Phraseologismen begegnen uns täglich in unserem Alltag. Sei es in der Tageszeitung, die wir morgens aufschlagen, in der Radiosendung, die man nebenbei hört, oder aber im Fernsehen, in der Werbeunterbrechung oder in Filmen. Phraseologismen scheinen überall zu sein. Kein Wunder, denn sie helfen uns schwierige Sachverhalte kurz und knapp auszudrücken. Außerdem lässt ihre Reproduzierbarkeit es zu, dass sie in vielen sprachlichen Bereichen ihre Verwendung finden. Die mündliche und schriftliche Kommunikation zwischen Menschen ist geprägt von ihnen, sei es in der Umgangssprache, in der Bildungssprache, in der Fachsprache oder in künstlerischen Texten. Laut Palm 1997 (XI) bieten sich Phraseologismen regelrecht zum kreativen Umgang mit der Sprache in der Literatur an, da ihre Bedeutung oft etwas vage ist. Durch das Seminar„Redewendungen - Redensarten - Sprichwörter. Einführung in die Phraseologie des Deutschen“hat sich meine Vorliebe für Phraseologismen verstärkt. Aus dieser Vorliebe Phraseologismen zu verwenden, entwickelte sich dann ein großes Interesse an der Phraseologie der deutschen Sprache. Da mein Interessengebiet in der Literaturwissenschaft auf dem Gebiet Kinder- und Jugendliteratur liegt, fiel mir bei der Lektüre von Erich Kästners Kinderbuch „Pünktchen und Anton“ auf, dass bei Kästner erstaunlich viele Phraseologismen Verwendung gefunden haben. Bei Kinderbüchern muss der Autor allerdings sehr umsichtig mit Phraseologismen sein, da der kindliche Leser die phraseologische Bedeutung oftmals noch nicht erschließen kann, dies muss dann durch den Kontext geleistet werden. Ob und wie dies geschieht, lohnt sich zu untersuchen. In der folgenden Arbeit möchte ich auf die Beschaffenheit von Phraseologismen eingehen und dann eine nähere Untersuchung zu den Phraseologismen in „Pünktchen und Anton“ vornehmen.
Gliederung
1. Einleitung
2. Allgemeines zu Phraseologismen
2.1. Zum Begriff Phraseologismus
2.2. Phraseologismen im künstlerischen Text
3. Erich Kästners Kinderbuch „Pünktchen und Anton“
3.1. Besonderheiten von „Pünktchen und Anton“
3.2. Phraseologismen in „Pünktchen und Anton“
4. Die Funktion der Phraseologismen als Stilelement in „Pünktchen und Anton“
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
7. Anhang (Tabelle)
1. Einleitung
Phraseologismen begegnen uns täglich in unserem Alltag. Sei es in der Tageszeitung, die wir morgens aufschlagen, in der Radiosendung, die man nebenbei hört, oder aber im Fernsehen, in der Werbeunterbrechung oder in Filmen. Phraseologismen scheinen überall zu sein. Kein Wunder, denn sie helfen uns schwierige Sachverhalte kurz und knapp auszudrücken. Außerdem lässt ihre Reproduzierbarkeit es zu, dass sie in vielen sprachlichen Bereichen ihre Verwendung finden. Die mündliche und schriftliche Kommunikation zwischen Menschen ist geprägt von ihnen, sei es in der Umgangssprache, in der Bildungssprache, in der Fachsprache oder in künstlerischen Texten. Laut Palm 1997 (XI) bieten sich Phraseologismen regelrecht zum kreativen Umgang mit der Sprache in der Literatur an, da ihre Bedeutung oft etwas vage ist.
Durch das Seminar „Redewendungen – Redensarten - Sprichwörter. Einführung in die Phraseologie des Deutschen“ hat sich meine Vorliebe für Phraseologismen verstärkt. Aus dieser Vorliebe Phraseologismen zu verwenden, entwickelte sich dann ein großes Interesse an der Phraseologie der deutschen Sprache. Da mein Interessengebiet in der Literaturwissenschaft auf dem Gebiet Kinder- und Jugendliteratur liegt, fiel mir bei der Lektüre von Erich Kästners Kinderbuch „Pünktchen und Anton“ auf, dass bei Kästner erstaunlich viele Phraseologismen Verwendung gefunden haben. Bei Kinderbüchern muss der Autor allerdings sehr umsichtig mit Phraseologismen sein, da der kindliche Leser die phraseologische Bedeutung oftmals noch nicht erschließen kann, dies muss dann durch den Kontext geleistet werden. Ob und wie dies geschieht, lohnt sich zu untersuchen. In der folgenden Arbeit möchte ich auf die Beschaffenheit von Phraseologismen eingehen und dann eine nähere Untersuchung zu den Phraseologismen in „Pünktchen und Anton“ vornehmen.
2. Allgemeines zu Phraseologismen
Diesen ersten Teil meiner Arbeit möchte ich mit einem allgemeinen Überblick über Phraseologismen beginnen und kurz etwas über den Begriff Phraseologismus und deren Funktion sagen. Anschließend werde ich auf Phraseologismen als Stilelement in Texten eingehen und damit eine Basis für den Hauptteil meiner Arbeit schaffen, zu dem ich dann weiterleite.
2.1. Zum Begriff: Phraseologismus
Der Begriff „Phraseologismus“ wurde in der Phraseologieforschung bis jetzt nicht eindeutig und einheitlich definiert. Es lassen sich jedoch drei wichtige Kriterien fassen, welche in der Fachliteratur zur Phraseologie immer wieder zur Bestimmung von Phraseologismen herangezogen werden. Dies sind die Begriffe Lexikalität, Stabilität und Idiomatizität.
Lexikalität meint, dass Phraseologismen als solche im Sprachbewusstsein der Sprechergemeinschaft gespeichert sein müssen, so dass sie immer wieder tradiert werden können und als Wortschatzeinheit reproduzierbar sind. Speicherung heißt hier, dass die Phraseologismen in ein Phraseolexikon des Deutschen aufgenommen werden und sie vom Sprecher z.B. im „Duden 11/ Redewendungen/ Wörterbuch der deutschen Idiomatik“ nachgeschlagen werden können.
(z.B. Duden 11, S. 481: jmdm. geht ein Licht auf)
Das Merkmal der Stabilität bezieht sich auf die syntaktische und semantische Ebene von Phraseologismen und ist schon uneindeutiger für die Bestimmung des Begriffs, da formale Änderungen der Phraseologismen teilweise möglich sind, ohne die Bedeutung des Phraseologismus zu zerstören. In vielen Fällen existieren verschiedene Varianten von Phraseologismen, wie z.B.
Duden, Bd. 11, S. 481: jmdm. geht ein Licht/ ein Talglicht/ eine Stalllaterne auf
S. 776: dicke/große Töne reden/ spucken.
Das dritte Kriterium ist die Idiomatizität, welche von verschiedenen Autoren im Bereich der Phraseologieforschung als bedeutend eingestuft wird.
Es bezieht sich darauf, „daß zwischen der Bedeutung der einzelnen Komponenten eines phraseologischen Ausdrucks und seiner Gesamtbedeutung keine reguläre semantische Beziehung besteht.“ (Dietz 1999, 134) Zusammenfassend wird unter Idiomatizität die Umdeutung der Komponenten in einem Phraseologismus verstanden. Beispielsweise lässt sich folgender Phraseologismus nicht aus der Bedeutung der einzelnen Komponenten erklären:
Duden Bd. 11, S. 297: der Groschen fällt [bei jmdm.]:
→ dass jmd. endlich etwas begreift.
Fleischer hält dieses Kriterium für wichtig, so wichtig, dass er seine Klassifikation darauf aufbaut. Er teilt die Phraseologismen in voll-, teil- und nichtidiomatisch ein, wohingegen Dietz diesem Einteilungskriterium skeptisch gegenüber steht.
(Dietz 1999, 137f). Er wählt die Definition des Bereiches Phraseologie nach Munske:
„Phraseologismen sind reproduzierbare lexikalische Sprachzeichen, die aus mindestens zwei Wörtern, jedoch höchstens einem Satz bestehen.“ (Munske 1993, 484)
Dieser Definition von Phraseologismen, welche durchaus sehr weit gefasst ist, möchte ich mich anschließen. Hinzufügend jedoch noch eine Bemerkung zur oberen Grenze von Phraseologismen machen.
Wellerismen beispielsweise durchbrechen diese obere Grenze und lassen sie somit als streitbares Thema erscheinen.
„Was sich liebt, das neckt sich“, sagte die Katze und fraß die Maus. (Fleischer 1997, 79)
Ein Phraseologismus kann also auch in Satz- oder Textform vorkommen und muss von Fall zu Fall betrachtet werden. Da dies aber hier nicht mein Thema ist, belasse ich es bei dieser kurzen Bemerkung und leite damit zu meinem nächsten Abschnitt über.
2.2. Phraseologismen im künstlerischen Text
Die Wichtigkeit und besondere Wirkung von Phraseologismen lässt sich sowohl in der gesprochenen, wie auch in der geschriebenen Sprache erkennen. Da ich mich in dieser Arbeit auf ein Kinderbuch beziehe, bei welchem es sich um einen „kreativ-künstlerischen Text“ (Palm 1997, 62) handelt, werde ich an dieser Stelle kurz die Wirkung von Phraseologismen in künstlerischen Texten, in Anlehnung an Fleischer (Fleischer 1997, 226 ff) schildern.
1. Phraseologismen dienen zur Personencharakterisierung. Eine Figur wird indirekt durch ihre Rede charakterisiert. Die Art und Weise zu reden und bestimmte Phraseologismen einer bestimmten Stilschicht zu verwenden, sagt sehr viel über eine Figur aus.
2. Genau so, wie eine Figur durch Phraseologismen charakterisiert wird, kann die Benutzung von bestimmten Phraseologismen den Text einer Stilrichtung zuordnen.
3. Phraseologismen bieten für den Schriftsteller einen Fundus an Variationsmöglichkeiten um etwas zu benennen.
4. Ein Text kann durch die mannigfaltige Variation eines Phraseologismus künstlerisch gestaltet werden.
5. Verschiedenen Effekte können durch das Spiel mit wörtlicher und phraseologischer Bedeutung eines Phraseologismus entstehen.
6. Auch kann ein Schriftsteller einen schon stilistisch eingeordneten Phraseologismus durch seinen Text umwerten.
7. Durch die Benutzung bestimmter Phraseologismen drückt der Schriftsteller indirekt seine Meinung zum Sachverhalt aus.
Im Allgemeinen kann gesagt werden, dass Phraseologismen eine hohe kreative Potenz (vgl. Palm 1997, 62) haben, außerdem sind sie sehr ökonomisch, wenn es darum geht, etwas Umständliches oder schwer zu Verstehendes kurz und prägnant auf den Punkt zu bringen. Phraseologismen dienen in Texten ebenso „zur Verständigung über Dinge des Alltagslebens“ (Dietz 1999, 2) wie in der gesprochenen Sprache. Die Griffigkeit und Aussagekräftigkeit von Phraseologismen, was Dietz „expressive Wirkung“ nennt,
lässt sich auf die den Phraseologismen „innewohnende Bildlichkeit“ zurückführen.
(vgl. Dietz 1999, 2)
Die Metaphorizität in der Phraseologie ist sehr auffällig und erklärt, warum Phraseologismen von den Sprachbenutzern einer Sprachgemeinschaft als sehr anschaulich und treffend empfunden werden, wie z.B. der Phraseologismus
„ein Bär von einem Mann“, welcher keine weitere Erklärung benötigt, da er selbstredend ist.
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass sich Phraseologismen hervorragend als kreatives und künstlerisches Mittel eignen und deswegen auch häufig als sogenanntes stilistisches Mittel Verwendung finden. Wie dies genau aussieht, möchte ich im Hauptteil meiner Arbeit untersuchen.
3. Erich Kästners Kinderbuch „Pünktchen und Anton“
„Pünktchen und Anton“ ist ein schönes, aber leider teilweise, besonders zum Schluss, konstruiert wirkendes Kinderbuch. Für den kindlichen Leser jedoch dürfte es sehr spannend, aufregend, anschaulich und informativ sein.
Wie der Titel es schon benennt, geht es um die beiden Freunde Pünktchen und Anton. Pünktchen heißt eigentlich Luise Pogge und wächst als Einzelkind in einem reichen Haushalt auf, sie hat sogar ein Kinderfräulein, Fräulein Andacht, obwohl ihre Mutter nicht arbeiten geht. Ihr Vater, Direktor einer Spazierstockfirma, hat ebenfalls nicht viel Zeit für seine kleine Tochter, da er das Geld verdienen muss. Anton dagegen kommt aus ärmlichen Verhältnissen, seine Mutter ist krank und nun muss Anton sich, da er keinen Vater mehr hat, um den gesamten Haushalt kümmern, auch um das Geldverdienen. Dazu steht er nachts auf der Weidendammbrücke und verkauft in seinem Bauchladen Schnürsenkel und Streichhölzer. Auf der anderen Straßenseite steht oft eine blinde Frau mit ihrer kleinen Tochter und verkauft ebenfalls Streichhölzer. Dabei handelt es sich um Fräulein Andacht und Pünktchen, die sich verkleidet haben. Sie stehen dort, weil Pünktchens Kinderfrau Geld für ihren zwielichtigen Bräutigam sammelt. Aber dieser führt Weiteres im Schilde, denn er will bei Familie Pogge einbrechen. Dies weiß Anton zum Glück zu verhindern. Er zählt eins und eins zusammen und kann sich denken, was der Bräutigam vorhat, als er von Fräulein Andacht einen Schlüssel zugesteckt bekommt. Anton informiert per Telefon schnell die Haushälterin der Pogges, diese kann den Einbrecher niederschlagen und solange in Schach halten, bis die Polizei kommt und sich um alles Weitere kümmern kann. Pünktchens Vater, der mittlerweile herausgefunden hat, dass seine Tochter abends auf der Straße steht und bettelt, ist über die Verhinderung des Einbruchs sehr glücklich. Er sieht ein, dass Pünktchen eine bessere Betreuung verdient hat und stellt Antons Mutter als neue Kinderfrau ein. Anton und seine Mutter sind überglücklich, denn sie dürfen zur Familie Pogge ins Haus ziehen. Alle sind zufrieden und der Leser hätte sich kein besseres Ende wünschen können.
3.1. Besonderheiten von „Pünktchen und Anton“
Da ich im vorigen Punkt kurz den Inhalt geschildert habe, gehe ich an dieser Stelle auf die Besonderheiten des Kinderbuches ein.
Das Buch, 1931 erschienen, hat 156 Seiten und ist von Walter Trier illustriert worden. Dadurch und durch die Verwendung vieler Phraseologismen ist das Buch für Kinder sehr anschaulich gestaltet. Der Autor konzipiert in diesem Buch drei Verständnis-ebenen. Die erste Ebene ist für Kinder konstruiert, die sich, ihr „Gehirn“ (Kästner, 7)[1], nicht anstrengen wollen oder vielleicht einfach noch zu klein sind. Sie können die „Nachdenkereien“ (Kästner, 7), die nach jedem Kapitel folgen, überblättern, für diese Kinder ist es besonders wichtig, die Phraseologismen in einen Kontext einzubetten, der sie die Phraseologismen verstehen lässt, ohne dass sie diese vielleicht schon einmal gehört haben. Die zweite Ebene richtet sich an die Kinder, die gerne die „Nachdenkereien“ lesen, diese werden es auch sein, die die phraseologische Bedeutung der Redewendungen vielleicht schon erfassen können oder zumindest unbewusst etwas mit ihnen anfangen können. Die letzte Ebene ist für den erwachsenen Leser gedacht, denn viele Eltern lesen ihren Kindern solche Bücher vor. Die kindgerechte, dadurch aber nicht weniger anspruchsvolle Sprache macht dieses Kinderbuch zu etwas Besonderem.
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[1] Aus dem Kinderbuch „Pünktchen und Anton“ Zitiertes wird in dieser Arbeit kurz mit „Kästner“ abgekürzt.
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