Die Mitleidsethik Schopenhauers - Eine kritische Erörterung


Seminararbeit, 2005

17 Seiten, Note: 2.5


Leseprobe


Inhalt

Einleitung

Hauptteil
1. Ausgangspunkt, Kant- Kritik und Hinführung zum wahren Fundament einer Moral
1.1 Antimoralische Triebfedern (§14)
1.2 Aufstellung und Beweis der allein echten moralischen Triebfeder
1.3 Die zwei Kardinaltugenden
1.4 Schopenhauers Bestätigungen seines Fundamentes einer Moral
2. Kritische Erörterung der §12-19
2.1 Tugendhats Einwände und ihre kritische Betrachtung
3. Metaphysische Begründung des Fundamentes einer Moral und deren kritische Erörterung
3.1 Rekonstruktion der metaphysischen Erklärung (§ 21-22)
3.2 Die Rolle des metaphysisch begründeten Mitleids innerhalb der Philosophie Schopenhauers
3.3 Lässt sich das Mitleid aus der Einsicht in die Wesensidentität ableiten?
4. Die Rolle des Selbstmitleids

Schlussteil

Bibliographie

Einleitung

„Moral predigen ist leicht, Moral begründen schwer“[1]. Unter diesem Motto verfasste Arthur Schopenhauer 1840 seine Preisschrift „Über die Grundlage der Moral“[2]. Thema dieser Hausarbeit ist eine kritische Erörterung der Mitleidsethik Schopenhauers unter metaphysischen und Nicht-metaphysischen Prämissen.

Schopenhauers Mitleidsethik lässt sich unter zwei Gesichtspunkten betrachten. Einmal als nicht-metaphysische Erklärung des Fundamentes einer Moral und einmal als metaphysische Erklärung. Das Fundament der Moral wird in der Preisschrift weitgehend unabhängig von einer Metaphysik begründet. Das Mitleid bleibt als Urphänomen mysteriös. Für Schopenhauer ist aber vor allem wichtig zu zeigen, dass sich aus dem Mitleid die beiden Kardinaltugenden „Gerechtigkeit“ und „Menschenliebe“ ableiten lassen sowie anhand des „experimentum crucis“[3] zu beweisen, dass der Mensch bei einer moralischen Entscheidung aus Mitleid handelt und keine theoretischen philosophischen Überlegungen anstellt.

In den letzten beiden Paragraphen gibt Schopenhauer dem Mitleid seine metaphysische Erklärung, die aber ohne Kenntnisse seiner Willensmetaphysik schwer nachzuvollziehen ist.

Die Problematik der nicht-metaphysischen Erklärung des Fundamentes besteht darin, dass das Mitleid zunächst ziellos ist, da bei jedem Menschen die Motivation anders ist, dass heißt in bestimmten Situationen wird der eine durch das Mitleid motiviert zu helfen, ein anderer aber nicht. Der Vorteil einer solchen affektiven, motivationsabhängigen Moral ist, dass sie unabhängig von Sollensaussagen bestand hat, wie sie eine theologische Moral oder der kategorische Imperativ liefern. Der Nachteil aber liegt darin, dass das Mitleid für einige Bereiche keine Abwägungskriterien angibt, und dadurch, dass es motivationsbedingt ist, keine einheitliche Ansicht für bestimmte Situationen bestimmt, zum Beispiel in der Form, dass Lügen immer moralisch verwerflich ist. Bei Schopenhauer ist Lügen, wenn es Schaden anrichtet, verwerflich, wenn es keinen Schaden anrichtet und heimlich bleibt, erlaubt.

Die Probleme des metaphysisch begründeten Mitleids liegen, meiner Meinung nach, vor allem darin, ob sich aus der Erkenntnis der Wesensidentität überhaupt moralisches Handeln ableiten lässt in Form von Mitleid.

Meine Arbeit erörtert im ersten Teil, nach der inhaltlichen Zusammenfassung der §12-19, die These der Ableitung der Gerechtigkeit aus dem Mitleid, die Frage, ob das Mitleid als Abwägungskriterium brauchbar ist und die Frage, ob es Bereiche gibt in denen moralisches Handeln auftritt ohne als Fundament das Mitleid zu haben.

Im zweiten Teil geht es um die metaphysische Erklärung des Mitleids. Hier werde ich zunächst die §21-22 rekonstruieren, diese dann in Schopenhauers Gesamtkonzeption setzen und zum Schluss die These der Wesensidentität untersuchen.

Im letzten Teil wende ich mich einem Spezialfall der Mitleidsethik zu, dem Selbstmitleid. Dort werde ich die Probleme, die sowohl unter Nicht-metaphysischen als auch unter metaphysischen Prämissen auftreten, erläutern.

Ich habe diese Vorgehensweise gewählt, weil beide Konzeptionen Schopenhauers das Mitleid als Fundament haben, sich aber unterschiedliche Konsequenzen daraus ergeben. Während das affektiv, metaphysisch unabhängig auftretende Mitleid beim Menschen entweder vorhanden ist oder nicht und sich als moralische Handlungsanweisung in der Einzelsituation zu erkennen gibt, hat das Mitleid nach der intuitiven Erkenntnis der Wesensidentität weitreichende Folgen. Die Erkenntnis, dass alles gleich ist, veranlasst zum universellen Mitleid gegenüber allen.

Die Untersuchung des Selbstmitleides soll einen speziellen Fall in der Mitleidsethik Schopenhauers darstellen.

1. Ausgangspunkt, Kant-Kritik und Hinführung zum wahren Fundament einer Moral

Ausgangspunkt der Preisschrift „Über die Grundlage der Moral“ ist die Frage nach dem objektiv wahren Fundament einer Moral und somit auch der Moralität. Dabei sind laut Schopenhauer zwei Schwierigkeiten zu bewältigen. Die erste Schwierigkeit ist die einer rein philosophischen Lösung, das heißt eine „[...]von allen positiven Satzungen, allen unbewiesenen Voraussetzungen und sonach von allen metaphysischen oder auch mythischen Hypostasen unabhängige, objektive, unverschleierte und nackte Darlegung des letzten Grundes zu allem moralischen Wohlverhalten“[4] gesuchte Lösung. Die zweite Schwierigkeit besteht in der Unabhängigkeit der Lösung von allen philosophischen Systemen, inklusive einer Metaphysik. Deshalb muss der eingeschlagene Weg zur Lösungsfindung ein analytischer Weg sein.[5]

Bevor Schopenhauer diesen Weg darlegt setzt er sich kritisch mit dem von Kant gegebenen Fundament einer Moral auseinander. Die Kritik der Kantischen Lehre des kategorischen Imperatives fasst Kiowsky in fünf Punkten zusammen, die ich kurz darlegen möchte, aber sofern sie nicht weiter wichtig sind für das Thema außen vor lassen werde.

1. Ethische Erkenntnis stammt nicht aus einem in uns liegenden Imperativ des Sollens.
2. Die Erkenntnis des formalen ethischen Prinzips ist a priori und bedeutet daher wie alle apriorischen Erkenntnisse in Bezug auf das empirische Geschehen ein Muss. Das Soll hat hier keine Berechtigung.
3. Die Einführung des kategorischen Imperatives mangelt es an logischer Erklärung.
4. Dem kategorischen Imperativ inhäriert, wenn auch nicht ausdrücklich, die Hoffnung auf Glückseligkeit.
5. Die formale Forderung kann keine Motivation zum Wohlverhalten sein; sie ist kein den Willen nötigendes Gesetz.[6]

Nach seiner Kant- Kritik wendet sich Schopenhauer der Begründung seiner eigenen Ethik zu (§12 ff.). Dazu bemerkt er, dass es bisher noch keine brauchbare Begründung der Moral gebe. Das Befolgen von Gesetzen sei zum Beispiel keine moralische Handlung, sondern geschieht größtenteils um den Egoismus zu überwinden. Rechtlichkeit beruht somit auf zwei äußeren Notwendigkeiten.

1. auf der gesetzlichen Ordnung, wodurch die Rechte eines jeden Individuums geschützt werden.
2. auf der erkannten Notwendigkeit des guten Namens und der Ehre, die unter ständiger Beobachtung der Öffentlichkeit steht, die Fehltritte nicht verzeiht.

Auch das Gewissen ist laut Schopenhauer kein Faktor für moralische Handlungen, da es keinen natürlichen Ursprung hat.

Für Schopenhauer gibt es nur eine Triebfeder zu moralischen Handlungen und das ist das Mitleid. Die Triebfeder „Staat“ zum Beispiel ist keine wahre moralische Triebfeder, da man die Gesetze nicht aus moralischer Einsicht befolgt, sondern aus anerzogenem Gehorsam und der daraus resultierenden Angst vor Sanktion bei Nichtbeachtung der Gesetze. Gäbe es diese staatliche Restriktion nicht, würde sich laut Schopenhauer der wahre Charakter eines jeden Menschen zeigen und unter denen könnten die wahrhaft Moralischen identifiziert werden.

Da Schopenhauer eine „Sollens“ Moral ablehnt, ist für ihn der einzige Weg, das Fundament einer Moral zu finden ein empirischer Weg, der auf Erfahrungen beruht.

1.1 Antimoralische Triebfedern (§14)

Zunächst muss gesagt werden, dass unabhängig von den in uns wohnenden Triebfedern, die den moralischen Wert unserer Handlungen bestimmen, unser Willen, der bestimmt, in welcher Weise wir handeln, dem Gesetz der Motivation unterworfen ist. Für Schopenhauer ist dies ein Naturgesetz. Also braucht jede Handlung ein ausreichendes Motiv.

Für Schopenhauer gibt es zwei antimoralische Triebfedern. Die Haupttriebfeder ist der Egoismus. Die weniger auftretende Triebfeder ist die Bosheit, deren Zweck an sich die Verursachung von Leiden und Schmerz ist und bei deren Erfüllung sich Genuss einstellt.

Doch vor allem der Egoismus hält den Menschen von moralischen Handlungen ab, da er die Triebfeder ist, die Ausgangspunkt des persönlichen Wohles einer jeder Person ist. Schopenhauers Erklärung für egoistisches Handeln liegt in der unmittelbaren Wahrnehmung der eigenen Person im Unterschied zur mittelbaren Wahrnehmung der anderen Personen. „Nämlich infolge der jedem Bewusstsein wesentlichen Subjektivität ist jeder sich selber die ganze Welt: denn alles Objektive existiert nur mittelbar, als bloße Vorstellung; so dass stets alles am Selbstbewusstsein hängt.“[7] Hier möchte ich kritisch zur später folgenden kritischen Erörterung vorwegnehmen, dass meiner Meinung nach, Schopenhauers Erklärung des Egoismus in einer Nicht-Metaphysischen Definition des Fundamentes einer Moral nicht zulässig ist, weil seine Erklärung indirekt auf seine Willensmetaphysik verweist, in dem die Welt als Objekt auf mich als Subjekt bezogen ist und aus meiner Vorstellung entsteht.

1.2 Aufstellung und Beweis der allein echten moralischen Triebfeder (§15-16)

Ausgehend von dem Kriterium, dass einer Handlung von moralischem Wert die Abwesenheit aller egoistischen Motivationen zu Grunde liegen muss, wendet sich Schopenhauer der Aufstellung und dem Beweis der allein echten moralischen Triebfeder zu.

Zunächst stellt Schopenhauer Prämissen in Form von Axiomen auf. Zusammengefasst:

[...]


[1] Arthur Schopenhauer, Kleinere Schriften: Sämtliche Werke Band III, (Stuttgart/ Frankfurt am Main), S.629

[2] ebd.

[3] ebd., S.765

[4] ebd., S.633

[5] ebd., S.635

[6] Hellmuth Kiowsky, Das Mitleid in der Ethik Schopenhauers in Kontrastierung mit Nietsches Moral der Vornehmheit, (Basel, 1986), S.27

[7] Schopenhauer, S.728

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Die Mitleidsethik Schopenhauers - Eine kritische Erörterung
Hochschule
Universität Konstanz
Veranstaltung
Proseminar + EPG1
Note
2.5
Autor
Jahr
2005
Seiten
17
Katalognummer
V58911
ISBN (eBook)
9783638529792
ISBN (Buch)
9783640865512
Dateigröße
514 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Diese Arbeit ist für einen normalen HA-Schein + einen EPG1-Schein.
Schlagworte
Mitleidsethik, Schopenhauers, Proseminar, EPG1
Arbeit zitieren
Ernst Rieger (Autor:in), 2005, Die Mitleidsethik Schopenhauers - Eine kritische Erörterung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/58911

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