Die Problematik fester Wechselkurse am Beispiel des Dollar-Renminbi-Kurses. Zur Praxis der chinesischen Währungspolitik


Bachelorarbeit, 2006

42 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

TABELLENVERZEICHNIS

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

1 EINFÜHRUNG

2 DIE DOLLARBINDUNG DES RENMINBI ALS BEISPIEL EINES EINSEITIG FIXIERTEN WECHSELKURSES
2.1 Grundlagen der Theorie fester Wechselkurse
2.1.1 Die stabilisierende Wirkung des Festkurses auf die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Gütermarkt
2.1.2 Zahlungsbilanzausgleich
2.1.3 Zahlungsbilanzfinanzierung
2.1.4 Geldmengensterilisation
2.2 Die Wechselkursanbindung Chinas in der Praxis
2.2.1 Aspekte des Renminbi-„Peg“
2.2.2 Kapitalverkehrskontrollen
2.2.3 Internationale Kritik

3 DER EFFEKT EINER RENMINBI-AUFWERTUNG AUF DIE US LEISTUNGSBILANZ
3.1 Einführung
3.2 Die Rolle Chinas als Exportplattform
3.2.1 Außenhandel und Direktinvestitionen in China - Empirische Befunde
3.2.2 Interpretation der Ergebnisse - Chinas Rolle im ostasiatischen Produktions- und Handelsnetzwerk
3.3 Die zu erwartende Reaktion der amerikanischen Leistungsbilanz auf eine Renminbi-Aufwertung

4 DER EINFLUSS DES FESTKURSES AUF DIE CHINESISCHE BINNENWIRTSCHAFT
4.1 Einführung
4.2 Grenzen der Geldmengensterilisation
4.2.1 Inflationsgefahr
4.2.2 Ineffiziente Ressourcenallokation und der marode Bankensektor
4.2.3 Das Problem der „Conflicted Virtue“

5 FAZIT

LITERATURVERZEICHNIS

ANHANG VIII

Abbildung 1: Jährliche Wachstumsrate des BIP

Abbildung 2: Wechselkurs und Inflation in China

Abbildung 3: Kapitalbilanzentwicklung seit 1994

Abbildung 4: Leistungsbilanzentwicklung seit 1994

Abbildung 6: Wachstum von Devisenreserven und Geldbasis

Abbildung 5: Die Entwicklung der Dollarreserven im Zeitverlauf

Abbildung 7: Die offiziellen Währungsreserven Chinas und Japans

Abbildung 8: Direktinvestitionen im Vergleich zur Leistungsbilanz

Abbildung 9: Anteile der Herkunftsländer an den in China getätigten

Direktinvestitionen

Abbildung 10: Entwicklung ausstehender Kredite von 1998 bis 2003

Tabelle 1: Handelsbeziehungen Chinas (in Prozent des Gesamtvolumens)

Tabelle 2: Exportstruktur Chinas

Tabelle 3: Importstruktur Chinas

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 EINFÜHRUNG

Seit im Jahre 1978 durch Chinas großen Reformer Deng Xiaoping die zunächst vorsichtige wirtschaftliche Öffnung gewagt wurde, befindet sich das Land seit Beginn der 1980er Jahre in einem Transformationsprozess, der vor allem in ökonomischer Hinsicht das Gesicht des Reiches der Mitte vollkommen verändert.1 Heute muss China zu den (wirtschaftlichen) Großmächten gezählt werden.2 Die realen Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts (BIP) lagen seit 1980 bei durchschnittlich über 10 Prozent, im Jahr 2005 wurde eine Steigerung des Volkseinkommens von 9,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr erreicht.3 McKinnon und Schnabl behaupten sogar, dass die chinesische Ökonomie im Zeitraum von 2000 bis 2003 als einzige Volkswirtschaft eine Phase wirtschaftlichen Booms erlebt habe.4 Träger des chinesischen Wirtschaftswunders sind im Wesentlichen der florierende Außenhandel sowie eine hohe Investitionsnachfrage. Diese Größen stehen in engem Zusammenhang mit dem von der chinesischen Zentralbank (PBoC) installierten Wechselkurssystem der Währung Renminbi. Zum einen sichert die seit 1994 de facto bestehende Anbindung an den als Ankerwährung fungierenden US-Dollar (USD) stabile Erwartungen und Planungssicherheit im Ex- und Import von Gütern. Zum anderen trägt die fixierte Austauschrelation zur Schaffung eines positiven Investitionsklimas bei, das den Standort China zu einem attraktiven Ziel für ausländische Direktinvestitionen werden lässt. Mit Hilfe ausländischer Investoren ist China dazu in der Lage, den technologischen Aufholprozess zu beschleunigen und ausländisches Know-How zu akquirieren. Durch die Ankerwirkung des USD gelang es der PBoC außerdem, die Inflationsrate zu drücken, die sich seit Mitte der 1990er Jahre auf einem konstant niedrigen Niveau bewegt und erst seit Ende 2003 wieder leicht steigt.5

Diesen unangezweifelten Vorzügen des „Peg“ stehen aber auch gewaltige Risiken und Gefahren gegenüber: Angesichts der seit 1994 permanent zu verzeichnenden Zahlungsbilanzüberschüsse6 gestaltet es sich für die chinesische Zentralbank zunehmend schwieriger, die Wechselkursparität bei 8,28 Renminbi pro USD zu halten. Die durch die notwendige Überschussfinanzierung stetig anwachsenden Dollarreserven7 setzen die Inlandsgeldmenge unter Druck und die zur Vermeidung von Preisanpassungen implementierte Politik der Geldmengensterilisation ist nur mittels repressiver und regulierender Maßnahmen durchsetzbar und mit hohen Kosten verbunden.8 Aus dem Ausland mehrt sich Kritik an der Praxis der Währungspolitik der PBoC, da der durch das Festkursregime unterbewertet gehaltene Renminbi vielfach als unlauterer Wettbewerbsvorteil der chinesischen Exportindustrie interpretiert wird. Vor allem in den USA werden immer wieder Forderungen nach einer Aufwertung des Renminbi laut. Die günstigen Einfuhren aus China werden als eine der Ursachen für den Jobabbau in der US-amerikanischen Industrie identifiziert. So erscheint es nicht verwunderlich, dass der Besuch des chinesischen Ministerpräsidenten Hu Jintao bei US-Präsident George W. Bush im April dieses Jahres vor allem von währungspolitischen Fragen geprägt sein wird.9

Die vorliegende Arbeit beleuchtet das chinesische Währungsregime unter einem externen und einem internen Aspekt: Zum einen wird in Kapitel 3 eine Einschätzung der zu erwartenden Reaktion der US-Leistungsbilanz auf die geforderte Wechselkursflexibilisierung gegeben. Zum anderen werden in Kapitel 4 binnenwirtschaftliche Implikationen des Festkurses erörtert. Im folgenden zweiten Kapitel werden vorangehend Merkmale der Theorie fester Wechselkurse vorgestellt und auf das Beispiel des Festkurssystems Chinas übertragen.

2 DIE DOLLARBINDUNG DES RENMINBI ALS BEISPIEL EINES EINSEITIG FIXIERTEN WECHSELKURSES

2.1 Grundlagen der Theorie fester Wechselkurse

2.1.1 Die stabilisierende Wirkung des Festkurses auf die Wettbewerbsfähigkeit auf dem Gütermarkt

Grundsätzlich stehen einem Land eine Reihe von Möglichkeiten offen, sein Währungsregime zu gestalten: „Die möglichen Vereinbarungen über die Art der Wechselkursbildung reichen von der freien Kursbildung bis zur vollkommen starren Fixierung der Austauschrelationen der beteiligten Währungen. Dazwischen gibt es eine Fülle von Abstufungen.“10 Das Wechselkursregime Chinas stellt als Beispiel eines Festkurssystems zugleich eine einseitige Währungsanbindung infolge der autonomen Entscheidung eines Landes dar.11 Aufgrund seiner zentralen Bedeutung für diese Arbeit beschränkt sich die in diesem Kapitel vorgenommene Einführung auf die dem chinesischen Wechselkurssystem zugrunde liegende ökonomische Theorie.12

Insbesondere Länder mit einer hohen Abhängigkeit vom Außenhandel unterliegen der Höhe und Volatilität des Wechselkurses ihrer Währung.13 Beschränkt man sich auf einen Zwei- Länder-Zusammenhang und bezeichnet das im Blickpunkt stehende Land als Inland14, so beeinflusst die Austauschrelation von Inlands- und Auslandswährung zum einen die Preise inländischer Güter im Ausland und stellt somit eine entscheidende Komponente der Nachfrage nach Inlandsgütern im Ausland dar. Zum anderen steigt, beispielsweise nach einer Aufwertung der Inlandswährung, die Kaufkraft des inländischen Zahlungsmittels im Ausland.15 Des Weiteren beeinträchtigt eine hohe Wechselkursvolatilität den Planungshorizont und die Planungssicherheit von Handelsunternehmen und kann sich hemmend auf die Handelstätigkeit auswirken. Der Wechselkurs stellt also eine wichtige Determinante der Wettbewerbsfähigkeit eines Landes im internationalen Vergleich dar.

Ist die Austauschrelation der Währung dieses Landes gegenüber den größten Handelspartnern nur geringfügigen Schwankungen ausgesetzt, so kann dies zu einem Klima beständiger Erwartungen und finanzieller Planungssicherheit beitragen und die Grundlagen für ein prosperierendes Auslandsgeschäft legen.16 Dies gilt speziell dann, wenn das Land nicht über einen verlässlichen Kapitalmarkt verfügt und damit auch nicht über Möglichkeiten der Kurssicherung von Auslandsgeschäften.17

Ein Regime fixierter Wechselkurse stellt eine Möglichkeit dar, ein gegenüber einer Leitwährung stabiles Austauschverhältnis des inländischen Zahlungsmittels zu gewährleisten und damit die institutionellen Rahmenbedingungen eines wie oben beschriebenen Handelsumfelds zu setzen. Sofern sichergestellt ist, dass die gewählte Parität glaubwürdig ist, also keinen Anlass zu spekulativen Attacken bietet, entfallen in einem Festkurssystem weitgehend erratische Kursschwankungen sowie das Risiko plötzlicher Auf- oder Abwertungen zwischen den Kursen der sich bindenden Währungen. Die in dieser Arbeit diskutierte Form der Wechselfixierung ist die einseitige Bindung an eine Ankerwährung.18 Dabei verzichtet das betrachtete Land aus einer autonomen Entscheidung auf eine eigenständige Geldpolitik und nutzt stattdessen sein geldpolitisches Instrumentarium zur Stabilisierung des Wechselkurses gegenüber einer Fremdwährung. Ein solches Vorgehen ist immer dann sinnvoll, wenn die Geldpolitik des Ankerwährungslandes als stabilitätsorientiert angesehen wird und man die Vorteile dieser Währungsstabilität für die eigene Währung nutzen will.19

Diesen Vorteilen eines Festkurssystems steht der weitgehende Verlust geldpolitischer Autonomie gegenüber und damit die Notwendigkeit, die Eignung geldpolitischer Entscheidungen des Ankerwährungslandes für die inländische Volkswirtschaft annehmen zu müssen. Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass sich bei Abwesenheit staatlicher Eingriffe in das Wirtschaftsgeschehen makroökonomische Größen des Ankerwährungslandes tendenziell auf das sich bindende Land übertragen.20 So existiert beispielsweise das Phänomen des „Inflationsimport[es] bei festen Wechselkursen“21, das die tendenzielle Übertragung des Preisniveaus des Ankerwährungslandes auf das des sich bindenden Landes beschreibt. Langfristig ist also eine weitgehend gleichgerichtete wirtschaftliche Entwicklung zwischen den beiden Ländern nötig, um die positiven Effekte des Festkurses nicht durch damit einhergehende, eventuell binnenwirtschaftlich suboptimale, Veränderungen anderer makroökonomischer Größen zu unterhöhlen.22 Somit impliziert die Währungsanbindung an eine Ankerwährung neben den oben beschriebenen Chancen auch das Risiko, im Falle exogener Schocks oder asynchroner Entwicklungen nicht über einen angemessenen Reaktionsspielraum zu verfügen, da der Wechselkurs als makroökonomische „Stellschraube“ entfällt und damit nicht als Handlungsparameter eingesetzt werden kann.

2.1.2 Zahlungsbilanzausgleich

Die Zahlungsbilanz eines Landes repräsentiert als ex-post-Betrachtung die für eine Periode erstellte „systematische Gegenüberstellung aller Zuflüsse ausländischer Zahlungsmittel in das

Inland und aller Abflüsse inländischer Zahlungsmittel an das Ausland“23. Damit gibt die Zahlungsbilanz die Veränderung der Gläubiger- oder Schuldnerposition des Inlands gegenüber dem Ausland innerhalb dieser Periode an. Vereinfacht ausgedrückt besteht die Zahlungsbilanz aus den drei Teilbilanzen Leistungs-, Kapital- und Devisenbilanz.24 Die Gleichung (I) LB = NKX + NAZ charakterisiert den Zusammenhang zwischen den Teilbilanzen.25 Die Summe der saldierten Leistungs- und Kapitalbilanz entspricht der Veränderung der Auslandsaktiva der Zentralbank (NAZ). Erwirtschaftet ein Land beispielsweise in einer Periode einen Leistungsbilanzüberschuss und verzeichnet netto einen Kapitalexport gleichen Ausmaßes, so ändert sich nichts am Auslandsguthaben der Zentralbank (NAZ entspricht dann Null). Verzeichnet das Land hingegen neben dem Leistungsbilanzüberschuss einen Nettokapitalimport, so erhöht sich der Posten NAZ, das Auslandsguthaben der Zentralbank nimmt zu.26 Die Konstellation der Leistungs- und Kapitalbilanz steht in engem Zusammenhang mit der Situation auf dem Devisenmarkt und damit mit eventuellem Auf- oder Abwertungsdruck auf die Inlandswährung. Im Fall des letztgenannten Beispiels führen sowohl der Leistungsbilanzüberschuss als auch der Nettokapitalimport zu potentiellen Zahlungseingängen im Inland und damit zu einer Überschussnachfrage nach Inlandswährung. Es ist ersichtlich, dass Ausgleichsbestrebungen an den von Gleichung (I) verbundenen Größen ansetzen müssen. In einem System flexibler Wechselkurse würde die Inlandswährung nun aufwerten. Der erhöhte Wechselkurs als Preis dieser Währung würde die Überschussnachfrage auf dem Devisenmarkt abbauen und die Zahlungsbilanz ins Gleichgewicht versetzen.

Ist nun die Austauschrelation der Inlandswährung aber fixiert, so entfällt der Wechselkurs als regulierende Variable des Devisenmarkts. Um den Festkurs zu stützen, muss die inländische Notenbank im oben diskutierten Fall dafür sorgen, dass das Überschussangebot an Devisen beseitigt wird. Grundsätzlich stehen einem Land zwei Methoden zum Ausgleich des Zahlungsbilanzsaldos zur Verfügung: die Zahlungsbilanzanpassung und die Zahlungsbilanzfinanzierung. Im Rahmen einer Zahlungsbilanzanpassung versucht die Notenbank, die ungleichgewichtige Devisenmarktsituation durch die Veränderung wirtschaftspolitischer Rahmenbedingungen zu beeinflussen. Im vorliegenden Fall könnte die Notenbank beispielsweise mittels einer Geldmengenerhöhung versuchen, die inländische Absorption zu erhöhen und so c.p. zu einer Verschlechterung der Leistungsbilanz beitragen, was tendenziell einen Nachfragerückgang nach Inlandswährung implizieren würde. Somit könnte die gewünschte Ausgleichsreaktion auf dem Devisenmarkt herbeigeführt werden.27 Ein solches Verhalten ist allerdings immer dann problematisch, wenn die erforderliche Maßnahme, also in diesem Falle die Erhöhung der Geldmenge, die binnenwirtschaftlichen Zielsetzungen der Notenbank, hier beispielsweise die Geldwertstabilität, konterkarieren würde.

2.1.3 Zahlungsbilanzfinanzierung

Im Falle, dass die inländische Notenbank die bestehende Wechselkursparität beibehalten will und eine Zahlungsbilanzanpassung nicht oder nicht kurzfristig möglich ist, muss die inländische Notenbank bei einem Zahlungsbilanzüberschuss auf dem Devisenmarkt intervenieren und das bei einer Überschussnachfrage nach Inlandswährung zwangsläufig bestehende überschüssige Angebot an Auslandswährung entfernen, um den Devisenmarkt auszugleichen und den Aufwertungsdruck auf die Inlandswährung zu neutralisieren. Da das Halten von auf Auslandswährung lautenden Vermögens einer Forderung gegenüber der ausländischen Notenbank entspricht, erhöht sich durch eine Zahlungsbilanzfinanzierung die auf entsprechende Gläubigerposition des Inlandes. Diese nimmt im Ausmaß der Devisenmarktintervention zu. Die so durchgeführte Finanzierung des Zahlungsbilanzüberschusses ist also, sofern keine Gegenmaßnahmen ergriffen werden, mit einer Erhöhung der inländischen Geldmenge verbunden, da die Notenbank die Devisen durch Ausgabe eigener Währung ankaufen muss.28

2.1.4 Geldmengensterilisation

Ist der durch die Zahlungsbilanzfinanzierung induzierte expansive Geldmengeneffekt, wie in Kapitel 2.1.2 angedeutet, nicht mit den binnenwirtschaftlichen Zielen der Wirtschaftspolitik vereinbar, so verfügt die Notenbank über die Möglichkeit, diesen im Zuge einer so genannten Sterilisationspolitik zu neutralisieren. Die Zentralbank bietet im Ausmaß des durch die Zahlungsbilanzfinanzierung neu geschöpften Zentralbankgeldes Wertpapiere an und hält somit die im Umlauf befindliche Geldmenge konstant. In der Bilanz der Notenbank ergibt sich lediglich ein Aktivtausch.29 Alternativ kann die Notenbank die Geschäftsbanken zur Erhöhung der Reservehaltung veranlassen und auf diese Weise das Kreditwachstum drosseln, was die Geldschöpfung der Geschäftsbanken einschränken und damit einen äquivalenten Effekt auf die inländische Geldmenge ausüben würde.30 Eine erfolgreiche Sterilisationspolitik befähigt die Notenbank also dazu, trotz des fixierten Wechselkurses nicht vollständig auf eine autonome Geldpolitik verzichten zu müssen, da Geldmengen- und damit Preisniveauziele zu einem gewissen Grad beibehalten werden können. Somit kann der in Kapitel 2.1.1 beschriebene Verlust geldpolitischer Autonomie im Zusammenhang mit einem Festkurssystem zumindest in gewissem Ausmaß aufgehoben werden.31 Im Umfeld frei beweglichen Kapitals führt die Implementierung einer Politik der Geldmengensterilisation allerdings zu einer Zinsanpassung: Anhand des „portfoliotheoretischen Ansatzes zur Wechselkursbestimmung“32 lässt sich zeigen, dass eine Geldmengensterilisation mit Zinssteigerungen verbunden ist, da das ausgedehnte Angebot inländischer Wertpapiere nur zu einer höheren Verzinsung abgesetzt werden kann.33 Die somit einsetzende Zinsarbitrageaktivität induziert ihrerseits einen Kapitalzufluss, der wiederum mit einer Erhöhung der Nachfrage nach Inlandswährung auf dem Devisenmarkt verbunden ist und somit die Notwendigkeit erneuter Interventionen der Notenbank hervorruft. Dies setzt den Wechselkurs aber weiterem Aufwertungsdruck aus. Über einen längeren Zeitraum emittierte Sterilisationspapiere würden also aufgrund dieses Zinseffekts die Wechselkursparität gefährden. In den folgenden Abschnitten sowie in Kapitel 4 wird dieses Problem vertieft diskutiert und auf das Beispiel des chinesischen Wechselkurssystems angewandt.

2.2 Die Wechselkursanbindung Chinas in der Praxis

2.2.1 Aspekte des Renminbi-„Peg“

Wie gestaltet sich nun die Ausprägung der in Kapitel 2.1 gewonnenen theoretischen Ergebnisse in Bezug auf die Wechselkursanbindung Chinas?

Im Zeitraum von 1994 bis 2005 hatte China nach offiziellem Sprachgebrauch zwar ein „Managed Floating“-System installiert; de facto war die chinesische Währung jedoch bei einem Dollarkurs von 8,28 Renminbi einseitig an den USD gebunden.34 Es ist weitgehend unbestritten, dass das Wechselkursregime in beträchtlichem Maße zu Chinas Aufstieg als

Handelsgroßmacht beigetragen hat.35 Der in Ostasien größtenteils in USD fakturierte Güterhandel erleichtert den intra-asiatischen Güterfluss erheblich, da sich Außenhändler dank dieses „Dollarstandards“36 nicht gegen Wechselkursrisiken versichern müssen und so bei steigendem Integrationsgrad der regionalen Wirtschaft von niedrigen Transaktionskosten profitieren können.37 Somit wuchs mit der im letzten Jahrzehnt gemessen am Handelsvolumen zunehmenden Bedeutung Chinas im ostasiatischen Wirtschaftsraum auch der Stabilität stiftende Einfluss der Dollarbindung des Renminbi in der Region.38 Da der Kapitalmarkt in China, verglichen mit westlichen Standards, unterentwickelt („fragmentiert“39 ) ist und keine Möglichkeiten der Risikoabsicherung von Auslandsgeschäften bietet, ist der feste Wechselkurs seit der Währungskrise vieler ostasiatischer Länder von 1997/98 einer der Pfeiler der regionalen Stabilität.40

Im Zuge der Wechselkursfixierung erwirtschaftet China bis heute Jahr für Jahr beträchtliche Zahlungsbilanzüberschüsse. Diese setzen sich aus einem durchschnittlich moderat positiven Leistungsbilanzsaldo und durch die große Nachfrage nach Direktinvestitionen enormen Nettokapitalimporten zusammen.41 Um den Wechselkurs konstant zu halten, finanziert die PBoC die Zahlungsbilanzüberschüsse. Durch regelmäßige Interventionen auf dem Interbanken-Devisenmarkt entfernt die chinesische Notenbank zwar das überschüssige Dollarangebot und nimmt so den durch die Zahlungsbilanzüberschüsse induzierten Aufwertungsdruck von dem Wechselkurs, türmt aber zugleich enorme Dollarreserven auf.42 Um den expansiven Effekt der Inlandsgeldmenge infolge dieser andauernden Zahlungsbilanzfinanzierung zu begrenzen, bedient sich die PBoC einer Reihe regulierender Instrumente, vor allem der Ausgabe von Niedrigzinspapieren. So schöpft die chinesische Notenbank Liquidität aus dem Finanzsystem ab und hält eine übermäßige Ausweitung der Geldmenge in Grenzen.43 Abbildung 6 stellt den Effekt der Devisenmarktintervention von 1999 bis 2004 graphisch dar. In diesem Zeitraum wurde etwa ein Drittel der durch die Dollarkäufe neu geschöpften Geldmenge auf diese Weise sterilisiert.44 Die Wirksamkeit der Maßnahmen lässt sich also auch empirisch bestätigen: Es wurden eine moderat ansteigende

Geldmenge und eine bis 2004 durchgehend niedrige Preissteigerungsrate realisiert.45 Erst während der letzten Monate war eine steigende Inflationsrate zu verzeichnen. Konsequenzen dieses Preisanstiegs werden in Kapitel 4 erörtert.

2.2.2 Kapitalverkehrskontrollen

Wie aber gelingt es der PBoC, die sich scheinbar ausschließenden wirtschaftspolitischen Ziele eines fixierten Wechselkurses bei einer gleichzeitig zu einem gewissen Grad autonomen Geldpolitik simultan zu verwirklichen?

Um dies zu erläutern, soll auf das „magische Dreieck der internationalen Finanzarchitektur“46 zurückgegriffen werden. Das auch als „Trilemma der internationalen Währungspolitik“ bekannte Phänomen beruht auf der Tatsache, dass eine Notenbank immer nur zwei der folgenden drei wirtschaftpolitischen Ziele zugleich realisieren kann:

1. Feste Wechselkurse und damit stabile Finanzmarktverhältnisse
2. Autonome Geld- und Finanzpolitik
3. Freier internationaler Kapitalverkehr47

Will die chinesische Zentralbank also bei einem festen Wechselkurs ihren geldpolitischen Handlungsspielraum erhalten, so ist sie dazu gezwungen, den freien Kapitalverkehr zu einzuschränken.48 Prasad/Rumbaugh/Wang beschreiben das Phänomen folgendermaßen: „In countries with an inflexible exchange rate regime, capital controls are [...] used to preserve a degree of monetary policy autonomy.”49

Seit 1996 ist es zwar möglich, den Renminbi für Leistungsbilanztransaktionen in Fremdwährung umzutauschen, für den Kapitalverkehr bestehen jedoch weiterhin strikte, gesetzlich vorgeschriebene Beschränkungen.50 Die Tatsache, dass es chinesischen Privatanlegern und Geschäftsbanken untersagt ist, ausländische Kapitalanlagen zu erwerben, führt dazu, dass bei Renditedifferenzen zwischen In- und Auslandsanlagen Portfolioumschichtungen privater und institutioneller Anleger unterbunden werden. Das bei einer mit etwa 40 Prozent des verfügbaren Einkommens sehr hohen Sparquote51 der chinesischen Konsumenten freigesetzte Kapital wird also, zumindest de jure, ausschließlich im Inland angelegt. Damit sollte die ursprünglich befürchtete Kapitalflucht aus China angesichts des zur Konjunkturbelebung niedrig gehaltenen Zinssatzes verhindert werden.52

Andererseits ist es ebenso untersagt, abgesehen von Direktinvestitionen, ausländisches Kapital ins Land zu bringen. Allein das durch die Direktinvestitionen und Leistungsbilanzüberschüsse nach China strömende Kapital macht sich in liquiden Dollarbeständen in chinesischer Hand zu einem großen Teil außerhalb des Zentralbanksystems bemerkbar und übt einen großen Aufwertungsdruck auf den Renminbikurs aus.53 Ein weiterer Kapitalzufluss würde den Zahlungsbilanzüberschuss Chinas weiter in die Höhe treiben und bei einem festen Wechselkurs den Druck auf die Geldbasis weiter verstärken, zumal damit zu rechnen wäre, dass das zufließende Kapital zu einem beträchtlichen Anteil „hot money“, also aus spekulativer Motivation zufließendes Kapital, wäre. Letztlich wäre also die Parität des Renminbi in Gefahr und damit, so die Befürchtung chinesischer Politiker, die Stabilität der chinesischen Exportwirtschaft. Folglich müssen die Kapitalverkehrskontrollen im Sinne des „Trilemmas der internationalen Währungspolitik“ als essentiell für eine wirksame Geldmengensterilisation gesehen werden, was den weiterhin repressiven und regulierenden Charakter der chinesischen Wirtschaftspolitik unter Beweis stellt.

2.2.3 Internationale Kritik

Mit Kapitalverkehrskontrollen verhindert die PBoC zumindest mittelfristig die mit permanent finanzierten Zahlungsbilanzüberschüssen notwendigen Anpassungen, die bei freiem Kapitalverkehr eine Verschlechterung der Wettbewerbsposition der chinesischen Exportwirtschaft zur Folge hätten. Der auf diese Weise dauerhaft unterbewertet gehaltene Renminbikurs ist Gegenstand vielfältiger Kritik: So sieht sich China immer wieder dem Vorwurf ausgesetzt, der Wechselkurs sei „manipuliert“ und sichere der chinesischen Exportindustrie dank der signifikanten Unterbewertung einen unfairen Wettbewerbsvorteil gegenüber Konkurrenten, da die Güter für das Ausland „zu günstig“ zu erwerben seien.54 China trage somit maßgeblich zu Zahlungsbilanzungleichgewichten in der Weltwirtschaft bei und verhindere eine Erleichterung des seit 2002 bestehenden Abwertungsdrucks auf den USD.55 Goldstein wirft der chinesischen Regierung beispielsweise wiederholt vor, IMF- Statuten zu verletzen und sich über Gepflogenheiten der internationalen Währungspolitik

[...]


1 Das Jahr 1980 wird für einige der folgenden Betrachtungen als Vergleichsjahr herangezogen.

2 Vgl. Schnabl (2005), S. 2.

3 Vgl. Deutsche Botschaft Peking (2006), S. 1 und vgl. Abbildung 1 im Anhang.

4 Vgl. McKinnon/Schnabl (2003), S. 3.

5 Vgl. Abbildung 2.

6 Vgl. Abbildung 3 und Abbildung 4 im Anhang. Diese stellen die Entwicklung der Kapital- und Leistungsbilanz seit 1994 dar und damit die Determinanten der Zahlungsbilanz.

7 Vgl. Abbildung 5 im Anhang.

8 Dieses Problem wird in Kapitel 4 genauer erörtert.

9 Vgl. Kühl (2006).

10 Rübel (2002), S. 131.

11 Auf die Entscheidung der chinesischen Notenbank (PBoC) vom 21. Juli 2005 wird in Kap. 2.2.3 eingegangen.

12 Um eine Fokussierung auf das Beispiel China zu ermöglichen, wird darauf verzichtet auf weitere Formen der Wechselkursgestaltung einzugehen.

13 Vgl. Rübel (2002), S. 131.

14 Im Zwei-Länder-Zusammenhang bezeichnet man das andere Land als Ausland.

15 Vgl. Rübel (2002), S. 21ff.

16 Vgl. ebd., S. 131.

17 Vgl. Schnabl (2005), S. 3. Ein verlässlicher Terminmarkt ist ein Beispiel für ein solches „Hedging“- Instrument. Ist eine Kursabsicherung nicht möglich und der Wechselkurs nicht fixiert, so würde ein inländischer Importeur eventuell von einem in Auslandswährung fakturierten Geschäft mit längerfristigem Zahlungsziel Abstand nehmen, wenn ihm die offene Position, die er bis zur Erfüllung des Geschäfts innehätte, zu risikoreich erschiene, um den erwarteten Ertrag zu rechtfertigen.

18 Daneben existiert eine Reihe weiterer Möglichkeiten der einseitigen Wechselkursanbindung (beispielsweise in Form eines „Currency Board“), die hier allerdings nicht erörtert werden.

19 Rübel (2002), S. 131f.

20 Vgl. ebd., S. 228f.

21 Ebd., S. 230.

22 Vgl. ebd., S. 166.

23 Felderer/Homburg (2003), S. 194.

24 Vgl. ebd.

25 Vgl. ebd., S. 12. Bezeichnungen: LB = Leistungsbilanzsaldo; NKX = Nettokapitalexport; NAZ = Veränderung der Auslandsaktiva der Zentralbank. Leistungsbilanzüberschüsse und Nettokapitalimporte führen zu Habenbuchungen in der jeweiligen Bilanz, da sie mit potentiellen Zahlungseingängen verbunden sind. Die entsprechenden Sollbuchungen sind mit potentiellen Zahlungsausgängen verbunden. Die nach den Regeln doppelter Buchführung erstellte Zahlungsbilanz ist also formal immer ausgeglichen, sodass die formale Gleichheit von Gleichung (I) stets gewährleistet ist. Der in Gleichung (I) angegebene Posten NKX kann, sollte er einen negativen Wert aufweisen, auch mit NKI (Nettokapitalimport) bezeichnet werden und dann als additiver Term auf der linken Seite der Gleichung stehen.

26 In dieser Arbeit wird stets von einem solchen Fall ausgegangen.

27 Vgl. Rübel (2002), 140f. Eine Reihe weiterer Maßnahmen ist möglich, um die gewünschten Devisenmarkteffekte herbeizuführen.

28 Vgl. Jarchow (2003), S. 16.

29 Vgl. Rübel (2002), S. 141f.

30 Vgl. Frankel (2004), S. 10.

31 Vgl. ebd.

32 Rübel (2002), S. 150.

33 Vgl. Rübel (2002), S. 152.

34 Vgl. Carrasco (2003), S. 4. Der Wechselkurs gegenüber dem USD wich um höchstens +/- 0,3 Prozent von diesem Referenzwert ab.

35 Vgl. Frankel (2004), S. 1, vgl. Goldstein (2004), S. 9, vgl. McKinnon (2005), S. 7 und vgl. Schnabl (2005), S. 3.

36 Vgl. McKinnon/Schnabl (2003), S. 7f.

37 Vgl. Schnabl (2005), S. 3.

38 Vgl. McKinnon/Schnabl (2003), S. 4.

39 Schnabl (2005), S. 3.

40 Vgl. ebd.

41 Vgl. McKinnon/Schnabl (2003), S. 1 und vgl. Abbildung 3 und Abbildung 4 im Anhang.

42 Vgl. Abbildung 5 im Anhang.

43 Schnabl (2005), S. 8.

44 Vgl. ebd.

45 Vgl. Abbildung 6 auf Seite 24

46 Rübel (2002), S. 298.

47 Vgl. ebd.

48 Vgl. ebd.

49 Prasad/Rumbaugh/Wang (2005), S. 15.

50 Vgl. Carracso (2003), S. 4.

51 Vgl. Württembergische Landesbank (2004), S. 37.

52 Vgl. Eichengreen (2006), S. 7.

53 Vgl. McKinnon/Schnabl (2003), S. 14.

54 Vgl. ebd., S. 3.

55 Vgl. Schnabl (2005), S. 2 und vgl. Goldstein (2004), S. 4.

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Details

Titel
Die Problematik fester Wechselkurse am Beispiel des Dollar-Renminbi-Kurses. Zur Praxis der chinesischen Währungspolitik
Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen  (Institut für Internationale und Monetäre Ökonomik)
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
42
Katalognummer
V59344
ISBN (eBook)
9783638533102
ISBN (Buch)
9783638666626
Dateigröße
755 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
China, Problematik, Wechselkurse, Beispiel, Dollar-Renminbi-Kurses
Arbeit zitieren
Michael Nagl (Autor:in), 2006, Die Problematik fester Wechselkurse am Beispiel des Dollar-Renminbi-Kurses. Zur Praxis der chinesischen Währungspolitik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/59344

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