Probleme der Filmstilistik - von Boris Ejchenbaum


Hausarbeit (Hauptseminar), 2003

18 Seiten


Leseprobe


Gliederung

I. Einleitung

II. Historischer Überblick des Films

III. Film als Kunst

IV. Gestaltungs- und Ausdrucksmittel des Films
Innere Rede des Zuschauers
Zwischentitel
Die Musik – ein Bestandteil des Films
Räumliche und zeitliche Kontinuität
Der Filmrhythmus
Film und Theater
Montage (Komposition des Films)
Einstellungen
Zeit im Film
Das Bild
Schnitt
Lichtgestaltung

V. Schlußbemerkung

I. Einleitung

„Filme zu »sehen« ist leicht. Da sie Wirklichkeit nachahmen, findet jeder Zugang zu ihrer Oberfläche. Filme zu verstehen ist schwierig. Denn sie erzählen in ihrer eigenen Sprache, die zu entschlüsseln ein geschultes Auge verlangt. Je mehr einer über Filme weiß, desto mehr teilen sie ihm mit. Film ist Kunst- geschaffen von Filmemachern, die die Wirklichkeit in Frage stellen und die Phantasie zu ihrer Veränderung freisetzen. Film ist Technik- ein kompliziertes Instrumentarium, dessen Handhabung die filmische Erzählweise bestimmt.“[1]

Stil einer Kunstgattung oder Ausdrucksform bedeutet, das Hervorheben des Besonderen. Unter dem Begriff „Filmstil“ verstehen wir die Tatsache, dass ein Filmwerk in seiner Erscheinungsform „filmisch“ wirkt und sich dadurch von allen anderen Gattungen als individuelle Ausdrucksform unterscheidet. Hierzu kommt noch, als allgemeines Stilmerkmal, die ästhetische Forderung, dass das Filmwerk durch die individuelle und gleichmäßige Einheitlichkeit von Inhalt und Form und durch das einheitliche Zusammenwirken aller Darstellungsmittel zu einer organischen Gestalt geworden ist.[2]

Entscheidende Bedeutung für die Frage nach diesem oder jenem Filmstil haben der Charakter des Filmbildes (Aufnahmedistanzen, Aufnahmewinkel) und der Montagetyp.

In einem deutschen Wörterbuch bezeichnet der Begriff „Stilistik“ (Stilkunde) die Lehre von den Gesetzen des sprachlichen Stils.[3] Der Film hat seine eigene Sprache, d.h. seine eigene Stilistik.

Die Realisierung eines Filmprojekts ist ein rationaler Vorgang und solide handwerkliche Grundkenntnisse sind Voraussetzung jeder Filmproduktion.

Boris Ejchenbaum hat in seinem Aufsatz „Probleme der Filmstilistik“ die wichtigsten Faktoren aufgezeigt, die für das Studium der Gesetze des Films relevant sind.

II. Historischer Überblick des Films

Die Geschichte des Films ist verwickelt und komplex. Im März 1895 wurde in Frankreich der Aufnahmeapparat der Gebrüder Lumiere fertiggestellt. Die neuen Ausdrucksmittel des Films wurden jedoch erst 10 bis 12 Jahre später in Amerika geboren.

Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts nahm die Technik der Kinematographie Gestalt an. Nicht zufällig gerade zu einer Zeit, als auch andere geistige Produkte in den Herstellungsprozess der Großindustrie überzugehen begannen. Musik und Theater, Literatur und Presse, gerieten damals in die Herrschaft rasch sich formierender und ausdehnender Trust und Konzerne.[4]

Die Kinematographie war in jenen Jahren nicht mehr als eine Schaukunst für Jahrmärkte, ein bewegtes Bild der Sensation und ein Werkzeug, Kopien von Theateraufführungen in Massen zu erzeugen. Sie war keine eigene Kunst mit eigenen Gesetzen. Sie stellte nichts weiter vor als „photographiertes Theater“ dennoch wurde sie von ihren eigenen, weitreichenden technischen Möglichkeiten rasch auf den Weg geführt, Szenen zu photographieren, welche innerhalb geschlossener Bühnenkulissen unerreichbar waren und selbst auf gewöhnlichen Freiluftbühnen nicht gezeigt werden konnten.[5]

Die gewöhnliche Fotografie konnte keinerlei eigenständigen Platz innerhalb der Künste gewinnen, da sie statisch und deswegen nur „darstellend“ war . [6]

Die Erfindung der Filmkamera hat ein neues Leben in das bis dahin sehr beschränkte Gebiet der Fotografie selbst gebracht. In den ersten Jahren der Kinematographie lag die Betonung vor allem auf der Bewegung. Der Film zeigte das, was man auf dem Theater nicht sehen konnte.[7]

III. Film als Kunst

„Der Film wurde nicht von heute auf morgen zur Kunst“.[8] Ungefähr vergingen zwanzig Jahre, ehe die Filmtechnik als Technik der Filmkunst begriffen wurde.[9]

Man sagt, dass der Film eine Kunst der Synthese ist, dass er auf einer Interaktion vieler benachbarter Kunstarten wie Drama, Prosa, Schauspielkunst, Malerei, Musik usw. basiert.[10] Wie jede andere Kunst hat auch der Film seinen besonderen poetischen Sinn, seine besondere Vorherbestimmung, sein besonderes Schicksal. Er ist entstanden, um einen spezifischen Teil des Lebens, eine noch nicht erfaßte Dimension der Welt zu reflektieren, die auch von den anderen Künsten nicht zum Ausdruck gebracht werden konnte.[11]

„Denn jede Kunst bedeutet ein eigenes Verhältnis des Menschen zur Welt, eine eigene Dimension der Seele. Solange der Künstler in diesen Dimensionen bleibt, können seine Werke nie dagewesen, neu sein, seine Kunst ist es nicht. Wir können mit Teleskop und Mikroskop tausend neue Dinge entdecken, es wird doch immer nur das Gebiet des Gesichtssinns sein, das erweitert wurde. Doch eine neue Kunst wäre wie ein neues Sinnesorgan. Und diese vermehren sich auch nicht allzu häufig. Und dennoch sage ich euch: Der Film ist eine neue Kunst und so verschieden von allen anderen, wie Musik von der Malerei und diese von der Literatur. Sie ist eine von Grund aus neue Offenbarung des Menschen“.[12]

IV. Gestaltungs- und Ausdrucksmittel des Films

Innere Rede des Zuschauers

Nach Ejchenbaum ist für das Studium der Gesetze des Films (vor allem der Montage) sehr wichtig zu erkennen, dass Wahrnehmung und Verstehen des Films unauflöslich verbunden sind mit der Bildung einer inneren, die einzelnen Einstellungen untereinander verbindenden Rede. (...) Der Filmzuschauer hat hinsichtlich der Verkettung der Einstellungen (die Konstruktion von Filmsätzen und Filmsequenzen) eine komplizierte Gehirntätigkeit zu leisten, die im Alltagsgebrauch fast vollkommen fehlt. Er muss ununterbrochen eine Kette von Einstellungen zusammensetzen, weil er sonst nichts versteht. (...) Die Hauptaufgabe des Regisseurs ist, so zu arbeiten, dass eine Einstellung beim Zuschauer „ankommt“, d.h. dass dieser den Sinn einer Sequenz errät oder, ihn in die Sprache seiner inneren Rede übersetzt.[13]

Zwischentitel

Im Zusammenhang mit der Frage nach der inneren Rede entscheidet sich auch die Frage nach den Zwischentiteln. Der Zwischentitel ist einer der notwendigen Bedeutungsakzente des Films. Man kann jedoch nicht von Zwischentiteln „im allgemeinen“ sprechen. Ihre Formen und Funktionen müssen im Film unterschieden werden. Dem Film fremdeste Form der Zwischentitel ist jene erzählenden Charakters, jene >vom Autor< gesetzten Zwischentitel, die erklären und nicht ergänzen. Sie ersetzen, was gezeigt und dem Wesen des Films entsprechend vom Zuschauer erraten werden muss.[14]

Etwas anderes sind die zum richtigen Zeitpunkt eingesetzten dialogischen Zwischentitel. Das sind kurze Zwischentitel, die bestimmte und charakteristische Gesten der Schauspieler in Augenblicken begleiten, wo auf der Leinwand ein Dialog stattfindet. Sie werden als ganz natürliches Element des Films wahrgenommen. Wenn ein Dialog vom Zuschauer verstanden werden muss, ist die Hilfe von Zwischentiteln unumgänglich. Dialogische Zwischentitel als solche füllen nicht die Leere des Sujets und führen auch keinen erzählenden >Autor< in den Film ein, sondern vervollständigen und akzentuieren nur das, was der Zuschauer auf der Leinwand sieht z.B. in den Filmkomödien steigern die Zwischentitel manchmal den Effekt des Komischen. Eine Filmkomödie basiert gewöhnlich auf den Details einzelner Situationen. Diese Details jedoch können den Zuschauer nur mit Hilfe von Zwischentiteln „erreichen“.[15]

[...]


[1] Monaco, James: Film verstehen, S.1.

[2] Institut für Film und Bild in Wissenschaft und Unterricht (Hrsg.): Jahrgang 2 der Zeitschrift Film -Bild- Ton/ April 1952 - März 1953; S. 130.

[3] Wahrig (Deutsches Wörterbuch), S.1204.

[4] Balazs, Bela: Der Film; Werden und Wesen einer neuen Kunst; S. 14.

[5] Balazs, Bela: Der Film; Werden und Wesen einer neuen Kunst; S. 15.

[6] Ejchenbaum, Boris M.: Probleme der Filmstilistik. In: Albersmeier, Franz–Josef (Hrsg.): Texte zur Theorie des Films; S. 98.

[7] Balazs, Bela: Der Film; Werden und Wesen einer neuen Kunst; S. 17.

[8] Ejchenbaum, Boris M.: Probleme der Filmstilistik. In: Albersmeier, Franz–Josef (Hrsg.): Texte zur Theorie des Films; S. 97.

[9] Ejchenbaum, Boris M.: Probleme der Filmstilistik. In: Albersmeier, Franz–Josef (Hrsg.): Texte zur Theorie des Films S. 98.

[10] Tarkowskij, Andrej: Die versiegelte Zeit; S. 67.

[11] Tarkowskij, Andrej: Die versiegelte Zeit; S. 88.

[12]Balazs, Bela: Der Film; Werden und Wesen einer neuen Kunst; S. 7 f.

[13] Ejchenbaum, Boris M.: Probleme der Filmstilistik. In: Albersmeier, Franz–Josef (Hrsg.): Texte zur Theorie des Films; S.107f.

[14] Ejchenbaum, Boris M.: Probleme der Filmstilistik. In: Albersmeier, Franz–Josef (Hrsg.): Texte zur Theorie des Films; S. 108.

[15] Ejchenbaum, Boris M.: Probleme der Filmstilistik. In: Albersmeier, Franz–Josef (Hrsg.): Texte zur Theorie des Films; S. 109.

[16] Ejchenbaum, Boris M.: Probleme der Filmstilistik. In: Albersmeier, Franz–Josef (Hrsg.): Texte zur Theorie des Films; S. 110.

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Details

Titel
Probleme der Filmstilistik - von Boris Ejchenbaum
Hochschule
Universität Bayreuth
Autor
Jahr
2003
Seiten
18
Katalognummer
V59301
ISBN (eBook)
9783638532853
ISBN (Buch)
9783638848800
Dateigröße
552 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Probleme, Filmstilistik, Boris, Ejchenbaum
Arbeit zitieren
Magdalena Palarz (Autor:in), 2003, Probleme der Filmstilistik - von Boris Ejchenbaum, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/59301

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