tel Quels umreißen und anhand der wichtigsten Theoreme definieren zu können, müssen die Grundlagen und Schlüsselbegriffe, die in den Aufsätzen enthalten sind, daher zusammengetragen werden. Für die vorliegende Arbeit relevant sind dabei all jene Artikel und Textstellen, die Erklärungen zur Texttheorie und -praxis Tel Quels geben. Daher ist das Ziel des folgenden Kapitels nicht, die einzelnen Artikel jeweils im Detail zu analysieren, sondern auf Grundlage des gesamten Werkes, das als Masterfall für die Texttheorie Tel Quels gilt, die für diese Theorie wichtigsten Schlüsselbegriffe zu sammeln und zu definieren. Dabei stehen die angeführten Begriffe alle miteinander in Korrelation, da sie jeweils auf dieselben Grundlagen zurückzuführen sind und sich demnach nicht isoliert erklären lassen. Es ist daher unablässig die Konzeptionen vom scripteur und lecteur zusammen mit den zentralen Schlüsselbegriffen von texte, productivité, écriture und dem Verständnis von Sprache allgemein zu betrachten. Diese bilden den Anfang der, für die Texttheorie, wichtigsten Theoreme und sind unter dem Punkt Production de texte (Kapitel III.I) aufgeführt. Aufbauend auf diesen Grundlagen, die aufgrund ihrer Vielzahl einen größeren Umfang an Seiten in Anspruch nehmen als die darauffolgenden, können sodann auch die Theoreme der intertextualité (Kapitel III.II) , der histoire und des discours (Kapitel III.III) definiert und in ihrer Bedeutung für die Texttheorie dargelegt werden. Anhand dieses aufgestellten Katalogs an Theoremen und Grundbegriffen kann dann untersucht werden, inwiefern die Texttheorie Tel Quels in Calvinos Se una notte aufgegriffen wird und welche Schlussfolgerungen sich aus deren Umsetzung hinsichtlich Calvinos Positionierung zur Literatur und zum Erzählen ergeben (Kapitel IV).

III.I Production de texte

In ihrer Texttheorie ist eine der zentralen Konzeptionen, der sich Tel Quel annimmt, die des Autors, welche in ihrer traditionellen Vorstellung abgelehnt wird und die es neu zu definieren gilt. Die herkömmliche und allgemein verbreitete Auffassung des Autors als Träger eines ‚Wissens‘, Sender einer ‚Botschaft‘, als jemand, der ‚etwas zu sagen‘ hat und der hierfür das Mittel der Literatur wählt, spiegelt für Tel Quel dabei das Bild der Bourgeoisie und deren Eigentumsideologie wider, die es zu bekämpfen gilt.21 Die Vorstellung des schreibenden Autors als Genie sollte abgelegt und dieser nur noch anhand seiner Arbeit an und mit der Sprache betrachtet werden.

War man in Frankreich, nach dem Vorbild der Methode l’homme et l’œuvre, noch einem positivistischen Biographismus zugewandt, der, auf der Suche nach einem genialen Dichter-Ich, der Biographie eines Autors große Bedeutung zuschrieb, galt es für Tel Quel nun dessen privilegierte Stellung aufzuheben.22 Der Aufwertung des Autors mit seiner Erscheinung als das besondere, von der Masse gewöhnlicher Produzenten abgehobene, Individuum sollte eine Absage erteilt werden. Denn Schreiben hieße nicht, über ein privilegiertes Wissen zu verfügen, sondern das zu entdecken versuchen, was jeder wisse, aber niemand sagen könne.23 Der nach dem lateinischen auctor bezeichnete ‚Schöpfer‘ und ‚Urheber‘ eines Werkes wird zurückgewiesen. Dagegen setzen Tel Quel nun den Begriff des scripteur: [...] le mot présente un aspect rébarbativement technique, mais il a le mérite de couper court à l’éloquence néo-romantique qui divinise l’écrivain, en fait un créateur [...] (Sollers, S. 69).

Die im Begriff des Autors enthaltene Konnotation eines individuellen Schöpfertums wird durch die Bezeichnung eines Schreibers bzw. scripteur ausgeschaltet. Tel Quel gehen davon aus, dass kein Autor-Subjekt dem Text absolut vorausgesetzt werden könne und negieren so dessen Abhängigkeit von einem ihn produzierenden Autor.24 Dass die Einbände von Texten, auch der Tel-Quel-Mitglieder, dennoch weiterhin spezifische Namen tragen, erklärt Jean-Louis Baudry in diesem Zuge mit den Eigentumszwängen des kapitalistischen Systems, das von der Gruppe abgelehnt wird.25 Zudem vertreten Tel Quel die Auffassung, der scripteur werde sozusagen erst zusammen mit dem Text geboren, was jegliche Auslegung des Textes anhand dessen biografischer Daten und Vorgeschichte hinfällig mache. Entgegen der herkömmlichen Aufwertung des Individuums des Autors setzen Tel Quel nun die des Textes, welcher den Kern ihrer eben danach benannten poststrukturalen Texttheorie begründet.

Der Text-Begriff ersetzt den des Werkes, das auf eine einzigartige Ursache, nämlich den Autor und sein ‚Genie‘, rückverweise. Bezeichnet ‚Werk‘ darüber hinaus ein definitiv abgeschlossenes Produkt, „dessen Vollendung bereits in dem Augenblick garantiert ist, da man es initiiert und projektiert“ (Demaskierung, S. 119), bedeutet texte für Tel Quel kein fertiges Produkt, das einem Besitzer gehöre und wie eine Ware zirkuliere, sondern:

Le texte appartient à tous, à personne, il ne saurait être un produit fini mais doit au contraire constituer l’indice d’une productivité qui comporte aussi son effacement, son annulation (Sollers, S. 71).

Vielmehr seien Texte nach der Auffassung Tel Quels als Produktionsprozesse zu begreifen, als productivité. Die Produktivität des Textes stehe dabei dem traditionellen Verständnis einer repräsentativen, abbildenden Literatur gegenüber und betone deren eigenständige, erzeugende Kraft:

Le texte ne saurait donc se présenter comme reflet simple - sans médiations -, comme une ‘image’. Il est un reflet, mais à l’intérieur d’un processus mouvant qui traite simultanément de sa réflexion au moment où elle se produit [...] (Sollers, S. 275).

Texte sei demzufolge vielmehr als Erforschung der Mechanismen von Sprache und Sinnproduktion zu verstehen. Dagegen setze die traditionelle Literaturwissenschaft Kristeva zufolge die production sémiotique einer Aussage gleich, und [...] refuse de la connaître dans le processus de sa productivité, et lui inflige la conformité avec un objet véridique (tel est le geste philosophique conventionnel qui présente la littérature comme une expression du réel) ou avec une forme grammaticale objective (tel est le geste idéologique moderne qui présente la littérature comme une structure linguistique close).26

Entgegen der traditionellen Auffassung, die den Text als Abbildung von Wirklichkeit und abgeschlossenes Produkt ansieht, gehen Tel Quel anhand der Konzeption der productivité von der Vorstellung aus, dass Texten selbst ein Prozess eingeschrieben sei, der Sinn generiere. Dabei könne dieser Sinn nicht fixiert werden und somit auch kein spezifisches Produkt entstehen. Texte seien der Ort von Sinnproduktion, welche wiederum erst im Vollzug der textuellen Arbeit selbst erzeugt werde. ‚Sinn‘ existiert für Tel Quel demnach nicht bereits vor dem Schreibakt und ist auch keine, entsprechend der klassischen Literatur aufgefasste, „Gegebenheit [...], die nur noch mittels einer instrumentalen Zeichenstruktur ‚darzustellen‘ wäre“.27 Es gebe keine Gewissheit eines einzig wahren vorgefertigten, fixierten Sinns, sondern erst in der Produktion des Textes selbst werde Sinn erzeugt und stets auch wieder transformiert:

Plus que comme un discours, c’est-à-dire comme un objet d‘échange entre un destinateur et un destinataire, la pratique signifiante que nous abordons peut-être envisagée comme un processus de production de sens. Autrement dit, nous pourrons étudier notre ‘pratique signifiante’ [...] non pas comme une structure déjà faite, mais comme une structuration, comme un appareil qui produit et transforme le sens, avant que ce sens soit déjà fait et mis en circulation.28

Der Text als pratique signifiante sei als unabgeschlossener Prozess von Sinnproduktion zu begreifen bzw. als eine Strukturierung, bei der Sinn erst entstehe und ihm nicht von vornherein eingeschrieben sei. Um den Mythos des Autors als Urheber eines Werkes definitiv aufheben zu können, müsse anhand des Sprachmaterials nachgewiesen werden, wie Bedeutung, wenn nicht durch einen sinneingebenden Schöpfer, in der Textproduktion genau entsteht. Für diese Fragestellung setzen Tel Quel an dem Zeichenbegriff von dem Strukturalisten und Semiotiker29 Ferdinand de Saussure und der Auffassung von Sprache allgemein an. Diese wird von Tel Quel nicht als bloße Abbildung eines bereits zuvor bestehenden Sinns aufgefasst, vielmehr sei Sprache nach ihrer Auffassung selbst ein Produktionsmittel, das Sinn schaffe.30

Die traditionelle Literaturwissenschaft sowie strukturale Linguistik und das gesamte westliche Denken werden von Tel Quel dagegen als vom Gedanken der Repräsentation beherrscht angesehen, sodass auch Sprache nach dieser Auffassung als Kommunikations- und Repräsentationsinstrument definiert wird.31 Dies baut insbesondere auf dem Verständnis de Saussures von der Sprache als System von Zeichen auf. In diesem besitzt jedes sprachliche Zeichen, signe, ein signifié (dt. ‚Bezeichnetes‘, ‚Signifikat‘) und ein signifiant (dt. ‚Bezeichnendes‘, ‚Signifikant‘), die sich auf einen außersprachlichen Referenten beziehen. Diese dualistische Definition des Zeichens basiert auf der Annahme, dass das Zeichen Ideen ausdrückt, also etwas voraussetzt, was es repräsentieren kann.32 Tel Quel zufolge erhalte das Zeichen, in Bezug auf den zu repräsentierenden Gegenstand, dabei eine sekundäre Rolle:

Le signe [...] se met à la place de la chose même, de la chose présente, ‘chose’ valant ici aussi bien pour le sens que pour le référent. Le signe représente le présent en son absence. [...] Quand nous ne pouvons prendre ou montrer la chose, disons le présent [...] nous signifions, nous passons par le détour du signe. Nous prenons ou donnons un signe (Derrida, S. 49).

Das Zeichen repräsentiert demnach etwas, das in diesem Moment nicht präsent ist, es steht für etwas Abwesendes. Eben dieses Dogma der Repräsentation, welches das Abwesende mittels eines Zeichens im Bewusstsein erscheinen lässt, anstatt dieses für sich selbst stehen zu lassen, wird von Tel Quel angefochten. Die zweitrangige Rolle des Zeichens kritisiert die Gruppe darüber hinaus insbesondere auf die Feststellung Derridas hin, dass die Linguistik immer nur die gesprochene Sprache untersucht hätte, nicht aber die Schrift, da diese nicht am Sprachprozess teilnehme. De Saussure zufolge sei die Schrift lediglich ein sekundäres System, das der (Laut-)Sprache untergeordnet sei und nur für deren Darstellung existiere:

Langue et écriture sont deux systèmes de signes distincts; l’unique raison d’être du second est de représenter le premier [...].33

Die Schrift als etwas der Sprache Äußeres zu erfassen wird von Tel Quel kritisiert, ebenso wie die dahinterstehende, als ausdrucksbezogen und darstellungsfixiert charakterisierte, Ideologie.

Derrida verknüpft die Tendenz der Linguistik, Sprache nur vom Gesprochenen her zu untersuchen, mit der Tradition des abendländischen Denkens. Diese habe von Platon über Rousseau bis de Saussure stets die gesprochene Sprache als direkten Austausch der Seele aufgefasst, was ihr wiederum eine privilegierte Stellung eingeräumt habe.34 Derrida sieht in dem Primat der gesprochenen Sprache aber die Gefahr einer „völligen Auslöschung des sprachlichen Signifikanten durch die massive Anwesenheit des hypostasierten Signifikats“35 - ja eine Entfernung des Signifikanten überhaupt. Die Zweiteilung des Zeichenbegriffs nach de Saussure führe Derrida zufolge daher zwangsläufig zu einer Privilegierung der einen gegenüber der anderen Seite des Zeichens und dies zu Lasten des Signifikanten, das nicht als sinnbildend anerkannt werde. Entgegen dem traditionellen Schwerpunkt auf dem Signifikat, sehen Derrida und Tel Quel aber die eigentliche linguistische Arbeit im Signifikanten. Dieses sollte nun nicht mehr lediglich passiv der Repräsentation von Bedeutungsinhalten dienen, sondern selbst Bedeutung schaffen. Dafür wird das signifié von Tel Quel als signifiant betrachtet, welches offen und bearbeitbar bleibt. Diesem könne kein von vornherein eingegebener Sinn zugeschrieben werden, da sich Sinn erst im ‚Spiel‘ der Signifikanten einstelle. ‚Sinn‘ konstituiere sich nach dieser Auffassung erst durch die Bewegung dieser Signifikanten in der Zeichenkette sowie durch deren Relation und Verschiebungen zueinander.36 Dadurch erhalte der Text keine fixierte Struktur, sondern werde vielmehr zu einer dynamischen Strukturierung, in der es keinen absoluten Sinn gebe, sondern prinzipiell unendliche Bedeutungspotentiale entstünden. Diese Reduzierung des Zeichens auf das signifiant führt bei Tel Quel zu einer grundsätzlichen Ablehnung der Inhaltlichkeit von Texten, auf die im Kapitel III.III noch einzugehen ist.

Die mit dem Zeichenbegriff allgemein verbundene Fixierung auf einen Logos, ein sinnhaftes Zentrum, ein Signifikat, ist für Derrida unmittelbar mit dem Phonozentrismus37 verbunden, der [...] als Dominanz des gesprochenen Wortes automatisch [...] mit der Herabwürdigung, Verdrängung und Ausgrenzung der Schrift38 einhergeht. Der Vorrang der gesprochenen Sprache gegenüber der Schrift sowie des Signifikats gegenüber dem Signifikanten sei Derrida zufolge dem Zeichenbegriff selbst eingeschrieben. Daher müsse die an diesem Begriff hängende traditionelle Sprachauffassung insgesamt aufgegeben werden, mit ihrer Ideologie von représentation, expression, Sinn und Zeichen. In diesem Zuge führt Derrida den Begriff der écriture ein und schafft damit eine der zentralen Grundlagen für die Texttheorie Tel Quels.

Écriture sei Tel Quel zufolge nicht einfach als ‚Schrift‘ und „écriture phonétique en usage dans notre culture et qui correspond à une représentation de la parole“ (Sollers, S. 274) zu verstehen. Vielmehr werde sie als ‚Schreibweise‘ und Bewegung vor der Entstehung der Zeichen aufgefasst, als „trace antérieure à la distinction signifiant / signifié, une retenue graphique du son dans la parole“ (Ebd.). Die Konzeption der écriture richtet sich gegen eine Vorstellung, nach der die Schrift schon immer da war, und wogegen Tel Quel nun ihre Eigenständigkeit betont. Ihnen zufolge leiste die écriture eine eigenständige, produktive und transformierende Arbeit, innerhalb welcher Sinn geschaffen werde, denn Bedeutung könne nicht bereits vor der Schrift existieren.39 So betonen Tel Quel, dass es sich bei der écriture um einen „texte vu comme production“ (Kristeva, S. 95) handle und in diesem „fonctionnement producteur n’est pas représentation“ (Tel Quel, S. 11). Die écriture sei demnach nicht einfach als Abbildung oder Repräsentation zu betrachten, sondern besitze selbst eine produzierende Kraft, die sozusagen zu einem „Sinn-Erschreiben“40 im Text führe. Die écriture wird demzufolge nicht vom Autor und dessen Vorstellungen als individuelle Person, sondern allein durch die Produktivität der Sprache getragen. Entgegen der traditionellen, expressiven Literatur, die von Bedeutungserzeugung durch Repräsentation eines Bezeichneten durch ein Bezeichnendes ausgeht, konzipiert sich diese bei Tel Quel als Verkettung potentiell unendlich aufeinander verweisender Signifikanten.41 An die Stelle metaphysischer Denkmodelle wie ‚Sein‘ oder ‚Zentrum‘ wird ein System von aufeinander verweisender Elemente gesetzt, das nicht etwa von einem Autor gelenkt wird. Bedeutung erhalten diese Elemente also durch kein ihnen vorgesetztes Subjekt, sondern lediglich durch die Differenz zu ihren Nachbarelementen, denn Kein Element kann je die Funktion eines Zeichens haben, ohne auf ein anderes Element, das selbst nicht einfach präsent ist, zu verweisen [...].42

Dieses Konzept der sogenannten différance 43 wurde ebenfalls von Derrida entwickelt, Grundlagen dazu sind jedoch bereits bei de Saussure zu finden. Dieser merkte nämlich schon an, dass es nicht ‚den einen Sinn‘ innerhalb eines Textes geben könne, sondern dass vielmehr jeder Vorgang sprachlicher Bezeichnung ein Vorgang der Differenz sei. Diesen Ansatz nimmt Derrida in seiner différance auf, geht aber zugleich über ihn hinaus und radikalisiert ihn.

Die Wortschöpfung der différance, welche wissentlich mit ‚a‘, anstatt mit ‚e‘ geschrieben ist (richtig: différence), stellt eine Kombination aus dem Verb différer (dt. ‚Sich unterscheiden‘ aber auch ‚verschieben‘) und dem Partizip différant (dt. ‚Unterscheidend‘, wie auch ‚aufschiebend‘) dar:

[...] cette différence graphique (le a au lieu du e), marquée entre deux notations apparemment vocales, entre deux voyelles, reste purement graphique: elle s’écrit ou se lit, mais elle ne s’entend pas (Derrida, S. 44).

Es handelt sich demnach um einen rein graphischen Unterschied von différence und différance, der sich nicht durch das gesprochene Wort vernehmen lässt. Die von Tel Quel kritisierte Privilegierung des gesprochenen Wortes gegenüber dem geschriebenen wird hier also von Derrida umgekehrt, indem erst verzögert, durch die Schrift, Bedeutung zugeordnet werden kann. Durch die Verbindung mehrerer Bedeutungen des Wortes différance, kann man dieses nun als ‚unterscheiden‘, aber auch als ‚aufschieben‘ verstehen, wodurch bereits hier eine Bedeutung privilegiert und die andere aufgeschoben wird.44 Somit führt différance das aus, was sie bedeutet, nämlich einen Aufschub von Bedeutung, und macht eine Bevorzugung des Signifikats gegenüber dem Signifikanten hinfällig. Mit der différance verbindet Derrida demnach einerseits die Kritik an der Privilegierung des signifié gegenüber dem signifiant und andererseits des Primats der gesprochenen über die geschriebene Sprache. Die ständig variablen Konstellationen der sprachlichen Elemente zueinander produzieren immer wieder neuen Sinn, wodurch sich Bedeutungen nie tatsächlich einstellen können, da sie immer wieder aufgeschoben werden.45 So gibt es auch nicht ‚den einen Sinn‘ in einem Text, sondern prinzipiell unendliche Bedeutungspotentiale, wodurch der Text in der Schwebe bleibt und keine eindeutigen Aussagen zulässt. Auf diesen Punkt ist im nächsten Kapitel zurückzukommen, der sich nicht ohne die Konzeption der Intertextualität betrachten lässt.

Nach dem Verständnis Tel Quels steht der texte dem traditionellen Literaturbegriff und damit einer kapitalistischen Konsumgesellschaft gegenüber, in der alles auf logische Eindeutigkeit und Kommunizierbarkeit gerichtet ist. Tel Quel zufolge stehe dem Rezipienten der Sinn eines Textes nun nicht mehr fertig zum Konsumieren bereit, da dieser nicht mehr anhand des Wortlautes ausgemacht werden könne. Dagegen werde der Rezipient „von nun an dazu verurteilt sein, die Verfahrensweise des Textes, die Verkettung der Signifikanten, nachzuvollziehen“ (Demaskierung, S. 43). Dabei soll der Rezipient einen Text nicht als Produkt passiv konsumieren, wie es bei sogenannten textes lisibles, also ‚lesbaren Texten‘, der Fall ist, unter die Tel Quel klassische Texte des meist 19. Jahrhunderts fassen. In diesen Texten, „qu’elle peut être à tout moment déchiffrée de façon linéaire“ (Sollers, S. 274), dominiere traditioneller Weise das Signifikat als sinngebende Instanz, wodurch der Text sofort dechiffrierbar sei. Diese lesbaren Texte beschrieben Tel Quel zufolge etwas, als existiere es unabhängig von ihnen, wogegen nun der texte scriptible, der ‚schreibbare Text‘, gesetzt wird, der so schreibe, als existiere nur noch das Textschreiben an sich. Dieser, zum Ideal der Lektüre erhobene, schreibbare Text will aus dem Leser nicht mehr einen Konsumenten, sondern einen ‚Textproduzenten‘ machen.46 Die Hierarchie von Schreiber und Leser soll damit endgültig aufgehoben werden, in welcher der Rezipient lediglich zur Aufnahme des vom Autor-Schöpfer Geschriebenen bereitsteht. Als unlesbar, illisible, werden Texte von Tel Quel betitelt, da diese eben keinen offenliegenden Sinn enthalten, den der Leser nur noch zu konsumieren braucht, sondern erst erschließbar oder ‚lesbar‘ werden, wenn die veränderte sprachliche Form analysiert wird.47 Für die Rezipienten, welche die neuen sprachlichen Formen erkennen und bereit sind, gewohnte Sprachformen aufzugeben und nicht mehr nach dem Sinn eines Werkes fragen, sondern stattdessen welche Prozesse im Text vollzogen werden, sind die Texte auch nicht mehr unlesbar.48 Leser mit traditioneller Erwartungshaltung können dagegen durchaus mit Schwierigkeiten in der Rezeption dieser Texte konfrontiert werden, da anstatt einer zusammenhängenden Geschichte rund um einen Protagonisten, der Schreibakt an sich und die sprachliche Produktion im Vordergrund stehen. Ist traditionelles Schreiben sozusagen Monolog über prä-etablierten Sinn, verstehen Tel Quel das Schreiben als Sprache, die sich vor unseren Augen sucht und erfindet, [...] wo also Lektüre das Anschauen des Produktionsprozesses ist und nicht Konsumieren eines Produkts, ‚Tel Quel‘-Schreiben ist Streuung sinn-erzeugender Elemente, ist Schreiben, das als solches immer schon Lesevorgänge impliziert, Schreiben als Gelesenwerden und Lesen als Geschriebenwerden, Schreib-Arbeit als dialogische Sinnproduktion [...].49

Der Rezipient wohnt sozusagen dem Schreibprozess und der Bedeutungskonstitution im Text bei bzw. liest, wie sich der Text schreibt.50 Als Textproduzent besitzt der Leser dabei selbst eine nachschöpfende Rolle, indem er aufgrund der, in der écriture geschaffenen, Bedeutungspotentiale, durch die der Text auf verschiedene Weise rezipiert werden kann, mitbestimmt, wie der Text zu lesen ist. Da verschiedene Rezipienten den Text jeweils aufgrund ihrer Individualität und Erfahrungen anders lesen können, entsteht so gesehen immer wieder ein neuer Text. Dem Leser wird im Bedeutungsprozess des Textes eine sinnstiftende, aktive Aufgabe zuteil, die nicht darauf ausgerichtet ist ‚die eine Wahrheit‘ zu finden, sondern vielmehr den Text in seiner pluralen Strukturierung und Produktion nachzuvollziehen.

Tel Quel zufolge sei darüber hinaus auch der scripteur als lecteur anzusehen, was eine Auffassung darstellt, die auf dem Konzept der Intertextualität gründet und auf die im nächsten Unterkapitel genauer eingegangen wird. Indem der scripteur nämlich einen Text niederschreibt, liest er gleichzeitig andere Texte, denn:

Le texte littéraire s’insère dans l’ensemble des textes: il est une écriture-réplique [...] d’un autre (des autres) texte(s). Par sa manière d’écrire en lisant le corpus littéraire antérieur ou synchronique l’auteur vit dans l’histoire, et la société s’écrit dans le texte. [...] ‘Écrire‘ serait le ‘lire‘ devenu production [...].51

Texte entstehen nicht in einem Vakuum, sondern konstituieren sich in der Umgebung anderer, ihm vorausgehender und gegenwärtiger, Texte. Die vom scripteur gelesenen Texte treten demnach in Dialog mit jenen, die als Reaktion darauf geschrieben werden. Schreiben wird zu einem Lesen; Produktion und Rezeption fallen zusammen. Dadurch sei Tel Quel zufolge jede écriture auch als lecture sowie ré-écriture vorausgegangener Texte zu betrachten. Der literarische Text sei „un double“, eine „écriture-lecture“.52 Indem jeder scripteur immer auch schon als ein lecteur anderer, ihm vorausgehender, Texte ausgewiesen wird, wird nochmals die privilegierte Stellung des Autors für hinfällig erklärt. Dies mache nun nämlich aus jedem Leser einen potentiellen scripteur. Auf diesen Aspekt wird nun in Verbindung zur intertextualité genauer eingegangen.

III.II Intertextualité

Die Konzeption der Intertextualität, die für die Texttheorie und -praxis Tel Quels von größter Bedeutung ist, gründet auf der Arbeit der gebürtigen Bulgarin Julia Kristeva, die diese unter Rückgriff auf den Begriff der Dialogizität des russischen Literaturwissenschaftlers Michail M. Bachtin entwickelt hat. Im Jahr 1967 veröffentlichte sie in diesem Zuge ihren Aufsatz Bakhtine, le mot, le dialogue et le roman.

Bachtins Konzept der Dialogizität, das er in den 1920er Jahren entwickelt hat, aber erst in den 1960er Jahren der westlichen Öffentlichkeit zugänglich wurde, greift die im Roman zu beobachtende, dialogische Redevielfalt auf. Dabei unterscheidet er einerseits die Erzählerrede und die darin gebettete Figurenrede und andererseits die zweifache Gerichtetheit des Wortes, auf den Gegenstand der Rede und auf die fremde Rede:

Die Redevielfalt, die in den Roman eingeführt wird [...] ist fremde Rede in fremder Sprache, die dem gebrochenen Ausdruck der Autorintentionen dient. Das Wort einer solchen Rede ist ein zweistimmiges Wort. Es dient gleichzeitig zwei Sprechern und drückt gleichzeitig zwei verschiedene Intentionen aus: die direkte Intention der sprechenden Person und die gebrochene des Autors. In einem solchen Wort sind zwei Stimmen [...] enthalten. Zudem sind diese beiden Stimmen dialogisch aufeinander bezogen, sie wissen gleichsam voneinander [...], sie führen gleichsam ein Gespräch miteinander. Das zweistimmige Wort ist stets im Innern dialogisiert.53

Bachtin zufolge habe das einzelne Wort seinen Absolutheitsanspruch verloren und sei anfechtbar geworden. Im traditionellen Denken habe das Wort stets nur sich selber, seinen Gegenstand und seine einheitliche Sprache gekannt, wobei ein diesem Kontext äußeres Wort nur als neutrales Wort angesehen wurde, das niemandem gehörte und niemand anzweifelte.54 Zwischen Wort und Gegenstand bzw. sprechender Person liege aber eine schwer zu durchdringende Sphäre der fremden Wörter zu demselben Gegenstand. Denn jeder Gegenstand, auf den sich ein Wort bzw. Text beziehen kann, sei immer schon ein bereits besprochener, beschriebener und bewerteter:

Das auf seinen Gegenstand gerichtete Wort geht in diese dialogisch erregte und gespannte Sphäre der fremden Wörter [...] ein, verflicht sich in ihre komplexen Wechselbeziehungen, verschmilzt mit den einen, stößt sich von den anderen ab, überschneidet sich mit dritten [...]. Eine lebendige Äußerung [...] muß [sic!] notwendig Tausende lebendiger Dialogstränge berühren [...].55

Zielt Bachtins Dialogizität vorrangig auf einen Dialog von Stimmen innerhalb eines einzelnen Textes oder einzelner sprachlicher Äußerungen ab, ist der Bezug der Stimmen im Text auf vorgegebene Texte in seiner Arbeit nicht von Bedeutung. Dabei ist es gerade dieser Bezug zwischen Texten, der in Kristevas Intertextualitätsbegriff zentral wird und der Bachtins Konzeption einer Intratextualität eben zu einer Intertextualität macht.

Dafür weitet Kristeva den Textbegriff radikal aus, sodass letztlich alles, oder zumindest jedes kulturelle System und kulturelle Struktur, Text sein soll:

Nous appellerons intertextualité cette interaction [sic!] textuelle qui se produit à l’intérieur d’un seul texte. Pour le sujet connaissant l’intertextualité est une notion qui sera l’indice de la façon dont un texte lit l’histoire et s’insère en elle.56

[...]


1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit werden in der vorliegenden Arbeit personenbezogene Bezeichnungen generell in der männlichen Sprachform angeführt, wobei diese ausschließliche Verwendung geschlechtsunabhängig zu verstehen ist.

2 Verwendet wird folgende Ausgabe: Tel Quel (1968): Théorie d’ensemble, Paris: Éditions du Seuil. Zitate aus dieser Arbeit werden im Folgenden mit dem jeweiligen Verfasser des entsprechenden Aufsatzes und der Seitenzahl angegeben.

3 Verwendet wird folgende Ausgabe: Calvino, I. (2003): Se una notte d’inverno un viaggiatore, 15. Aufl., Milano: Mondadori (11979). Zitate aus diesem Roman werden im Folgenden mit Se una notte und der jeweiligen Seitenzahl angegeben.

4 Hierbei greife ich neben der französischen Ausgabe auch auf die deutsche Teilübersetzung aus dem Jahr 1971 zurück: Baudry et al. (1971): Die Demaskierung der bürgerlichen Kulturideologie: Marxismus, Psychoanalyse, Strukturalismus, München: Kindler. Zitate werden aus dieser Übersetzung mit ‚Demaskierung‘ und der entsprechenden Seitenzahl angegeben.

5 Tel Quel (1960), S. 2.

6 Vgl. Angerer (2007), S. 17.

7 Vgl. Robbe-Grillet (1963), S. 95.

8 Arnsperger (1975), S. 61., zit. n. da Costa (1965).

9 Kern-Momberg (1998), S. 14.

10 Neben ‚Poststrukturalismus‘ findet man in der Literatur auch die Bezeichnung ‚Postavantgarde‘ (vgl. etwa Gelz (1996)), wogegen in Frankreich keine der beiden Termini Verwendung finden (vgl. Angermüller (2007), S. 10).

11 o. V. (o. Jg.). — Von ‚dem Poststrukturalismus‘ kann daher genauso wenig die Rede sein wie von ‚dem Strukturalismus‘. — Nach Bossinade wurde der Poststrukturalismus zur Zeit der Studentenrevolte im Mai 1968 in Paris geboren, was die sinnskeptische Grundhaltung der ihm zugeschriebenen Intellektuellen erkläre (vgl. Bossinade (2000), S. 7).

12 Inwieweit die theoretischen Konzeptionen Tel Quels tatsächlich in der Praxis umsetzbar sind, hat Klaus W. Hempfer (1976) genauer untersucht.

13 Vgl. Burmeister (1981), S. 559.

14 Vgl. Ebd., S. 563.

15 Vgl. Burmeister (1981), S. 572.

16 Ebd., S. 565.

17 Vgl. Ebd., S. 564f. — Auf diesen Aspekt ist im folgenden Kapitel noch näher einzugehen.

18 Vgl. Ricardou (1971), S. 143.

19 Die viel zitierte und bekanntere Formulierung Ricardous „récit d’une aventure“ bzw. „aventure d’un récit“ wurde dagegen erst später, im Jahr 1970, in Esquisse d’une théorie des générateurs veröffentlicht.

20 Vgl. Hempfer (1976), S. 64. — Die Texte der Gruppe wurden aufgrund ihrer Theorielastigkeit zudem oftmals als nicht genug anregend empfunden.

21 Vgl. Burmeister (1981), S. 577.

22 Vgl. Arnsperger (1975), S. 67.

23 Vgl. Sollers (1968), S. 248.

24 Vgl. Bossinade (2000), S. 137.

25 Vgl. Hempfer (1976), S. 52.

26 Kristeva (1968), S. 60.

27 Brütting (1976), S. 123.

28 Kristeva (1968a), S. 56.

29 An die Stelle der strukturalen Linguistik, zu der de Saussure zählt, tritt bei Tel Quel die Semiologie, die Wissenschaft von der textuellen Produktion (vgl. Angerer (2007), S. 76).

30 Vgl. Müller (1975), S. 90.

31 Vgl. Arnsperger (1975), S. 77. — Tel Quel lehnen dagegen jegliche kommunikative Funktion der Sprache ab, was v.a. Hempfer (1976) kritisiert und aufzeigt, dass die, von ihm als normativ bezeichnete, Poetik in Aporien läuft.

32 Vgl. Ebd.

33 de Saussure (1968), S. 45.

34 Vgl. Müller (1975), S. 4.

35 Brütting (1976), S. 54.

36 Vgl. Vögel (1998), S. 10. — Dieser Aspekt wird im Zusammenhang mit dem Begriff der differance noch genauer erklärt.

37 Zum Logo- und Phonozentrismus siehe Derrida (1967).

38 Agethen (2012).

39 Vgl. Arnsperger (1975), S. 78. — In diesem Sinne spricht Derrida auch von einer ‚Ur-Schrift‘ bzw. ‚Ur-Spur‘, vor der es keinen prästabilierten Sinn geben könne.

40 Lakebrink (1975), S. 58.

41 Vgl. Agethen (2012a).

42 Derrida (1986), S. 66.

43 Ausführlich in Tel Quel (1968), S. 43-68 und Derrida (1967).

44 Vgl. Agethen (2012a). — Die Wirkung dieses mehrdeutigen Phänomens der différance beschreibt Derrida mit den Begriffen temporisation , das heißt die zeitliche Aufschiebung der Bedeutung, und espacement , die Verschiebung der Bedeutung (vgl. Derrida, S. 48).

45 Vgl. Brütting (1976), S. 74.

46 Vgl. Barthes (2002), S. 4.

47 Vgl. Arnsperger (1975), S. 116.

48 Vgl. Ebd.

49 Lakebrink (1975), S. 58.

50 Der Gedanke, dass sich ein Text sozusagen selbst schreibt, findet sich auch bei Ricardous Konzeption der auto-génération. Diese geht davon aus, dass ein Text, basierend auf bestimmten in ihm oder anderen Texten befindlichen ‚Generatoren‘, durch Anagrammbildung erzeugt wird. Auf Ricardous Generatoren-Theorie kann hier umfangsbedingt nicht näher eingegangen werden. Für nähere Ausführungen siehe Hempfer (1976), insbesondere S. 47-50.

51 Kristeva (1969), S. 181.

52 Ebd., S. 175.

53 Bachtin (1979), S. 213.

54 Vgl. Ebd., S. 169.

55 Ebd., S. 169f.

56 Kristeva (1968a), S. 61.

Ende der Leseprobe aus 92 Seiten

Details

Titel
Italo Calvino und "Tel Quel". Produktive Neufassung poststrukturaler Texttheorie in "Se una notte d'inverno un viaggiatore"
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Romanische Philologie)
Note
1,3
Autor
Jahr
2016
Seiten
92
Katalognummer
V585229
ISBN (eBook)
9783346187857
ISBN (Buch)
9783346187864
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Italienisch, Masterarbeit, Romanische Philologie, Italienische Philologie, Italo Clavino, Postmoderne, Tel Quel, Umberto Eco, Il nome della rosa, Jacques Derrida, Barthes, écriture, scrittura, Zeichen, Theorie d'ensemble, Intertextualität, Histoire, discours, Semiologie, 1950, 1960, Literatur, Leser, Autor, Autorkonzept, Texttheorie, Poststrukturalismus, Literaturtheorie, Philippe Sollers, nouveau roman, Robbe-Grillet, Balzac, Kristeva, Saussure, Jakobson, Strukturalismus
Arbeit zitieren
Rebecca Stelzer (Autor:in), 2016, Italo Calvino und "Tel Quel". Produktive Neufassung poststrukturaler Texttheorie in "Se una notte d'inverno un viaggiatore", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/585229

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