Belegschaftsaktien bei der Börseneinführung. Die Deutschen Telekom AG, die Deutsche Post AG und nicht staatliche Börsenneulinge im Vergleich


Bachelorarbeit, 2005

43 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

1 Problemstellung und Gang der Analyse

2 Theoretische Grundlagen von Belegschaftsaktien
2.1 Definition von Belegschaftsaktien
2.2 Charakteristika von Belegschaftsaktien
2.2.1 Verwaltungs- und Vermögensrechte
2.2.2 Arten, Gattungen und Ausgabetechniken
2.3 Ziele bei der Einführung von Belegschaftsaktien
2.4 Vorteile und Nachteile

3 Belegschaftsaktien in der Praxis
3.1 Beispiel der Deutschen Telekom AG
3.1.1 Kurzportrait der Deutschen Telekom AG
3.1.2 Motive der Deutschen Telekom AG bei der Einführung von Belegschaftsaktien
3.1.3 Beteiligungsprogramm der Deutschen Telekom AG
3.2 Beispiel der Deutschen Post AG
3.2.1 Kurzportrait der Deutschen Post AG
3.2.2 Motive der Deutschen Post AG bei der Einführung von Belegschaftsaktien
3.2.3 Beteiligungsprogramm der Deutschen Post AG
3.3 Vergleichende Analyse der Beteiligungsprogramme und ihrer Rollen beim Börsengang
3.3.1 Deskriptiver Vergleich der Beteiligungsprogramme
3.3.2 Akzeptanz der Beteiligungsmodelle in den Unternehmen
3.3.3 Analyse der Unterschiede der Programme und der Rolle beim Börsengang
3.4 Erreichung der von den Unternehmen verfolgten Ziele durch die Beteiligungsprogramme
3.4.1 Zielerreichung bei der Deutschen Telekom AG
3.4.2 Zielerreichung bei der Deutschen Post AG

4 Zusammenfassung und Ausblick

ANHANG

LITERATURVERZEICHNIS

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abb. 1: Akzeptanz des Belegschaftsaktienprogramms TIP

Aufteilung nach Säulen

Abb. 2: Aktionärsstruktur der Deutschen Telekom AG

Abb. 3: Aktionärsstruktur der Deutschen Post AG

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Problemstellung und Gang der Analyse

Im Herbst 2001 ging ein Aufschrei durch die amerikanische Gesellschaft und die Presse in aller Welt. Der Energieriese Enron musste zugeben, dass im großen Umfang Bilanzen gefälscht wurden.[1] Folglich ermittelte die Staatsanwaltschaft gegen den Vorstand.[2] Daraufhin brach der Aktienkurs ein,[3] und Enron musste Insolvenz anmelden. Das größte Problem war jedoch, dass die Belegschaft des Konzerns bis zu 60 % ihrer Altersvorsorge im Rahmen von Pensionsplänen in Aktien des Unternehmens investiert hatte.[4] Viele Mitarbeiter hatten nicht nur ihren Job, sondern auch nahezu ihre kompletten Ersparnisse verloren.[5]

Auch wenn die Situation in den USA eine andere ist, und dort aufgrund der schlechteren sozialen Sicherungssysteme häufiger Belegschaftsaktienprogramme als Altervorsorge genutzt werden, beteiligen auch in Deutschland viele Unternehmen auf diese Weise ihre Beschäftigten am Erfolg.[6] Welche Gründe sprechen für bzw. gegen diese Form der Mitunternehmerschaft?

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, das Wesen sowie die Vor- und Nachteile von Belegschaftsaktien darzustellen und die Rolle dieser Mitarbeiterbeteiligungen bei zwei der größten deutschen Neuemissionen der Geschichte[7], Deutsche Telekom AG und Deutsche Post AG, zu analysieren. Im ersten Teil, dem Grundlagenkapitel, erfolgt die Betrachtung der Belegschaftsaktie im Allgemeinen. Hier finden sich zuerst die Definition, die dieser Arbeit zugrunde liegt, und anschließend die Charakteristika von Mitarbeiteraktien. Nachfolgend werden die der Ausgabe von Belegschaftsaktien zu Grunde liegenden Ziele dargelegt. Abschließend werden die Vor- und Nachteile dieser Beteiligungsform herausgestellt. Den Hauptteil der vorliegenden Arbeit bildet das Kapitel 3, welches zunächst die beiden betrachteten Unternehmen kurz präsentiert und anschließend ihre jeweiligen Belegschaftsaktienprogramme erläutert. Daraufhin folgt eine vergleichende Analyse hinsichtlich der Rolle der Belegschaftsaktien bei den jeweiligen Börsengängen. Hierbei stehen die Aktionärsstruktur und die Reaktionen der Mitarbeiter im Vordergrund. Die Erreichung der von den Unternehmen verfolgten Ziele wird abschließend analysiert. Den Schlussteil bilden eine Zusammenfassung der Ergebnisse dieser Arbeit und ein Ausblick auf die Zukunft von Belegschaftsaktien.

2 Theoretische Grundlagen von Belegschaftsaktien

2.1 Definition von Belegschaftsaktien

In der Literatur werden verschiedene Definitionen von Belegschaftsaktien verwendet. Dies liegt vor allem daran, dass kein rechtlich definierter Begriff existiert.[8] Eine weit gefasste Auslegung vertritt Fritz, wonach Belegschaftsaktien alle Aktien sind, die der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern im Rahmen eines besonderen Belegschaftsaktienprogramms zum Erwerb zur Verfügung stellt.[9] Peterssen schränkt den Begriff ein, indem er feststellt, dass nur Aktien, die als Mittel der Sozialpolitik an die Mitarbeiter ausgegeben werden, Belegschaftsaktien sind.[10] Beide Definitionen sind problematisch, da sie das für diese Arbeit wichtige Merkmal des begünstigten Erwerbs vernachlässigen. Außerdem ist die Ansicht, dass Belegschaftsaktien ausschließlich sozialpolitischen Zwecken dienen sollen, veraltet und nicht mehr zutreffend. Daher scheint die Definition von Wehrli besser geeignet. Hiernach handelt es sich bei Belegschaftsaktien um kapitalmäßige Verbindungen von Arbeitnehmern mit dem Arbeitgeber, die durch geförderte Aktienbezüge entstehen und die eine gesellschafterliche Beteiligung nach sich ziehen.[11] Um Aktienoptionspläne von der Betrachtung dieser Arbeit auszuschließen, sollte die Definition weiter eingeengt werden: Belegschaftsaktien sind Aktien, die durch vom Arbeitgeber geförderte Maßnahmen vom Arbeitnehmer zu begünstigten Konditionen erworben werden können und eine gesellschafterliche Beteiligung nach sich ziehen.

2.2 Charakteristika von Belegschaftsaktien

2.2.1 Verwaltungs- und Vermögensrechte

Belegschaftsaktien gewähren dieselben Rechte wie normale Aktien.[12] Daher stehen jedem Belegschaftsaktionär auch dieselben Verwaltungsmöglichkeiten offen. Im Folgenden sind kurz die wichtigsten Verwaltungsrechte für einen Gesellschafter aus Sicht dieser Arbeit zu erwähnen:

Ein Aktionär hat nach § 118 AktG das Recht an der Hauptversammlung der Gesellschaft teilzunehmen und dort gemäß § 134 AktG sein Stimmrecht auszuüben. Die Mitbestimmung ist jedoch nur möglich, sofern das Stimmrecht nicht ausgeschlossen ist[13]. Zudem darf der Gesellschafter Hauptversammlungsbeschlüsse anfechten, sofern er die Bedingungen des § 245 AktG erfüllt. Des Weiteren hat der Vorstand gegenüber dem Aktionär gemäß § 131 AktG eine Auskunftspflicht, vorausgesetzt, dass diese nicht nach § 131 III AktG ausgeschlossen ist.

Somit haben auch Belegschaftsaktionäre die Möglichkeit aktiv das Unternehmen zu kontrollieren und mitzugestalten. Hierfür bedarf es jedoch einer Vereinigung der Mitarbeiter, da ein einzelner Arbeitnehmer aufgrund seines nur geringen Anteils kaum Einfluss ausüben kann. Ein Zusammenschluss der Beschäftigten ist wegen der schon vorhandenen Verbindungen im Unternehmen einfacher durchzuführen als bei anderen Kleinanlegergruppen. Die Belegschaften insgesamt verfügen laut einer Studie des Deutschen Aktien Instituts (DAI) durchschnittlich über 13 % des Unternehmenskapitals. Dieser Wert beinhaltet zudem jegliche Formen der Beteiligung, nicht nur Belegschaftsaktien.[14]

Die Vermögensrechte sind ebenfalls dieselben wie die normaler Aktieninhaber. Auch hier seien kurz die wichtigsten Rechte angeführt.[15] So wird der Bilanzgewinn gemäß § 58 IV AktG unter den Aktionären aufgeteilt. Außerdem besteht ein Anspruch auf Bezugsrechte bei der Ausgabe junger Aktien. Hiermit soll der Anteil des jeweiligen Gesellschafters am Grundkapital gehalten werden, da sonst die Stimmkraft und der Gewinnverteilungsanteil verschlechtert würden.[16] Darüber hinaus stehen Aktionären Anteile am Liquiditätserlös der Aktiengesellschaft zu.[17].

2.2.2 Arten, Gattungen und Ausgabetechniken

Als Differenzierungskriterien von Belegschaftsaktien können Art, Gattung und Ausgabetechnik herangezogen werden. Im Rahmen der verschiedenen Arten wird gemäß § 10 AktG zwischen Namens- und Inhaberaktien unterschieden. Eigentümer von Inhaberaktien sind für die ausgebende Gesellschaft anonym, wohingegen Eigentümer von Namensaktien in ein Aktienregister eingetragen werden.[18] Namensaktien haben den Vorteil, dass die Gesellschaften wissen, wer Aktionär ist und können somit erkennen, ob z.B. der Versuch einer feindlichen Übernahme droht. Bedarf es bei der Übertragung von Namensaktien der Zustimmung der AG, so spricht man von vinkulierten Namensaktien im Sinne des § 68 II AktG. Diese Art der Aktien dient vor allem dazu, die Gesellschaft vor Überfremdung und dem Eintritt unerwünschter Aktionäre zu schützen.[19] Vinkulierte Namensaktien sind in dieser Arbeit nicht relevant, da die betrachteten Unternehmen zu groß sind, dass die Vorteile aus der Kontrolle die Nachteile aus dem hohem Verwaltungsaufwand überwiegen würden. Anstelle der Vinkulierung wird die Weitergabe von Belegschaftsaktien sehr häufig durch die Ausgabe einer Veräußerungssperrfrist behindert.

Ein weiterer Unterschied existiert im Bereich der Gattung. Hier wird zwischen Stamm- und Vorzugsaktien differenziert. Vorzugsaktien erhalten eine höhere Dividende und besitzen dafür kein Stimmrecht.[20] Sie sind besonders für Anleger interessant, deren Hauptinteresse auf der Erzielung einer möglichst hohen Rendite und nicht auf einem Mitbestimmungsrecht liegt.[21] Hiermit widersprechen sie einer der Hauptideen der Belegschaftsaktien, dass Mitarbeiter ein Mitspracherecht in ihrem Unternehmen besitzen.

Bei der Neugründung einer AG werden Belegschaftsaktien im regulären Rahmen emittiert. Daneben unterscheidet man fünf weitere Ausgabetechniken bei bereits existierenden Gesellschaften. Eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln gemäß § 207 ff. AktG ist bei der erstmaligen Ausgabe von Belegschaftsaktien nicht möglich, da die Aktien nach § 212 AktG nur an bisherige Gesellschafter verteilt werden dürfen.

Bei der Kapitalerhöhung gegen Einlagen muss die Aufstockung des Grundkapitals durch die Hauptversammlung genehmigt werden.[22] Hierbei ist es möglich, das Bezugrechts für Altaktionäre ganz oder zum Teil auszuschließen, sofern die Voraussetzungen des § 186 III, IV AktG erfüllt sind.

Als weitere Möglichkeit bietet sich eine bedingte Kapitalerhöhung gemäß § 192 ff. AktG an. Das Grundkapital wird nur in dem Rahmen erhöht, in dem von Bezugs- bzw. Umtauschrechten auf die neuen Aktien Gebrauch gemacht wird. Ein expliziter Zweck dieser Form der Kapitalgenerierung ist die Ausgabe von Bezugsrechten an Mitarbeitern.[23]

Die vierte Form der Mittelbeschaffung stellt das genehmigte Kapital dar. Dem Vorstand wird dabei von der Hauptversammlung die Möglichkeit gegeben, das Grundkapital innerhalb von fünf Jahren durch Ausgabe junger Aktien bis zu einem festgesetzten Nennbetrag zu erhöhen.[24] § 202 IV AktG erleichtert die Ausgabe von Belegschaftsaktien. Das Bezugsrecht für Altaktionäre kann ausgeschlossen werden und die fällige Einlage der Arbeitnehmer durch einen Teil des Jahresüberschusses der Gesellschaft gedeckt werden.[25]

Als letzte Möglichkeit ist der Erwerb eigener Anteile zu nennen. Nach § 71 I Nr.1 und 8 AktG kann die AG Wertpapiere an der Börse mit Hilfe der Rücklagen für eigene Anteile erwerben und an die Mitarbeiter weitergeben. Fritz stellt fest, dass nur eine Kapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital, eine bedingte Kapitalerhöhung und ein Erwerb eigener Anteile geeignet sind, Mitarbeiteraktien zu beschaffen.[26]

2.3 Ziele bei der Einführung von Belegschaftsaktien

Mit der Einführung von Belegschaftsaktien wird eine Vielzahl von Zielen verfolgt. Sie sind in zwei größere Gruppen zu unterteilen: gesellschaftspolitische und unternehmenspolitische Ziele.[27]

Zu den gesellschaftspolitischen Motiven zählt vor allem die Stabilisierung der Wirtschaft.[28] Dadurch, dass die Mitarbeiter bei der Bildung von persönlichem Vermögen unterstützt werden, wird ihre Unabhängigkeit gefördert und die Anfälligkeit des Wirtschaftssystems reduziert. Hierbei ist auch zu beachten, dass mit Hilfe von Belegschaftsaktien die private Altersvorsorge gestärkt werden kann.[29] Im amerikanischen Raum ist dies eines der Hauptziele der sog. Employee Stock Ownership Plans (ESOP).[30] ESOPs sind dort schon seit den 50er Jahren verbreitet[31] und stellen eine Modifizierung der Belegschaftsaktien im hier verstandenen Sinne dar.[32] Im Rahmen dieser Programme werden für die Mitarbeiter Aktien der Gesellschaft angekauft, die sie erst ab dem 55. Lebensjahr veräußern dürfen.[33] Diese Sperre wird durch verschiedene Steuervorteile und andere Unterstützungen kompensiert.[34] Durch eine gestärkte private Altervorsorge können staatliche Hilfen reduziert und die Sozialsysteme folglich entlastet werden. Eines der ältesten gesellschaftspolitischen Motive stellt der Abbau des sozialen Konflikts dar.[35] Durch Belegschaftsaktien soll erreicht werden, dass der Unterschied zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern im Hinblick auf die Kapitalbeteiligung reduziert wird.

Im Laufe der Zeit haben die Ziele auf Unternehmensebene aber mehr an Bedeutung gewonnen und sind nun die Hauptgründe für die Ausgabe von Mitarbeiteraktien.[36] Zunächst ist die Motivationssteigerung der Belegschaft anzuführen.[37] Sind die Arbeitnehmer am Unternehmen beteiligt, so bedeutet eine Steigerung der eigenen Produktivität indirekt auch eine Steigerung des Einkommens. Der Mitarbeiter versucht durch sein Verhalten den Unternehmenserfolg zu fördern und somit den Aktienkurs zu erhöhen. Und tatsächlich ist in der Praxis eine Produktivitätssteigerung empirisch messbar.[38] In einer Studie der AGP e.V.[39] und der Gesamthochschule Kassel wurde festgestellt, dass zudem auch der Krankenstand in Unternehmen mit Arbeitnehmerbeteiligungen deutlich geringer ist als in Unternehmen ohne Beteiligungen.[40].

Des Weiteren kann das Bild einer Firma in der Öffentlichkeit durch die Ausgabe von Belegschaftsaktien verbessert werden.[41] Der Gesellschaft wird vermittelt, dass sich das Unternehmen um seine Beschäftigten kümmert und sie absichert.

Mitarbeiterbeteiligungen dienen außerdem der Flexibilisierung der Personalkosten.[42] Es besteht somit die Möglichkeit vor allem junge Führungskräfte zu halten, ohne hohe Gehälter zahlen zu müssen. Die Arbeitnehmer können durch diese leistungsabhängige Vergütung trotz eines geringeren Basisgehalts die marktübliche Entlohnung erzielen. Die Arbeitgeber umgehen folglich einen Liquiditätsabfluss, was vor allem in den Anfangsjahren eines Unternehmens einen großen Vorteil darstellt.

Ein weiteres wichtiges Ziel ist die Finanzierung.[43] Durch die Ausgabe von Belegschaftsaktien wird die Eigenkapitalquote erhöht und folglich der Zugang zu Fremdkapital erleichtert. Das generierte Eigenkapital bzw. das neu bezogene Fremdkapital kann investiert werden, um somit die Ertragslage auch langfristig zu sichern und zu verbessern. Ferner wird durch eine hohe Anzahl an Belegschaftsaktien dem Kapitalmarkt symbolisiert, dass das Unternehmen stark und gesund ist. Die Mitarbeiter drücken ihr Vertrauen in den eigenen Erfolg durch den Bezug von Aktien aus. Außerdem verringert zusätzliches Eigenkapital das Insolvenzrisiko des Unternehmens.

Eines der wichtigsten Motive, zumindest im amerikanischen Raum, ist die Abwehr von feindlichen Übernahmen.[44] Durch die Ausgabe von Belegschaftsaktien oder ESOPs werden häufig genügend Anteile im Unternehmen gehalten, um, nach amerikanischem Recht, einen Takeover zu verhindern. Es ist wahrscheinlicher, dass die eigenen Mitarbeiter einer Übernahme nicht zustimmen, als dass sie den Verlust ihrer Arbeitsplätze oder Ähnliches riskieren und ein Kaufangebot annehmen.

2.4 Vorteile und Nachteile

Die Beteiligungsform der Belegschaftsaktien hat Vor- und Nachteile. Im Folgenden wird zuerst auf die Vorteile eingegangen, aufgeteilt in mitarbeiter- und unternehmensbezogene Aspekte, um im zweiten großen Teil die Nachteile aufzuzeigen.

Die Belegschaftsaktie ist die am besten geeignete Beteiligungsform.[45] Ein Grund dafür aus Sicht der Arbeitnehmer ist die hohe Fungibilität.[46] Ist das Unternehmen an der Börse notiert, besitzt jeder Mitarbeiter die Möglichkeit, seine Aktien dort zu verkaufen. Anders ist es bei nicht börsennotierten Unternehmen. Sofern der Verkauf an Außenstehende durch die Satzung gemäß § 68 II AktG verboten ist, bleibt nur die Veräußerung an andere Mitarbeiter. Häufig handelt es sich hierbei um einen sehr kleinen internen Markt, wodurch der Preisfindungsmechanismus gestört wird.[47] Es kommt folglich zu einem Bewertungsproblem für die Wertpapiere. Trotz dieser Schwierigkeit, nimmt jeder Arbeitnehmer durch den Erwerb von Aktien eine volle gesellschafterliche Stellung ein.[48] Da die Anteile der einzelnen Mitarbeiter nur marginal groß sind, wird die Entscheidungsbefugnis der bisherigen Eigentümer nicht eingeschränkt.[49] Es wäre nachteilig, wenn die Arbeitnehmer wichtige Entscheidungen des Unternehmens massiv beeinflussen könnten. Dafür benötigten sie eine gewisse unternehmerische Qualifikation, die häufig nicht gegeben ist. Bei der Form der Belegschaftsaktie ist dies allerdings in keiner Weise von Nöten.[50] Dafür werden die Mitarbeiter dadurch geschützt, dass sie nur in Höhe des von ihnen investierten Kapitals gemäß § 1 I S. 2 AktG haften.

Da der Staat ein Interesse daran hat, die Zahl der Aktionäre zu erhöhen, werden Belegschaftsaktien besonders gefördert.[51] Es gibt zwei Vorgehensweisen. Eines der Mittel ist § 19a EStG. Diese Art der Förderung steht jedem Mitarbeiter zur Verfügung, da hier keine Einkommensgrenzen gesetzt werden. Der Arbeitnehmer muss den geldwerten Vorteil, den er durch die vergünstigte Ausgabe der Belegschaftsaktien erlangt, nicht versteuern, sofern dieser den halben Wert der Vermögensbeteiligung und 135 € im Jahr nicht übersteigt.[52] Allerdings schraubt der Staat seine Förderungsgrenze immer weiter zurück: waren es im Jahr 1993 noch 500 DM (255,65 €) so ist seit dem Jahr 2004 nur noch eine Vergünstigung von bis zu 135 € steuerfrei.[53] Als zweite Möglichkeit stellt sich das 5. Vermögensbildungsgesetz (VermBG) dar. Hiernach gewährt der Staat unter den im Gesetz aufgeführten Bedingungen eine Arbeitnehmersparzulage in Höhe von 20 %[54], maximal jedoch 936 DM (478,57 €)[55]. Der Anwendungsumfang ist zudem nach § 13 I VermBG auf ein Einkommen von 27.000 DM (13.805 €) begrenzt. Obwohl ein hoher administrativer Aufwand mit der Inanspruchnahme verbunden und die Unterstützung relativ gering ist, bilden beide Förderungsarten wichtige Säulen für die Ausbreitung der Mitarbeiterbeteiligung.

Für die Unternehmen bedeutet die Ausgabe von Belegschaftsaktien vor allem Planungssicherheit. Eine Rückzahlung der Einlagen ist nach § 57 I AktG ausgeschlossen. Die Mitarbeiter können sich somit nur durch den Verkauf der Anteile von der Gesellschaft lösen. Das Unternehmen muss nicht mit dem überraschenden Abfluss von finanziellen Mitteln rechnen.[56] Diese Berechenbarkeit wird durch die Rechtsicherheit unterstützt, die der feste und strukturierte Rahmen des Aktiengesetzes gewährleistet.[57] Außerdem besitzen die Unternehmen die Möglichkeit, ihren Mitarbeitern eine Vielzahl von Programmen anzubieten, da Aktien wegen ihres geringen Nennwertes sehr gut stückelbar sind.[58] Das bedeutet, dass die Gesellschaften flexibler auf die Bedürfnisse der Arbeitnehmer reagieren können und somit ein höherer Emissionspreis zu erzielen ist. Ein weiterer Vorteil für das Management liegt in der Möglichkeit, die eigene Einflussnahme zu erhöhen.[59] Durch die Ausgabe von Belegschaftsaktien wird der Anteil der Kleinaktionäre gesteigert. Die Kontrollmöglichkeiten werden wegen des größeren Streubesitzes jedoch reduziert, da die Kosten eine einheitliche Meinung zu finden, zu groß würden.

Die Belegschaftsaktie hat jedoch nicht nur Vorteile. Der oben genannte, erhöhte Einfluss des Managements führt ebenfalls zu Nachteilen für die Mitarbeiter. So liegt nahe, dass sich die Arbeitsbedingungen durch die geringere Kontrolle der Unternehmensleitung verschlechtern. Außerdem besteht die Gefahr, dass sich nachteilige Entscheidungen häufen, da ein Druckmittel auf das Management an Bedeutung verliert. Dies steigert das Risiko der Arbeitnehmer weiter. Geht es dem Unternehmen wirtschaftlich schlecht, wirkt sich das im Normalfall auf den Aktienkurs aus. Das Vermögen des Mitarbeiters sinkt daher. Im gleichen Zug steigt das Risiko, dass die Gesellschaft Personal abbaut. Folglich tragen die Mitarbeiter neben dem Kursrisiko[60], das jeder Aktionär eingeht, auch das Risiko, den Arbeitsplatz zu verlieren.[61] Dem ist jedoch entgegen zu halten, dass eine Investition in das eigene Unternehmen die finanzielle Situation stärkt und das Insolvenzrisiko somit mindert.[62]

Ein weiterer Nachteil für die Mitarbeiter ist die Sperrfrist, die fast immer eine Bedingung der Ausgabe von Belegschaftsaktien ist.[63] Waren Mitarbeiter bis 2002 noch an eine gesetzliche Veräußerungssperre gebunden[64], so schränken mittlerweile nur noch unternehmensinterne Sperren den sofortigen Handel ein. Bei diesen handelt es sich um ein Verkaufsverbot, das vom Unternehmen selbst gesetzt wird, um den verbilligten Zeichnungspreis zu kompensieren. Außerdem sollen dadurch die Motivationseffekte länger hochgehalten werden.[65] Nachteilig stellt sich bei Sperrfristen heraus, dass die Mitarbeiter nicht frei über ihr Vermögen können und somit ggf. günstige Zeitpunkte zur Veräußerung nicht nutzen können. Problematisch ist weiterhin die Abhängigkeit der Unternehmung von der Rechtsform.[66] Belegschaftsaktien können nach ihrem Wesen nur von AGs oder KGaA ausgegeben werden.

3 Belegschaftsaktien in der Praxis

3.1 Beispiel der Deutschen Telekom AG

3.1.1 Kurzportrait der Deutschen Telekom AG

Mit Vollzug der Postreform II 1995 wurden aus den drei staatlichen Sondervermögen Postdienst, Telekom und Postbank (ehemals Deutsche Bundespost) privatrechtliche Aktiengesellschaften. Nur ein Jahr später ging die Deutsche Telekom AG (DT) an die Börse. Insgesamt gab es zwei weitere Tranchen in den Jahren 1999 und 2000, wodurch der Aktienbesitz des Bundes und der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) auf heute 38 % reduziert wurde. Die DT beschritt mit ihren Börsengängen neue Wege, da zum ersten Mal Kleinanleger im großen Rahmen Wertpapiere zeichnen konnten. Im Ganzen wurden bei den drei Tranchen etwa 1,2 Mrd. Aktien emittiert und an allen deutschen Börsen sowie in New York und Tokio gehandelt.[67]

Der Konzern DT teilt sich heutzutage in vier Säulen auf: T-Com, T-Mobile, T-Online und T-Systems. Allerdings wird die ehemalige Vier-Säulen-Strategie zu einer Drei-Geschäftsfelder-Strategie weiterentwickelt. In Zukunft bilden T-Com und T-Online den strategischen Geschäftsbereich Breitband/Festnetz, wohingegen unter der Marke T-Systems das Gebiet Geschäftskunden betrieben wird. T-Mobile ist für das dritte Geschäftsfeld Mobilfunk zuständig. Die DT beschäftigte im Jahr 2004 rund 247.000 Menschen in etwa 65 Ländern.[68]

3.1.2 Motive der Deutschen Telekom AG bei der Einführung von Belegschaftsaktien

Die DT verfolgte mit der Ausgabe von Belegschaftsaktien mehrere Ziele: Zum einen die in der Literatur diskutierten Motive, wobei vor allem das gut nach außen sichtbare Zeichen an den Kapitalmarkt hervorzuheben ist.[69] Durch eine hohe Beteiligung der Mitarbeiter sollte unternehmensfremden Investoren ein Signal gegeben werden, dass es sich bei der DT um ein starkes Unternehmen handelt. Zum anderen gab es zusätzlich unternehmensspezifische Motive. Die DT wollte sich als sozial verantwortliches und fortschrittliches Unternehmen präsentieren.[70] Dafür ist eine gut ausgebaute Mitarbeiterbeteiligung unerlässlich, da hierdurch die Arbeitnehmer am Erfolg direkt partizipieren können. Zudem trägt ein solches Programm zu einer partnerschaftlichen Unternehmenskultur bei, die in einem großen Konzern erstrebenswert ist.[71] Daneben wollte die DT für den Börsengang einige wichtige Multiplikatoren gewinnen.[72] Diese sollten in enger Zusammenarbeit mit den Betriebsräten die Privatisierung intern fördern.

[...]


[1] Vgl. Handelblatt, http://www.handelsblatt.com/pshb?fn=tt&sfn=go&id=933453, [Stand: 06.04.2005].

[2] Vgl. Department of Labor, Pressemitteilung vom 26.06.2003, S. 1.

[3] Vgl. CNN, http://cnnstudentnews.cnn.com/2002/fyi/news/01/15/enron, [Stand: 06.04.2005].

[4] Vgl. Gottesdiener Law Firm, http://www.enronlawsuit.com/stock.html, [Stand: 06.04.2005].

[5] Ebenda.

[6] Vgl. Fritz, 2004, S. 3.

[7] Vgl. Gordon, 2003, S. 6; Deutsche Post AG Pressemitteilung vom 18.11.2000, S. 1.

[8] Vgl. Knepper, 1985, S. 419.

[9] Vgl. Fritz, 2004, S.3.

[10] Vgl. Peterssen, 1968, S. 16.

[11] Vgl. Wehrli, 1969, S. 29.

[12] Vgl. Knepper, 1985, S. 480.

[13] Siehe § 12 I S.2 und § 139 AktG.

[14] Vgl. DAI, 2001, S. 39.

[15] Vgl. Fritz, 2004, S. 4.

[16] Vgl. Hüffer, § 186, Rn. 2.

[17] Siehe § 271 I AktG.

[18] Siehe § 67 I AktG.

[19] Vgl. Hüffer, § 68, Rn. 10.

[20] Siehe § 139 AktG.

[21] Vgl. Hüffer, § 139, Rn. 2.

[22] Siehe § 182 AktG.

[23] Siehe § 192 II S. 3 AktG.

[24] Siehe § 202 AktG.

[25] Vgl. Hüffer, § 202, Rn. 2.

[26] Vgl. Fritz, 2004, S. 9.

[27] Vgl. Esser/Faltlhauser, 1974, S. 45.

[28] Vgl. Knepper, 1985, S. 421.

[29] Vgl. Kilian, 1978, S. 99 f.

[30] Vgl. Perun, 2000, S. 1.

[31] Ebenda S. 1.

[32] Ebenda S. 6.

[33] Ebenda S. 2.

[34] Ebenda S.1 f.

[35] Vgl. Peterssen, 1968, S. 60; Knepper, 1985, S. 442.

[36] Vgl. von Rosen/Leven, 2000, S. 1.

[37] Ebenda S. 1; Perun, 2000, S. 1; Scholes/Wolfson, 1989, S. 13.

[38] Vgl. Möller, 2001, S. 30 f.

[39] Arbeitsgemeinschaft Partnerschaft in der Wirtschaft e.V.

[40] Vgl. McKinsey, 1998, S. 3.

[41] Vgl. Eun-Kwon, 1994, S. 14.

[42] Vgl. von Rosen/Leven, 2000, S. 1.

[43] Ebenda S. 1; Perun, 2000, S. 1.

[44] Vgl. Scholes/Wolfson, 1989, S. 12 ff.; Perun, 2000, S. 1.

[45] Vgl. Schwark, 1998, S. 391.

[46] Vgl. Schwetzler, 1989, S. 150.

[47] Vgl. Eun-Kwon, 1994, S. 53.

[48] Vgl. Schwetzler, 1989, S. 150; Esser/Faltlhauser, 1974, S. 42.

[49] Vgl. Schwetzler, 1989, S. 150.

[50] Vgl. Esser/Faltlhauser, 1974, S. 42.

[51] Siehe dazu gesellschaftspolitische Ziele in 2.3.

[52] Siehe § 19a I EstG.

[53] Vgl. Drenseck, § 19 a, Rn. 25.

[54] Siehe § 13 II Nr.1 VermBG.

[55] Siehe § 13 I VermBG.

[56] Vgl. von Rosen/Leven, 2000, S. 5.

[57] Vgl. Fritz, 2004, S. 11.

[58] Vgl. Fritz, 2004, S. 11.

[59] Vgl. Wehrli, 1969, S. 62.

[60] Vgl. Knepper, 1985, S. 426.

[61] Vgl. Wehrli, 1969, S. 59.

[62] Vgl. Sievert, 1992, S. 22.

[63] Vgl. Wehrli, 1969, S. 52.

[64] Vgl. Drenseck, § 19a, Rn. 1.

[65] Vgl. Fritz, 2004, S. 5.

[66] Vgl. Knepper, 1985, S. 443.

[67] Vgl. DT, http://www.telekom3.de/de-p/inve/1-t-/5-bo/star/boersengaenge-artikel-ar.html, [Stand: 06.04.2005].

[68] Vgl. DT, http://www.telekom3.de/de-p/konz/1-ko/star/konzernprofil-ar.html, [Stand: 06.04.2005].

[69] Vgl. Monitor Extra, 1996, S. 2.

[70] Vgl. Wegner, 1999, S. 3.

[71] Vgl. Monitor Extra, 1996, S. 1.

[72] Vgl. Reuschenbach, 2000, S. 135.

Ende der Leseprobe aus 43 Seiten

Details

Titel
Belegschaftsaktien bei der Börseneinführung. Die Deutschen Telekom AG, die Deutsche Post AG und nicht staatliche Börsenneulinge im Vergleich
Hochschule
Westfälische Wilhelms-Universität Münster  (Institut für Unternehmensgründung und -entwicklung)
Note
1,7
Autor
Jahr
2005
Seiten
43
Katalognummer
V58922
ISBN (eBook)
9783638529860
ISBN (Buch)
9783656814191
Dateigröße
474 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Aufgrund des Umfangs wurden einvernehmlich nicht-staatliche Börsenneulinge nicht betrachtet.
Schlagworte
Welche, Rolle, Belegschaftsaktien, Börseneinführung, Deutschen, Telekom, Deut-schen, Post, Börsenneulingen, Eine, Analyse
Arbeit zitieren
David Große Kathöfer (Autor:in), 2005, Belegschaftsaktien bei der Börseneinführung. Die Deutschen Telekom AG, die Deutsche Post AG und nicht staatliche Börsenneulinge im Vergleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/58922

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