Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1.Einleitung
2. Kunst in der Zeit des Italienischen Faschismus
2.1 Faschismus und Futurismus
2.2 Die Situation vor dem Marsch auf Rom
2.3 Die Situation nach dem Marsch auf Rom
2.4 Die Situation der Künstler
3. Kunst im „Dritten Reich“
3.1 Kunstpolitik in Deutschland
3.2 „Deutsche Kunst“ und „Entartete Kunst“
3.3 Die Situation der Künstler
3.4 Der Kampf gegen die Moderne
4. Vergleich Deutschland und Italien
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die Frage, nach der Definition des Begriffs ‚Faschismus‘ stellt Historiker schon seit langer Zeit vor eine Herausforderung. Eine eindeutige Antwort gibt es auf diese Frage nicht. Die unterschiedlichen Gegebenheiten und individuellen Besonderheiten der Systeme scheinen zu verschieden, um eine allgemeingültige Definition herauzustellen.
Auch wenn Kunst und Kunstpolitik nur einen Teilbereich der Politik faschistischer System einnehmen, so geben sie doch Auskunft wie faschistische Systeme als Ganzes funktionieren, weshalb im Rahmen dieser Hausarbeit die Frage beantwortet werden soll, welchen Einfluss der Faschismus in Deutschland und Italien auf die Kunst hatte und ob es möglich ist daraus übergreifende Merkmale faschistischer Systeme zu erkennen. Im Bereich der Kunst selbst wird sich hierbei lediglich auf die Malerei konzentriert, um den Umfang der Hausarbeit einzugrenzen, aber auch, weil eine Vielzahl der Literatur nicht in deutscher Sprache vorhanden ist.
Der historische Vergleich soll hier als Methode genutzt werden. Durch den analytischen Vergleich sollen die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Systeme dargestellt werden.
Für das Thema der Kunst im italienischen Faschismus wurde für diese Arbeit vor allem die Literatur von Günter Berghaus1 und Susanne von Falkenhausen2 genutzt. Beide konzentrieren sich in ihren Arbeiten zwar auf den Futurismus, da dieser aber eng mit der Kunst des faschistischen Italiens zusammenhängt, geben diese Werke auch Auskunft über die prinzipielle Kunstpolitik. Falkenhausens Werk ist eines der ersten Bücher der 1970er Jahre welches den Futurismus in Zusammenhang mit dem Faschismus stellt.3 Günter Berghaus verfolgt eine ähnliche Analyse, aber auf einem aktuelleren Forschungsstand. Für die deutsche Kunstpolitik wurde die Literatur von Joachim Petsch4, welcher als einer der ersten Historiker in diesem Feld in den 1970er Jahren „grundlegende Erkenntnisse“5 aufzeigte, und der Sammelband Hitlers Künstler6, aus welchem mehrere Aufsätze benutzt wurden und auch einen aktuelleren Forschungsstand darstellen, genutzt.
Im Folgenden wird zuerst die Kunstpolitik des italienischen Faschismus und zusätzlich dessen Bezug zum Futurismus dargestellt werden. Danach wird die Kunstpolitik im faschistischen Deutschland dargestellt, gefolgt von einem zusammenfassenden Vergleich der beiden Systeme und einem Fazit.
2. Kunst in der Zeit des Italienischen Faschismus
2.1 Faschismus und Futurismus
Trotz des totalitären Anspruchs des italienischen Regimes, auch die Kunst durch die Politik zu kontrollieren, war die Kunstszene Italiens recht aktiv und, besonders im Vergleich zu Deutschland, verhältnismäßig offen und modern. Viele verschiedene Kunstrichtungen konnten gleichzeitig bestehen, es wurden viele Ausstellungen veranstaltet und verschiedene Kunstpreise wurden eingeführt. Natürlich war dies nur im Rahmen der nationalistischen und faschistischen Ideologie geduldet, aber die Frage stellt sich trotzdem, ob diese Vielfalt an künstlerischen Schaffen ein Zeichen des Versagens oder gar Fehlens einer Kunstpolitik war oder ob dies sogar von dem Regime absichtlich gefördert wurde.
Diese Frage soll in den folgenden Abschnitten beantwortet werden. Dabei wird ein besonderer Fokus auf die Verbindung zwischen Futurismus und Faschismus gelegt, da diese Verbindung wichtig für das Verständnis der Kunstpolitik ist und auch zum Teil die unterschiedliche Entwicklung zur deutschen Kunstpolitik erklärt.
2.2 Die Situation vor dem Marsch auf Rom
Mit der Erscheinung des Futuristischen Manifests von Filippo Tommaso Marinetti wurde am 20. Februar 1909 der Futurismus begründet. Marinetti und die Futuristen folgten einer Weltansicht nach der man die Welt erneuern könne, wenn man alles Alte, Traditionelle zerstören würde. Ausdruck dieser Weltanschauung in der Kunst waren Geschwindigkeit und Bewegung. Technischer Fortschritt und Krieg wurden gefeiert.7 Marinetti sah den Futurismus aber von Anfang an auch als politische und soziale Bewegung, welche die gesamte Gesellschaft verändern soll.8 Die Ideologie des Futurismus beeinflusste auch die des frühen Faschismus und Marinetti näherte sich schon 1915 Mussolini an, welcher die angespannte politische Situation in Italien nutzen wollte. Die Futuristen gründeten zusammen mit Mussolini und anderen nationalistischen Gruppierungen am 23. März 1919 die Fasci die Combattimento. Der Nationalismus und der Wunsch, die bestehende Regierung zu entfernen, einte die Gruppierung. Jedoch wurde die „ultra-moderne Haltung“9 der Futuristen weder von den Faschisten noch von der großen Mehrheit der Bevölkerung geteilt, was mit dem Scheitern bei der Parlamentswahl im Jahr 1920 auch Mussolini scheinbar deutlich wurde, worauf er sich noch 1920 von dem Futurismus zu distanzieren versuchte.10
Damit Mussolinis Doppelstrategie, illegale Gewalt und den Terror seines Kampfbundes auf der einen Seite und die legalen Mitteln einer Partei und Zusammenarbeit mit den Kirche und der Regierung auf der anderen11, funktionieren konnte, musste er sich von den Futuristen distanzieren, um sein revolutionäres Image zumindest in Teilen ablegen zu können und „to present himself as a force of order, discipline, tradtion”12.
Die Faschisten gewannen an politischer Macht hinzu und kamen durch den ‚Marsch auf Rom‘ am 28 Oktober 1922 an die Macht kamen.
2.3 Die Situation nach dem Marsch auf Rom
Nach dem Machtantritt Mussolinis änderte sich der „pseudorevolutionäre Charakter“13 des italienischen Faschismus. Um den totalitären Ausbau des Regimes zu sichern, wurden Verträge und Verbindung zu den bestehenden Kräften im Land geknüpft: „Die sogenannte Gleichschaltung vollzieht sich in Italien allmählich, durch eine ‚offene‘, flexible Konsensuspolitik, wohl auch, weil das Regime in den Anfangsjahren […] durchaus umsturzgefährdet war.“14.
Um seinen totalitären Anspruch auch praktisch durchsetzen zu können wurden sogenannte Syndikate gegründet. In diesem „faschistischer Korporativismus“15 sollte die Beziehung zwischen Arbeitern und Arbeitgeber organisiert werden. Der Staat hatte jedoch die Kontrolle über diese Syndikate und konnte so die Wirtschaft zu seinen Gunsten lenken. Auch sollten diese Syndikate eine Art Einheitsgefühl hervorbringen16 und dienten als Instrument zur Kontrolle, Ordnung und Propaganda.17 Der Aufbau dieser Syndikate dauerte von 1924 bis 1930.
In dieser Zeit wurde auch ein Künstlersyndikat gegründet, welches in seiner größten Form aus 21 Unter-Syndikaten und über 100.000 Mitgliedern bestand. Dieses Künstlersyndikat wurde somit zu einem wichtigen Mittel der Kunstpolitik. Theoretisch sollten die Künstler unter der Kontrolle der Syndikate die faschistische Ideologie verbreiten.18 In der Praxis wurde das Künstlersyndikat vom Regime jedoch hauptsächlich für Propagandazwecke benutzt, was auch mit dem Fehlen einer faschistischen Kultur und klaren Ideologie zusammenhing: „[…] die Bemühungen des Regimes, zumindest den Eindruck einer homogenen faschistischen Kultur zu schaffen [verliefen] kläglich.“19.
Unter der Leitung von Antonio Maraini, ab 1932 wurden die Syndikate stärker in das Regime einbezogen und die Vorgaben werden strikter20, was auch auf den Einfluss Deutschlands zurückzuführen ist. Mit der Einführung der Rassegesetze in Italien 1938, begann man auch hier verschärft, Menschen zu verfolgen und Bücher jüdischer Autoren auszusortieren. Auch gegen modernistische Kunstrichtungen, wie den Futurismus, wurde gekämpft. Jedoch war dies nie so erfolgreich wie in Deutschland, was auch an den anderen Gegebenheiten und Bedingungen in Italien lag.21
Mussolini selbst war, im Gegensatz zu Hitler, wenig an Kunst interessiert22, erkannte aber den Nutzen einer faschistischen Kultur und hielt 1925 einen Kongress über faschistische Kultur, welcher gemessen an klaren Zielen und Ergebnissen wenig erfolgreich war, aber den Schein einer faschistischen Kultur aufrechterhielt. In den folgenden Jahren bis 1930 baute das faschistische Regime seinen Einfluss auf die Kultur aus: „The years 1925-1930 saw the fascistisation of all existing cultural institutions and the creation of many new ones.“23. Generell hatte die faschistische Kunstpolitik keine klare Linie. Kunstpreise wurden zum Teil sogar nach persönlichem Geschmack verliehen.24 Es gab eine durchgehende Diskussion nach der Staatskunst des Faschismus, der ‚arte fascista‘, die aber nie gelöst wurde.25 Anweisungen von Mussolini selbst waren selten und blieben vage, sodass seine Funktionäre die Anweisungen interpretieren mussten.26
2.4 Die Situation der Künstler
Trotzdem war das Syndikat ein wichtiges Mittel der Kontrolle. Um seinen Beruf als Künstler ausüben zu können musste man Mitglied im Syndikat sein. Auch wurde die Aufnahme von Kunstwerken in Ausstellungen von Kommissariaten ausgewählt. So wurde ein passiver Druck auf die Künstler ausgeübt, sich den Regeln des Syndikats zu beugen, denn nur systemkonforme Künstler wurden aufgenommen. Einen wirklichen Zwang der Mitgliedschaft gab es aber nie und Künstler konnten so weiterhin auch privat ihre Kunst verkaufen.27
Die Futuristen sahen in der faschistischen Machtergreifung ihr „Minimalprogramm“28 als erfüllt, sahen den Faschismus aber nicht mehr als Mittel zur Erfüllung ihrer Forderungen und zogen sich als politische Bewegung zurück. Als Kunstform wollte der Futurismus aber bestehen bleiben und im besten Fall einen Einfluss auf die faschistische Gesellschaft behalten. Vor allem Marinetti sah die Zukunft des Futurismus in Gefahr und versuchte den Futurismus wieder in die Kunstpolitik des Faschismus zu integrieren. Mit dem futuristischen Kongress 1924 kann sich der Futurismus seinen Platz im Faschismus sichern, wenn auch in einer sehr kleinen, untergeordneten Rolle.
Die meiste offiziell faschistische Kunst war konservativ und traditionell. Ähnlich wie in Deutschland konnten vor allem konservative und zuvor wenig erfolgreiche Künstler von dieser neuen Kunstpolitik profitieren.29 Aber auch viele moderne Künstler und Intellektuelle folgten dem Regime, da die Vorgaben, anders als in Deutschland, weniger strikt waren und es Raum für künstlerische Freiheiten gab. Die Kombination aus revolutionären Ideen und konservativer Praxis lockte viele Künstler und Intellektuelle an, auch mit der Hoffnung ihre Ideen oder Kunstrichtung im Faschismus zu etablieren, wie es die z.B. Futuristen versuchten. Dadurch entstand eine Art Wettbewerb unter den Künstlern, wer die Kunstrichtung vorgeben kann, was das Regime nur zu gerne zuließ, da so Verbote und strenge Kontrolle nicht notwendig waren.30
Hierbei ist zu beachten, dass die meisten Künstler selbst nicht mal faschistisch waren, sondern sich viel mehr den neuen Gegebenheiten anpassten ohne zwangsläufig für oder gegen den Faschismus zu sein. Zeichen der Loyalität reichten dem Regime. Künstler konnten im privaten ihrer normalen Arbeit nachgehen. Sogar Kunstkritik war zum Teil erlaubt. Natürlich war dies alles nur im Rahmen des faschistischen Systems erlaubt. Echte Kritik oder Opposition wurde von der Polizei und anderen Sicherheitsorganen unterdrückt.31 „If not openly anti-fascist, the majority remained a-fasicst.“32
Novecento war lange die führende Kunstrichtung. Die Künstler propagierten im Gegensatz zu den Futuristen eine eher an alten italienischen Traditionen orientierte Kunst, welche gut mit den Ideen des Regimes zusammenpasste.33
Der Futurismus existierte weiter als Randgruppe. Jedoch war auch hier keine klare Linie bei den Faschisten selbst, so war der Futurismus bei manchen Funktionären geduldet, bei anderen wiederrum nicht.34 Ausstellungen brachten den Futuristen Geltung im Ausland, auch wenn auch der Futurismus teils separat von den restlichen italienischen Kunstwerken präsentiert wurde.35 Erst durch die aeropittura, welche das Flugzeug als Symbol für Fortschritt und Stärke der italienischen Nation zum Objekt der Kunst nimmt, schaffte es der Futurismus Mitte der 1930er Jahre zur anerkannte, faschistische Kunst, musste sich aber dafür über die Jahre so sehr Anpassen, dass von der einstigen revolutionären Bewegung nicht mehr viel übrigblieb.36
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1 Berghaus, Günther: Futurism and Politics. Between Anarchist Rebellion and Fascist Reaction, 1909 – 1944, Oxford 1996.
2 Von Falkenhausen, Susanne: Der Zweite Futurismus und die Kunstpolitik des Faschismus in Italien von 1922 – 1943, Frankfurt am Main 1979.
3 Vgl. Berghaus, Futurism, S. VII.
4 Petsch, Joachim: Kunst im Dritten Reich. Köln 1987.
5 Mittig, Hans- Ernst: Zum Umgang mit NS-Kunst; in: Deutsche Kunst 1933-1945 in Braunschweig. Kunst im Nationalsozialismus, hrsg. vom städtischen Museum Braunschweig und der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig, Hildesheim u.A. 2000, S. 11.
6 Hitlers Künstler. Die Kunst im Dienst des Nationalsozialismus, hrsg. Von Hans Sarkowicz, Frankfurt am Main und Leipzig 2004.
7 Vgl. Schieder, Wolfgang: Faschistische Diktaturen. Studien zu Italien und Deutschland, Göttingen 2008. S. 63.
8 Vgl. Berghaus, Futurism, S. 47.
9 ebd., S. 10.
10 ebd., S. 11.
11 Vgl. ebd., S. 11.
12 ebd., S. 220.
13 Von Falkenhausen, Der Zweite Futurismus, S. 2.
14 ebd., S. 3.
15 ebd., S. 11.
16 Vgl. ebd., S. 11f.
17 Vgl. ebd., S. 16.
18 Vgl. ebd., S. 19.
19 ebd., S. 19.
20 Vgl. ebd., S. 35f.
21 Vgl. Berghaus, Futurism, S. 250-255.
22 Vgl. ebd., S. 232.
23 ebd., S. 227.
24 Vgl. ebd., S. 231.
25 Vgl. ebd., S. 232f.
26 Vgl. ebd., S. 232.
27 Von Falkenhausen, Der Zweite Futurismus, S. 33.
28 ebd., S. 39.
29 Vgl. Berghaus, Futurism, S. 224-226
30 Vgl. ebd., S. 227.
31 Vgl. ebd., S. 229.
32 ebd., S. 230.
33 Vgl. Von Falkenhausen, Der Zweite Futurismus, S. 44
34 Vgl. Von Falkenhausen, Der Zweite Futurismus, S. 235f.
35 Vgl. ebd., S. 50.
36 Vgl. Berghaus, Futurism, S. 240.