Die Rezeption derHistoria von D. Johann Faustenwar lange Zeit von Geringschätzung für den literarischen Wert des Werkes geprägt. Zwar wurde anerkannt, daß der Dichtung ein Rang im Kanon der Weltliteratur zugewiesen werden müsse, da der Faust- Stoff durch ihn seine Popularisierung erfuhr und somit spätere, für wertvoller befundene Bearbeitungen u.a. durch Goethe oder Mann überhaupt erst ermöglicht wurden. Aber ansonsten untersuchte man den Text eher nur auf seine unterhaltenden Elemente und die darin vertretenen, im christlichen Sinne belehrenden Moralvorstellungen hin. Eine geschlossene konzeptionelle Struktur und eine angemessene dichterische Umsetzung würden hier angeblich fehlen. Dieses pauschale Urteil mag bei oberflächlicher Betrachtung als zutreffend erscheinen. Die einzelnen Abschnitte sind, wie zu zeigen sein wird, von teilweise sehr unterschiedlicher Beschaffenheit. Wenn man versucht, anhand des Textes die Handlungsmotive des Protagonisten oder gar eventuelle Intentionen des Verfassers auszumachen, so wird man bisweilen auf Differenzen, scheinbar vielleicht gar Widersprüche stoßen. Einzelne Passagen wirken wahllos aneinandergereiht und ganz unterschiedlichen Erzählstrategien folgend; so, als habe der Verfasser die Feder aus der Hand gegeben und einem anderen das Wort überlassen- namentlich der dritte Teil scheint einen deutlichen Bruch in der Erzählung darzustellen. Der Verfasser, so wurde oft unterstellt, habe den Text nicht eigentlich „erdichtet“, sondern ihn vielmehr lediglich „kompiliert“. Erst langsam konnte sich die Ansicht durchsetzen, daß eine solche Betrachtungsweise dem Werk nicht gerecht wird und daß die textliche Gestaltung sehr wohl auch hohen Ansprüchen genügen könne- in dem Zusammenhang ist vor allem die Forschungsarbeit Barbara Könnekers zu nennen. In dieser Arbeit soll erörtert werden, inwiefern in derHistoriaauf damals gebräuchliche narrative Muster zurückgegriffen wurde, d. h. ob der Text sich an bestimmte tradierte Handlungskonzeptionen und den zeitgenössischen Diskurs bestimmende Bräuche des Erzählens anlehnt. Zunächst wird neben den formalen und handwerklichen Aspekten, mit welchen der Verfasser den Stoff bearbeitete, die Suche nach möglichen Werkintentionen in den Blickpunkt gerückt. Nur dann, wenn man sich verdeutlicht, was der Autor erreichen wollte, macht es Sinn, danach zu fragen, mit welchen stilistischen Mitteln er dies tat.
Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Analyse der einzelnen Textteile
- 1. Die Vorrede
- 2. Der Teufelspakt
- 3. Fausts Forschungsreisen
- 4. Die Schwankteile
- 5. Fausts Ende
- III. Zeitgenössische narrative Muster
- 1. Teufelspaktdarstellungen
- 2. Jenseitsvisionen
- 3. Schwankliteratur
- IV. Schlußbemerkungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die narrative Struktur der Historia von D. Johann Fausten und analysiert, inwiefern der Text sich an gebräuchliche narrative Muster seiner Zeit anlehnt. Sie fokussiert auf die Intentionen des Autors und die stilistischen Mittel, die er zur Vermittlung seiner Botschaft einsetzt.
- Analyse der narrative Struktur und Gestaltung des Textes
- Identifizierung von zeitgenössischen narrativen Mustern, die im Text verwendet werden
- Interpretation der möglichen Intentionen des Autors
- Untersuchung der stilistischen Mittel und handwerklichen Aspekte des Textes
- Rezeption und Bewertung der Historia von D. Johann Fausten im Kontext der damaligen Zeit
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet die Rezeption der Historia von D. Johann Fausten und stellt die Forschungsfrage nach der narrative Struktur des Textes. Die Analyse der einzelnen Textteile beleuchtet die Vorrede, den Teufelspakt, Fausts Forschungsreisen, die Schwankteile und Fausts Ende.
Die Vorrede wird als eine Warnung vor Schwarzkunst und Magie betrachtet und in den Kontext der Reformation gestellt. Der Teufelspakt wird als zentraler Bestandteil der Geschichte interpretiert und die Motivationen von Faust untersucht.
Der dritte Teil der Arbeit befasst sich mit den zeitgenössischen narrativen Mustern, die im Text verwendet werden, und behandelt Themen wie Teufelspaktdarstellungen, Jenseitsvisionen und Schwankliteratur.
Schlüsselwörter
Historia von D. Johann Fausten, narrative Muster, Teufelspakt, Schwarzkunst, Magie, Reformation, Zeitgenössischer Diskurs, Stilistische Mittel, Werkintentionen, Interpretationsansätze.
- Quote paper
- Boris Kruse (Author), 2001, Narrative Muster in der 'Historia von D. Johann Fausten', Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/59209