Texte zur Geschichte der Österreichischen Politik


Essay, 2006

8 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe

Die Zweite Republik – zwischen Konsens und Konflikt. Historischer Überblick (1945-2005)

Stellungnahme und Ergänzung zum Text von Michael Gehler (2006), Die Zweite Republik – zwischen Konsens und Konflikt. Historischer Überblick (1945-2005) in: Herbert Dachs, Peter Gerlich, Herbert Gottweis, Helmut Kramer, Volkmar Lauber, Wolfgang C. Müller, Emmerich Tálos, Politik in Österreich, Wien

Die von Michael Gehler vorgenommene 3 Phasen Gliederung der Geschichte Österreichs nach 1945 ist sehr zutreffend, zumal er die drei grossen Phasen in wichtige Einzelsegmente unterteilt: Die erste Phase ist gekennzeichnet von Konsens, Wiederaufbau und Konsolidierung. Profilierung und Stagnation stehen für den zweiten Abschnitt und Reformorientierung und Intensivierung solcher kennzeichnen die dritte Phase. Die Westorientierung Gesamtösterreichs war spätestens ab der ersten Nationalratswahl nach der provisorischen Übergangsregierung Karl Renners – bevorzugt von der UDSSR und weniger gern gesehen bei den Westalliierten – zu erkennen, da diese mit keinem grossen Wahlsieg der KPÖ einherging.

Die Große Koalition zwischen ÖVP und SPÖ (bis 1966) war gekennzeichnet durch Wiederaufbau, durch Wiederaufbauhilfe (European Recovery Program), einem stetigen und auf hohem Niveau sich einpendelnden Wirtschaftswachstum (kleines Wirtschaftswunder), der Stabilisierung des demokratischen Systems und eines politischen Konsens der beiden grossen Parteien Grundfragen betreffend, wie etwa dem Aufbau eines Sozialstaates für die Grundversicherung und Altersvorsorge eines jeden öst. Erwerbtätigen (ASVG-Gesetz von 1955). Wesentlich hierfür war die Kristallisierung beziehungsweise die Etablierung eines spezifisch öst. Phänomen, nämlich jenem der Sozialpartnerschaft.[1] Diese sorgte für Konsens, Kontinuität und wirtschaftliche sowieso politische Berechenbarkeit, was in den 1950er Nachkriegsjahren nicht unbedingt als negativ zu betrachten ist. Diese trug vor allem dazu bei, dass Gewinne in der Wirtschaft auch an die Arbeitnehmer weitergegeben werden und sorgte damit indirekt für eine Steigerung der Kaufkraft, welche wiederum selbst das Wirtschaftswachstum positiv beeinflusste. Im wirtschaftlichen Bereich war die Weiterentwicklung der keynsianischen Form des deficit spending durchaus interessant für viele Volkswirtschaften in Europa zur Finanzierung der Staatshaushalte und zur Erhaltung bzw. Aufbau eines Wohlfahrtsstaats.

Die Alleinregierung der ÖVP nach 1966 ist vor allem gekennzeichnet durch „Versachlichung“ und „Verwissenschaftlichung der Politik“. Internationale Rezessionsphasen, die 68er Proteste bzw. Bewegungen und das neue Auftreten der SPÖ mit ihrem Parteivorsitzenden Bruno Kreisky führten allerdings dazu, dass Josef Klaus 1970 eine Art brinkmanship Politik[2] – umgemützt auf interne Angelegenheiten eine Staates – betrieb und letzten Endes der Grundstein für den Übergang zur Kreisky Ära gelegt wurde. Wichtig für die nächste Phase war allerdings die Abgrenzung der SPÖ zur KPÖ und zum Linzerparteiprogramm der „alten“ SPÖ nach Otto Bauerschen Elementen im Rahmen der „Eisenstädter Erklärung

Wir befinden uns nun in der zweiten Phase nach Michael Gehler. Bis zu den Neuwahlen 1971 regierte die Kreisky SPÖ als Minderheitenregierung mit der Duldung der FPÖ. Grundlegend dafür war ein Junktim – wenn auch nicht als solches bezeichnet – mit der Absprache, dass die SPÖ eine Wahlrechtsreform durchführen werde. Dies geschah und in Folge erreichte die SPÖ in den Jahren 1971, 1975 und 1979 die absolute Mehrheit. Dies ist vor allem an der Person Bruno Kreiskys festzumachen, welcher, und dies als erster Sozialdemokrat, auch Stimmen aus Handel, Gewerbe und der Beamten- und Angestelltenschaft akkumulieren konnte. Neben keynsianischer Wirtschaftspolitik, dem unbedingten Erhalt der Vollbeschäftigung,[3] einem weiteren Ausbau des Sozialstaates, tat die Kreisky Regierung auch viel zum Status der öst. Diplomatie und Politik im internationalen Bereich. Man kann mit Sicherheit sagen, dass die öst. Aussenpolitik unter Kreisky den bisherigen Höhepunkt in der Zweiten Republik hatte. Die anschliessende Kleine Koalition zwischen SPÖ und FPÖ von 1983 bis 1986 war eher geprägt durch innere Reformarbeit der Parteien. Das Rederwerk lief und man veränderte wenig daran.

Die dritte Phase beginnt mit der erneuten Auflage der Großen Koalition zwischen SPÖ und ÖVP. Jene Phase war vor allem durch den Aufschwung der FPÖ und der Übernahme der Parteileitung durch Jörg Haider geprägt, welcher die Partei total umorientierte. Im Zuge der Maastrichter Kriterien und der Beitrittswilligkeit der öst. Regierung zur EU war die Lage gekennzeichnet durch Liberalisierung, Budgeteinsparungen in Form von Sparpaketen, Privatisierungen und einer Europäisierung des Landes und der Bevölkerung. Man kann durchaus sagen, dass Österreich in den 1990er Jahren den Transformationsprozess hin zu einer Dienstleistungsgesellschaft erst abgeschlossen hat, der auch in einer Änderung der öst. Werte resultierte. Traditionelle Werte wie Konsens, christliche Grundbekenntnisse gerieten in den Hintergrund. In dieser Zeit machten beide grossen Parteien eine Entwicklung hin zu Mitteparteien durch, da immer mehr Volksgruppen mitvertreten werden mussten. Die SPÖ konnte sich nicht nur auf die Arbeiter stützen und die ÖVP nicht nur auf die ländliche Bevölkerung.

Als letzte Phase der öst. politischen Geschichte ist die ÖVP-FPÖ bzw. ÖVP-BZÖ Regierung zu nennen, welche einen sehr schwierigen Start hatte, aber dennoch für Stabilität und Demokratisierung des öst. politischen Systems sorgte. Reformen wurden zwar begonnen, aber teilweise nicht komplett durchgeführt bzw. nicht komplett durchgesetzt. Eine Reform folgte einer anderen nach und am Ende sind alle zusammen weniger Wert als eine grosse Reform, von denen zwischen 2000 und 2005 die Rede war. Dies ist sicherlich auch auf ein gewisses Wählerverhalten, eine ablehnende Haltung grosser Bevölkerungsanteile der FPÖ als Regierungspartei und natürlich das Fehlen einer 2/3 Mehrheit im Nationalrat zurückzuführen.

[...]


[1] Prof. Dr. Herbert Dachs definiert die öst. Sozialpartnerschaft als eine unter spezifisch öst. Rahmenbedingungen entwickelte Form der Politikorganisation mit der Kooperation von traditionellen Vertretungen (Regierung, pol. Parteien) und Interessengruppen und/oder Verbänden zum Zweck des Lösens wirtschaftlicher, politischer und sozialer Probleme. Die 4 Sozialpartner sind: AK, BWK, LK, ÖGB.

[2] In der Internationalen Politik wird als solche eine Politik des äussersten Risikos bezeichnet. Die Politik der USA gegenüber der UDSSR zwischen 1955 und 1962 war gekennzeichnet von einer solchen basierend auf Abschreckung und Zweitschlagskapazität mit Atomwaffen.

[3] Kreisky war berühmt für seine „populistischen“ Aussprüche wie etwa „Ein paar Milliarden Schulden mehr bereiten mir weniger schlaflose Nächte als ein paar hundert Arbeitslose“.

Ende der Leseprobe aus 8 Seiten

Details

Titel
Texte zur Geschichte der Österreichischen Politik
Hochschule
Diplomatische Akademie Wien - Vienna School for International Studies
Note
1,5
Autor
Jahr
2006
Seiten
8
Katalognummer
V58634
ISBN (eBook)
9783638527712
ISBN (Buch)
9783656792840
Dateigröße
471 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Diese Datei ist aus 4 Essays zusammengesetzt, die jeweils eine Analyse eines bestimmten Textes enthalten: 1. Die Zweite Republik - zwischen Konsens und Konflikt. Historischer Überblick (1945-2005), 2. Die österreichische Volkspartei, 3. Österreich und die Europäische Union, 4. Vergangenheitspolitik
Schlagworte
Texte, Geschichte, Politik, Österreich
Arbeit zitieren
Harald Löberbauer (Autor:in), 2006, Texte zur Geschichte der Österreichischen Politik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/58634

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