Der Generationskonflikt in Frank Wedekinds 'Frühlings Erwachen'


Seminararbeit, 2005

12 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Jessica Brückner

1. Semester, Lehramt (Bachelor) mit den Fächern Deutsch und LER

„Aber das ist ja nicht möglich, Mutter. Ich bin ja doch nicht verheiratet…!“[1]

In diesen Worten Wendlas in dem Drama „Frühlings Erwachen“ von Frank Wedekind spiegelt sich die gesamte Tragik des Werkes wider. Die Generationen scheinen aneinander vorbeizureden, die Erwachsenen bringen absolut kein Verständnis auf für die Bedürfnisse der Jugendlichen. Die Welt der Eltern und Lehrer in Frühlings Erwachen hat mit der Welt der suchenden und leidenden Heranwachsenden, die gerade ihre Geschlechtsreife erlangen, nichts gemein. Die „aufwachende Jugend“ muss zwangsläufig in Konflikt geraten mit ihren „Erziehern (…), die ihre Instinkte (…) unterdrücken wollen“[2] und in ihrer bürgerlichen Engstirnigkeit das „Urproblem feige als nicht vorhanden (behandeln), das Natürliche als unsittlich (verwerfen) und die Heranwachsenden allein und hilflos dem Kampf mit der Qual und der Herrlichkeit des Lebens (überlassen).“[3]

Es wird in der von Wedekind selbst bezeichneten Kindertragödie mehrfach deutlich, dass die Jugend keine Schuld trägt an ihrem tragischen Schicksal, sondern dass die Elterngeneration mit ihren falschen Moralvorstellungen die Jugendlichen geradewegs ins Verderben führt.

So erzählt Frau Bergmann ihrer Tochter Wendla, die mit 14 Jahren nicht mehr glauben will, dass die Kinder vom Storch gebracht werden, allen ernstes, eine Frau müsse lediglich verheiratet sein und einen Mann lieben, um ein Kind zu bekommen. Wendla nimmt ihre Mutter beim Wort und wird in naiver Unwissenheit von ihrem Schulkameraden Melchi Gabor geschwängert- obwohl er ihr vorher versichert sie nicht zu lieben! Bei ihrem Treffen auf dem Heuboden wehrt sich Wendla erst noch gegen Melchiors Annäherungen: „Nicht küssen, Melchior! - Nicht küssen! (…) Man liebt sich wenn man küsst!“ Doch Melchior beteuert ihr: „O glaub mir, es gibt keine Liebe! (…) – Ich liebe dich so wenig wie du mich liebst!“[4] Und somit wird Wendla von Melchior entjungfert – freiwillig! Sie fühlt sich danach wie beflügelt, kann das Glück kaum fassen - aber ihr Schicksal ist besiegelt.

Die Lügenmärchen der Erwachsenen hören damit noch lange nicht auf- erzählt doch der gerufene Doktor von Brausepulver der im Bett liegenden Wendla, sie sei an der Bleichsucht erkrankt. Selbst als Frau Bergmann endlich die Wahrheit ausspricht und Wendla sagt, dass sie „ein Kind hat“, vermag sie es dennoch nicht ihrer Tochter zu helfen. Im Gegenteil, sie führt sie geradezu in den Tod, indem sie von „Mutter Schmidt“ eine Abtreibung vornehmen lässt, deren Folgen Wendla nicht überlebt! Für Wendlas Mutter war jedoch die Abtreibung der einzige mögliche Weg, um der schrecklichen Schande vor der Gesellschaft zu entgehen. Ihre fest verankerten Moralvorstellungen ließen sie nicht einmal über andere Möglichkeiten das Problem zu lösen nachdenken.

Selbst nach Wendlas Tod wird die Lüge aufrechterhalten, steht doch auf Wendlas Grabstein „gestorben an der Bleichsucht“[5]. Frau Bergmann schafft es auch nach dem tragischen Verlust ihrer Tochter nicht, sich von ihren starren Vorstellungen bezüglich Keuschheit und Reinheit zu lösen, sondern bestätigt ihr Idealbild der Jungfräulichkeit sogar noch durch die falsche Grabaufschrift.

Dabei ahnt Frau Bergmann nicht einmal etwas von Wendlas masochistischen Wünschen, die mit ihrer Entdeckung der Sexualität einhergingen. So wollte sich Wendla gern einmal für ihre Freundin Martha verprügeln lassen und sah sich im Traum als erniedrigtes Bettelkind. Bei einer früheren Begegnung mit Melchior bedrängte sie ihn gar, sie mit einer Gerte zu schlagen. Wendlas Unterwürfigkeit zeigt, dass eine vollständige Loslösung von ihrer Mutter noch nicht stattgefunden hatte, und dass somit Frau Bergmann ihrer Verantwortung als Mutter nicht gerecht wurde. Sie zeigt auch im weiteren Verlauf der Handlung keine Reue, sieht die Schuld allein bei ihrer Tochter und nicht etwa in ihrer mangelnden Aufklärung, übertriebenen Verklemmtheit und unterlassenen Hilfestellung.

[...]


[1] Frank Wedekind, Frühlings Erwachen, 1891, S. 70

[2] Julius Bab, Nebenrollen, 1913, S. 206

[3] Paul Fechter, Frank Wedekind. Der Mensch und das Werk, 1920, S. 34

[4] Frank Wedekind, Frühlings Erwachen, 1891, S.40f

[5] Frank Wedekind, Frühlings Erwachen, 1891, S. 75

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Der Generationskonflikt in Frank Wedekinds 'Frühlings Erwachen'
Hochschule
Universität Potsdam
Note
2
Autor
Jahr
2005
Seiten
12
Katalognummer
V59205
ISBN (eBook)
9783638532044
ISBN (Buch)
9783638752619
Dateigröße
469 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Generationskonflikt, Frank, Frühlings, Erwachen, Wedekind
Arbeit zitieren
Jessica Brückner (Autor:in), 2005, Der Generationskonflikt in Frank Wedekinds 'Frühlings Erwachen', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/59205

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