Blockchain im Energiebereich. Die Möglichkeiten von Smart Contracts beim OTC-Handel von Energieprodukten


Hausarbeit, 2020

29 Seiten, Note: 4.8


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abstract

1 Einleitung
1.1 Ausgangslage
1.2 Phänomen
1.3 Relevanz
1.4 Fragestellung
1.5 Zielstellungen und erwartende Ergebnisse der Arbeit
1.6 Abgrenzungen
1.7 Aufbau der Arbeit

2 Theorieteil
2.1 Grundlagen und Kategorisierung Blockchain-Technologie
2.1.1 Verstehen der Blockchain-Technologie
2.1.2 Kategorisierung von Blockchain in der Schweiz durch die FINMA
2.1.3 Definition von Smart Contracts
2.1.4 Definition von ausserbörslichem Handel (OTC-Handel)
2.2 Die Sicht des Managements auf die Blockchain-Technologie
2.3 Blockchain-Technologie in der Energiebranche
2.3.1 Vergleich Blockchain in der Energiebranche zu anderen Branchen
2.3.2 Überblick Nutzung von Blockchain in der Energiebranche
2.4 Einflussfaktoren der Nutzung von Blockchain in der Energiebranche
2.4.1 Anforderungen erhöhter Transparenz im Energiehandel
2.4.2 Reduktion der Transaktionskosten
2.4.3 Anstehende Disruption im Energiehandel
2.5 Blockchain-Technologie im OTC-Handel von Energieprodukten in der Praxis
2.5.1 Enerchain
2.5.2 NEW 4.0
2.5.3 Wien Energie & BTL
2.6 Herausforderung von Blockchain im OTC-Energiehandel
2.7 Kritische Stimmen
2.8 Zusammenfassung Theorieteil

3 Auswertungsteil
3.1 Potenziale und Probleme des OTC-Energiehandels via Blockchain
3.1.1 Disruptionspotenziale im OTC-Energiehandel
3.1.2 Der Einfluss von Blockchain auf die Transaktionskosten
3.1.3 Enerchain & Co. und deren Möglichkeiten, Vor- und Nachteile
3.2 Beantwortung der Forschungsfrage
3.3 Praxisanwendung

4 Fazit und Ausblick
4.1 Schlussbetrachtungen
4.2 Handlungsempfehlungen
4.3 Ausblick

Quellenverzeichnis

Verzeichnis der Darstellungen

Abbildungsverzeichnis

Abstract

Die hier vorliegende Seminararbeit geht der Frage nach, wie weit sich Blockchain-Technologien in der Energiewirtschaft und im Speziellen beim Handeln von ausserbörslichen Energietransaktionen entwickelt haben. Konkret soll durchleuchtet werden, wie die Energiebranche die Blockchain-Technologie im Vergleich zu anderen Branchen bereits anwendet und welche Blockchain-Lösungen im Handel von OTC-Produkten im Energiebereich bereits vorhanden sind. Die Arbeit konzentriert sich auf die für das Handeln von Energieprodukten bekannten Blockchain-Lösungen, die sich bis heute im Markt aufgedrängt haben. Alle in dieser Arbeit aufgeführten und analysierten Lösungsvarianten weisen ihre eigenen Charakteristiken auf, die der Autor aufzuzeigen weiss. Weiter stellt sich im OTC-Handel von Energieprodukten die Frage, inwiefern die neue Blockchain-Technologie Einfluss auf die Kosten der Energieunternehmen hat. Speziell die Implikationen auf die zu reduzierenden Transaktionskosten werden hier aufgrund der Potenziale bei intern und extern anfallenden Kosten von Energiedeals erläutert und erklärt. Eine Kernaussage, die sich in dieser Arbeit herauskristallisiert, ist die Tragweite, die solche Lösungen in der Energiebranche auslösen kann. Für einige Branchenplayer könnte das Einsetzen der Blockchain-Technologie ihre Einnahmequellen minimieren oder gar ganz ausradieren. Handkehrum könnten diese doch immensen Einflüsse künftig das Handeln mit Energieprodukten für die Energieunternehmen, die mit dem Transaktionstool Blockchain ihre Energietransaktionen durchführen, angenehme Nebeneffekte in Form von deutlich geringeren Kosten haben. Zur Hilfe kommt für die Beantwortung der Forschungsfrage in dieser Arbeit die Analyse vom Disruptionspotenzial der Branche, die Auflistung und Bewertung von bevorstehenden Transaktionkostenflüssen sowie eine Gegenüberstellung der heutigen drei Blockchain-Lösungen für den OTC-Handel.

1 Einleitung

1.1 Ausgangslage

Blockchain ist in der modernen Wirtschaftswelt in aller Munde, so auch in den Energieunternehmen. Im heutigen Umfeld wird Blockchain nur vereinzelt angewendet und wenn, dann nur mit ausgewählten Kunden und unter Einsatz von Einzelverträgen mit diesen. Die Alpiq AG zum Beispiel hat genau einen derartigen Vertrag mit einem Kunden in Polen ausgehandelt, insbesondere auch, um Blockchain als ‚Proof-of-Concept‘ in der Praxis auszutesten (alpiq.com, 2018). Die Einführung von Blockchain-Technologie geht in der Energiebranche gesamthaft betrachtet recht langsam voran, was mehr oder weniger mit vorsichtiger Zurückhaltung der Energieunternehmen, aber auch mit mangelndem Vertrauen der Teilnehmer in diese Technologie an und für sich zu begründen ist. Nichtsdestotrotz gibt es allerdings erste umfassende Versuche, Blockchain im grösseren Rahmen zu nutzen, wie das Beispiel des Projekts Enerchain zeigt. Dieses Projekt, welches seit dem Jahre 2016 von der Firma Ponton GmbH in Hamburg geführt wird und bei dem über 40 Energieunternehmen mitmachen, ist als Vorzeige- und Prototyp-Versuch anzusehen (Ponton GmbH, 2018). Im Rahmen dieses Projektes, welches namentlich seit Mai 2019 in Echtbetrieb ist, soll der OTC-Handel (Over-The-Counter oder auch Sekundärhandel genannt) via Blockchain geführt werden, um insbesondere Transaktionskosten senken und die Anzahl der in die Handelsgeschäfte involvierten Zwischenhändler reduzieren oder gar ausschalten zu können. Es gilt anzumerken, dass in der momentan technisch hoch entwickelten Arbeitswelt der OTC-Handel immer noch sehr manuell abgehandelt wird. Dies zeigt ein Beispiel eines aktuellen aber eben traditionellen OTC-Handels - da ruft ein Energiehändler einen oder (mehrere) Broker via Telefon an und fragt nach Offerten für eine bestimmte Menge Energie (z.B. Strom in Megawatt) für eine bestimmte Laufzeit. Wird ein Gegenpart gefunden, kommt das Geschäft zustande und der Zwischenhändler bestätigt dem oder den Geschäftspartnern, dass der Handel ausgeführt wird. Die üblichen vertraglichen Systemeintragungen in den vorgegebenen Handelssystemen der Unternehmen gehen dann manuell, das heisst traditionell und somit langatmig vonstatten. Dieser manuelle Prozess schreit förmlich nach einer modernen und zeitnahen Lösung, die in einer Blockchain-Anwendung bereitgestellt werden kann. In der vorliegenden Arbeit gilt es herauszufinden, welche Blockchain-Anwendungen bereits vorhanden oder in Vorbereitung sind und welche Vorteile für die Anwender der Blockchain-Technologie in der Energiebranche zur Verfügung stehen oder stehen werden. Sodann gilt es aber auch auf die Nachteile beim OTC-Handel mit Blockchain-Anwendung hinzuweisen, weshalb diese nicht für alle Teilnehmenden positiv erscheinen.

1.2 Phänomen

Generell lässt sich in letzter Zeit beobachten, dass sich wichtige Energieunternehmen eine unkompliziertere und weniger zeitaufwändige Abwicklung der heute teils immer komplexeren Vertragswerke wünschen. Insbesondere im Sekundärmarkt, wo die operativen Kosten für eine Transaktion mit Brokern unter Anwendung von traditionellen manuellen Arbeitstechniken rasch die Kosten eines börsengehandelten Deals übersteigen, ist die Blockchain-Technologie eine Chance, manuelle arbeitsintensive Arbeitstechniken zu reduzieren und damit auch vorprogrammierte Risiken von Fehlern auf ein Minimum zu begrenzen. Im Weiteren wird unter Anwendung der neuen Methode erwartet, dass die Wirtschaftlichkeit erheblich gesteigert werden kann, indem die Transaktionskosten, also die Kosten für einen Deal im OTC-Handel im Gegensatz zur heutigen manuellen Transaktionverarbeitung deutlich günstiger gestaltet werden können.

1.3 Relevanz

Ein Trend lässt sich auch in den Energieunternehmen indes bereits heute beobachten: Kosteneinsparungen sind auch in dieser Branche ein begehrtes und zukunftsorientiertes Thema. Blockchain kann ein effektives Mittel zur Umsetzung dieses Zieles sein. Damit könnten auf einen Schlag die rechtlichen Gegebenheiten vereinfacht, der Zwischenhandel bei OTC-Deals gesenkt und somit bedeutende Transaktionskosten eingespart werden. Die Blockchain-Technologie kann im Endeffekt auch helfen, Finanzflüsse eines Energieunternehmens weiter zu optimieren. Es scheint eine logische Folge zu sein, dass diese Technologie auch in den Energieunternehmen in naher Zukunft eine bedeutendere Rolle spielen könnte, als dies bisher in dieser Branche üblich ist.

In der Folge lässt sich aus Forschungssicht wiederum ableiten, dass bei einer flächendeckenden Umsetzung der Blockchain-Anwendung in der heute gegebenen Umgebung in den Energiemärkten nicht unerhebliche Vorteile als auch Problempunkte vorprogrammiert sind. Ziel soll schlussendlich sein, die Probleme äusserst rasch und effektiv in den Griff bekommen zu können, damit die kostengünstige Blockchain-Technologie in den Energiemärkten flächendeckend und erfolgreich eingesetzt werden kann.

1.4 Fragestellung

In der vorliegenden Arbeit soll gezeigt werden, welche Einsatzmöglichkeiten in Sachen Blockchain im Trading von Energieprodukten vorhanden sind, welche Probleme dem OTC-Energiehandel im Wege stehen und wie die konkreten Lösungsansätze aussehen könnten.

Die zentrale Fragestellung lautet deshalb:

Welche Vorteile, Nachteile als auch Probleme im Kontext der Einführung von Blockchain im Handel von Energieprodukten mit Brokern sind erkennbar, welche Vorteile sollten weiter erforscht und ausgebaut werden, und welche Lösungsansätze sind in der Praxis umzusetzen, um allfällige Probleme zu eliminieren, damit Blockchain im Energiehandel flächendeckend marktfähig eingesetzt werden kann?

1.5 Zielstellungen und erwartende Ergebnisse der Arbeit

Folgende Ergebnisse werden mit dieser Arbeit erwartet:

- Aufzeigen der heutigen Blockchain-Lösungen im Handel von Energieprodukten sowie Charakterisierung der Vorteile und der Probleme von Blockchain-Lösungen im Energiehandel mit ‚Over-the-Counter (OTC)‘-Geschäften.
- Ableitung und Abgabe von Handlungsempfehlungen zur optimierten Nutzung von smarten Kontrakten in der Blockchain-Umgebung im Kontext von OTC-Geschäften der Energieprodukte mit Brokern.

1.6 Abgrenzungen

Es wird in vorliegender Arbeit auf folgende weiterreichende Analysen verzichtet und es gelten folgende Einschränkungen:

- Börsengehandelte Energieprodukte werden in dieser Arbeit ausgeklammert; es wird also nur auf OTC-Geschäfte mit Brokern Bezug genommen. Im Allgemeinen werden die üblichen Börsenhandelsgeschäfte ausgeklammert und bestenfalls als Vergleich zu den Brokern miteinbezogen.
- Die Energiegeschäfte in dieser Arbeit sind im Wesentlichen auf Strom-, Gas-, Öl-, und CO2-Produkte beschränkt.

1.7 Aufbau der Arbeit

Zunächst wird im ersten Teil, dem Theorieteil, der Definition von Blockchain Beachtung geschenkt. Nach einer kleinen Einführung zur allgemeinen Definition von Blockchain wird zur Hauptsache auf die Blockchain-Technologie im Energiebereich hingewiesen. Zugrundeliegend sollen hier der aktuellste Literaturstoff sowie die neusten und modernsten Erkenntnisse miteinbezogen werden. In einem zweiten theoretischen Schritt werden die Einflussfaktoren im Kontext der OTC-gehandelten Energieprodukte thematisiert. Aufgrund dieser Grundlage wird im zweiten, auswertenden Teil analysiert, welche Erfolgsfaktoren eine günstige Zukunft der Blockchain-Technologie in der Energiebranche hervorsagen und welche aktuellen Nachteile noch nach Lösungen flehen. Im Weiteren wird eine Auflistung von aktuellen Blockchain-Anwendungen und spezifischen Arbeitsvorgängen im Energiebereich aufgezeigt. Zum Schluss werden eine Zusammenfassung sowie eine Handlungsempfehlung präsentiert.

2 Theorieteil

2.1 Grundlagen und Kategorisierung Blockchain-Technologie

In diesem ersten Teil werden die Grundlagen von Blockchain, eine Kategorisierung von Blockchain anhand der Wegleitung der Finanzaufsichtsbehörde der Schweiz, eine kurze Übersicht zum Thema OTC sowie eine Definition von Smart Contracts erörtert und aufgezeigt, allerdings ohne tiefer ins Detail zu gehen.

2.1.1 Verstehen der Blockchain-Technologie

Blockchain ist eine dezentrale, hochverschlüsselte Datenbank, welche eine Basistechnologie, auf der man verschiedene Anwendungen entwickeln kann, darstellt. Das System speichert Transaktionen blockweise ab. Kette (chain) heisst es darum, weil jeder Block mit dem vorherigen und nachfolgenden Block verschlüsselt und gespeichert wird und so eine Kette von Blöcken bildet.

In den Worten eines Blogbeitrags von REPOWER (repower.com, 2019) kann die Blockchain-Technologie auch folgendermassen beschrieben werden: Blockchain ist eine digitale Verschlüsselungstechnik, über die sich Handelsgeschäfte direkt abwickeln lassen. Das besondere Merkmal der Blockchain ist dabei ihre Dezentralität. Datensätze werden nicht mehr auf zentralen Servern abgelegt, sondern dezentral auf viele verschiedene Rechner verteilt.

Vielleicht hilft eine Umschreibung des Buches ‚Übermorgen – Eine Zeitreise in unsere digitale Zukunft‘ von Jörg Eugster (2019, S. 183) um die Blockchain-Technologie ein bisschen einfacher zu erklären und verstehen zu können: Ihrem Freund oder Ihrer Freundin leihen Sie EUR 1‘000 aus. Es sitzen 100 Zeugen im Raum, die die Transaktion mitbekommen und wie folgt bestätigen: Sie leihen ihrem Freund oder Ihrer Freundin EUR 1‘000 am tt.mm.jjjj um hh:mm Uhr aus. Ein Algorithmus verschlüsselt nun diese Transaktion mit einer vorhergehenden. Sobald mehr als die Hälfte der Teilnehmenden, also mindestens 51 Zeugen, diesen Deal mit der vorherigen Transaktion kodiert haben, gilt die Transaktion als notiert und bestätigt. Nun, eine Woche später jedoch behauptet ihr Freund oder Ihre Freundin, dass er oder sie nur EUR 500 von ihnen geliehen habe. Diese Behauptung ist nun schwierig zu beweisen, denn mindestens 51 Zeugen haben ja bestätigt, dass es EUR 1‘000 gewesen sind. Das Kunststück von ihrem Freund besteht jetzt darin, mindestens ebenso 51 Zeugen zu finden, die bestätigen, dass der ursprünglich geliehene Betrag nur EUR 500 war. Weil die Leihtransaktion damals von mindestens 51 Zeugen protokolliert wurde, wird es für sie leicht sein, die Behauptung ihres Freundes oder ihrer Freundin zu widerlegen. Noch unfruchtbarer wäre der Versuch ihres Freundes/ihrer Freundin, die 51 Teilnehmer zu hacken, da diese Teilnehmer die Datenbanken hochgradig verschlüsselt haben.

2.1.2 Kategorisierung von Blockchain in der Schweiz durch die FINMA

In der Schweiz hat die Finanzmarkaufsicht (kurz: FINMA) im Jahr 2018 eine Wegleitung herausgegeben, die im Rahmen eines ‚Initial Coin Offering‘ gewisse Merkmale im Umgang mit Blockchain in der Finanzindustrie manifestiert. Die Schweiz ist mit der Einführung einer Regulierung von Blockchain-Technologie führend, zumal eine Wegleitung in Sachen Blockchain im Jahr 2018 wohl eine Einzigartigkeit in der Blockchain-Welt darstellt.

Die Wegleitung beschreibt im Grossen und Ganzen die Kategorisierung von Blockchain-Token in drei Kategorien: 1. Zahlungs-Token, 2. Nutzungs-Token, 3. Anlage-Token. Unter Zahlungs-Token versteht man Token, die die Absicht haben, als Zahlungsmittel eingesetzt zu werden, was in der Fachwelt unter Kryptowährungen verstanden wird. Nutzungs-Token beschreibt die FINMA mit: ‚Token, die Zugang zu einer digitalen Nutzung oder Dienstleistung vermitteln sollen, welche auf oder unter Benutzung einer Blockchain-Infrastruktur erbracht wird‘. Bei Anlage-Token sind Token gemeint, die Vermögenswerte repräsentieren, wie zum Beispiel schuldrechtliche Forderungen gegenüber Emittenten oder ein Mitgliedschaftsrecht im gesellschaftsrechtlichen Sinne (Aktien, Obligationen, Derivatives Finanzinstrument). Die FINMA bezeichnet Token, bei welchen die Klassifizierung sich nicht gegenseitig ausschliessen als ‚hybride Token‘, sprich ein Token ist ein Nutzungs-Token, aber beinhaltet eine Kryptowährung (es wird zum Beispiel mit Bitcoin bezahlt), und demnach gilt auch der Zahlungs-Token als Bestandteil des Tokens (finma.ch, 2018).

Der Autor dieser Arbeit möchte gerne darauf hinweisen, dass das Beispiel von Alpiq AG im Einführungsteil genau einen hybriden Token beschreibt. Die zu liefernde Menge von Energie wird mit einer Kryptowährung bezahlt und somit erfüllen doch mindestens zwei Token-Kategorisierungen das hybride Konstrukt. Weiter möchte der Autor darauf hinweisen, dass die meisten Energieunternehmen nicht den Regulierungen der FINMA unterstellt sind, trotzdem aber von Regulierungsbehörden in Europa (Regulierungen: MiFID II, REMIT, EMIR, etc.) beaufsichtigt werden. Die von der FINMA bereitgestellte Kategorisierung macht dennoch insofern Sinn, um einen Überblick über die verschiedenen Blockchain-Kategorien zu erhalten.

2.1.3 Definition von Smart Contracts

Nick Szabo, Computer- und Rechtswissenschaftler, gilt als ideeller Vater des Smart Contract. Szabo hat Smart Contract folgendermassen definiert: Ein Smart Contract ist ein computerisiertes Transaktionsprotokoll, das Vertragsbestandteile ausführt. Hauptzweck ist die Durchsetzung von allgemeinen Vertragsbedingungen, die Minimierung von vorsätzlichen und fahrlässigen Vertragsbrüchen und die Notwendigkeit von vertrauenswürdigen Intermediären (Zwischenhändlern). Ökonomisch gesehen, soll dies zu weniger Verlusten durch Betrug, Schlichtungs- und Durchsetzungskosten sowie anderen Transaktionskosten führen (Gyr, 2019, S. 90).

Im Kontext von Smart Contracts übernimmt die in der Schweiz ansässige Ethereum-Stiftung eine Vorreiterrolle. Der Terminus Smart Contract findet zwischenzeitlich eine allgemeine Verwendung. Als Smart Contracts werden bestimmte Codes von Ethereum benannt, die auf Ethereum-Blockchain initiiert werden können. Diese können mit anderen Smart Contracts interagieren, Entscheidungen treffen, Daten speichern und im Falle von Ethereum die Kryptowährung Ether versenden. Die spezifischen Eigenschaften können durch ihre Schöpfer bestimmt werden, die Ausführung und allfällige weitere Serviceleistungen jedoch werden durch die Blockchain von Ethereum vorgenommen. Smart Contracts existieren solange, als das Netzwerk, die Blockchain, selbst existiert und sie werden nur dann aufgelöst, wenn sie zur Selbstzerstörung programmiert werden (Gyr, 2019, S. 89).

Deloitte (deloitte.com, 2016, S. 1) erklärt Smart Contracts als effektive Programme, welche innerhalb einer Blockchain geladen werden, um traditionelle Transaktionen automatisch mit vordefinierten Codes ausführen zu lassen. Als Beispiel für einen Smart Contract auf Blockchain Ebene nennen sie eine automatische Ausführung des ganzen Kontrakts, wenn eine bestimmte Bedingung des Vertrages (z.B. bestimmte Preis- oder Volumenkonditionen wurden erfüllt) vorgängig ausgelöst wurde. Weiter beschreiben sie, dass der Smart Contract auf Blockchain dezentralisiert aufgebaut ist, und in diesem Falle keine Intermediäre als Zwischenhändler im Wege stehen.

Im weiteren Verlauf der Arbeit wird vorausgesetzt, dass die Blockchain-Technologien im Energiehandel als Smart Contracts verstanden werden.

2.1.4 Definition von ausserbörslichem Handel (OTC-Handel)

Der ausserbörsliche Handel, auch Over-The-Counter Handel (kurz: OTC) genannt, bezieht sich auf Transaktionen, die nicht an einer offiziellen Börse (z.B. EEX – Energy Exchange in Leipzig), und somit ausserbörslich getätigt werden (ig.com). Im OTC Handel müssen sich die Geschäftspartner kennen oder über einen Broker Kontakt miteinander aufnehmen. Die Geschäfte kommen auf Online-Handelsplattformen oder über das Brokerunternehmen telefonisch zustande (next-kraftwerke.de). Der OTC-Handel erfolgt ohne zwischengeschaltete Instanzen oder Clearingstellen. Die gehandelten Volumina und Preise sind nur den Vertragspartnern bekannt (Doleski, 2019, S. 530).

2.2 Die Sicht des Managements auf die Blockchain-Technologie

Des Weiteren wird in dieser Arbeit kurz auf eine Umfrage mit CIOs (Chief Information Officers) von Gartner (gartner.com, 2019) hingewiesen. Die Umfrage wurde insbesondere initiiert, um herausfinden zu können, ob Blockchain in den Kreisen der verantwortlichen Firmenmanager als praxistauglich und somit real empfunden wird, oder ob es sich dabei eher um einen modernen Hype handelt. 60% der befragten CIOs glauben, dass irgendeine Form von Blockchain im Verlaufe der nächsten drei Jahren entwickelt und in der Praxis gewinnbringend einsetzbar ist, jedoch nur 5% der Befragten finden, dass Blockchain speziell ihrer Organisation einen entscheidenden Impuls bringen wird. Das Resultat der Umfrage wiederspiegelt somit den momentan vorsichtigen Praxisbezug von Blockchain in der Energiebranche.

Die meisten Organisationen - so auch ab dem Jahre 2018 die Alpiq AG - haben bisher nur in kleinen Bereichen mit Blockchain gearbeitet. Die Top Performer von Unternehmen, die Blockchain-Technologie nutzen, sind aber bereits intensiv auf der Suche, künstliche Intelligenz und Internet of Things (IoT) in ihre Businessmodelle zu integrieren. Gemäss Gartner (2019) könnte dies mit folgenden fünf Elementen versucht werden bzw. gelingen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Five elements of blockchain. Quelle: gartner.com (2019)

Um kurz auf die fünf verschiedenen Elemente von Gartner (2019) einzutreten: Verteilung (Distribution) bedeutet, dass alle Teilnehmer physisch in einer anderen Lokalität mittels eines Netzwerks verbunden sind. Verschlüsselung (Encryption) sagt aus, dass Blockchain-Technologie mit öffentlichen oder privaten Schlüsseln sicher für die Datenübermittlung benutzt wird. Die Teilnehmer können selber entscheiden, welche Identitäten oder persönlichen Informationen sie weitergeben wollen. Die Unveränderlichkeit (Immutability) beschreibt, dass alle kompletten Transaktionen kryptographisch signiert und mit einem Zeitstempel datiert werden. Die Daten können also nicht verändert werden, ausser die Teilnehmer entscheiden sich gegenseitig dazu. Technisierung (Tokenization) beruft sich darauf, dass Blockchain einen sicheren Austausch von Werten und Kodexen finanzieller oder physischer Inhalte darstellt. Die Dezentralisierung (Decentralization) bedeutet, dass es Knoten braucht, um Netzwerkinformationen und Regeln mit Konsensmechanismen zur Geltung bringen zu können. Dies bedeutet nichts anderes, als dass kein alleiniger Teilnehmer die Kontrolle aller Computer oder Informationen diktieren kann und darf.

Diese fünf Elemente können den Verantwortlichen in Unternehmen helfen, Blockchain zu verstehen und allenfalls Entscheidungen in die richtige Richtung zu treffen.

2.3 Blockchain-Technologie in der Energiebranche

2.3.1 Vergleich Blockchain in der Energiebranche zu anderen Branchen

Die Energiebranche hinkt bei der Nutzung und Implementierung von Blockchain-Technologie im Vergleich zu anderen Branchen, speziell zur Finanzbranche, weit hinterher. Im weltweiten Vergleich, den das Cambridge Centre for Alternative Finance in ihrem Bericht ‚Global Blockchain Benchmarking Study‘ im Jahr 2017 veröffentlichte (invesco.com, 2018), stehen in der Energiebranche nur 3% von bevorstehenden oder bereits implementierten Blockchain-Projekten eines Zehnfachen (30%) in der Finanzbranche gegenüber.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Finance leads the blockchain revolution. Quelle: Invesco.com, 2018, S. 2, basierend auf Global Blockchain Benchmarking Study 2017 des Cambridge Centre for Alternative Finance

Nichtsdestotrotz scheinen sich die Bemühungen in der Energiebranche zu intensivieren, wie einem Artikel auf greentechmedia.com (2018) zu entnehmen ist. In diesem Artikel wird darauf verwiesen, dass es 122 Blockchain Startups im Energiesektor gibt, über 70 Startups bereits ein Projekt planen, oder entwickelt und realisiert haben. Im Jahr 2017 waren über 900 Millionen US Dollars in Projekte investiert und alleine vom zweiten Quartal 2017 bis Ende erstes Quartal 2018 sind weltweit weitere 324 Millionen US Dollars in diese Technologie investiert worden. Diese neueren Zahlen weisen tendenziell darauf hin, dass sich die grosse Distanz zur Finanzbranche möglicherweise in Zukunft verkleinern könnte.

Die Beraterfirma McKinsey bemühte sich im Jahr 2018 (mckinsey.com, S. 7) in einem Bericht aufzuzeigen, wie sich Blockchain in den verschiedenen Industriebranchen bezüglich Wirtschaftlichkeit auswirken kann. Im Bericht selber wird konkret auf die Punkte Kosten (Cost) und später Einnahmen (Revenue) Bezug genommen. Diese beiden Punkte sind auch bei den Energieunternehmen (Utilities) in Abbildung 3 gross mit blauen Kreisen gekennzeichnet und bedeuten, dass einerseits mit einer funktionierenden Blockchain-Technologie in einem kurzfristigen Zeitrahmen die Kosten deutlich gesenkt und anderseits mit neuen Geschäftsmodellen längerfristig Mehreinnahmen generiert werden können. Des Weiteren schreibt McKinsey, dass aufgrund verschiedener Schlüsselpunkte - gemeinsam mit der Industrie erarbeitete Standards, Fortschritte in der Technologie, digitalisierbar machende Güter sowie ein Einsetzen eines sinnvollen und praktikablem Ökosystem - die Umsetzung und Durchführbarkeit in der Praxis auf einer skalierbaren Grösse drei bis fünf Jahre dauern könnte. Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass die Energiebranche im Vergleich zu anderen Branchen riesige Perspektiven aufweist, um mit Blockchain eine grösstmögliche Wertschöpfung realisieren zu können.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Impact of blockchain by industry. Quelle: McKinsey, 2018, S. 7

2.3.2 Überblick Nutzung von Blockchain in der Energiebranche

Accenture (accenture.com, 2018, S. 4) referenziert in ihrer Umfrage von Managern in der Energiebranche, dass 62% der ungefähr 600 befragten Unternehmen in der Energie die Blockchain-Technologie und Smart Contracts als kritisch und wenig sinnvoll für ihr Unternehmen beurteilen. 44% der Befragten hingegen planen in Blockchain zu investieren. Weiter schreibt Accenture, dass die Planung weiter in Richtung komplex angesetzte Projekte geht und im Speziellen bis zum Jahr 2021 die Hälfte der Gas- und Elektrizitätsunternehmen auf die kommerzielle Nutzung des Peer-to-Peer Energieaustausches setzt und auf die Erweiterung von e-Mobilität hinzielt.

In untenstehender Abbildung wird ersichtlich, welche Projekte weltweit in der Energiebranche bereits installiert sind oder in Planung stehen. Die Projekte in Blockchain-Technologien werden in neun spezifische Segmente unterteilt, welche den Grosshandel (Wholesale Markets) mit Energie, Smart Homes (DER & Smart Homes), Elektrische Fahrzeuge (Electric Vehicles), ‚Peer-to-Peer‘ Energie (‚Peer-to-Peer Energy), Wechselmöglichkeiten von Energieverbrauchern (Retail Switching), Zahlungen und Währungen (Payments & Currencies), Operationelle Effizienz (Operations & Efficiency), Gemischte Projekte (Mixed Offerings) und alles Andere (Other) umfassen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
Blockchain im Energiebereich. Die Möglichkeiten von Smart Contracts beim OTC-Handel von Energieprodukten
Hochschule
Kalaidos Fachhochschule Schweiz  (IDIB Institut für Digitales und Innovatives Business)
Note
4.8
Autor
Jahr
2020
Seiten
29
Katalognummer
V590811
ISBN (eBook)
9783346203151
ISBN (Buch)
9783346203168
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Blockchain, OTC Trading, OTC Handel, Energiehandel, Energy Trading
Arbeit zitieren
Fabian Boner (Autor:in), 2020, Blockchain im Energiebereich. Die Möglichkeiten von Smart Contracts beim OTC-Handel von Energieprodukten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/590811

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