In einer Zeit des Klimawandels entscheiden sich immer mehr Menschen für eine nachhaltige, fleischfreie Ernährung. Dass sich viele von ihnen jedoch nach dem Geschmack von Fleisch sehnen, verdeutlicht der Anstieg von tierfreien Ersatzprodukten im Supermarkt. Diese Produkte schaffen eine Alternative zum Fleischkonsum, ohne einen Verzicht zu suggerieren.
Wie gelingt es den Herstellern, tierfreie Ersatzprodukte erfolgreich zu bewerben? Welche Strategien und Trends nutzen sie dafür? Und wie unterscheidet sich diese Art der Vermarktung von der Vermarktung fleischhaltiger Lebensmittel?
Die Autorin Emmy Bethmann beleuchtet die Vermarktung von vegetarischen bzw. veganen Ersatzprodukten und vergleicht diese mit der Vermarktung von Fleisch- und Wurstprodukten. Anhand von Verpackung, Design und Slogans der Produkte benennt sie Vermarktungsstrategien und leitet zukünftige Trends ab.
Aus dem Inhalt:
- Ersatzprodukte;
- vegan;
- vegetarisch;
- Vermarktung;
- Produktmarketing
Inhaltsverzeichnis
Management Summary
Abstract
Schlüsselbegriffe
Keywords
Tabellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Zielsetzung
1.2 Aufbau der Arbeit
2 Theoretischer Bezugsrahmen
2.1 Vegetarische und vegane Ernährung
2.2 Der Stellenwert von Fleisch in Deutschland
2.3 Lebensmittelmarketing
2.4 Motivationstheorie: Bedürfnistheorie nach Maslow
3 Empirische Forschung
3.1 Forschungsfrage und Forschungshypothesen
3.2 Inhaltsanalyse
3.3 Ergebnisse und Interpretation der Untersuchung
4 Beantwortung der Forschungsfrage und Hypothesenprüfung
5 Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Anhang
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Impressum:
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Management Summary
Diese Bachelorthesis, die im Rahmen des Studiums Medienmanagement mit Schwerpunkt Sport- und Eventmanagement an der Hochschule Macromedia verfasst wurde, stellt anhand einer empirischen Untersuchung die Vermarktung von vegetarischen/veganen Ersatzprodukten im Vergleich zu Fleisch- und Wurstprodukten dar. In unserer heutigen Zeit, in der der Klimawandel kontrovers diskutiert ist, wird die Bedeutung nachhaltig zu konsumieren immer relevanter und der Markt der tierfreien Ersatzprodukte erlebt einen Anstieg. Der Vergleich von tierischen Produkten mit den tierfreien Ersatzprodukten dient dazu Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Bezug auf die Vermarktung darzustellen. Die Ausführungen und Erläuterung der theoretischen Grundlage erfolgt anhand des aktuellen Forschungsstandes. Mittels Inhaltsanalyse nach Mayring werden beide Produktgruppen innerhalb mehrerer Kategorien analysiert. Die Ergebnisse der Untersuchung werden sowohl schriftlich als auch grafisch dargestellt und interpretiert. Im Rahmen der Untersuchung werden zusätzlich Marketingstrategien, die den Verkauf der Produkte fördern sollen, verdeutlicht und bewertet.
Abstract
This bachelor's thesis, which was written as part of the media management course of study with a focus on sports and event management at Macromedia University, analyses the marketing of vegetarian/vegan substitute products in comparison to meat and sausage products on the basis of an empirical study. In the era of climate change, the importance of sustainable consumption becomes increasingly relevant and the market for animal-free substitute products experiences a significant gain of market share. The comparison of both product groups serves to reveal similarities and differences in terms of marketing. The presentation and explanation of the theoretical basis is founded on the current state of research. By means of the content analysis according to Mayring, both product groups are being analysed within several categories. The results of the analysis are presented and interpreted in written and graphical form. Within the scope of research, additional marketing strategies, which are intended to promote sales, will be evaluated.
Schlüsselbegriffe
Ersatzprodukte
Fleisch- und Wurstprodukte
Vegan/vegetarisch
Vermarktung
Produktmarketing
Keywords
Alternative products
Meat and sausage products
Vegan/vegetarian
Marketing
Product marketing
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1. Produkte und Erzeugnisse von Tieren, die von konsequenten Veganern nicht verwendet werden
Tabelle 2. Handlungen und Einrichtungen, die konsequente Veganer als Ausbeutung von Tieren einordnen und deshalb ablehnen
Tabelle 3. Motive für eine vegetarisch/vegane Ernährung
Tabelle 4. Codebuch mit Kategorien und Auswahlmöglichkeiten zur Analyse
Tabelle 5. Auswertung der 50 vegetarischen und veganen Ersatzprodukte
Tabelle 6. Auswertung der 50 Fleisch- und Wurstprodukte
Tabelle 7. Vegetarisch und vegane Ersatzprodukte der Untersuchung
Tabelle 8. Fleisch- und Wurstprodukte der Untersuchung
Tabelle 9. Ergebnisse der Untersuchung Teil 1 von 2
Tabelle 10. Ergebnisse der Untersuchung Teil 2 von 2
Tabelle 11. Siegel der neunten Kategorie
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Wasser-Fußabdruck ausgewählter Produkte
Abbildung 2: Beispielhafte Positionen ausgewählter Lebensmittelproduktgruppen im Produktlebenszyklus
Abbildung 3: Schlachtmengen vs. Fleischverbrauch 1998, 2008, 2018
Abbildung 4. Bedürfnispyramide nach Maslow
Abbildung 5: Ergebnisse der Verpackungsfarben von vegetarischen/veganen Ersatzprodukten
Abbildung 6: Ergebnisse der Verpackungsfarben von Fleisch- und Wurstprodukten
Abbildung 7: Ergebnisse der Verpackungsform von tierfreien Ersatzprodukten im Vergleich zu Fleisch- und Wurstprodukten
Abbildung 8: Ergebnisse des Verpackungsmaterials von tierfreien Ersatzprodukten mit Fleisch- und Wurstprodukten
Abbildung 9: Ergebnisse der Grafiken auf der Verpackung von tierfreien Ersatzprodukten und Fleisch- und Wurstprodukten
Abbildung 10: Ergebnisse des Logos von tierfreien Ersatzprodukten und Fleisch- und Wurstprodukten
Abbildung 11: Ergebnisse des Markennamens von tierfreien Ersatzprodukten und Fleisch- und Wurstprodukten
Abbildung 12: Ergebnisse des Wordings und der Hinweise von vegetarischen/veganen Ersatzprodukten im Vergleich zu Fleisch- und Wurstprodukten
Abbildung 13: Ergebnisse der Slogans/Claims von tierfreien Ersatzprodukten im Vergleich zu Fleisch und Wurstprodukten
Abbildung 14: Ergebnisse der Siegel von vegetarischen/veganen Ersatzprodukten und Fleisch- und Wurstprodukten
Abbildung 15: Ergebnisse der Preisspanne von tierfreien Ersatzprodukten und Fleisch- und Wurstprodukten
Abkürzungsverzeichnis
Abb. Abbildung
Bio Biologisch
BSE Bovine spongiforme Enzephalopathie
bspw. beispielsweise
bzw. beziehungsweise
ca. circa
DGE Deutsche Gesellschaft für Ernährung
EFSA European Food Safety Authority
EG-Öko Europäische Ökologische Verordnung
EPIC European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition
EU Europäische Union
FAO Food and Agriculture Organization of the United Nations
FMCG Fast Moving Consumer Goods
F&E Forschung und Entwicklung
g Gramm
HCVO Health-Claims-Verordnung
kg Kilogramm
Mio. Million
Mrd. Milliarden
o.ä. oder ähnliches
OECD Organization for Economic Cooperation and Development
PET Polyethylenterephthalat
POS Point of sale
sog. sogenannte/-n
TV Television
u.a. unter anderem
US United States
u.v.m. und vielem mehr
VSKM Verbraucherschutzministerkonferenz
V-Lab Vegetarisch/Vegan-Lab
WRAP Waste and Resources Action Program
WWF World Wildlife Fund
z.B. zum Beispiel
zw. zwischen
1 Einleitung
„Ich fühle mich gerade wahnsinnig dumm, dass ich noch nicht die Entscheidung getroffen habe, Veganer zu werden. […] ich bin ein Genussmensch und ich bin ein egoistischer Mensch […] verzichten fällt mir einfach schwer“ (Mälzer, 2019, S. 41:04-41:23). Dieses Zitat stammt von dem deutschen TV-Koch, Unternehmer und Kochbuchautor Tim Mälzer, das bei einem Gespräch mit dem Thema „ Die Zukunft des Essens und des Kunstfleisches“ zustande kam. Ein Koch, der durch seine fleischhaltigen Gerichte bekannt geworden ist und kommerziellen Erfolg damit hat, rechtfertigt sich im deutschen Fernsehen für seinen aktuellen Fleischkonsum.
Der Grundgedanke von vegetarischen und veganen Ersatzprodukten ist es, eine alternative zum Fleisch zu schaffen und somit dem „Verzicht“ von dem Tim Mälzer spricht, entgegenzukommen. Durch den Aufwärtstrend des Veganismus gibt es immer mehr tierfreie Ersatzprodukte in deutschen Supermärkten. Die Macht der Konsumenten wird unterschätzt, dabei beeinflussen diese durch ihre Kaufentscheidung den Produktionsprozess und die Entwicklung neuer Trends. Beim Lebensmitteleinkauf geben wir durch unsere Kaufentscheidung täglich eine Stimme ab. Eine Stimme, die sich auf Grund unserer individuellen Einstellung formt und Auswirkungen auf den Markt hat (Richter, 2019).
Anhand des mittlerweile großen Sortiments an Ersatzprodukten wird deutlich, dass die Menschen das Bedürfnis nach dem Geschmack von Fleisches haben, jedoch aus anderen Gründen auf den Konsum verzichten. Daher soll im Rahmen dieser Arbeit die Vermarktung von vegetarischen und veganen Ersatzprodukten im Vergleich zu Fleisch- und Wurstprodukten untersucht werden. Hierbei sollen Unterschiede und Gemeinsamkeiten beider Warengruppen kritisch betrachtet werden. Außerdem wird hinterfragt wie trendbewusst und flexibel die Hersteller beider Märkte auftreten und mit welcher Argumentation die Produkte vermarktet werden.
1.1 Zielsetzung
Das Ziel dieser Arbeit ist es, einen Einblick in die aktuelle Vermarktungsstrategien beider Produktgruppen sowie deren Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu geben. In diesem Zusammenhang werden die Verpackungen der Hersteller nicht nur in Hinblick auf das Design, sondern vor allem in Anbetracht des Inhaltes, sowie dem Wording, mit Hilfe einer qualitativen Inhaltsanalyse untersucht.
1.2 Aufbau der Arbeit
Die Thesis beginnt mit dem theoretischen Bezugsrahmen, indem der Leser in die Thematik des Veganismus, der Fleischindustrie, des Lebensmittelmarketings sowie der Motivationstheorie von Maslow, eingeführt wird. Hierbei werden bereits relevante Zahlen zur Größeneinordnung in Bezug auf das Wachstum und den Umsatz der Märkte genannt. Im weiteren Verlauf der Arbeit werden die Methodik der Untersuchung dargestellt und die Ergebnisse erläutert und interpretiert. Abbildungen der Ergebnisse werden dabei nicht im Anhang, sondern direkt im Text dargestellt, um den Lesefluss zu vereinfachen. Am Ende der Arbeit folgt die Beantwortung der Forschungsfrage und die Überprüfung der Hypothesen. Im Fazit werden die relevantesten Ergebnisse zusammengefasst, die daraus abzuleitende Marketingstrategie wird erläutert und ein Ausblick auf die Zukunft des Marktes und dessen Vermarktung wird gegeben. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Folgenden auf die gleichzeitige Verwendung weiblicher und männlicher Sprachformen verzichtet und das generische Maskulinum verwendet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.
2 Theoretischer Bezugsrahmen
Im theoretischen Bezugsrahmen wird die vegetarische und vegane Ernährung unabhängig voneinander vorgestellt und erörtert. Dabei wird auf die Herkunft der Begriffe, die verschiedenen Formen der Ernährungsarten sowie die Merkmale und Motive von Vegetariern und Veganern eingegangen. Auf den neuen veganen Markt mit dessen Ersatzprodukten und deren Umsatzzahlen wird bezuggenommen. Um den Vergleich zu ermöglichen, wird ebenfalls der Fleischmarkt und der Fleischkonsum in Deutschland untersucht und erläutert. Das Marketing von Lebensmitteln ist einer der klassischen Bereiche des Marketings. Dieser wird vorgestellt, um in der Empirie Gemeinsamkeiten und Abweichungen der herkömmlichen Mischkost zu tierfreien Alternativen zu erforschen. Abgeschlossen wird die theoretische Grundlage mit der Vorstellung der Motivationstheorie von Maslows Bedürfnispyramide.
2.1 Vegetarische und vegane Ernährung
Der Vegetarismus und Veganismus findet in Zeiten des Klimawandels verstärkt öffentliches Interesse. Das Verhältnis zwischen Mensch und Tier wird in allen Kulturen der Welt thematisiert und eine Vielzahl der bedeutenden Denkern beschäftigten sich bereits seit der Antike mit dem Töten von Tieren zur Nahrungsgewinnung (Kettler & Leitzmann, 2013).
2.1.1 Die vegetarische Ernährung
Um circa 1850 taucht erstmals der Begriff „Vegetarismus“ im Sprachgebrauch auf, obwohl bereits in der Antike vegetarische Gemeinschaften existierten. Abgeleitet wird der Begriff „Vegetarier“ vom lateinischen vegetare (= beleben) bzw. vegetus (= frisch, lebendig, belebt). Der Vegetarismus charakterisiert sich somit im ursprünglichem Sinne durch eine lebendige und belebende Ernährungs- und Lebensweise, in der ausschließlich Produkte verzehrt werden, die von lebendigen Tieren stammen. Dazu gehören neben pflanzlichen Lebensmitteln unter anderem auch Eier, Milch oder Honig (Leitzmann, 2018). „In diesem Sinne verstand der Philosoph Pythagoras (Griechenland, 570-510 v. Chr.), der Begründer des ethischen Vegetarismus, die fleischlose Kostform“ (Leitzmann, 2018, S. 14). Das englische Wort „vegetable“ (= pflanzlich, Gemüse) gilt als weiterer Ursprung von „Vegetarier“, lässt sich jedoch auch von dem lateinischen Wort vegetare ableiten. Der Ausdruck „Vegetarismus“ setzt sich seit etwa dem Jahre 1880 im deutschen Sprachraum als Bezeichnung für die fleischlose Ernährung durch und ist im 21. Jahrhundert ein gängiger Begriff (Leitzmann, 2018).
Nach Leitzmann gibt es keine einheitliche Form sondern unterschiedliche Formen des Vegetarismus bzw. der Ernährungs- und Lebensweise, die für sich in Anspruch nehmen vegetarisch zu sein (2009, S.14ff.). Als Kriterium zur Unterscheidung der Formen für eine vegetarische Ernährungsweise gilt die Lebensmittelauswahl. Die Gemeinsamkeit der Formen ist das Meiden von Lebensmitteln, die vom getöteten Tier stammen. Eine Form der Vegetarier ist der Lakto-Ovo-Vegetarier. Sie meiden Fleisch und Fisch (und andere aquatische Tiere), sowie alle daraus hergestellten Produkte, konsumieren jedoch Milch- und Eiprodukte. Lakto-Vegetarier meiden Fleisch, Fisch und Ei, sowie alle daraus hergestellten Produkte und Ovo-Vegetarier verzichten auf Fleisch, Fisch und Milch, sowie alle daraus hergestellten Produkte (Keller & Leitzmann, 2013).
2.1.2 Die vegane Ernährung
Viele Jahre nach der Entstehung des Begriffes „Vegetarismus“ entstand im Jahr 1944 der Begriff „vegan“, der auf den Engländer Donald Watson zurückgeführt wird. Als der „milchfreie Vegetarier“ ein Treffen mit fünf Gleichgesinnten in London organisierte, schlug er den Begriff „vegan“, eine Kürzung aus dem Ausdruck „ veg etari an “, vor (Leitzmann, 2018). Laut dem Verbraucherschutz sind Lebensmittel vegan, [„…die keine Erzeugnisse tierischen Ursprungs sind und bei denen auf allen Produktions- und Verarbeitungsstufen keine Zutaten, […] Verarbeitungshilfsstoffe oder Nicht-Lebensmittelzusatzstoffe, die auf dieselbe Weise und zu demselben Zweck wie Verarbeitungshilfsstoffe verwendet werden, die tierischen Ursprungs sind, in verarbeiteter oder unverarbeiteter Form zugesetzt oder verwendet worden sind“] (VSKM, 2016).
Veganer meiden demnach alle vom Tier stammenden Nahrungsmittel wie Fleisch, Fisch, Milch, Ei und Honig (sowie alle daraus hergestellten Produkte) und ernähren sich rein pflanzlich. Zu den Nahrungsmitteln, die Veganer zu sich nehmen gehören hauptsächlich Gemüse, Obst, Hülsenfrüchte, Nüsse, Samen, Vollkorn und Getreide sowie vegane Fleisch- und Milchalternativen die z.B. auf Basis von Soja oder Getreide hergestellt werden (ProVeg, 2018).
Ähnlich wie bei Vegetariern wird auch bei Veganern von unterschiedlichen Formen gesprochen. Der Veganismus ist prinzipiell eine homogene Ernährungsweise, bei der es verschiedene Formen gibt, die sich anhand von Auswahl und Zubereitung der Lebensmittel sowie in der Motivation unterscheiden. „So werden einige der alternativen Ernährungsweisen (z.B. die Ernährung im Ayurveda und in der traditionellen chinesischen Medizin, die Mazdaznan-Ernährung) ebenfalls als vegane oder fast vegane Varianten praktiziert, auch wenn diese sich aus ihrem Selbstverständnis heraus nicht dem Veganismus zuordnen“ (Leitzmann, 2018, S. 14). Unter die unterschiedlichen Formen des Veganismus fallen z.B. konsequente Veganer, die zusätzlich zur pflanzlichen Ernährung keine Handlungen und Einrichtungen, die als Ausbeutung von Tieren einzuordnen sind, wie z.B. Tierversuche, die Jagd, Tiere im Zirkus uvm. unterstützen und ebenso auf Wolle, Leder oder Daunen verzichten (für weitere Bsp. s. Anhang Tabelle 1 und 2). Ein weiteres Beispiel einer Form des Veganismus ist der Pudding-Veganer, der durch seine Lebensmittelauswahl nicht den Anspruch einer gesunden, nährstoffreichen und abwechslungsreichen (vollwertigen) Ernährung hat, sondern sich überwiegend von stark verarbeiteten pflanzlichen Lebensmitteln ernährt. Durch die Verarbeitung der Produkte gehen Anteile der Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente und sekundären Pflanzenstoffe verloren. Die Folgen daraus sind langfristig latente Nährstoffmängel bei Pudding-Veganern, die zusätzlich für einen schlechten Ruf bzgl. Nährstoffmangel in der veganen Ernährung verantwortlich sind (Leitzmann, 2018). Weitere Formen des Veganismus sind Pesco-Veganer (verzehren gelegentlich Fisch), Flexiganer (Teilzeit-Veganer), Fruganer (essen nur Lebensmittel, die die Natur zum Verzehr vorgesehen hat, bzw. ohne Beschädigung der Pflanze geerntet werden können), Roh-Veganer (konsequente Veganer, ausschließlich unerhitzte pflanzliche Lebensmittel verzehren) oder Honig-Veganer (konsumieren Honig, trotz veganer Lebensweise) (Leitzmann, 2018).
2.1.3 Soziodemografische Merkmale, Motive und Kritik
Die folgenden Aussagen über Veganer zu den soziodemografischen Merkmalen treffen gleichermaßen auf Vegetarier zu. Anhand von mehreren Studien mit den gleichen Ergebnissen wurde aufgewiesen, dass es nach den soziodemografischen Merkmalen einen „typischen Veganer“ gibt. Eine Studie der Friedrich-Schiller-Universität in Jena (2007) und der EPIC Oxford-Studie hat festgestellt, dass Veganer eher weiblich, jung, überdurchschnittlich gebildet sind und in einer Großstadt leben (Keller & Leitzmann, 2013 nach Davey et al., 2003). Vor allem weibliche Teenager sollen laut den Ergebnissen der Studien besonders offen für eine pflanzliche Ernährung sein (Keller & Leitzmann, 2013 nach Worsley & Skrzypiec, 1998). Dabei wurde festgestellt, dass sich Frauen bewusster mit ihrem Körper, ihrer Gesundheit und somit auch ihrer Ernährungsweise auseinandersetzten und auch im 21. Jahrhundert noch überwiegend für die Ernährung und somit für die Gesundheit der Familie zuständig sind. Auch in der modernen Gesellschaft gilt beim männlichen Geschlecht Fleisch als kulturelle Bedeutung von Männlichkeit (= Kraft, Stärke, Herrschaft und Potenz) (Keller & Leitzmann, 2013).
Laut der ProVeg, einer international führenden Ernährungsorganisation, ernähren sich ca. 8 Millionen Menschen in Deutschland vegetarisch und 1,3 Millionen Menschen vegan. Davon sind 81% Frauen und 19% Männer (ProVeg, 2019; Skopos, 2016). Die Tendenz ist steigend, denn Schätzungen zufolge steigt die Anzahl der Vegetarier täglich um 2.000 Menschen und die Anzahl der Veganer um 200 Menschen (Institut für Demoskopie Allensbach, 2016). Weltweit wird die Anzahl der vegetarisch/vegan lebenden Menschen auf 1 Milliarde geschätzt. Rund 60% der Vegetarier und Veganer befinden sich in der Altersgruppe von 20-39 Jahren und ca. 70% davon haben einen hohen Bildungsabschluss erlangt (Skopos, 2016).
2.1.3.1 Motive von Veganern
Abgesehen von ärztlichen Anordnungen oder religiösen Vorschriften ist eine vegane Ernährung eine bewusste Entscheidung und nicht nur eine alternative Ernährungsweise sondern ein etablierter Lebensstil. Häufig ist die Entscheidung für einen solchen Lebensstil ein längerer Prozess indem auch in anderen Lebensbereichen das eigene Verhalten hinterfragt wird, um das Leben bewusster zu gestalten. Dieser Prozess geht oftmals einher mit einem geringen Konsum von Alkohol und Nikotin sowie erhöhten körperlichen Aktivitäten wie autogenes Training, Yoga und verschiedenen Meditationsmethoden (Keller & Leitzmann, 2013).
Der häufigste Grund von einer Mischkost auf eine vegetarische/vegane Ernährung umzusteigen ist ethischer Natur (ca. 60% der veganer in Deutschland), nah gefolgt von gesundheitlichen Gründen (Keller & Leitzmann, 2018; Skopos, 2016). Die beiden Beweggründe hierfür gehen ineinander über und sind in viele Fällen nicht eindeutig trennbar. Die regelmäßigen Berichte über fatale Zustände im Ernährungssystem (z.B. Lebensmittelskandale wie Salmonellen, Parasiten oder BSE) fördern den Prozess zum Veganismus, da das Gesundheitsbewusstsein der Menschen erhöht wird. Aus gesundheitlichen Aspekten seine Ernährung zum Veganismus umzustellen hat häufig die Gründe, [„…, dass Übergewicht und zahlreiche Erkrankungen wie Bluthochdruck, Atherosklerose und verschiedene Krebsarten durch eine fleischhaltige Ernährung hervorgerufen oder mitverursacht werden“] (Keller & Leitzmann, 2013, S. 21). Weltweit auf Platz eins der häufigsten Todesursachen seit Jahrzehnten sind ischämische Herzerkrankungen (WHO, 2018). Laut der EPIC-Oxford Studie in Großbritannien wurde festgestellt, dass Vegetarier ein 22% niedrigeres Risiko für ischämische Herzerkrankungen haben, als Fleischesser (InFo, 2019). Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) sowie Ernährungswissenschaftler und Mediziner empfehlen zur Vorbeugung dieser Krankheiten den Verzehr pflanzlicher Nahrung zu steigern und den der tierischen Lebensmittel zu senken (DGE, 2013; Keller & Leitzmann, 2013).
Bei dem ethischen Motiv ist die Überzeugung der Veganer, dass es ein Unrecht sei, Tiere auszubeuten und sie für den Verzehr oder für andere Rohstoffe, die der Mensch aus ihnen gewinnen möchte, zu töten. Diese Denkweise wird den Menschen oft erst bewusst, wenn sie Medienberichte über unzumutbare Zustände bei Haltung, Transport und Schlachtung von Tieren sehen und diese sie emotional berühren (Keller & Leitzmann, 2013).
Nicht zu unterschätzen ist das Motiv der globalen Umweltaspekte, die immer weiter in den Vordergrund rücken. Durch den Verzicht von tierischen Produkten werden die natürlichen Ressourcen der Erde geschont. Die Massentierhaltung fördert die Abholzung der Regenwälder, da Ackerflächen für die Gewinnung von Tierkraftfutter (Soja) benötigt werden (Hartmann, Herman & West, 2011). Durch die Massentierhaltung entstehen Verdauungsprodukte wie Mist und Methan, die zur globalen Erderwärmung beitragen (Nelles & Serrer, 2018). Darüber hinaus wird durch die Abholzung großer Waldflächen der Lebensraum vieler Tiere zerstört, Pflanzen sterben aus und die biologische Vielfalt des Planeten Erde wird zerstört (Vesanto, Winston & Levin, 2016). Bezüglich der Nachhaltigkeit ist der virtuelle Wasserverbrauch1 bei der Herstellung von Lebensmitteln eine große Belastung. Die Abb. 1 zeigt, dass 15.455 Liter Wasser für 1kg Rinderfleisch benötigt werden. Gemüse wie Kartoffeln, Tomaten oder Karotten hingegen benötigen zwischen 131 und 225 Liter Wasser (Fein & Wirsam, 2018).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Wasser-Fußabdruck ausgewählter Produkte (Mekonnen & Hoekstra nach Fein & Wirsam, 2018, S. 230)
Laut der Umweltorganisation WWF liegt der tägliche Wasserverbrauch pro Kopf in Deutschland bei 120 Litern, der Wasserfußabdruck hingegen bei 5.288 Litern (2016). Weitere Gründe für eine vegane Ernährung seien z.B. religiöse, ästhetische, spirituelle, soziale, kosmetische, hygienisch-toxikologische, ökonomische und ökologische (s. Anhang Tabelle 3) (Keller & Leitzmann, 2013).
2.1.3.2 Kritik und Risiken
Besonders bei Veganern wird über einen möglichen Nährstoffmangel diskutiert, obwohl bei jeder Ernährungsform die Möglichkeit eines Nährstoffmangels bestehen kann (Leitzmann, 2018). Eine vegane Ernährung ist nicht gleichgesetzt mit einer gesunden Ernährung (s. Beispiel der Pudding-Veganer). Dabei ist zu erläutern, dass für alle Altersgruppen, die sich vegan ernähren, mit Hilfe von entsprechenden Nahrungsergänzungsmitteln wie Vitamin B12 (Cobalamin) prinzipiell keine Risiken entstehen. Wenn Veganer unter einem Nährstoffmangel leiden, kann das damit zusammenhängen, dass ihnen nicht bewusst ist, wie eine vollwertige vegane Ernährung zusammengestellt wird und auf welche Nährstoffe und Vitamine besonders geachtet werden muss (Leitzmann, 2018). Wenn sich Menschen rein pflanzlich ernähren, sollten sie auf die Mineralstoffe Eisen, Zink, Kalzium, Jod, Vitamin B12, - D und - B2 sowie auf ausrechenden Zufuhr von Omega-3-Fettsäuren und verschiedene Eiweißquellen achten (Vesanto, Winston & Levin, 2016). Alle erwähnten Nährstoffe kann ein Veganer durch Pflanzen, Getreide, Öle oder die Sonne ohne Supplementierung zu sich nehmen. Als Ausnahme wird lediglich empfohlen das Vitamin B12 (u.a. bedeutsam für die Zellteilung und das Nervensystem) als Nahrungsergänzungsmittel einzunehmen, da das Vitamin von Mikroorganismen (Bakterien) produziert wird, die aus dem Erdboden stammen und nur in geringen Mengen über die Nahrung aufgenommen werden kann (Vesanto, Winston & Levin, 2016). Tiere wie Kühe, Ziegen oder Schafe (Wiederkäuer), die zwar genügend B12-produzierende Bakterien besitzen, bekommen das Vitamin B12 trotzdem durch ihre Nahrung supplementiert, da die eigene Produktion nicht den Bedarf deckt (Rittenau, 2019).
2.1.4 Der (neue) vegane Markt: Ersatzprodukte für Vegetarier und Veganer
Aufgrund der stetigen Zunahme an Vegetariern und Veganern (darunter fallen alle Formen des Veganismus und Vegetarismus) lässt sich behaupten, dass ebenso die Nachfrage nach Innovationen für Ersatzprodukte steigt (Fein & Wirsam, 2018). Die steigende Signifikanz der Gesundheit und damit die Tendenz zu „gesunden“ Lebensmitteln wird als ein Trend bezeichnet (Wegmann, 2020). Den veganen Zeitgeist erkennen neben Startups wie Veganz oder TofuTown inzwischen auch Supermärkte und etablierte Konsumgüterkonzerne wie Nestlé, Unilever, Wiesenhof, Rügenwalder Mühle und viele mehr.
An Ersatzprodukten wird weltweit geforscht, wodurch es mittlerweile ein breites Sortiment an pflanzenbasierten Optionen gibt, die auf Basis verschiedener Ausgangsrohstoffe hergestellt werden. Die Forschung und Entwicklung (F&E) hat bereits fast alle tierischen Produkte substituieren können, so dass Produkte wie Milch, Eier, Käse, Fleisch und auch Honig durch pflanzliche Lebensmittel ersetzt werden können. Diese Lebensmittel bestehen unter anderem aus Soja, Reis, Kokos, Hafer, Lupinen, Erbsen, uvm. (Fein & Wirsam, 2018).
In der Lebensmittelindustrie gibt es zwei Varianten für die Herstellung von Kunstfleisch. Zum einen gibt es die pflanzenbasierte Methode und zum anderen die In-vitro Methode, die ein Beispiel für den Produktinnovationsprozess darstellt (Wegmann, 2020). Das Kunstfleisch aus der In-vitro-Methode wird auch als Clean Meat, In-vitro-Fleisch oder Laborfleisch bezeichnet. Beim Clean Meat werden Stammzellen aus dem Muskelgewebe von Kühen extrahiert, die sich dann zu Muskelzellen und anschließen zu Muskelfasern entwickeln. Diese Muskelfasern werden mit mechanischen und elektrischen Impulsen wie ein richtiger Muskel trainiert, damit sie „fleischig“ werden. Die gewonnenen Muskelfasern werden gewürzt, gefärbt und bekommen im Labor gezüchtete Fettzellen, damit beispielweise ein Burger-Pattie daraus entstehen kann. Die Motivation hinter dem Langzeitprojekt, an dem bereits seit den 1990er Jahren in den Niederlanden geforscht wird, ist es die Lebensmittelsicherheit zu gewähren (z.B. möglichen Infekte wie die Schweinegrippe auszuschließen), weniger Umweltschäden und mehr Tierschutz (Böhm, Ferrari & Woll, 2017).
Wie in Abb. 2 zu sehen ist, befindet sich das In-vitro-Fleisch innerhalb des erweiterten Produktlebenszyklus in dem Produktinnovationsprozess, da es noch nicht auf dem Markt ist und somit noch keinen Umsatz generiert. Ebenfalls zu sehen ist der vegetarische Fleischersatz, in der Marktpräsenzphase über den Algenprodukten und hinter den Smoothies. Der vegetarische Fleischersatz hat die Einführungsphase bereits durchlaufen, in dem sich die Algenprodukte und die personalisierte Ernährung aktuell befindet und liegt im oberen Abschnitt der Wachstumsphase (Wegmann, 2020).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Beispielhafte Positionen ausgewählter Lebensmittelproduktgruppen im Produktlebenszyklus (Wegmann, 2020, S.20).
2.1.5 Wachstum und Umsatz
Dass sich der Markt für die tierfreien Ersatzprodukte etabliert hat, zeigt die wirtschaftliche Bedeutung dieser Lebensmittel. Seit Jahren spiegelt sich der Aufwärtstrend der pflanzenbasierten Ernährungsform auch im Umsatz wider. Von 2010 bis 2015 ist der Umsatz von vegetarischen/veganen Ersatzprodukten in deutschen Supermärkten (von Bio-Märkten bis hin zu Discountern) und Drogeriemärkten um 246 Mio. Euro auf 454 Mio. Euro gestiegen (IFH Köln, 2016). Im Geschäftsjahr 2017 bis 2018 gab es erneut ein Rekordhoch mit einem Umsatz von ca. 960 Mio. Euro und damit ein Umsatzplus von 30% gegenüber derselben Zeitspanne des Vorjahres (Czinkota, 2018). Zusätzlich konnte ermittelt werden, dass Soja-Drinks eine Absatzsteigerung von 13% verzeichneten und im Gegenzug dazu tierische Milchrahmerzeugnisse und Quark negative Wachstumstendenzen aufweisen (Schaack, 2015; IFH Köln, 2016). Ein Beispiel für ein Unternehmen mit vegetarischen und veganen Ersatzprodukten ist der ursprünglich traditionelle Fleischproduzent Rügenwalder Mühle. Das Unternehmen begann 2014 als erste fleischverarbeitende Firma in Deutschland, auch vegetarische Fleischalternativen auf dem Markt zu etablieren. Das neue Produktsortiment von Rügenwalder Mühle wird als Erfolg gewertet. Nach dem Jahresabschluss des Unternehmens (31.12.2017) sank der Gesamtbruttoumsatz von 2016 auf 2017 lediglich um 1,3%. „Dieses stabile Ergebnis ist bei einem insgesamt weiterhin rückläufigen Markt für Fleisch- und Wurstprodukte wesentlich auf den kontinuierlichen Ausbau der vegetarischen und veganen Produktlinie zurückzuführen“ (Bundesanzeiger, 2018). Laut dem Geschäftsführer Godo Roben wurde insgesamt 34% des Umsatzes (Gesamtumsatz 2018: 212 Mio. €) mit Produkten ohne tierische Inhaltsstoffe erwirtschaftet. Die Firma erwartet für das Jahr 2020 einen weiteren Umsatzwachstum von ca. 40% (Bundesanzeiger, 2019). Ebenso ist ein Wachstum bei veganen Kochbüchern, veganen Restaurants, in der Mode und in der Kosmetik zu beobachten. Die ProVeg Organisation teilt mit, dass im Jahr 2010 nur drei vegane Kochbücher in Deutschland veröffentlich wurden, im Jahr 2017 waren es bereits über 620 Stück (ProVeg, 2019). Bei dem Buchhändler Thalia-Online findet der Kunde bereits über 1.000 Bücher in der Rubrik Kochen und Backen: vegetarisch und vegan, wovon bereits einige als Bestseller ausgezeichnet wurden und selbst TV-Köche wie Tim Mälzer oder Jamie Oliver, die für ihre fleischhaltigen Gerichte bekannt sind, haben vegetarische/vegane Kochbücher veröffentlicht (Thalia, 2019).
Aufgrund der wachsenden Anzahl an Veganern, der positiven Auswirkungen des Fleischverzichts auf das Tierwohl, die Umwelt und die Gesundheit sowie des steigenden Umsatzes der Lebensmittelhersteller mit pflanzlichen Alternativen, können tierfreie Ersatzprodukte als zukunftsorientiert und trendbewusst eingeordnet werden. Lebensmittelproduzenten, die in Pflanzenprodukte investieren, erkennen in diesen zukünftige Absatzchancen und werden als Pioniere angesehen. Sie investieren stark in die Produktion und in das Marketing, welches im empirischen Abschnitt dieser Arbeit untersucht wird (Fein & Wirsam, 2018).
Da das Gebiet des Marketings und der Vermarktung von vegetarischen und veganen Lebensmitteln wissenschaftlich bisher kaum erforscht ist, soll diese Arbeit dazu dienen, erste Erkenntnisse über die Produktgestaltung und Vermarktung von tierfreien Ersatzprodukten im Vergleich zu Fleisch- und Wurstprodukten, zu liefern.
2.2 Der Stellenwert von Fleisch in Deutschland
Tierische Nahrungsmittel gehörten lange Zeit zum zentralen Bestandteil der Ernährung des Homo sapiens. Besonders Fleisch ist in unserer Gesellschaft fest integriert und gehört zu den beliebtesten Nahrungsmitteln (Schlegel-Matthies, 2015). Laut Schlegel-Matthies scheiden sich die Geister beim Fleischkonsum (2015). „Für den einen ist Fleisch unverzichtbarer Bestandteil einer „richtigen Mahlzeit“, für die anderen ist Fleisch ein Symbol für Industrialisierung und Globalisierung der Lebensmittelproduktion und für die Verschwendung natürlicher Ressourcen. Tatsache ist: Fleisch ist das einzige Lebensmittel, das in solchem Ausmaß polarisiert“ (Schlegel-Matthies, 2015, S. 256). Vegetarier und Veganer haben oft mit Rechtfertigung für den Verzicht oder den eingeschränkten Verzehr von Fleisch zu kämpfen und besonders die tierfreien Ersatzprodukte zeigen den Stellenwert von Fleisch in unserer Esskultur auf, der sich ernährungspsychologisch nicht begründen lässt (Schlegel-Matthies, 2015).
2.2.1 Fleischkonsum in Deutschland
Der Fleischkonsum in Deutschland ist seit den letzten zehn Jahren relativ konstant geblieben und liegt bei über 7 Mio. Tonnen pro Jahr. Im Jahr 2017 gab es einen leichten Rückgang im Verbrauch, im Jahr 2018 ist der Verbrauch jedoch wieder gestiegen. Die Fleischproduktion hat sich, trotz der Zunahme der veganen Ernährung sowie der BSE-Krise2 im Jahr 2001, fast jährlich erhöht (gemessen an der Schlachtmenge) und lag 2017 bei ca. 9 Mio. Tonnen. Die zuletzt veröffentlichten Zahlen sind aus dem Jahr 2018, die einen Rückgang auf rund 8,7 Mio. Tonnen der gewerblichen Fleischproduktion in Deutschland verzeichnet haben (Agethen, 2019).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Schlachtmengen vs. Fleischverbrauch 1998, 2008, 2018 in tausend Tonnen (Statistisches Bundesamt nach Agethen, 2019).
Zu der beliebtesten Fleischart in Deutschland gehört das Schweinefleisch, das einen Pro-Kopf-Verbrauch von 49,5 Kilogramm im Jahr 2018 verzeichnet. Wie in Abb. 3 zu erkennen ist, ist die Schlachtmenge von Schweinefleisch im Jahr 1998 von 3,8 Mio. Tonnen auf 5,3 Mio. Tonnen im Jahr 2018 gestiegen, obwohl der Verbrauch zurückging. Danach folgt das Geflügelfleisch, bei dem ein konstanter Zuwachs von Produktion und Verbrauch festgestellt werden kann. Das Rind- und Kalbfleisch belegt den dritten Platz in Deutschland, bei dem die Schlachtmenge von knapp 1,4 Mio. Tonnen in dem Jahr 1998 auf 1,1 Mio. Tonnen im Jahr 2018 gesunken ist. Eine deutlich geringere Bedeutung hat das Schaf- und Ziegenfleisch im Vergleich zu den anderen Fleischarten. Der Pro-Kopf-Verbrauch liegt hier bei lediglich einem Kilogramm pro Jahr (Agethen, 2019). Infolge von anderen Essgewohnheiten, höherem Einkommen und Urbanisierung kann in den nächsten Jahren von einer höheren Nachfrage nach Fleisch ausgegangen werden (Jäggi, 2018). Weltweit wird für das Jahr 2026 von OECD und FAO eine Zunahme der Fleischproduktion von 13% im Vergleich zu 2014/2016 vorhergesagt (2017). Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt nicht mehr als 300 bis 600 Gramm mageres Fleisch oder Wurst pro Woche zu verzehren und mahnt seit Jahrzehnten, dass der Fleischkonsum in Deutschland zu hoch sei (DGE, 2015). Würde sich die Gesellschaft an den Orientierungswert halten, wäre das ein pro Kopf-Verbrauch von 15,6 kg bis 31,2 kg im Jahr. Der deutsche Durchschnittsbürger konsumiert jedoch, pro Kopf 60,2 kg pro Jahr und somit das doppelte der empfohlenen Menge. Vor dem Hintergrund der steigenden Anzahl an Vegetariern und Veganern ist der Anstieg des Fleischkonsums noch höher zu bewerten. Das bedeutet, dass diejenigen die Fleisch konsumieren, immer mehr Fleisch zu sich nehmen.
2.2.2 Fleisch in der Gesellschaft
Während im Mittelalter Fleisch noch als Statussymbol für die Reichen galt, ist in den letzten Jahren ein gegenwärtiger Trend wahrnehmbar. Einkommensschwache Menschen verzehren mehr Fleisch, Fleischerzeugnisse und Wurstwaren als einkommensstarke Menschen (Schlegel-Matthies, 2015). Die Menschen in der einkommensstärkeren Schicht hingegen legen Wert auf die Qualität des Fleisches und besonderes Augenmerk auf die artgerechte und ökologische Haltung der Tiere, während für die einkommensschwächere Schicht grundsätzlich der Preis eine bedeutsame Rolle beim Kauf einnimmt. Eine Differenzierung ist auch beim Geschlecht der Konsumenten in Bezug auf Verzehrhäufigkeit, Verzehrmenge und der Beliebtheit von Fleisch zu erkennen. Männer essen fast doppelt so viel Fleisch wie Frauen (Schlegel-Matthies, 2015). Dieses Ergebnis stimmt auch mit den soziodemografischen Merkmalen eines Veganers überein, der vor allem weiblich ist. Fleisch symbolisiert in der Gesellschaft Männlichkeit und Macht, jedoch wird diese Symbolik durch Massenproduktion und dem damit täglichen Zugang zu Fleisch heutzutage immer weiter abgeschwächt (Schlegel-Matthies, 2015). In den Zeiten des Klimawandels könnten allerdings auch Mischköstler immer häufiger in die Situation kommen, sich für ihren Fleischkonsum rechtfertigen zu müssen.
2.3 Lebensmittelmarketing
Als Markt wird ein Ort des Zusammentreffens von Angebot und Nachfrage bezeichnet, durch den die Preisbildung eines Produktes oder einer Dienstleistung entsteht (Homburg, 2017). Vom englischen Begriff „market“, der Markt bzw. das Vermarkten bedeutet, wird der Begriff „Marketing“ abgeleitet. Beim Marketing handelt es sich um eine deutliche Ausrichtung des Unternehmens an den Absatzmärkten (Becker, 2013). Nach Homburgs Definition für Marketing gibt es eine unternehmensexterne und eine unternehmensinterne Facette. Die Konzeption und Durchführung marktbezogener Aktivitäten eines Anbieters gegenüber Nachfragern umfasst das Marketing in unternehmensexterner Hinsicht und beinhaltet die Informationsgewinnung über den aktuellen Markt [„… sowie die Gestaltung des Produktangebotes, die Preissetzung, die Kommunikation und den Vertrieb“] (Homburg, 2017, S. 10). In der unternehmensinternen Hinsicht bedeutet Marketing [„… die Schaffung der Voraussetzungen im Unternehmen für die effektive und effiziente Durchführung dieser marktbezogenen Aktivität“] (Homburg, 2017, S. 10). Der Fokus beider Ansatzpunkte des Marketings (extern und intern) ist vielfältig, gleichwohl beide Arten auf eine im Sinne der Unternehmensziele bestmöglichen Gestaltung von Kundenbeziehungen abzielen (Homburg, 2017). Damit die Rahmenbedingungen so gestaltet werden, dass Interesse und Kaufbereitschaft für ein Produkt oder eine Dienstleistung ausgelöst werden, ist es die Aufgabe des Unternehmens ein möglichst attraktives Nutzenbündel (durch Marketing) am Markt zu platzieren (Halfmann, 2014).
Lebensmittelmarketing gehört zu den klassischen Bereichen des Marketings. Lebensmittel sind Konsumgüter, die regelmäßig gekauft werden und für die es ein vielfältiges Angebot im Markt gibt. Der Markt der Lebensmittel kann als Markt mit vollständiger Konkurrenz (Polypol) bezeichnet werden, da es insgesamt ein außerordentlich umfangreiches Angebot von Lebensmitteln gibt. Die Anbieter der Lebensmittel müssen daher viele Marketingmaßnahmen unternehmen, um die Verbraucher für ihre Produkte zu gewinnen. Das Lebensmittelmarketing gehört einerseits zu dem klassischen Marketing, andererseits gilt es als ein spezielles Gebiet des Marketings, da die Anbieter verstärkt auf die Wünsche der Nachfrager eingehen sollten, wie z.B. auf regionale Herkunft, gesundheitliche Aspekte oder einfache Verfügbarkeit des Produktes. Gleichzeitig bringen genau diese Wünsche besondere Herausforderungen etwa bei Werbung, Produktauslobung oder Vertrieb mit sich. Damit es zu keiner Verwirrung oder Verbrauchertäuschung bei Lebensmitteln kommt, muss der Anbieter Vorgaben, wie die der Lebensmittelinformationsverordnung, berücksichtigen (Wegmann, 2020).
2.3.1 Werbung für Lebensmittel
Bevor die Gestaltung und Umsetzung der Werbung für Lebensmittel erläutert wird, ist zu beachten, dass aufgrund der EU-Health-Claims-Verordnung (HCVO), die im Jahr 2006 beschlossen wurde, rechtliche Rahmenbedingungen für Lebensmittelwerbung vorgegeben werden. Die Verordnung gilt seit dem 01. Juli 2007 in allen EU-Mitgliedsstaaten und wurde von der European Food Safety Authority (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) (EFSA) erlassen. Grundsätzlich gilt bei der HCVO, dass alle Werbeaussagen erlaubt sind, solange sie nicht falsch oder irreführend sind (Memmler, 2013). Hersteller von Lebensmitteln konnten so vor der HCVO bspw. durch Claims oder Slogans auf den Produkten oder in der Werbung die Eigenschaften eines Lebensmittels vorteilhaft für den Verkauf darstellen, mit Behauptungen, die der Verbraucher nicht beurteilen konnte. Dabei geht es bspw. um Werbeaussagen wie „Gesunde Vitamine naschen“ von Nimm2 (Storck) oder „Hilft die natürlichen Abwehrkräfte des Körpers zu stärken“ von Actimel (Danone).
Claims und Slogans sind im Marketing ein beliebtes Tool zur Markenbekanntheit und sollten aus Marketingsicht kurz und prägnant, also für den Verbraucher verständlich sein. Unter einem Claim wird eine Werbebotschaft verstanden, die ein Produkt oder dessen Wirkung glaubhaft beschreibt, wie z.B. „Klebt nicht, klumpt nicht – körniger Reis“ von Uncle Ben’s oder „Actimel aktiviert Abwehrkräfte“ von Actimel (Danone). Im Gegensatz zum Claim ist ein Slogan eine allgemeine Werbebotschaft, die ohne genaue Festlegung oder Äußerung zu konkreten Produkteigenschaften imagebildend ist, wie bspw. „Bitte ein Bit“ von Bitburger oder „Haribo macht Kinder froh, und Erwachsene ebenso“ von der Marke Haribo. Vor allem Slogans, aber auch Claims, haben die Aufgabe, den Wiedererkennungswert der Marke zu erhöhen. Claims und Slogans sind idealerweise zielgruppengerecht gestaltet, rufen Emotionen hervor, vermitteln relevante Informationen und beeinflussen somit die Kaufentscheidung (Wegmann, 2020). Nach den allgemeinen Grundsätzen des HCVO, Artikel 3 dürfen nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben:
a) nicht falsch, mehrdeutig oder irreführend sein;
b) keine Zweifel über die Sicherheit und/oder die ernährungsphysiologische Eignung anderer Lebensmittel wecken;
c) nicht zum übermäßigen Verzehr eines Lebensmittels ermutigen oder diesen wohlwollend darstellen;
d) nicht erklären, suggerieren oder auch nur mittelbar zum Ausdruck bringen, dass eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung generell nicht die erforderlichen Mengen an Nährstoffen liefern kann. (…);
e) nicht – durch eine Textaussage oder durch Darstellungen in Form von Bildern, grafischen Elementen oder symbolische Darstellungen – auf Veränderungen bei Körperfunktionen Bezug nehmen, die beim Verbraucher Ängste auslösen oder daraus Nutzen ziehen könnten (Europäisches Parlament, 2006).
Zusätzlich werden in der HCVO Regelungen und Richtlinien aufgestellt, die Aussagen wie „energiereduziert“, „fettreduziert“, „reich an Vitamin C“ oder „zuckerfrei, zuckerarm oder ohne Zuckerzusatz“ reglementieren.
2.3.2 Umsetzung und Gestaltung von Lebensmittelwerbung
Lebensmittel gehören zur Produktgruppe der Fast Moving Consumer Goods (FMCG)3 und zählen in Deutschland zu den Produkten mit den höchsten Werbeaufwendungen. Das höchste Budget der Lebens- und Genussmittelhersteller in Deutschland für Above-the-Line-Medien4 verzeichnet der Lebensmittelanbieter Ferrero mit rund 445,5 Mio. Euro (brutto). Ebenfalls weit oben in der Liste sind Unternehmen wie Unilever (209,6 Mio. Euro), Coca-Cola Company (172,1 Mio. Euro), Nestlé (153 Mio. Euro), Dr. Oetker (138,4 Mio. Euro), Storck (129,4 Mio. Euro) und Mondelez (121,9 Mio. Euro) (Konrad & Rück, zitiert nach Nielsen, 2018; Wegmann, 2020).
Im ersten Halbjahr 2018 besaßen vor allem Süßwarenprodukte bezüglich der Werbeausgaben einen auffällig großen Anteil. Rund 35% der in diesem Zeitraum angefallenen 1,2 Mrd. Euro Werbeausgaben entfielen auf Süßwaren. Fleischprodukte verzeichnen einen Werbeanteil von nur 6%, obwohl Fleisch über 25% des Umsatzes vom Gesamtmarkt ausmacht. Wegmann erklärt den Zusammenhang damit, dass Lebensmittel wie Süßwaren oder alkoholische Getränke werbeaffiner sind als Grundnahrungsmittel wie Brot, Fleisch oder Milchprodukte (Wegmann, 2020).
Bei Betrachtung der Above-the-Line-Medien setzt die Lebensmittelbranche schwerpunktmäßig auf Fernsehwerbung, da über den Fernseher eine breite Bevölkerungsschicht erreicht wird und Emotionen direkt vermittelt werden können (Wegmann, 2020). Laut Weis werden mit anderen Medien wie z.B. der Außenwerbung (z.B. Plakate) eine breite Zielgruppe angesprochen, jedoch sei dieses Medium zur Übermittlung von Emotionen nicht geeignet (2015). Um ein genussorientiertes Produkt wie Lebensmittel erfolgreich zu bewerben, sei die Vermittlung von Emotionen und der richtigen Stimmung an den Verbraucher ein wesentlicher Erfolgsfaktor für den Verkauf (Peters, 2016).
2.3.2.1 Gestaltung der Lebensmittelkommunikation
Die Entwicklung der Lebensmittelkommunikation richtet sich hauptsächlich nach dem Verbrauchermotiv. Diese Motive sind häufig abhängig von der Lebensphase eines Verbrauchers und können sich mit der Zeit und unter den jeweiligen äußeren Einflüssen stark verändern. Zum Beispiel stand in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg für den Verbraucher die Sättigungsfunktion von Lebensmitteln im Vordergrund. Daher fokussierte sich zu dieser Zeit das Marketing vornehmlich auf einen günstigen Preis der Produkte. In der Zeit des Wirtschaftswunders veränderte sich das Verbrauchermotiv hin zum Genuss von Lebensmitteln und daher wurden die Verbraucher mit neuen Geschmackserlebnissen bedient. Seit den 2000er Jahren liegt das Verbrauchermotiv auf Gesundheit und ethischer Verantwortung. Dabei geht es z.B. um Aspekte wie das Weglassen von gespritzten Pestiziden, fairer Lohn bei der Ernte oder Tierschutz. Diese Abfolge der Motive bzw. Bedürfnisse ist vergleichbar mit der Maslowschen Bedürfnishierarchie, die in Kapitel 2.4 erläutert wird (Wegmann, 2020).
2.3.3 Die Verpackung eines Produktes
Die meisten der am Markt angebotenen Lebensmittel werden verpackt. Nach Kotler et al. beschreibt die Verpackungsgestaltung [„…das Design und die Art des Behältnisses oder der Umhüllung für ein Produkt“] (2017, S. 486). Die Verpackung und dessen Gestaltung ist dadurch ein bedeutendes Element am Point-of-Sale, denn hier ist der erste reale Berührungspunkt des Konsumenten mit dem Produkt. Eine marketingorientierte Verpackung erreicht ihr Ziel, wenn sie den Käufer in ihren Bann zieht, so dass sie die Kaufentscheidung für ein Produkt gewinnt. Selbst die spätere Erfahrung mit dem Produkt wird von der Verpackung beeinflusst, wenn der Konsument die Verpackung öffnet und das Produkt nutzt (Kotler et al., 2017). Zu den Zielen die eine Verpackung erreichen sollte gehört: die Identifizierung der Marke, beschreibende und überzeugende Informationen zum Produkt, den Produkttransport und Schutz des Produktes zu erleichtern, die Ermöglichung einer unkomplizierten Lagerung beim Konsumenten und die Unterstützung des Produktkonsums. Damit die Bedürfnisse und Wünsche des Kunden sowie diese Ziele erreicht werden können, sollten Marketer [„…die richtigen ästhetischen und funktionalen Komponenten der Verpackung auswählen“] (Kotler et al, 2017, S. 487). Das Verpackungsdesign gewinnt in einigen Produktsparten als Mittel der Verkaufsförderung verstärkt an Bedeutung (Weckwert, 2018). Im Marketing ist es wichtig, dass Verpackungselemente miteinander harmonieren und gleichzeitig mit dem Preis, der Werbung und anderen Elementen des Produktmarketings im Einklang stehen. Zu den ästhetischen Aspekten gehören unter anderem Größe, Form, Material, Text, Typografie und Grafik. Vor allem jedoch die Farbe bzw. die farbliche Gestaltung der Verpackung stellt ein besonders relevantes Element dar (Kotler et al., 2017; Weckwert, 2018). Farben haben je nach Kultur unterschiedliche Bedeutungen. Sie können Marken definieren und einen Wiedererkennungswert schaffen, wie z.B. bei der Schmuckmarke Tiffany, die für ihre blaue Kästen bekannt ist, in denen sich der Schmuck befindet (Kotler et al., 2017). Weitere Merkmale und Assoziationen zur Farbe wird im Kapitel 3.3.1, der Verpackungsfarbe, erläutert.
2.4 Motivationstheorie: Bedürfnistheorie nach Maslow
Bei dem Vorhaben ein Produkt zu kaufen spielen Motive und Bedürfnisse eine bedeutsame Rolle. In diesem Zusammenhang wird die Bedürfnispyramide vom US-amerikanischen Psychologen Abraham Harold Maslow erläutert. Er untersuchte, was die Menschen motiviert und antreibt. Hierbei gibt es nach Maslow fünf aufeinander aufbauende Kategorien, die die Bedürfnisse von Menschen beschreiben, wobei immer zuerst die Bedürfnisse der ersten Kategorie erfüllt sein müssen bevor eine höherliegende Kategorie erfüllt werden kann (Fleig, 2017). Das physiologische Bedürfnis der Pyramide steht ganz unten und gilt somit als relevantestes Bedürfnis (s. Abb. 4). Es beschreibt die elementaren Bedürfnisse wie essen, trinken und schlafen. Sind die physiologischen Bedürfnisse erfüllt, taucht das Sicherheitsbedürfnis, also z.B. die Lebensmittelsicherheit in Bezug auf die Qualität und Verträglichkeit, auf. Die nächste Kategorie der Bedürfnispyramide befasst sich mit den sozialen Bedürfnisse wie z.B. der Zugehörigkeit. Danach folgen die Individualbedürfnisse (Anerkennung und Wertschöpfung) also Selbstinszenierung. Ganz oben in der Pyramide steht die Selbstverwirklichung, welche das Motiv der Förderung der eigenen Gesundheit oder den ethischen Konsum widerspiegelt (Maslow, 1970; Wegmann, 2020). Demnach erläutert die Bedürfnispyramide die Zielorientierung der Motivation durch bestimmte Bedürfnisse und Motive.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4. Bedürfnispyramide nach Maslow (Eigene Darstellung, 2020 nach Maslow, 1970).
3 Empirische Forschung
Die Entscheidung der Verbraucher immer häufiger auf Produkte tierischer Herkunft zu verzichten und öfter zu einer tierfreien Alternative zu greifen, nimmt aus unterschiedlichen Motiven jährlich zu. Viele Lebensmittelhersteller haben diesen Trend erkannt und sich dadurch auf dem Markt etabliert, andere haben ihr Produktsortiment neu strukturiert und neue Produkte entwickelt. Der Wunsche nach Genuss ohne Tierleid ist für viele der Einstieg in eine vegetarische oder vegane Ernährung und Lebensweise. Bei Mischköstlern kann mit einer ausschließlich pflanzenbasierten Ernährung auf Unverständnis gestoßen werden. Dabei wird teilweise behauptet, dass der Trend des Veganismus eine „Marketing-Lüge“ der Hersteller sei. Um die Vermarktung beider Produktgruppen zu untersuchen, wird in diesem Kapitel die Forschungsfrage sowie die Forschungshypothesen, die den Leitfaden der Arbeit bilden, vorgestellt. Anhand des methodischen Vorgehens der qualitativen und quantitativen Inhaltsanalyse wird die Gestaltung und der Inhalt der Verpackung des Endproduktes von pflanzlichen Ersatzprodukten mit Fleisch- und Wurstprodukten verglichen, analysiert und interpretiert.
3.1 Forschungsfrage und Forschungshypothesen
Die zentrale Forschungsfrage, die in dieser Arbeit behandelt wird, lautet: Wie bewerben Produzenten von tierfreien Ersatzprodukten im Vergleich zu klassischen Fleischproduzenten ihr Sortiment? Von dieser Forschungsfrage ausgehend wurden vier Hypothesen aufgestellt, die beantwortet und verifiziert beziehungsweise falsifiziert werden. Die Hypothesen wurden mit Bezug auf die theoretische Grundlage der Arbeit abgeleitet.
Hypothese 1: Die Produzenten der tierfreien Ersatzprodukte setzen bei der Vermarktung vermehrt auf gesundheitliche Aspekte als die Fleischproduzenten.
Hypothese 2: Die Produzenten der tierfreien Ersatzprodukte setzen bei der Vermarktung vermehrt auf nachhaltige Aspekte als die Fleischproduzenten.
Hypothese 3: Die Produzenten der tierfreien Ersatzprodukte setzen bei der Vermarktung auf andere Aspekte des Tierwohls als die Fleischproduzenten.
Hypothese 4: Die Produzenten der tierfreien Ersatzprodukten zielen bei der Vermarktung auf andere Bedürfnisse ab als die Fleischproduzenten.
3.2 Inhaltsanalyse
Für die Analyse der Vermarktung der tierfreien Ersatzprodukte im Vergleich zu den Fleisch- und Wurstprodukten und die Beantwortung der Forschungsfrage wird die quantitative und qualitative Inhaltsanalyse verwendet. In der Kommunikationswissenschaft gehören inhaltsanalytische Verfahren zu den am häufigsten angewendeten Methoden (Brosius et al., 2009). Die Inhaltsanalyse ist Teil der empirischen Sozialforschung und wird definiert als „eine empirische Methode zur systematischen, intersubjektiv nachvollziehbaren Beschreibung inhaltlicher und formaler Merkmale von Mitteilungen“ (Früh, 2017, S. 29). Generell wird innerhalb der Methode zwischen der qualitativen Inhaltsanalyse und der quantitativen Inhaltsanalyse unterschieden. Quantitative Inhaltsanalysen messen Häufigkeiten, Umfänge und Verteilungen von Merkmalsausprägungen (Wörter und Satzstrukturen) inhaltlicher (Themen) und formaler (Präsentationen, Gestaltung) Art. Die Individualität der einzelnen Texte während der Einordnung in Kategorien (Codierung) wird hingegen bei der qualitativen Inhaltsanalyse berücksichtigt (Rössler, 2017). Daher werden in dieser Arbeit beide Verfahren genutzt. Durch den Kommunikations- und Medienwissenschaftler Werner Früh wurde erstmals der Begriff der integrativen Inhaltsanalyse eingeführt, der nicht nur explizit formulierte Aussagen erfassen soll (wie bei der quantitativen Inhaltsanalyse), sondern auch Aussagen, die anhand offenbarer Indizien erörtert bzw. erschlossen werden können (Rössler, nach Früh, 2017).
Um die Forschungsfrage zu beantworten, werden im Folgenden keine Texte analysiert, wie es der Regelfall bei einer Inhaltsanalyse ist, sondern es wurden die Verpackungen der tierfreien Ersatzprodukte sowie Fleisch- und Wurstprodukte und deren Vermarktung analysiert. Angewendet wird die Form der deduktiven (strukturierenden) Inhaltsanalyse, in der das Material, also die Verpackungen der Lebensmittel unter festgelegten Kriterien kategorisiert werden. Als zentraler Punkt der Inhaltsanalyse wird das Kategoriensystem dargestellt, dass die Nachvollziehbarkeit der Untersuchung für Außenstehende gewährleistet. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Inhaltsanalyse Texte, aber auch Lieder, Fernsehbeiträge oder Objekte durch ein systematisches, regel- und theoriegeleitetes Vorgehen thematisch analysiert (Mayring, 2010).
Für die Analyse der Verpackungen bezogen auf das Marketing der Anbieter von vegetarischen/veganen Ersatzprodukten und die der klassischen Fleisch- und Wurstanbieter wurde ein Kategoriensystem, ein sog. Codebuch erstellt. Insgesamt wurden zehn Kategorien gebildet (s. Anhang Tabelle 4). In der ersten Kategorie werden die Verpackungsfarben, die der Konsumenten auf den ersten Blick wahrnimmt, untersucht. Es soll sich dabei jedoch pro Verpackung auf maximal drei Farben beschränkt werden (die mit dem jeweils höchsten Anteil). Die zweite Kategorie bezieht sich auf die Verpackungsform, während die dritte Kategorie das Verpackungsmaterial und die vierte Kategorie die Verpackungsvisualisierung betrachtet. Das Logo (5. Kategorie) und der Markenname (6. Kategorie) greifen die Darstellung und den Zusammenhang zwischen Produkt und Marke auf. Welche Wörter und Hinweise die Produzenten auf den Lebensmitteln präsentieren, um den Konsumenten zum Kauf zu motivieren, wird in der siebten Kategorie zusammengefasst. Die achte Kategorie prüft das Vorhandensein eines Slogans oder eines Claims auf der Verpackung. Anschließend wird ermittelt, ob im Hauptsichtfeld Siegel (Kategorie 9) verwendet wurden, die den Konsumenten auf bspw. vegane oder biologische Produkte hinweisen. In der letzten Kategorie wird die Preisspanne beider Produktgruppen (pro 100g) betrachtet und verglichen.
Bei einigen Kategorien sind mehrere Antworten möglich, wie z.B. bei den Farben, dem Wording und Hinweisen oder bei den Siegeln. Die Kategorien wurden gebildet und zusammengefasst, um bestimmte Inhalte, Themen und Aspekte aus dem Material herauszufiltern. Sie wurden nach Betrachtung des untersuchten Materials aufgestellt und definiert. Anhand der Kategorien soll in diesem Kapitel das Material analysiert und die Ergebnisse in Hinblick auf die Hypothesen und die Forschungsfrage untersucht werden.
3.3 Ergebnisse und Interpretation der Untersuchung
Für die Untersuchung der Vermarktung von vegetarischen/veganen Ersatzprodukten im Vergleich zu Fleisch- und Wurstprodukten wurden für diese Arbeit insgesamt 100 Produkte aus deutschen Supermärkten untersucht. Von den 100 Produkten sind 25 Produkte vegetarische/vegane Ersatzprodukte für Fleisch und 25 vegetarische/vegane Ersatzprodukte für Wurst (insgesamt 50 Ersatzprodukte) sowie 25 Fleisch- und 25 Wurstprodukte (insgesamt 50 Fleisch- und Wurstprodukte) (s. Anhang). Die Produkte wurden stichprobenartig aus den marktführenden Supermärkten in Deutschland wie Edeka, Rewe, Aldi, Lidl, Penny oder Kaufland ausgewählt (Lebensmittelzeitung, 2018).
[...]
1 Der virtuelle Wasserverbrauch beschreibt den realen produktbezogenen Wasserverbrauch für den gesamten Erzeugungsprozess eines Produktes (Fein & Wirsam, 2018).
2 BSE steht für Bovine spongiforme Enzephalopthie, bedeutet übersetzt schwammartige Rückbildung der Gehirnsubstanz bei Rindern und ist eine anzeigepflichtige Tierseuche (BMEL, 2019a).
3 Unter FMCG werden Waren bezeichnet, die im Verkaufsregal schnell wechseln. Dazu gehören vor allem Konsumgüter des täglichen Bedarfs wie Nahrungsmittel, Getränke oder Produkte für die Körperpflege (Kaiser, 2011).
4 Above-the-Line-Medien sind klassische Medien wie Zeitung, Zeitschriften, Fernsehen, Radio, Kino, Plakatwerbung sowie Internet und Mobil. Unter Below-the-Line-Medien werden Werbeformen wie Events, Sponsoring oder Guerilla-Marketing verstanden, die hier nicht erfasst sind (Wegmann, 2020).
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