Die Monographie ist die erste umfassende Darstellung der Geschichte der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) in der Sowjetischen Besatzungszone und in Berlin 1945 bis 1948. Sie stützt sich auf umfangreiche Quellenauswertungen aus dem Zentralen Parteiarchiv der SED und aus dem Nachlass von Heinrich Grüber, Quellen, die meist erst nach 1989/90 zugänglich waren.
Was war die VVN in Ostdeutschland: Tarnorganisation der Kommunisten oder Interessenverband der Verfolgten? Zuvorderst kann folgende knappe Einschätzung von Annette Leo in der Tendenz bestätigt werden: Während sich die Vereinigung 1947 "als Interessenvertretung aller Antifaschisten verstand", machte sie schon kurze Zeit später "in ihren offiziellen Verlautbarungen brav alle Wendungen der SED" mit.
Die Arbeit stellt zunächst dem komplizierten Gründungsprozess der VVN dar. Sie entstand aus den halbstaatlichen Ausschüssen der Opfer des Faschismus und konstituierte sich erst 1947. Im zweiten Abschnitt werden Programm und Organisation der VVN dargestellt. Schließlich wird der Wandel der Vereinigung in der Eskalationsphase des Kalten Krieges umfassend erörtert.
Letztendlich arbeitete die VVN 1947 in erster Linie als Interessenverband der Verfolgten. Dabei müssen jedoch zwei Einschränkungen gemacht werden. Erstens vertrat die Organisation hauptsächlich die Interessen der Widerstandskämpfer, die Belange der "rassisch" Verfolgten blieben zweitrangig. Zweitens dominierten die kommunistischen Verfolgten in personeller und organisationspolitischer Hinsicht. Die VVN wies zwar Elemente einer überparteilichen Organisation wie kontroverse Diskussionen und Meinungspluralismus in der Verbandszeitschrift auf, aber sie war nicht in jeder Beziehung überparteilich. Dazu waren die Verbindungen zur SED von vornherein zu eng.
Im Jahre 1948 dagegen verlor die VVN durch ihre dauernde und offensive Parteinahme für die SED schnell jegliche Glaubwürdigkeit, überparteilich zu sein. Die VVN war dennoch mehr als nur eine kommunistische Propagandaorganisation. Die NS-Prozesse beschäftigen den Verband weiterhin, das galt auch für die soziale und gesundheitliche Situation der Mitglieder sowie für die Aufarbeitung des Widerstands.
Als reine Tarnorganisation der Kommunisten ähnlich wie die Parteien DBD und NDPD, die nur zur Unterstützung der SED gegründet worden waren, kann die VVN in den Jahren 1947 und 1948 sicherlich ebenso wenig bezeichnet werden wie als echt überparteiliche Organisation aller NS-Verfolgten.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung: Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) in der Sowjetischen Besatzungszone und in Berlin 1945 bis 1948 - Thema, Forschungsstand, Fragestellung
- Vorgeschichte und Entstehung der VVN
- Lokale antifaschistische Ausschüsse im Sommer 1945
- Erste Organisationsformen der "Opfer des Faschismus"
- Vorbereitungen für eine politische Verfolgtenorganisation
- Die Alliierten zwischen Kooperation und Konfrontation - Die Gründungskonferenzen der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes im Jahre 1947
- Programm, Statuten, Organisation und Arbeitsfelder der VVN
- Programm und Statuten der VVN
- Mitglieder und Funktionäre der VVN
- Verlag und Publikationen der VVN
- Fürsorge und Betreuung der Verfolgten
- Die VVN in der Eskalationsphase des Kalten Krieges 1947 - 1948
- Die Auseinandersetzung der VVN mit den Folgen des NS-Regimes
- Geistige Auseinandersetzung mit dem NS-Regime: Würdigung des antifaschistischen Widerstands und Kampf gegen die NS-Ideologie
- Politische Auseinandersetzung mit dem NS-Regime: Entnazifizierung und Internierung von NS-Funktionären
- Juristische Auseinandersetzung mit dem NS-Regime: Verurteilung und Bestrafung von NS- und Kriegsverbrechern
- Gruppenspezifische Auseinandersetzung mit dem NS-Regime: Wiedergutmachung und Befreiung aus alliierter Kriegsgefangenschaft
- Die VVN und die wachsenden Spannungen zwischen Ost und West
- Zwischen Kooperation und Konfrontation: SPD und VVN
- Zwischen Lenkung und Selbstbehauptung: SED und VVN
- Zwischen Parteinahme und Pluralismus: VVN und Kalter Krieg
- Faschismus, Widerstand und Verfolgung aus Sicht der VVN: Die Ausstellung "Das andere Deutschland" 1948
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die wissenschaftliche Hausarbeit untersucht die Entstehung und Entwicklung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und in Berlin von 1945 bis 1948. Sie befasst sich insbesondere mit dem Charakter der Organisation in der SBZ und beleuchtet die Frage, ob die VVN von Anfang an als Tarnorganisation zur Verbreitung kommunistischer Propaganda oder als Interessenverband der Verfolgten des Naziregimes fungierte.
- Die Vorgeschichte und Entstehung der VVN in der SBZ und in Berlin
- Das Programm, die Statuten und die Organisation der VVN
- Die Rolle der VVN in der Auseinandersetzung mit den Folgen des NS-Regimes
- Die VVN im Kontext der wachsenden Spannungen zwischen Ost und West
- Die Rezeption der VVN in der historischen Forschung der DDR
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet den Forschungsstand zur VVN in der SBZ und stellt die zentrale Fragestellung der Arbeit vor. Anschließend wird die Vorgeschichte und Entstehung der VVN im Kontext der frühen Nachkriegszeit erörtert. Dabei werden die lokalen antifaschistischen Ausschüsse, die ersten Organisationsformen der "Opfer des Faschismus" und die Vorbereitungsphase für eine politische Verfolgtenorganisation beleuchtet.
Das zweite Kapitel widmet sich dem Programm, den Statuten, der Organisation und den Arbeitsfeldern der VVN. Es werden die Mitgliederstruktur, die Publikationen und die Aktivitäten der VVN im Bereich der Fürsorge und Betreuung der Verfolgten genauer betrachtet.
Im dritten Kapitel wird die VVN in der Eskalationsphase des Kalten Krieges 1947 bis 1948 in den Fokus genommen. Es werden die Auseinandersetzungen der VVN mit den Folgen des NS-Regimes, sowohl auf geistiger, politischer, juristischer als auch auf gruppenspezifischer Ebene, beleuchtet. Darüber hinaus werden die Beziehungen der VVN zu den politischen Kräften in Ost und West, insbesondere zu SPD und SED, untersucht.
Im vierten Kapitel wird die Ausstellung "Das andere Deutschland" von 1948 analysiert, die einen Einblick in die Sichtweise der VVN auf Faschismus, Widerstand und Verfolgung gewährt.
Schlüsselwörter
Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN), Sowjetische Besatzungszone (SBZ), Berlin, Antifaschismus, Kalter Krieg, NS-Regime, Entnazifizierung, Wiedergutmachung, Interessenvertretung, Tarnorganisation, Kommunismus, SPD, SED.
- Arbeit zitieren
- Sven Wierskalla (Autor:in), 1994, Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) in der Sowjetischen Besatzungszone und in Berlin 1945 bis 1948, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/5932