Deutsch-sowjetische Krisen im Kalten Krieg. Die Berlin-Blockade

Untersuchung der Ursachen und Folgen der ersten Berlin-Krise


Hausarbeit (Hauptseminar), 2018

24 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


In haltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der Weg in die Krise
2.1. Deutschland nach der „Stunde Null“
2.2. Einsetzender Sowjetisierungskurs

3. Die Berlin-Blockade
3.1. Die Lage spitzt sich zu
3.2. Die Lichter gehen aus – Ziele und Reaktionen
3.3. Verpasste Chance und endgültige Teilung

4. Stalins Scheitern

5. Fazit

6. Bibliografie
6.1. Quellenverzeichnis
6.2. Forschungsliteratur

1. Einleitung

„Fällt Berlin, dann kommt als nächstes Deutschland und dann können wir uns auch aus Europa zurückziehen.“ 1 Diese noch während der Berlin-Blockade getroffene Aussage des damaligen Militärgouverneurs der amerikanischen Besatzungszone in Deutschland, Lucius D. Clay, lässt erahnen, welche immense Bedeutung die ehemalige Reichshauptstadt für die Siegermächte in der Nachkriegszeit hatte. Nicht zuletzt aufgrund dieser Bedeutung der Stadt, stellte die erste Berlinkrise einen prägenden Ausgangspunkt für die weiteren geschichtlichen Entwicklungen und Ereignisse in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts dar. In diesem Jahr jährt sich das Ereignis zum 70. Mal. Nicht zuletzt aus diesem Anlass lohnt es sich zu untersuchen, welche Entwicklungen dazu führten, dass aus den ehemaligen Alliierten politische Gegner wurden. In der folgenden Einleitung werden die thematischen Schwerpunkte, mit denen sich die Arbeit auseinandersetzt, genannt und begründet. Darüber hinaus werden Fragestellungen aufgeworfen und der Aufbau der Arbeit skizziert, sowie der Forschungsstand erläutert.

Wie der Titel der vorliegenden Arbeit bereits impliziert, geht es bei den angestellten Untersuchungen vorwiegend um die Ursachen, den Verlauf und die Folgen der Berlin-Blockade. Diese drei Felder bilden die Schwerpunkte und wurden daher folgendermaßen in die Gliederung eingearbeitet. Im ersten Teil der Hausarbeit wird die Situation nach Beendigung des 2. Weltkriegs bis zum Verhängen der Blockade von sowjetischer Seite skizziert. Die Entscheidung dafür, dass dieses Kapitel zeitlich direkt nach der Kapitulation der Wehrmacht im Mai 1945 ansetzt, wird wie folgt begründet. Die Ursachen für die Berlin-Krise lassen sich nicht ausschließlich aus den Ereignissen des Jahres 1948 ableiten. Eine solche Betrachtung greift an dieser Stelle schlichtweg zu kurz. Bereits unmittelbar nach dem Kriegsende kam es zu einer Vielzahl an Entscheidungen und Aktionen seitens der Siegermächte, die einen wirklichen Rahmen für die Blockade schufen und eine gemeinsame Lösung der deutschen Frage möglicherweise sehr früh ausgeschlossen haben. Im Anschluss daran wird der Verlauf der Auseinandersetzung analysiert. Wichtig zu erwähnen ist, dass hierbei vor allem die Aktionen der sowjetischen Seite im Vordergrund stehen. Dass an dieser Stelle dennoch auch Reaktionen und Handlungen der Amerikaner beziehungsweise der Siegermächte Frankreich und Großbritannien ihre Erwähnung finden, ist unerlässlich. Jedoch liegt der Fokus auf der Sowjetunion als handelnder Akteur auf deutschem Boden. Anhand der soeben gemachten Ausführungen lässt es sich begründen, dass die weltbekannte Luftbrücke als Gegenreaktion der Amerikaner nicht primärer Bestandteil des Hauptteils ist. Vielmehr werden in diesem Kapitel hochinteressante politische Geschehnisse der Jahre 1948/1949 untersucht. Vor allem die Währungsreform als letztendlicher Auslöser der Blockade oder die Absetzung der Magistratsregierung, welche die politische Teilung der Stadt besiegelte, bilden dabei den Rahmen des Hauptteils. Desweiteren wird eine vergebene Möglichkeit zur vorzeitigen Beendigung der Blockade thematisiert. In Punkt 4 „Stalins Scheitern“ werden die Aktionen in den letzten Monaten der Blockade untersucht. Weshalb wurde die Berlin-Blockade aufgegeben und wer ging als Gewinner beziehungsweise Verlierer aus ihr hervor? Außerdem werden die Folgen und Auswirkungen der Berlin-Blockade untersucht. Im abschließenden Fazit wird eine Zusammenfassung der zentralen Punkte der Arbeit unter dem Aspekt der gestellten Fragen vorgenommen. Außerdem werden die im Hauptteil genannten Ziele des sowjetischen Führers mit den letztendlich erreichten Resultaten verglichen.

Die zentrale Fragestellung der Arbeit wird daher wie folgt formuliert: Welche Ziele verfolgte Stalin mit der Berlin-Blockade und was waren die tatsächlichen Ergebnisse? Darüber hinaus wird der Frage nachgegangen, inwiefern die erste Berlin-Krise zu der deutschen Teilung 1949 führte.

Die vorliegende Arbeit über die erste Station des Kalten Kriegs zielt darauf ab, die Geschehnisse der Nachkriegszeit bis in die Krisenjahre 1948/49 nachvollziehbar zu skizzieren. Dabei geht es in erster Linie nicht um die Vollständigkeit aller Ereignisse, sondern vielmehr darum, einzelne Aktionen und deren Bedeutung für die deutsch-sowjetische als auch für die sowjetisch-westliche Beziehung zu investigieren. Die mitunter komplexen bilateralen Vorgänge sollen in einer Weise dargestellt und so miteinander verknüpft werden, dass ein schlüssiges Gesamtbild entsteht.

Der Wissenschaft stehen zahlreiche Quellen in Form von Bild- und Tonmaterial, sowie von Dokumenten und Zeitzeugenberichten zur Verfügung. Mit dem Ende des Kalten Krieges und dem Zusammenbruch des kommunistischen Staatensystems 1991 begannen sich die Archive in West und Ost zu öffnen. Dadurch erhielt die Wissenschaft nochmals neue Möglichkeiten zur Erforschung des Themas. Bis heute gelangen immer weitere Dokumente sowjetischer Außenpolitik an die Öffentlichkeit. Trotz alledem gibt es bis heute kontroverse Ansichten über die Außenpolitik der beiden involvierten Blockmächte. Immer wieder beschäftigen sich Experten und Wissenschaftler hierbei mit der Frage, ob eine mögliche gesamtdeutsche Lösung bereits vor 70 Jahren hätte erreicht werden können. Auch Diskussionen darüber, welche Partei welchen Schuldanteil an der damaligen Situation hatte, sind dabei Gegenstand der Debatte. Aus diesem Grund sind vor allem Aufsätze sowjetischer und amerikanischer Autoren aus der Zeit vor der Wiedervereinigung nicht immer als objektiv zu betrachten. Einer der Spezialisten auf diesem Gebiet war der 2017 verstorbene Autor Gerhard Keiderling. In verschiedenen Werken widmete er sich speziell der Geschichte Berlins nach 1945. Sein 1998 erschienenes Werk „''Rosinenbomber'' über Berlin. Währungsreform, Blockade, Luftbrücke, Teilung.“ zählt zu den Standardwerken der Thematik. 2 Desweiteren bilden die Abhandlungen von Helmut Altrichter und Gerhard Wettig eine solide Grundlage für die Auseinandersetzung mit dem Thema. Beide Autoren untersuchen in ihren Werken Stationen deutsch- russischer beziehungsweise deutsch-sowjetischer Politik und nehmen dabei Bezug auf die Berlin- Blockade. Altrichters dritter Band über deutsch-russischen Beziehungen im 20. Jahrhundert „Deutschland – Russland. Stationen gemeinsamer Geschichte – Orte der Erinnerung“ beinhaltet jeweils einen Aufsatz eines deutschen und eines russischen Geschichtswissenschaftlers.

2. Der Weg in die Krise

2.1. Deutschland nach der „Stunde Null“

„Irgendwo nebenan lag die deutsche Stadt Berlin. Öde, düster, mit schnurgeraden Reihen fünfstöckiger Häuser, breiten Straßen und akkuraten Schildern an den Ecken. Aufschriften an den Wänden und Zäunen verkündeten: 'Räder müssen rollen für den Sieg!'.“3 So zitiert der Autor Gerhard Keiderling einen sowjetischen Kriegsberichterstatter, der seine Eindrücke über die ehemalige Reichshauptstadt im Mai 1945 schilderte. Doch entgegen der Aufschriften an Häuserwänden standen die Räder schon längst still. Das letzte Kapitel des größten Dramas der Weltgeschichte wurde in Berlin geschrieben. An diesem Ort versetzte die Rote Armee, die während des gesamten Kriegs die wohl schwerste Bürde trug, dem NS-Regime den ultimativen Todesstoß.4 Nachdem Adolf Hitler am 30. April 1945 Selbstmord beging und die Wehrmacht am 8. Mai in Berlin-Karlshorst bedingungslos kapitulierte, war der 2. Weltkrieg offiziell beendet. Dass das politische Interesse der Siegermächte an Deutschland sehr groß war, ist aufgrund der zentralen Lage und anderer wirtschaftlicher und politischer Faktoren nicht verwunderlich. Gerade aufgrund dieses enormen Interesses kamen in der Deutschlandfrage die Unterschiede zwischen den Systemen deutlich zum Vorschein. Zumindest war man sich 1945 auf sowjetischer als auch auf amerikanischer Seite einig, dass man den Deutschen keineswegs zu viel politische Eigenständigkeit zugestehen wollte.5

Mit Beendigung des Krieges wird in der Geschichte gerne die viel zitierte „Stunde Null“ in Verbindung gebracht. Dass dieser Begriff zwar rhetorisch klangvoll erscheinen mag, jedoch historisch inkorrekt ist, wird nicht zuletzt durch die bereits während des 2. Weltkriegs abgehaltenen Konferenzen der Alliierten belegt. Insbesondere die Frage der Gestaltung Deutschlands nach Beendigung des Kriegs war Gegenstand dieser Gespräche. Als sich die alliierten Staatschefs Churchill, Roosevelt und Stalin im Februar 1945 auf der Krim zur Konferenz von Jalta versammelten, forderte der sowjetische Führer die staatliche Aufspaltung Deutschlands. Für diese Forderung plädierte das Außenministerium und Diplomaten der UdSSR noch bis Mitte März vehement. Am 24. März 1945 gab der damalige Außenminister Wjatscheslaw Molotow bekannt, dass die Aufteilung Deutschlands kein verbindlicher Plan mehr sei.6 Die Gründe für diesen Kurswechsel waren dabei vielseitig. Unter anderem hatte die Sowjetunion aufgrund der ausstehenden materiellen Forderungen an Deutschland ein Interesse am Erhalt der deutschen Einheit. Bei einer möglichen Zerstückelung Deutschlands befürchtete man, die Ansprüche in den zu den angelsächsischen Mächten gehörenden Gebieten, nicht geltend machen zu können. Die bloße Angst vor nicht beglichenen Reparationszahlungen war jedoch keineswegs der einzige Grund für den Kurswechsel. Vielmehr war es die Tatsache, dass man Deutschland an sich als wichtige politische Angelegenheit ansah. Schon seit Zeiten der Supermacht Preußen warfen russische Führer stets ein Auge auf Deutschland. Zudem war Deutschland das Geburtsland Karl Marx' und einer der industrialisiertesten Staaten auf dem europäischen Kontinent. Außerdem könnte eine positive Beziehung zu Deutschland dabei helfen, die Macht gegenüber den westlichen Alliierten zu stärken. Dieses enorme Interesse wird nicht zuletzt durch die letzten Kriegswochen belegt, in denen Stalin alles daran setzte vor den amerikanischen Truppen das politische Zentrum Deutschlands zu erreichen. Von diesem Erfolg versprach er sich entscheidenden Einfluss in der Nachkriegsentwicklung des gesamten Landes.7

Doch wie sah die politische Entwicklung in Deutschland nach Ende des 2. Weltkriegs tatsächlich aus?

Die alliierten Siegermächte übernahmen am 5. Juni 1945 die oberste Regierungsgewalt in Deutschland. Aufgeteilt wurde das ehemalige „Dritte Reich“ in vier Besatzungszonen. In diesen Besatzungszonen stellte der jeweilige Oberbefehlshaber in Vertretung seiner Regierung die oberste Autorität dar. Die staatliche Gewalt ging von der obersten Regierung bis hin zu den Lokalverwaltungen der Städte und Gemeinden auf alle alliierten Stellen über. Ebenso wie Gesamtdeutschland wurde auch Berlin in vier Sektoren aufgeteilt. Die ehemalige Reichshauptstadt stand fortan unter gemeinsamer Verwaltung einer speziellen Alliierten Stadtkommandantur. Für Gesamtdeutschland sollte der eingerichtete Alliierte Kontrollrat ein einheitliches Vorgehen garantieren. 8 Auch in den folgenden Wochen kommunizierte man gemeinsam über die Zukunft Deutschlands. So kam es Mitte Juli 1945 zu einem weiteren Treffen zwischen Stalin, dem neuen US- Jahrhundert. München 2014. S. 173.

Präsidenten Truman und Churchill. Im Schloss Cecilienhof bei Potsdam einigte man sich auf die Prinzipien der fünf „D‘s“: Demokratisierung, Demilitarisierung, Denazifizierung, Dezentralisierung und Dekartellisierung. Diese im sogenannten Potsdamer Abkommen formulierten Grundsätze erweckten zunächst den Eindruck eines wirklichen Miteinanders. Doch diese scheinbare Einheit, sollte sich sehr bald als illusorisch erweisen. Vor allem in puncto Demokratisierung wurden die alten ideologischen Gegensätze der politischen Systeme deutlich. Hier knallte Stalins sozialistische Auffassung von Demokratie mit der bürgerlich-freiheitlichen Demokratieidee der Westalliierten aufeinander.9

Ein weiterer wesentlicher Bestandteil der Deutschlandfrage war die Wahrung der wirtschaftlichen Einheit. Eine wirtschaftliche Gleichbehandlung war der deutschen Bevölkerung durch den Alliierten Kontrollrat zugesichert worden. Klar war auch, dass dieser Kontrollrat über Fragen gesamtdeutscher Relevanz zu entscheiden hatte. Jedoch wurde es verpasst klar zu definieren, welche Angelegenheiten von gesamtdeutschen Interesse sind und welche in den Zuständigkeitsbereich der jeweiligen Besatzungsmacht fallen. Diese Unklarheit nutzte die UdSSR konsequent aus, um die eigenen Interessen und Ziele in ihrer Besatzungszone durchzusetzen. Dass dieses separate Vorgehen gegen die vereinbarten Vier-Mächte-Prinzipien einer gemeinsamen Besatzungsherrschaft widersprach, spielte für die Sowjetunion dabei keine Rolle. Letztendlich war dieses eigensinnige Vorgehen schon während der Potsdamer Konferenz wahrnehmbar, als Stalin und Molotow nicht dazu bereit waren, dem Prinzip der Wirtschaftseinheit Taten folgen zu lassen. Vielmehr hatten die eigenen Reparationsansprüche bei den Verhandlungen absoluten Vorrang. Amerika und Großbritannien hingegen waren nicht bereit, die sowjetischen Reparationsforderungen vollumfänglich zu gewähren, da diese die Wirtschaft und Bevölkerung in ihren Zonen in zu hohem Maße schwächen würden. Die beschriebene Situation führte letztendlich dazu, dass die Aufteilung des Landes in zwei Reparationsgebiete hingenommen werden musste. Das Potsdamer Prinzip der Wirtschaftseinheit war somit gescheitert.10

In den ersten Wochen und Monaten sah es so aus, als könnten sich die Alliierten in den wesentlichen Punkten auf einheitliche Lösungen einigen. Schnell zeigte sich jedoch, dass Stalin seine eigenen Absichten verfolgte und Westmächte nicht zu Kompromissen bereit waren. Aus den ehemaligen Kriegsverbündeten wurden Gegner, die ihre Ziele auf deutschen Boden durchsetzen wollten. Darüber wie diese Pläne vor allem auf sowjetischer Seite aussahen und wie man versuchte sie umzusetzen, gibt der nächste Teil der Arbeit Aufschluss.

2.2. Einsetzender Sowjetisierungskurs

Eingangs der Arbeit wurde die Frage nach den Zielen gestellt, die mit der Berlin-Blockade verfolgt wurden. Um darauf Antworten zu finden, ist es unerlässlich zu untersuchen, welche Absichten die Sowjetunion nach dem Krieg in Bezug auf Deutschland hatte und wie man versuchte, diese Absichten durchzusetzen. Die Frage ob Stalin bereits 1945 mit einer Ost-West Spaltung Deutschlands gerechnet hat beziehungsweise diese forcieren wollte ist rein hypothetischer Natur. Auch wenn einige Wissenschaftler eben davon ausgehen, so gibt es genügend Fakten, die dafür sprechen, dass Stalin ein einheitliches Deutschland nicht ablehnte. Im Folgenden werden eine Reihe von Maßnahmen genannt, die als Versuch Stalins, das sowjetische System erfolgreich in der eigenen Besatzungszone zu etablieren, gewertet werden können. Diese aus sowjetischer Sicht Erfolg versprechenden Maßnahmen sollten anschließend als Vorbild für die Besatzungspartner im Westen dienen und dort übernommen werden. Diese Art der Betrachtung zeigt zwar, dass Stalin tatsächlich die Wahrung der Staatseinheit anstrebte, jedoch nur und ausschließlich nach seinen eigenen Vorstellungen. Doch wie genau sahen diese Vorstellungen aus?11

Nachdem die Zeit des Miteinander zwischen der Sowjetunion und den USA sehr schnell beendet war, folgten gegenseitiges Misstrauen und der Versuch, die jeweils andere Seite öffentlich anzuprangern. Diese unterschiedlichen Darstellungen der beiden Supermächte spiegeln sich ebenfalls in der Literatur über die damalige Zeit wieder. So werden aus sowjetischer Sicht, die USA als diejenigen dargestellt, welche bereits zugesagte Reparationen aus Deutschland verweigerten und die ihre ökonomische Überlegenheit als Druckmittel einsetzten. In westlichen Aufsätzen ist wiederum von der Sowjetunion als Aggressor, der nicht vor einem Dritten Weltkrieg zurückschreckte, die Rede.12

Trotz dieser offenkundigen Diskrepanzen war man sich seitens der UdSSR bewusst, dass man auf die Mitwirkung oder zumindest Duldung der anderen Besatzungsmächte angewiesen war. Gerade da man wie bereits erwähnt versuchte, ein Minimum an Einfluss auf die westlichen Besatzer auszuüben, durfte es nicht zum kompletten Bruch mit diesen kommen. Aus diesem Grund durfte keineswegs der Eindruck entstehen, dass Moskau auf eine Sowjetisierung der SBZ hinarbeitete. Andernfalls würde der Sowjetunion keine Einflussnahme auf den Okkupationsbereich der westlichen Regierungen gewährt werden. Tatsächlich aber war der Sowjetisierungsprozess bereits in vollem Gange. Dieser Prozess wurde jedoch vor allem durch rhetorisches Geschick verschleiert.13 Was das genau bedeutet, lässt sich exemplarisch am Schicksal der bürgerlichen Parteien in der SBZ erklären. Am 10. Juni 1945 gab man von sowjetischer Seite aus die Erlaubnis zur Bildung von Parteien bekannt. Somit war die Existenz bürgerlicher Parteien formal betrachtet erlaubt. Jedoch bildete sich die sowjetische Militäradministration zunächst ihr eigenes Urteil über die Personen und Programme, bevor diese eine Lizenz erteilt bekamen. Die Parteien mussten dafür unter anderem der Blockstruktur und anderen Konditionen zustimmen. Erhielt eine Partei letztendlich die Lizenz, so wurde diese fortan ständig überwacht. Außerdem wurden sie bei ihren Bemühungen um organisatorische Ausdehnung auf verschiedenste Arten behindert. Auf diese Weise versuchten die SMAD-Offiziere den politischen Erfolg der bürgerlichen Kräfte im Keim zu ersticken. Die Vorstellung vom bösen bürgerlichen Feind, mit der nahezu Offiziere der SMAD aufgewachsen sind, bekräftigte sie in ihrem Handeln.14

Die KPD trat bereits am 11. Juni 1945 mit einem Gründungsaufruf an die Öffentlichkeit. Seitens der Sowjetunion war man der festen Überzeugung, dass die KPD die SPD an organisatorischer Stärke übertreffen sollte und auch in der Gunst der Bevölkerung weiter vorne liegen müsse. Diese Annahme stellte sich als Trugschluss heraus. Die Sozialdemokraten genossen vor allem in der Arbeiterschaft einen größeren Rückhalt als die KPD. Diese drohte nun in aller Öffentlichkeit zur unterlegenen Partei zu werden. 15 Angesichts dieser Tatsache beschloss der Leiter der Propaganda- und Informationsabteilung der SMAD, Sergei Tjulpanow, die Vereinigung beider Parteien herbeizuführen. Doch vor allem innerhalb der SPD entstand gegen das Vorhaben des Oberst Tjulpanow großer Widerstand. Diejenigen Sozialdemokraten, die sich gegen den Plan zur Wehr setzten, mussten Repressionen und Tätigkeitsbehinderungen ins Auge blicken. Nach langen Diskussionen überzeugte man schließlich den SPD-Vorsitzenden Grotewohl von der Fusion der Parteien und dieser letztendlich die Mehrheit seiner Mitglieder. So wurde der Zusammenschluss der KPD und SPD zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands am 21. April 1946 vollzogen. Jedoch entsprach die SED nicht voll und ganz den sowjetischen Vorstellungen einer leninistischen Kader- und Kampfpartei. Ein weiteres zentrales Problem war, dass die SED in ihrem Geltungsbereich auf die SBZ beschränkt war. Aufgrund der Art des Zustandekommens und der Bestrebungen der SED lehnten die westlichen Besatzungsbehörden die Partei ab. Die SED hatte somit keine Aussicht darauf, die Arbeit im Westen aufzunehmen. Eine von sowjetischer Seite geplante zentrale Rolle der Partei für ganz Deutschland, konnte die SED demnach nicht übernehmen.16

[...]


1 Zitiert nach: Kostka, Bernd; Trotnow, Helmut: Die Berliner Luftbrücke. Ereignis und Erinnerung. Berlin 2010. S. 12.

2 Kostka, Bernd; Trotnow, Helmut. S. 9.

3 Zitiert nach: Keiderling, Gerhard; Stulz, Percy: Berlin 1945 – 1968. Zur Geschichte der Hauptstadt der DDR und der selbstständigen politischen Einheit Westberlin. Berlin 1970. S. 10.

4 Ebenda. S. 11.

5 Stöver, Bernd: Der Kalte Krieg. Geschichte eines radikalen Zeitalters 1947-1991. München 2007. S. 53.

6 Davison, Walter Phillips: The Berlin Blockade. A study in Cold War politics. Princeton 1958. S. 20-22.

7 Ebenda.

8 Altrichter, Helmut: Deutschland – Russland. Stationen gemeinsamer Geschichte – Orte der Erinnerung. Bd. 3. Das 20.

9 Creuzberger, Stefan: Die Erste Berlin-Krise 1948/1949. Die sowjetische Blockade. In: Altrichter, Helmut: Deutschland – Russland. Bd. 3. Das 20. Jahrhundert. München 2014. S. 189.

10 Altrichter, Helmut. S. 173-174.

11 Loth, Wilfried: Die Teilung der Welt. Geschichte des Kalten Krieges 1941-1955. München 1990. S. 150.

12 Ebenda. S. 150-152.

13 Wettig, Gerhard: Bereitschaft zu Einheit in Freiheit? Die sowjetische Deutschland-Politik 1945-1955. München 1999. S. 42-44.

14 Ebenda. S. 78-80.

15 Davison, Walter Phillips. S. 37-39.

16 Ebenda.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Deutsch-sowjetische Krisen im Kalten Krieg. Die Berlin-Blockade
Untertitel
Untersuchung der Ursachen und Folgen der ersten Berlin-Krise
Hochschule
Universität Rostock
Note
1,3
Autor
Jahr
2018
Seiten
24
Katalognummer
V589383
ISBN (eBook)
9783346185587
ISBN (Buch)
9783346185594
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kalter Krieg, Deutschland und die Sowjetunion, Berlin Blockade, Nachkriegszeit
Arbeit zitieren
Philip Sell (Autor:in), 2018, Deutsch-sowjetische Krisen im Kalten Krieg. Die Berlin-Blockade, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/589383

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