Nationalism proved to be stronger than socialism when it came to bonding working classes together, and stronger than capitalism that bound bankers together. Joseph S. Nye (1993: 61) Der Nationalismus bildet heute trotz, oder vielleicht auch grade wegen der immer weiter fortschreitenden Globalisierung eine der Hauptantriebskräfte der internationalen Politik. Die Suche nach einer Erklärung und Deutung der Ursachen für Nationalismus und seiner Antriebskraft für die Massen stellt weiterhin eine große Herausforderung für sämtliche Sozialwissenschaften dar. Nationalismus scheint dabei auf den ersten Blick nicht sehr rational. Es ist schwer verständlich, warum Individuen sich einer Nation zugehörig und loyal fühlen sollten, welche weitestgehend aus Menschen besteht, die sie nicht kennen und nie kennen lernen werden. Im Gegenteil scheint nationalistisches Engagement eine höchst irrationale Komponente zu besitzen, die bis hin zur Verletzung elementarer Bedürfnisse und zur Inkaufnahme extrem hoher Kosten reichen kann, bis zur völligen Selbstaufgabe oder Selbstzerstörung. Extremstes Beispiel hierfür sind sicherlich die islamistischen Selbstmordattentäter in Israel/Palästina, im Irak und anderen Teilen der Welt. Die vorliegende Arbeit geht der Frage nach, was grade die oft sehr kostenintensiven nationalistischen Gruppen in vielen Ländern so erfolgreich in der Rekrutierung und Aktivierung von Mitgliedern und Ressourcen macht. Es soll untersucht werden, ob und wie weit der Rational Choice Ansatz und der damit verbundene strukturellindividualistische Ansatz einen Beitrag zur Erklärung der Entstehung und der Anziehungskraft des Nationalismus leisten können. Dazu werden diese beiden klassischen Ansätze mit einer sozialpsychologischen Erklärungsebene ergänzt, welche die rationalen Handlungsmotivationen der Akteure hinsichtlich anscheinend irrationalem nationalistischen Verhalten vielleicht besser begreiflich machen kann. Dabei muss beachtet werden, dass an der Auffassung des Nationalismus als emotional und irrational vieles sicherlich unstrittig und richtig ist. Allerdings scheint es trotzdem sinnvoll anzunehmen, dass auch der Nationalismus in seinen vielen Formen durchaus eine nicht zu unterschätzende rationale Komponente besitzt (vgl. Esbach 2000: 1; Hardin 1995: 14). Im folgenden Kapitel wird zunächst der Ansatz des Rational Choice und der strukturelle Individualismus vorgestellt und diskutiert. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Rational Choice und struktureller Individualismus
- Rational Choice
- Struktureller Individualismus
- Definition von Nationalismus und Nation
- Die Konstruktion von Nationalismus
- Staatsgelenkter Nationalismus
- Soziale Konstruktion von Nationalismus
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Entstehung und Anziehungskraft des Nationalismus unter dem Blickwinkel des Rational Choice Ansatzes und des strukturellen Individualismus. Sie fragt, inwiefern diese beiden Ansätze die oft kostenintensiven nationalistischen Gruppen in ihrer Rekrutierung und Aktivierung von Mitgliedern und Ressourcen erklären können. Die Arbeit integriert zudem eine sozialpsychologische Erklärungsebene, um die rationalen Handlungsmotivationen der Akteure im Kontext scheinbar irrationalen nationalistischen Verhaltens besser zu verstehen.
- Der Rational Choice Ansatz und seine Anwendung auf Nationalismus
- Die Rolle des strukturellen Individualismus in der Erklärung von Nationalismus
- Die Definition von Nationalismus und Nation
- Die Konstruktion von Nationalismus aus unterschiedlichen Perspektiven
- Die Verbindung von rationalen und irrationalen Aspekten im Kontext des Nationalismus
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Dieses Kapitel stellt die Relevanz des Nationalismus in der heutigen globalisierten Welt dar und führt in die Problematik ein, dass nationalistisches Engagement oft als irrational erscheint. Es formuliert die zentrale Forschungsfrage der Arbeit: Inwiefern können der Rational Choice Ansatz und der strukturelle Individualismus die Entstehung und Anziehungskraft des Nationalismus erklären?
- Rational Choice und struktureller Individualismus: Dieses Kapitel erläutert die Grundprinzipien des Rational Choice Ansatzes und die Annahme, dass Individuen rational handeln, indem sie Kosten abwägen und Nutzen maximieren. Es diskutiert den strukturellen Individualismus als zentrale Methode im Rational Choice, um kollektive Phänomene auf der Makroebene als Resultat individueller Handlungen auf der Mikroebene zu erklären.
- Definition von Nationalismus und Nation: Dieses Kapitel behandelt die Definition der zentralen Begriffe "Nation" und "Nationalismus". Es versucht, diese Definitionen mit den im vorherigen Kapitel erörterten Ansätzen zu verknüpfen.
- Die Konstruktion von Nationalismus: Dieses Kapitel betrachtet das Phänomen des Nationalismus aus der Perspektive des strukturellen Individualismus. Es analysiert sowohl die Makroebene, indem es den Nationalismus als Ideologie betrachtet, als auch die Mikroebene, indem es einen vom Individuum ausgehenden sozialpsychologischen Erklärungsansatz präsentiert.
Schlüsselwörter
Nationalismus, Rational Choice, struktureller Individualismus, Nation, soziale Konstruktion, Ideologie, sozialpsychologischer Erklärungsansatz, Handlungsmotivation, Rekrutierung, Ressourcen, Kosten-Nutzen-Abwägung, rationale Wahl, Mikroebene, Makroebene.
- Quote paper
- Paul Eschenhagen (Author), 2006, Nationalismus und Rationalität, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/59216