Frauen und Männer werden in der Gesellschaft ungleich behandelt - soviel ist allgemein bekannt. Die stereotypen Vorstellungen vom männlichen, rational denkenden, leistungsorientierten Familienernährer gegenüber der emotionsbeherrschten, harmoniesüchtigen Hausfrau und Mutter sind längst nicht aus den Köpfen verschwunden. Typisch männlich besetzte Domänen wie Wissenschaft, Technik und Politik lassen sich nach wie vor nur schwer mit unserem Bild von Frauen in Einklang bringen - auch wenn die Realität das Gegenteil längst belegt. Diese Benachteiligung der Frau wurde spätestens seit Beginn der Neuen Frauenbewegung massiv bekämpft. Im Zuge der 68er weigerten sich Frauen, auf Kaffee kochen, Kinder kriegen und Kleider kaufen reduziert zu werden und stritten stattdessen um ihr Recht, auch in alle anderen Lebensbereiche einzuwirken. Gesellschaftliche Strukturen, die bisher selbstverständlich akzeptiert wurden, obwohl sie Frauen zum Nachteil gereichten, traten plötzlich in den Mittelpunkt des Interesses. Sprache und Sprechen wurden dabei ins Zentrum der weiblichen Selbstfindung gerückt. Frauen erkannten, dass herkömmliche sprachliche Ausdrücke überwiegend von männlichem Denken und Empfinden geprägt waren, was diese Sprache für sie als inadäquat abqualifizierte. Aus dem resultierenden Wunsch, diese patriarchalischen Einflüsse als solche zu entlarven und frauengerechte Alternativen zu finden, entstand die feministische Sprachkritik. Diese Forschungsrichtung untersucht die Beziehungen von Sprache und Geschlecht. Dabei befasst sie sich mit der Kritik am Sprachgebrauch und am sprachlichen System. Dieser Themenstellung zufolge, möchte ich in meiner Arbeit zwei Fragen untersuchen: Inwieweit ist die Sprache sexistisch, d.h. inwieweit werden Frauen sprachlich diskriminiert? Welche Alternativen für eine geschlechtergerechte Sprache gibt es? Dabei werde ich zunächst die klassischen Hauptangriffspunkte der feministischen Sprachkritik darstellen um dann mögliche Verbesserungsvorschläge, sowie ihre Erfolgschancen zu diskutieren.
Inhalt
1 Einleitung
2 Das generische Maskulinum
2.1 Lösungsvorschläge für eine geschlechtergerechte Sprache
2.1.1 Die Beidbenennung
2.1.2 Die Neutralisation
2.1.3 Die totale Feminisierung
3 Berufsbezeichnungen
4 Rechtssprache
5 Geschlechterrollenstereotypen in Grammatiken, Wörter- und Schulbüchern
6 Maßnahmen zur sprachlichen Gleichbehandlung
7 Schluss
8 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Frauen und Männer werden in der Gesellschaft ungleich behandelt – soviel ist allgemein bekannt. Die stereotypen Vorstellungen vom männlichen, rational denkenden, leistungsorientierten Familienernährer gegenüber der emotionsbeherrschten, harmoniesüchtigen Hausfrau und Mutter sind längst nicht aus den Köpfen verschwunden. Typisch männlich besetzte Domänen wie Wissenschaft, Technik und Politik lassen sich nach wie vor nur schwer mit unserem Bild von Frauen in Einklang bringen – auch wenn die Realität das Gegenteil längst belegt. Diese Benachteiligung der Frau wurde spätestens seit Beginn der Neuen Frauenbewegung massiv bekämpft. Im Zuge der 68er weigerten sich Frauen, auf Kaffee kochen, Kinder kriegen und Kleider kaufen[1] reduziert zu werden und stritten stattdessen um ihr Recht, auch in alle anderen Lebensbereiche einzuwirken. Gesellschaftliche Strukturen, die bisher selbstverständlich akzeptiert wurden, obwohl sie Frauen zum Nachteil gereichten, traten plötzlich in den Mittelpunkt des Interesses. Sprache und Sprechen wurden dabei ins Zentrum der weiblichen Selbstfindung gerückt. Frauen erkannten, dass herkömmliche sprachliche Ausdrücke überwiegend von männlichem Denken und Empfinden geprägt waren, was diese Sprache für sie als inadäquat abqualifizierte. Aus dem resultierenden Wunsch, diese patriarchalischen Einflüsse als solche zu entlarven und frauengerechte Alternativen zu finden, entstand die feministische Sprachkritik. Diese Forschungsrichtung untersucht die Beziehungen von Sprache und Geschlecht. Dabei befasst sie sich mit der Kritik am Sprachgebrauch und am sprachlichen System. Dieser Themenstellung zufolge, möchte ich in meiner Arbeit zwei Fragen untersuchen:
Inwieweit ist die Sprache sexistisch, d.h. inwieweit werden Frauen sprachlich diskriminiert?
Welche Alternativen für eine geschlechtergerechte Sprache gibt es?
Dabei werde ich zunächst die klassischen Hauptangriffspunkte der feministischen Sprachkritik darstellen um dann mögliche Verbesserungsvorschläge, sowie ihre Erfolgschancen zu diskutieren.
2 Das generische Maskulinum
In Genussprachen werden bzw. wurden bis zur Entstehung der feministischen Linguistik gemischtgeschlechtliche Gruppen in der Regel mit einem Maskulinum bezeichnet. Herkömmlich wird das so geschlechtsübergreifende, also generisch verwendete Maskulinum als Archilexem betrachtet, das Frauen genauso wie Männer einschließt. Dem androzentrischen Sprachverständnis zufolge trägt diese verallgemeinernde männliche Form die semantische Markierung [neutral].
Diese Geschlechtneutralität, die Grammatiken seit jeher proklamieren, hat im Bewusstsein der Bevölkerung jedoch nur zweifelhafte Gültigkeit – was weitreichende Konsequenzen mit sich bringt. So wurde Mitte des 19. Jahrhunderts Frauen in Frankreich das Wahlrecht verwehrt, weil sich der Gesetzestext angeblich ausschließlich auf Männer bezog:
Lorsque le suffrage universel fut adopté en 1848 en France, des citoyennes voulurent s’inscrire sur les listes électorales, mais ce droit leur fut refusé sous prétexte que l’article de loi précisant « sont électeurs tous les Français » devait être interprété « comme tous les males ayant la citoyenneté française ». (Labrosse 1996 : 33)
Doch auch heute, über anderthalb Jahrhunderte später, hat sich diese Einstellung weniger gewandelt als man womöglich annehmen würde. Zahlreiche Studien belegen, dass das generische Maskulinum psychologisch nach wie vor keineswegs geschlechtsindefinit interpretiert wird, sondern in den meisten Fällen die semantische Markierung [männlich] inne trägt. Hellinger stellt eine Studie von MacKay und Fulkerson vor, welche die besagte Neutralität männlicher Pronomina auf die Probe stellt (vgl. Hellinger 1990 : 36). Sie bilden Sätze, die neben der Personenbezeichnung auch ein auf diese bezogenes, zunächst männliches Pronomen enthalten, z.B. A lawyer must frequently argue his case out of court. Auf die Frage, ob der betreffende Satz auf Frauen zutreffen könne, antworten 87% der Versuchspersonen spontan mit nein. Anschließend wird das männliche durch das weibliche Pronomen ausgetauscht: A lawyer must frequently argue her case out of court. Diesmal sind 97% der Befragten davon überzeugt, der Satz würde auf Frauen, nicht aber auf Männer referieren. Die Versuchspersonen interpretieren das vorangehende Nomen also eindeutig durch das folgende, eben durchaus markierte Pronomen – ganz entgegen der vorgeschriebenen Verwendungsregeln der meisten Grammatiken des Englischen. Die These, wonach die Pronominalisierung von Indefinita wie someone, nobody durch männliche Ausdrücke wie he, his, him geschlechtsneutral bewertet werde, kann hier wiederlegt werden.
Das gleiche Phänomen der männlichen Dominanz in unseren Köpfen bei angeblich unmarkierten Personenbezeichnungen beklagt Pusch:
Wann immer meine US-amerikanischen Freundinnen von Frauen sprechen und dabei Wörter wie student, friend, neighbor, lawyer, social worker, collegue verwenden, stelle ich mir zunächst (bis das klärende Wort she geprochen ist) Männer vor, weil die deutschen Entsprechungen Maskulina sind – und das, obwohl ich seit Jahren gegen den perfiden Einfluß der Metapher in meinem eigenen Kopf andenke. (Pusch 1990 : 86)
Wie eine Vielzahl feministischer Linguisten und Linguistinnen vertritt auch Pusch die Überzeugung, dass Frauen keineswegs dieselben Chancen des „Gemeintseins“ haben wie Männer. In unserer von der Sprache geprägten Vorstellung ist ein Mensch immer zunächst einmal ein Mann, solange das Gegenteil nicht präzisiert ist.
Auch Trömel-Plötz kritisiert die Verwendung des Maskulinums für Gruppen, in denen sowohl Männer als auch Frauen enthalten sind. Sie weist auf die Ambiguität hin, die dem generischen Sprachgebrauch anhaftet. Einerseits kann das Maskulinum tatsächlich Männer und Frauen meinen, genauso ist es aber auch denkbar, dass lediglich auf Männer referiert wird, wie das folgende Beispiel verdeutlicht:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
In Opposition zu die Kundin wird das Merkmalbündel des Archilexems der Kunde semantisch auf das Merkmal [männlich] reduziert. Das heißt, die Verwendung des Maskulinums ist uneindeutig. Es wird nicht zweifelsfrei erkennbar, ob Frauen mitgemeint sind oder nicht. Die Forderung der feministischen Sprachwissenschaft nach Sichtbarmachung wird durch den ausschließlichen Gebrauch der männlichen Formen also nicht erfüllt.
2.1 Lösungsvorschläge für eine geschlechtergerechte Sprache
In der feministischen Sprachwissenschaft haben sich drei Vorschläge herauskristallisiert, um das Problem des generischen Maskulinums zu umgehen: Die Beidbenennung, die Neutralisation und die Totale Feminisierung.
2.1.1 Die Beidbenennung
Eine Möglichkeit das generische Maskulinum zu ersetzen, stellt das sogenannte „Splitting“ („Beidbenennung“, „partielle Feminisierung“) dar – ein Therapievorschlag, der Pusch zufolge relativ problemlos zu einer raschen Genesung des patriarchalischen Systems führen kann, vorausgesetzt die betreffende Sprache verfügt über kein grammatisches Genus. So sind z.B. im Englischen Personenbezeichnungen wie friend, colleague oder lawyer geschlechtlich unmarkiert. Werden nun derartige, neutrale Begriffe nicht mehr wie ehemals mit he, sondern mit he or she oder s/he pronominal ersetzt, wird der Kenntlichmachung beider Geschlechter ohne großes Aufheben genüge getan. Die Mehrzahl der europäischen Sprachen, so auch das Deutsche und das Französische, besitzen jedoch ein Genussystem, was eine Geschlechtsspezifikation deutlich erschwert.
Eine Möglichkeit des Splittings ist hier die Personenbezeichnungen um die Adjektive weiblich und männlich zu ergänzen: weibliche und männliche Schüler, männliche Schreibkraft. Teilweise ist Lexemen das Genus schon inhärent wie bei Verwandtschaftsbezeichnungen (Bruder, Tante) oder auch Komposita wie Hausmann oder Kauffrau, was ein nochmaliges Nennen des Geschlechts überflüssig macht.
Substantivierte Adjektive und Partizipien werden erst durch die Artikel die oder der in Femininum oder Maskulinum differenziert: der Angestellte oder die Angestellte, der Studierende oder die Studierende.
Üblicherweise werden Feminina jedoch durch Suffixe vom Maskulinum abgeleitet, im Deutschen durch –in, ess/eß und –euse. Diese Form der Beidbenennung führt allerdings zu zweierlei Schwierigkeiten:
Zum einen lässt sich nicht von der Hand weisen, dass dem Femininum verglichen mit dem männlichen Pendant in der Regel ein niedrigerer Stellenwert beigemessen wird: frz. couturier „Modeschöpfer“/ couturière „Schneiderin“, ital. filosofo „Philosoph“/ filosofessa „pedantische, eingebildete Frau“. Die femininen Formen werden als eindeutig minderwertig interpretiert. In der Konsequenz werden männliche Ableitungen von zunächst vorhandenen Feminina weitgehend vermieden. So wurde 1985 durch das Bundesverwaltungsgericht der femininen Berufsbezeichnung Hebamme der männliche Gegenpart Entbindungspfleger zur Seite gestellt (vgl. Samel 1995 : 104). Hebammer oder Hebammerich konnten sich nicht durchsetzen. Die motivierten Formen des Femininums wurden als Degradierung empfunden. Stattdessen entschied man zugunsten der prestigehaltigsten Version. Dieser Euphemismus kann es Männern zwar einerseits attraktiver machen, einen Beruf in dem weiblich dominierten Pflegesektor zu ergreifen, andererseits führt der Begriff Entbindungspfleger womöglich zu einer Abwertung des Ausdrucks Hebamme. In der selben Weise, in der die femininen Formen abqualifiziert werden, erfährt das Maskulinum umgekehrt proportional eine Aufwertung. So kommt es, dass Frauen häufig die männlichen Berufsbezeichnungen bevorzugen, wie die Autorin Benoîte Groult in ihrem Artikel „Un avocat est-il plus respectable qu’une avocate?“ verdeutlicht:
Dans Lesbia Magazine d’octobre, par exemple, Mme Van der Speck, responsable de haut niveau dans la préparation des jeux olympiques gais, « préfère qu’on l’appelle directeur plutôt que directrice qui est péjoratif, comme institutrice », prétend-elle . (Groult 1998 : 25)
Pusch führt ein ähnliches Beispiel an:
Eine Gärtnerin erklärte mir einmal, sie müsse sich selbst als Gärtnerin bezeichnen, sonst dächten alle sie sei Floristin, während sie doch in Wirklichkeit „die Schwerarbeit eines Gärtners“ tue. [Mein Einwand: Sie selbst sei doch der beste Beweis, dass sie „die Schwerarbeit einer Gärtner in“ tue! Ob ihre männlichen Kollegen, die dasselbe wie sie täten, sich deshalb vielleicht Gärtnerin nennten?!] (Pusch 1990 : 49)
[...]
[1] um das klassische „Kinder-Küche-Kirche“ einmal etwas anders zu formulieren
- Arbeit zitieren
- Magister Artium Sarah Stricker (Autor:in), 2004, Feministische Sprachkritik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/58776