Strategien des Terrorismus anhand der drei Generationen der RAF


Hausarbeit, 2019

19 Seiten, Note: 3,0

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Definitionen
2.1 Terrorismus
2.2 Strategie

3. Das theoretische Modell Harmons
3.1 Erzeugung von gesellschaftlicher Unruhe
3.2 Diskreditierung und Zerstörung von Regierungen
3.3 Ökonomische Strategie
3.4 Militärische Strategie
3.5 Internationalisierung der Sache

4. Die RAF
4.1 Ausgangslage und Vorgeschichte
4.2 Ziele, Motivation und Selbstverständnis
4.3 1. Generation
4.4 2. Generation
4.3 Dritte Generation

Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Islamismus oder Rechts- und Linksextremismus, national oder international – der Terrorismus hat viele Gesichter und Ursachen. Spätestens seit dem NSU-Terror Ende der 1990er Jahre oder den jüngsten islamistisch motivierten Anschlägen von Würzburg, Ansbach oder Berlin ist der Begriff auch in Deutschland wieder in aller Munde. Dabei ist Terrorismus keine moderne Erscheinung, sondern in verschiedensten Formen schon seit Jahrhunderten zu beobachten. In Deutschland entbrannte das Thema erstmals in den 1970er-Jahren als die noch vergleichsweise junge Demokratie einer harten Belastungsprobe standhalten musste. Etwa 28 Jahre lang sorgte die RAF, die Rote Armee-Fraktion (nachfolgend: RAF), in der Bundesrepublik für Aufsehen. Während ihres Bestehens wandelte sich die Gruppe immer wieder, sodass heute üblicherweise zwischen drei RAF-Generationen unterschieden wird, wobei keine klaren Grenzen gezogen werden können und die Übergänge zwischen den einzelnen Generationen teils fließend sind.

Doch was machte die Gruppe damals zu Terroristen und mit welchen Strategien und Mitteln versuchte sie ihre Ziele durchzusetzen? Wie veränderten sich die Strategien im Laufe der Zeit und warum? Die vorliegende Arbeit hat das Ziel exemplarisch anhand der drei RAF-Generationen unterschiedliche Terrorismus-Strategien herauszuarbeiten und miteinander zu vergleichen. Die einzelnen Strategien sind dabei immer auch im Kontext ihrer Entstehungszeit und in Anbetracht der Ziele der RAF zu verstehen.Als theoretische Grundlage soll das Strategie-Modell von Christopher C. Harmon aus dem Jahr 2008 dienen, mit dem dieser rund 30 Jahre nach dem Terror der ersten RAF-Generation versuchte, terroristische Strategien zu kategorisieren. Inwiefern kann man seine Theorien auch im jahrelangen Links-Terrorismus der RAF erkennen?

Zunächst werden in einem ersten Teil die Schlüsselbegriffe Terrorismus und Strategie definiert und anschließend Harmons fünf Terrorismus-Strategien vorgestellt. Anschließend wird die Situation, in der die RAF entstand, zum Zwecke einer Kontextualisierung skizziert und näher auf Ziele, Motivation und Selbstverständnis der Terrorgruppe eingegangen. Darauf folgt ein Überblick über die einzelnen RAF-Generationen, in welchem theoretische Strategien, mithilfe zweier programmatischer Schriften, und praktische Handlungen der Bande vorgestellt werden und diese mit dem theoretischen Konzept Harmons verglichen werden. Dabei sind immer auch Mischformen der einzelnen Strategien möglich.

Die Arbeit erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit der Ereignisse, sondern soll vielmehr einen generellen Überblick über die Strategien und Ziele der einzelnen RAF-Generationen geben. Außerdem wird, wenn es nicht explizit anders formuliert ist, immer die RAF als Kollektiv als Verfasser ihrer programmatischen Schriften angesehen.

2. Definitionen

2.1 Terrorismus

Terrorismus in seinem ganzen Umfang und mit all seinen Erscheinungsformen zu erklären, stellt ein schier unlösbares Unterfangen dar. Es gibt keine einheitliche, allumfassende Definition, mit der alle Phänomene des Terrorismus erklärt werden können. Wer ein Terrorist ist und wer nicht, liegt auch immer in den Augen desjenigen, der die Definition aufstellt und lässt sich darauf zurückführen, was er mit ihr zu erklären versucht.

Zum ersten Mal tauchte der Begriff des Terrors, von dem das Wort Terrorismus abgeleitet ist, im allgemeinen Sprachgebrauch während der Schreckensherrschaft in Folge der Französischen Revolution auf (vgl. Heinke/Kron 2013: S. 871). Attribute, die dem französischen Terreur zugesprochen werden, wie „organisiert, vorsätzlich und systematisch“ (Hoffman 2006: S. 4), lassen sich aber auch heute noch auf zahlreiche Terrorismus-Definitionen beziehen. Auch das Ziel einer neuen, besseren Gesellschaftsordnung anstelle eines korrupten und undemokratischen politischen Systems ist heute häufig Antrieb und Motivation für Terroristen. Da sich der Terrorismus und seine Erscheinungsformen im Laufe der Zeit immer mehr gewandelt haben, ist es nur logisch, dass es nicht eine korrekte Definition geben kann. Einige sind zu umfangreich und komplex gestaltet und versuchen, zu viele Merkmale des Begriffes zu bündeln, was eher in Ratlosigkeit und Verwirrung endet – andere dagegen „zu allgemein und unpräzise, um wirklich nützlich zu sein“ (Daase/Spencer 2010: S. 405).

Da es in der vorliegenden Arbeit um die Strategien der RAF als terroristische Gruppierung geht, ist es aber notwendig, den Begriff des Terrorismus näher zu definieren. Für diese Arbeit soll daher folgende Definition von Heinke und Kron gelten:

„Eine Strategie, die mittels der wiederholten, glaubhaften Androhung oder/und Anwendung von Gewalt von nicht-staatlichen Gruppen systematisch geplant und gezielt Machtinhaber provoziert, um bei den Betroffenen sowie bei interessierten Dritten solche Reaktionen hervorzurufen, die der Erreichung eigener politischer Ziele dienen“ (Heinke/Kron 2013: S. 871).

Terrorismus wird hier einerseits als eine Form der Kommunikation gesehen, die Opfer und Angriffsziele symbolisch für deren Gesellschaft ansieht (vgl. Heinke/Kron 2013: S. 871). Andererseits wird der nicht-staatliche Zustand von Terroristen und die systematische Planung und Umsetzung von Gewalttaten unterstrichen. Obgleich Terrorismus auch staatlicher Natur sein kann, ist diese Definition für die vorliegende Arbeit ausreichend, um die Strategien der RAF näher zu analysieren und soll daher nachfolgend gelten.

2.2 Strategie

Da die vorliegende Arbeit Strategien des Terrorismus behandelt, ist es nötig, eine weitere Begriffsbestimmung zu geben. Im Duden wird Strategie definiert als:

„genauer Plan des eigenen Vorgehens, der dazu dient, ein militärisches, politisches, psychologisches, wirtschaftliches o. ä. Ziel zu erreichen, und in dem man diejenigen Faktoren, die in die eigene Aktion hineinspielen könnten, von vornherein einzukalkulieren versucht“ (Bibliographisches Institut (o.J.): o.A.).

Auch Harmon stellt bei seiner Definition das Erreichen der eigenen Ziele als Grund einer Strategie in den Vordergrund und betont zudem das bewusste Planen der gewählten Mittel von Terroristen: „Strategy is the considered application of means to advance one‘s ends. Terrorists […] are disturbingly calculating about the means they use” (Harmon 2008: S. 39).

Der Soziologe Thomas Kron sieht im Terrorismus eine Strategie, mit der durch Gewalttaten Ängste geschürt werden könnten und sich Terroristen vor allem diese Reaktionen zu Nutzen machen könnten, um ihre eigenen Ziele zu verwirklichen (vgl. Kron 2015: S. 309).

3. Das theoretische Modell Harmons

In seinem 2008 erschienenen Text Strategies of Terrorist Groups arbeitet Christopher C. Harmon fünf verschiedene Terrorismus-Strategien heraus, mit dem Ziel, Terrorismus zu kategorisieren und damit verständlicher zu machen. Harmon betont aber auch, dass die strikte Trennung der einzelnen Strategien nur zu analytischen Zwecken vorgenommen wurde, diese auch in Mischformen vorkommen könnten und alle Strategien Gewalt und Propaganda vereinen, um einen öffentlichen Effekt zu erzielen (vgl. Harmon 2008: S. 39).

3.1 Erzeugung von gesellschaftlicher Unruhe

Die erste Strategie, die Harmon vorstellt, ist die Erzeugung gesellschaftlicher Unruhe. Diese werde in der Regel von Revolutionären genutzt, könne aber auch Mittel von staatlichen Terroristen sein, um etwa durch Anschläge und Verbrechen Ängste und Chaos in der Bevölkerung zu schüren und so den Zuständigkeitsbereich des Staates zu vergrößern oder gar eine Diktatur zu legitimieren (vgl. Harmon 2008: S. 39). Aber auch der entgegengesetzte Weg sei möglich: Indem nicht-staatliche Terroristen gesellschaftliche Unruhe und Chaos erzeugten, trieben sie die Regierung dazu, eine Reaktion zeigen zu müssen. Dieser Druck könne die Regierungen in einem Abwärtsstrudel ziehen, wenn etwaige Gegenmaßnahmen auch die Bevölkerung verstimmen und die Ablehnung gegenüber dem Staat bzw. der Zuspruch gegenüber den Terroristen immer größer wird (vgl. Harmon 2008: S 40).

3.2 Diskreditierung und Zerstörung von Regierungen

Eine weitere Terrorismus-Strategie ist die Diskreditierung oder Zerstörung von Regierungen, um sie durch andere Regierungen ersetzen zu können. Im Gegensatz zur zuvor genannten Strategie ist diese deutlich zielgerichteter (vgl. Harmon 2008: S. 40). Gezielte Angriffe auf Beamte, Wahlhelfer oder sonstige staatliche Angestellte untergraben das Prestige der Regierung und können dazu führen, dass diese in bestimmten Gegenden handlungsunfähig wird. Regierungen, die mit harter Hand zurückschlagen, laufen darüber hinaus Gefahr, die Zustimmung der eigenen Bevölkerung zu verlieren (vgl. Harmon 2008: S. 41). Den Terroristen können diese politischen Strategien nicht nur intern gleichzeitig Glaubwürdigkeit und Unterstützung verleihen, vor allem wenn sich ihre Taten auf ein politisches Programm stützen (vgl. Harmon 2008: S. 41). Diese Strategie kann sich über mehrere Jahre hinweg ziehen und im Laufe der Zeit nach und nach selbst einer unbekannten oder fremden Ideologie zu mehr Prestige verhelfen, wobei jede Einzelaktion den Terroristen wieder eine Bühne gibt, von der aus sie die Öffentlichkeit über ihr Vorhaben informieren können (vgl. Harmon 2008: S. 41). Die Diskreditierung oder Zerstörung von Regierungen wird allen voran angewendet, um politische Macht zu erlangen: Dabei können sich Terroristen letztlich auch zu Wahlen aufstellen lassen oder Koalitionen bilden, um ihr Ziel zu erreichen (vgl. Harmon 2008: S. 41). Auch wenn Gemeinsamkeiten zur ersten Strategie erkennbar sind, grenzt sie sich diese Vorgehensweise doch vor allem durch ihre zielgerichtetere Art und ihre konkreten Ziele und Programme ab.

3.3 Ökonomische Strategie

Eine dritte Taktik von Terroristen ist die Ökonomische Strategie, die bis zum 9/11-Attentat von der zeitgenössischen Politikwissenschaft kaum beachtet wurde (vgl. Harmon 2008: S. 41). Diese ist für Terroristen gleich in mehrfacher Hinsicht sinnvoll und gewinnbringend. So könnten einerseits finanzielle Mittel beschafft werden, indem Banken überfallen oder öffentliche Autobahnen übernommen werden, um deren Nutzer zu besteuern (vgl. Harmon 2008: S. 41). Auf der anderen Seite könnten Aktionen gezielte finanzielle Belastungen auf der Gegenseite hervorrufen: Durch ausbleibende Steuereinnahmen und Fremdinvestitionen, nötige Reparaturen oder Mittel, die beispielsweise für Polizei und Feuerwehr aufgewendet werden müssen, könnten Regierungen oder Unternehmen großer Schaden zugefügt werden (vgl. Harmon 2008: S. 41). Wie bereits die Diskreditierung und Zerstörung von Regierungen zielt die Ökonomische Strategie darauf ab, den Staatsapparat zu lähmen, legt den Fokus dabei aber vor allem auf wirtschaftliche Schäden.

3.4 Militärische Strategie

Des Weiteren nennt Harmon die Militärische Strategie als Möglichkeit, Terroristen ihrem Ziel näher zu bringen. Dabei unterscheidet er zwischen drei verschiedenen terroristischen Gruppen: solche, die keine militärischen Ziele attackieren, solche, die militärische und zivile Ziele angreifen und solche, die auf eine Revolutionsarmee aus dem Volk zurückgreifen können (vgl. Harmon 2008: S. 54). Vor der Zielsetzung, das Militär sowohl personell als auch strukturell zu schwächen, nennt Harmon verschiedene Taktiken. So könnten beispielsweise Angriffe auf militärische Infrastrukturen die Mobilität bewaffneter Einsatzkräfte begrenzen und zum Entstehen sogenannter no go-areas beitragen, in denen der Staat und das Militär faktisch keine Befugnis mehr haben (vgl. Harmon 2008: S. 55). Zum anderen könnten Terroristen mithilfe eines aus dem Untergrund geplanten Guerilla-Krieges starken Einfluss auf das Militär eines Landes haben: Indem sie viele kleine, verstreute und gezielte Angriffe und Überfälle ausüben und so auch einen numerischen Vorteil ziehen können, stellen sie den Staat unter Zugzwang, seine Sicherheitskräfte immer und überall in Bereitschaft haben zu müssen (vgl. Harmon 2008: S. 56). Terroristen könnten diese Situation dann nutzen, um einen unter Umständen liberal-demokratischen Staat in der Öffentlichkeit wie einen Polizeistaat aussehen zu lassen (vgl. Harmon 2008: S. 56). In diesem Fall unterstütze die militärische Strategie sogar die zweite Strategie Harmons, die Diskreditierung und Zerstörung von Regierungen (vgl. Harmon 2008: S. 56). Dabei kann man einmal mehr sehen, wie die einzelnen Strategien miteinander zusammenhängen können.

3.5 Internationalisierung der Sache

Die fünfte und letzte terroristische Strategie bezeichnet Harmon als Internationalisierung der Sache. Diese sei vor allem bei religiös motivierten Terroristen erkennbar, die ihre Ideologie auch über Landesgrenzen hinaus verbreiten wollen und weniger den Staat als Zielobjekt im Sinn haben (vgl. Harmon 2008: S. 58). Aber auch anderweitig motivierte Terroristen begehen Terrorakte in fremden Staaten, um internationale Unterstützung in ideologischer, logistischer und finanzieller Hinsicht zu erhalten (vgl. Harmon 2008: S. 58). Dort entgehen oder entgingen sie mitunter auch den heimischen Behörden und können sich aus der Fremde neu positionieren oder mit gleichgesinnten Gruppierungen kooperieren.

[...]

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Strategien des Terrorismus anhand der drei Generationen der RAF
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Note
3,0
Jahr
2019
Seiten
19
Katalognummer
V589375
ISBN (eBook)
9783346187345
ISBN (Buch)
9783346187352
Sprache
Deutsch
Schlagworte
generationen, strategien, terrorismus
Arbeit zitieren
Anonym, 2019, Strategien des Terrorismus anhand der drei Generationen der RAF, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/589375

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