Bedeutung des Wassers in Friedrich de la Motte Fouqués "Undine"


Hausarbeit (Hauptseminar), 2020

22 Seiten, Note: 1,3

Aileen Thesing (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Naturbegriff der Romantik

3. das Wasser in Friedrich de la Motte Fouqués „Undine“
3.1. Darstellung des Wassers
3.2. Auftreten des Wassers
3.3. Undine als Verkörperung des Wassers

4. kulturgeschichtlicher Vergleich

5. Fazit

Primärliteraturverzeichnis

Sekundärliteraturverzeichnis

Anhang

1. Einleitung

„[E]s gibt kein Gefühl, keine Kunst, kein Sprechen, kein Handeln, keine gesellschaftliche Einrichtung, keinen Raum auf dieser Erde, der nicht materiell oder symbolisch, direkt oder indirekt mit dem Wasser zutun hat“ (Böhme 1988, S.12f.), so lautet die Feststellung Hartmut Böhmes in seinem Werk „Kulturgeschichte des Wassers“. Die Omnipräsenz des Wassers ist unbestreitbar. Nur mit Hilfe von Wasser können Zellen, Körper und sämtliche Organismen funktionieren. Ohne greifbare Hülle fließt, verdampft, strömt und passt sich das Element seiner Umgebung an (Vgl. Schlieper 1988, S.156ff.). Die besondere Faszination des Wassers liegt in seinen Gegensätzen. Als gewaltiger unbeherrschbarer Ozean oder aus der Leitung für den abendlichen Tee. Als herbstliche Sturmflut, welche ganze Landstücke mit sich reißen kann oder warmer Sommerregen.

Das Element Wasser durchzieht das gesamte europäische Kunstmärchen „Undine“. Sie gilt als Friedrich de la Motte Fouqués beste Erzählung seiner zahlreichen Werke. Er selbst hat das Frühjahrsheft der „Jahreszeiten“ herausgegeben, in welchem die „Undine“ 1811 in Berlin erstmals erschienen ist (Vgl. Trüpel-Rüdel 1987, S.62).

Ziel dieser Arbeit ist es die Bedeutung des Wassers in dem vorgestellten Werk herauszuarbeiten. Um die Thematik einzugrenzen wird der Fokus dabei auf die Darstellung im Text, das Aufkommen des Wassers im Sinne der Häufigkeit und den damit verbundenen Strukturen sowie Undine als Verkörperung des Elements gelegt.

Um die Bedeutung des Wassers auch im Hinblick auf die historische und literarisch-kulturelle Situation einordnen zu können, wird im ersten Kapitel der Naturbegriff der Romantik geklärt. Daraufhin folgt die eigentliche Auseinandersetzung mit dem Kunstmärchen. Zuerst werden einzelne Zitate, in welchen das Wasser eine tragende Rolle spielt, in Hinblick auf die sprachliche Darstellung und den kulturgeschichtlichen Hintergrund analysiert. Unter Kapitel 3.2. findet eine strukturale Analyse zum Aufkommen des Wassers statt. Die dort erlangten Erkenntnisse werden in Forschungsliteratur eingebettet. Bis dato dient vor allem die Publikation von Berbeli Wanning (2005) „Die Fiktionalität der Natur. Studien zum Naturbegriff in Erzähltexten der Romantik und des Realismus“ als literarische Stütze. In Kapitel 3.3. wird die Bedeutung des Wassers mit Hauptaugenmerk auf Undine als Verkörperung des Elements untersucht. Um einen möglichst großen Erkenntnisgewinn zu erzielen werden hier, wie auch in Kapitel 3.1., einzelne Textpassagen untersucht und die Ergebnisse in Verbindung zu passender Forschungsliteratur gesetzt. „Undine – eine motivgeschichtliche Untersuchung“ 1987 von Helga Trüpel-Rüdel veröffentlich stellt hier den Hauptbezugspunkt dar. Im 4. Kapitel findet ein Vergleich mit anderen Werken statt, welche ebenfalls das Wasser als Kernmotiv haben, um zu überprüfen, ob das Wasser in der Literatur eine selbstständige oder gar vorgegebene Bedeutung besitzt. So können die Erkenntnisse der vorhergegangenen Kapitel eingeordnet und in einem größeren Zusammenhang gesetzt werden. Ein zusammenfassendes Fazit schließt die Arbeit ab.

Die Veröffentlichung Fouqués hat viele Literaturwissenschaftler dazu veranlasst sein Werk genauer zu untersuchen. Der Fokus liegt dabei häufig auf der Undinendarstellung als Wassergeist und damit verbundene Thematiken zur Weiblichkeit und Erotik. Das Motiv der Beseelung und der Martenehe wird ebenfalls Objekt einiger Forschungen. Der Wassermetaphorik und der einhergehenden Bedeutung sind jedoch meist nur kleine Abschnitte oder bestenfalls ein Kapitel eines Gesamtwerkes gewidmet. Genau hier dockt diese Arbeit an und versucht einen Bedeutungsüberblick zum Wasser zu geben. Da sich das Wasser und seine Erscheinungsformen aus schier endlosen Blickwinkeln und Analysemöglichkeiten untersuchen lässt ist die Aussagekraft dieser Arbeit jedoch nur begrenzt.

2. Naturbegriff der Romantik

Die Romantik bezeichnet eine kunstgeschichtliche Epoche der Jahrzehnte zwischen 1790 und 1840 in Europa und umfasst Ausprägungen in der Literatur, Kunst, Philosophie und der Musik. Die Gesellschaft im 18. Jahrhundert wurde vermehrt wissenschaftlicher, technischer und fortschrittlicher, was sich vor allem durch die beginnende Industrialisierung zeigt. Ebenso war es die Zeit von Koalitionskriegen und der Unterdrückung Europas nach Napoleon. Dadurch entwickelte sich das Bestreben der Romantiker, der rauen Wirklichkeit zu entfliehen und durch Poesie zu verklären. Der Wunsch nach dem Mythischen und Geheimnisvollen stand im Vordergrund (Vgl. Schulz 1996, S.7-12).

So waren sämtliche, unerklärliche und wunderbare Thematiken besonders reizvoll, darunter auch die unbändige und wilde Natur. Die Romantik als kulturelle Epoche hat die Wahrnehmung zwischen Mensch und Natur stark beeinflusst. Es entwickelte sich ein ‚romantischer‘ Blick in die Natur, wie Humboldt die damals neue Sichtweise betitelt. Er kritisiert, dass sich Reisende über die unfahrbaren Wege beklagen, wobei die Schönheit des Schnees und der Gletscher außer Acht gelassen wird. Die Natur wird durch die ästhetischen Qualitäten von Schönheit und Erhabenheit in Bezug zum philosophischen reflektierenden Menschen des fortgeschrittenen 18. Jahrhunderts gesetzt. Vor allem das Spannungsverhältnis zwischen Unendlichkeit, Ewigkeit und dem Ablauf der Zeit manifestiert nach Humboldt die Schönheit und Erhabenheit der Natur. Dazu gehören Schnee und Eis, sowie die Tageszeiten und Übergänge von Tag und Nacht, welche die Vergänglichkeit spürbar machen. Durch viele Versuche, eine Beziehung zwischen dem Menschen als vergängliches Einzelwesen und der unvergänglichen, universal gedachten Natur herzustellen, entfaltete sich eine romantische Phantasie in europäischer Kunst und Literatur um 1800 (Vgl. Schulz 1996, S.98-101).

Im Vordergrund stand hier nicht die Beschreibung der Natur, also der Wirklichkeit, sondern die gefühlsmäßige Erfassung dieser. Der Geist der Poesie war wichtig, deshalb wurde die Natur zum Sinnbild seelischer Empfindungen und geschichtlicher Zustände (Vgl. Schulz 1996, S.100).

3. Das Wasser in Friedrich de la Motte Fouqués „Undine“

3.1. Darstellung des Wassers

Das Element Wasser ist jenes, welches mit Abstand die größte Aufmerksamkeit in Fouqués Kunstmärchen erlangt. Im Folgenden werden drei Textpassagen des Kunstmärchens „Undine“ in Bezug auf die Darstellung des Wassers analysiert. Der Fokus liegt hier auf der sprachlichen Gestaltung sowie auf dem kulturgeschichtlichen Hintergrund im Zeitalter der Romantik. Es wurden exemplarisch Ausschnitte zu Beginn, Mitte und Ende des Werkes gewählt, um einen möglichst guten Überblick zu gewinnen, ohne dabei den Umfang dieser Arbeit zu sprengen.

„Der grüne Boden, worauf seine Hütte gebaut war, streckte sich weit in einen großen Landsee hinaus, und es schien ebensowohl die Erdzunge habe sich aus Liebe zu der bläulich klaren, wunderhellen Flut in diese hineingedrängt, als auch, das Wasser habe mit verliebten Armen nach der schönen Aue gegriffen, nach ihren hochschwankenden Gräsern und Blumen und nach dem erquicklichen Schatten der Bäume.” (Fouqué 2015, S.4)

Die aufgeführte Textstelle veranschaulicht ein typisches Idyll romantischer Naturdichtung. Das Wasser tritt hier in direkter Verbindung mit der Erde auf, wobei beide Elemente anthropomorphisch dargestellt werden. Sie führen eine metaphorische Liebesbeziehung, wie man an den Worten „aus Liebe“ und „mit verliebten Armen“ erkennt. Diese Verbindung ist beispielhaft für die Idee romantischer Dichter eines inneren Zusammenhanges des ganzen Kosmos als Produkt von zeitgenössischer Naturphilosophie (Vgl. Wanning 2005, S.26f.).

Auffallend ist die ausführliche Beschreibung der „bläulich klaren, wunderhellen Flut“, welche als poetische Überhöhung der landschaftlichen Szene interpretiert werden kann. Der Neologismus „wunderhell“ schenkt der Flut und somit dem blauen Element besondere Aufmerksamkeit. Im Vergleich zur Erde (hier als umfassender Begriff für Landzunge, Aue, Gräser, Blumen und Bäume) hat das Wasser rein sprachlich eine gesonderte Stellung.

Die Hütte meint jene des frommen Fischers, welche zu Beginn des Märchens erwähnt wird. Sein Wohnort wird direkt im Zusammenhang mit dem „grünen Bode“, also der Erde gebracht, welche wiederum in enger Verbindung mit dem Wasser steht. So wird eine Einheit erzeugt, in der Mensch und Natur in harmonischer Weise miteinander verbunden sind.

In der Romantik steht die Naturschilderung unter dem Vorbehalt eines Absolutheitsanspruchs, welcher der Subjektivitätsprimat in gesteigerter Art ist. Daraus folgt auf der Ebene der Erzähltechnik, dass seelische Zustände literarischer Figuren mit Vorgängen in der Natur gleichgesetzt werden können. So entsteht im Text eine Utopie, welche kein Korrelat in der Realität besitzt (Vgl. Wanning 2005, S.23f.). Wenn man dieses Gedankengut auf die geschilderte Situation anwendet, spiegelt das friedliche Naturgeschehen das Seelenleben des Fischers wider. Dieser ist die bis dato einzig vorkommende Person.

Im zitierten Textausschnitt der vierten Seite wurden durchwegs Adjektive mit positiven Konnotationen verwendet.

„‘hatte unser kleines Fahrzeug die Wellen berührt, so brach auch schon der ungeheure Sturm los, der noch jetzt über unsern Häuptern fortwütet. Es war, als hätten die Fluten nur auf uns gewartet, um die allertollsten, strudelndsten Tänze mit uns zu beginnen. […] Wir selbst flogen, hülflos und der tauben Naturkraft hingegeben, auf die Höhe des Sees zu euern fernen Ufern herüber, die wir schon zwischen den Nebeln und Wasserschäumen emporstreben sahen. […] Im dunklen Ängstigen des nahen schrecklichen Todes trieb ich weiter, bis mich eine Welle hier unter die Bäume der Insel warf.“ (Fouqué 2015, S.24f.)

Dieses Zitat beinhaltet eine Aussage des Priesters, in der er die Umstände beschreibt, die ihn zu der Fischershütte führten. Im Gegensatz zur ersten untersuchten Textstelle ist das Wasser hier negativ als unbändige Naturgewalt beschrieben.

Die Tatsache, dass der Priester die Unerbittlichkeit des nassen Elements erfährt stellt sich als besonders interessant heraus. Joseph von Eichendorff, welcher zeitgleich mit Friedrich de la Motte Fouqué lebte und dieselben religiösen Überzeugungen teilte, entwickelte folgende Sprachtheorie: Natur und Mensch sind unterschiedlich ausgeprägte Stufen eines Geistes und gehören als Einheit zusammen. Sie sind auf kommunikativer Ebene durch eine analoge Sprache miteinander verbunden. Die gottesursprünglichere Stufe ist die Sprache der Natur (Plätschern, Zischen, Rauschen o.ä.) und kann von empfindenden Wesen wahrgenommen werden. Der Mensch muss sich jedoch der gottferneren Stufe der Sprache bedienen. Die Kommunikation zwischen Individuum und Natur stellt sich auf Ebene der Empfindung erfolgreich her. Es ist allerdings nicht jedem Menschen möglich, diese Empfindungen in die begriffsgebundene Sprache des Denkens zu übertragen (Vgl. Wanning 2005, S.142). Demnach wäre das ‚Verhalten‘ des Wassers als Teil der Natur auch immer Gottessprache und als Kommunikationsform anzusehen. Diese Theorie gleicht sich mit der Auffassung des Zeitalters der Romantik, dass sich jeder, der an Gott glaubt, in der Natur geborgen fühlen kann. Da die Natur dem Subjekt nach der Vorstellung nicht feindlich gesonnen ist, lassen sich alles Bedrohliche oder Unverständliche der Natur durch Glauben überwinden (Vgl. Kersten 1996, S.16). Wenn man diese Annahmen auf die beschriebene Situation bezieht, scheint es auf den ersten Blick konträr, dass ausgerechnet der Priester in diesen Sturm gerät und Todesangst erfahren muss. Der Gläubige wird schließlich durch eine Welle, ebenfalls eine mögliche Form der Kommunikation Gottes, an Land gespült. Diese Handlungskette ist notwendig, damit er seine Rolle als Eheschließer im Verlauf des Geschehens einnehmen kann. So ließen sich die Umstände, welche der Priester durchleben musste, als notwendig und gottgewollt begründen. Diese Interpretation lässt sich zwar kulturgeschichtlich begründen, jedoch gibt es keine signifikanten Hinweise darauf, dass der Autor die Intention hatte, die Natur als Kommunikationsform Gottes darzustellen.

Das Element Wasser wird, wie auch im vorherigen Textabschnitt, anthropomorph dargestellt. Es bewirkt einen Hinterhalt der Natur, dem die Besatzung des Bootes hilflos ausgeliefert ist. Der Ausdruck „die allertollsten, strudelndsten Tänze“ kommt ironisch zum Einsatz und wirkt gleichzeitig euphemistisch. So wird das Wasser hier in seiner zerstörerischen Form trotzdem noch romantisiert. Vor allem die Assoziation des Tanzes in Bezug auf den Sturm verleiht der Situation etwas Ästhetisches.

Die Metapher „der tauben Naturkraft“ betont die gewaltige und gnadenlose Kraft des Wassers und somit seinen vernichtenden Charakter. Der Ausdruck „Todesangst“ als Beschreibung der Gefühlslage des Priesters verstärkt diese Konnotation. Kurz darauf nimmt das Element die konträre Rolle eines Retters ein, indem eine Welle den Priester ans sichere Land spült. So wird die Gegensätzlichkeit des kühlen Nass im Text aufgegriffen.

„Selbst der Bach, der zwischen den Klippen hinstrudelte, sah davon ganz schwarz aus und gar nicht so fröhlich, wie es Gewässer wohl zu tun pflegen, die den blauen Himmel unmittelbar über sich haben.“ (Fouqué 2015, S.51)

Auffällig an diesem Zitat ist, dass dem Wasser ein generalisiertes Charaktermerkmal zugesprochen wird, nämlich „fröhlich“ zu sein. Was wiederum eine anthropomorphe Darstellung ist. Diese Aussage wird begrenzt durch die Bedingung, dass es den blauen Himmel unmittelbar über sich habe. So wird impliziert, dass die Stimmungslage des Gewässers im Zusammenhang mit dem Wetter steht. Die Ursache für die scheinbar unerwartete schwarze Färbung des Gewässers lässt sich aus dem Kontext heraus ablesen. Grund sind die hohen Bäume des Schwarztals und der Einbruch der Dämmerung (Vgl. Fouqué 2015, S.51). Demnach lässt sich das blaue Element durch andere Teile der Natur beeinflussen, hier durch die hohen Bäume und den Tagesverlauf. Das Wasser ist nicht allmächtig, sondern verändert sich im Zusammenspiel mit den anderen Elementen.

Die Beschreibung des Baches als „schwarz“ ist ebenfalls interessant, da es die einzige Stelle im gesamten Kunstmärchen ist, indem diese Farbe zur Beschreibung eines Gewässers verwendet wird. Schwarz als Symbolfarbe steht häufig für Unheil, Bedrohung, Trauer, Unergründlichkeit oder Ähnliches. In der Literatur der Romantik ist eine Verbindung von Natur- und Subjektschilderung üblich und dient der Darstellung der Entwicklungsprozesse, welche aus der Ebene von Einzelschicksalen auf eine allgemeine Stufe gehoben wird (Vgl. Wanning 2005, S.23). Infolgedessen könnte die Farbsymbolik vor allem als Anzeichen für Unheil interpretiert werden, da Huldbrand kurz nach der dargestellten Szene von Kühleborn ‚angegriffen‘ wird. Ebenso kann die Farbe des Wassers das Innenleben von Huldbrand verkörpern, welcher bereits vor dem Auftauchen Kühleborns verängstigt ist (Vgl. Fouqué 2015, S.52f.).

3.2. Auftreten des Wassers

Um einen umfassenden Blick zur Bedeutung des Wassers in „Undine“ zu erhalten, ist es sinnvoll, diese durch verschiedene Methoden zu erörtern. Als zweiter Ansatz wird nun untersucht, wie oft und in welchem Zusammenhang das Wasser im Werk Fouqués auftritt.

Anhang 1 (S.16) dient dafür als Grundlage und wurde im Voraus selbstständig erarbeitet. Dort sind alle Textstellen des Kunstmärchens aufgeführt, in denen das Wasser darstellend beschrieben ist. Passagen die einzelne Wörter wie Flut, Ufer, Strom oder See beinhalten wurden nicht berücksichtigt, da diese keine oder nur geringfügige Aussagen beziehungsweise Interpretationen zur Bedeutung zulassen. Die Seitenanzahlen beziehen sich auf die aufgeführte Primärliteratur. In der 65-seitigen Erzählung (S.4-69) lassen sich insgesamt 39 für diese Arbeit relevante Textstellen finden. Allein die quantitative Aufführung des Wassers lässt darauf schließen, dass dieses eine große Bedeutung in „Undine“ hat. Keinem anderen Element und keiner anderen Erscheinung jeglicher Art wird so viel Aufmerksamkeit geschenkt.

In allen untersuchten Zitaten aus Kapitel 3.1. wurde das Wasser personifiziert. Davon ausgehend wurden auch die 36 weiteren Textstellen danach untersucht (s. Anhang 1) mit dem Ergebnis, dass das Wasser in 31 der insgesamt 39 Zitate anthropomorph dargestellt wird. Dies ist nicht wunderlich, da es in der Romantik üblich war die Natur zu personifizieren, um die Wechselwirkung zwischen Natur und der Seele zu verdeutlichen (Vgl. Röder 2015, S.28).

Auffällig ist hierbei, dass das Gewässer je nach Situation sehr unterschiedlich dargestellt wird. In einem Kapitel ist es „ruhig“ und „klar“, im nächsten mit „aufbrausend“ und „wild“ etikettiert. Durch die verwendeten Adjektive lassen sich die Textstellen nun in den Kategorien positiver, neutraler oder negativer Darstellungen einteilen. Als negativ werden hier auch Zuschreibungen angesehen, welche das Element als wild oder ungebändigt beschreiben. Ergebnis dieser Einteilung (s. Anhang 1) ist, dass das Wasser 11 Mal positiv, 10 Mal neutral und 18 Mal negativ repräsentiert ist. Wenn man nun mit der Annahme weiterarbeitet, dass die Natur- und somit auch Wassererscheinungen das Innenleben der Figuren widerspiegeln, wie es in literarischen Texten zum Zeitalter der Romantik üblich ist (Vgl. Kapitel 2 und 3.1.), kann man aus diesen Konnotationen die Grundstimmung des Märchens ablesen. Demnach würde das Wasser Bedeutungsträger der Gefühle der Protagonisten sein. Wenn man nun bewusst die Stimmungslage der Erzählung auf das Auftreten des Wassers beschränkt, kann man auf folgende Interpretation schließen: Die Gefühlslage der Charaktere ist zu etwa einem Viertel des Märchens positiv gestimmt, zum selben Maße neutral und etwa zur Hälfte negativ. Somit deutet die zum Großteil abträgliche Erscheinung des Gewässers nicht auf eine negative Grundeigenschaft des Elementes oder Einstellung des Autors hin. Dieser Interpretationsansatz wird von der Erkenntnis Helga Trüpel-Rüdels gestützt, welche 1987 in ihrer motivgeschichtlichen Untersuchung zu „Undine“ zu der Erkenntnis gelangt, dass das Wasser immer Stimmungsträger ist:

„Die Beschaffenheit des Wassers deutet jeweils auf den augenblicklichen Zustand des Seelenlebens. Das Wasser hat eine positive Bedeutung, wenn es stehend, gleichmäßig fließend, klar und ruhig dargestellt ist, eine den Menschen gefährdende oder erotische Bedeutung, wenn es wild, tobend, aufgewühlt, stürmend, über die Ufer tretend dargestellt ist.“ (Trüpel-Rüdel 1987, S.65)

Wenn man nun das Auftreten des Wassers hinsichtlich der Quantität untersucht, fällt folgendes auf: Im ersten Viertel des Textes (S.4-20) wird das Wasser 10 Mal darstellend beschrieben und im zweiten Viertel 15 Mal (S.21-37), also kommen 25 von den insgesamt 39 untersucht Textstellen in der ersten Hälfte des Kunstmärchens vor. In der letzteren lediglich 14, wobei 5 davon im dritten Viertel und 9 im letzten angesiedelt sind. Dies ist eine stark ungleiche Verteilung.

Ausgehend von der Erkenntnis, dass das Wasser das Innenleben der Figuren darstellt, ist es auf den ersten Blick verwunderlich, dass dieses nicht durchwegs in regelmäßigen Abständen auftritt. Es gilt nun die Ursache dafür zu erörtern, um einen möglichen Bedeutungszusammenhang zu erschließen. Da das Gewässer im gefühlstechnischen Zusammenhang mit den Subjekten steht, liegt die Vermutung nahe, dass es in engerer Verbindung zu bestimmten Figuren steht. So könnte das unregelmäßige Auftreten erklärt werden. Auf Seite 37, also genau in der Mitte des Kunstmärchens, tritt ein großer situativer Wechsel auf. Huldbrand und Undine verlassen nach ihrer Vermählung die Fischerhütte und beginnen ihr Leben in der Stadt. Die von Natur geprägte Umgebung auf der Landzunge mitsamt dem See wird abgelöst. Auch ein Personenwechsel findet statt. Priester und Pflegeeltern von Undine werden zurückgelassen, dafür wird der gesamte Hof in das Märchen aufgenommen. Insbesondere Bertalda, welche zuvor nur durch Huldbrands Erzählungen bekannt war, erhält fortan große Aufmerksamkeit. Undines Rolle in der Gesamthandlung wird ‚kleiner‘ mit Beginn des Aufbruchs in die Stadt. Da sie nach der Hochzeitsnacht ihr kindliches Verhalten ablegt, schwinden auch ihre Streiche aus der Geschichte.

Dieser Umschwung kann nun als Interpretationsansatz für das Auftreten des Gewässers dienen. Hier ergibt sich ein immer stärkerer und deutlich werdender Zusammenhang zwischen dem Auftreten von Gewässern und der Rolle Undines. Die Abkehr von Undine als ‚Kern‘ der Handlung und die neue, wichtige Rolle von Bertalda lassen sich als Auslöser für das geringere Aufkommen des Wassers in der zweiten Hälfte des Kunstmärchens verstehen. Das vermehrte Erscheinen von Gewässern zum Ende der Geschichte ließe sich damit erklären, dass Undine dort wieder mehr Einfluss auf das Geschehen hat. Durch ihren Tod und die Ermordung von Huldbrand, wird der Fokus wieder vermehrt auf sie gerichtet. Das Auftreten des Wassers im Werke Fouqués stehe immer in Korrelation zu den Handlungsträgern, ob direkt oder indirekt (Vgl. Solbach 1997, S.72f.).

3.3. Undine als Verkörperung des Wassers

Wie unter Kapitel 3.2. herausgearbeitet wurd, steht das Auftreten des Wassers im engen Zusammenhang mit Undine. Demnach steht die Protagonistin in direkter Relation zur Bedeutung des Elements im literarischen Werk.

Die Vorlage für die Figur Undines war für Fouqué die „Naturphilosophie“ nach Paracelsus'. Dieser trennt das Wasser explizit von den anderen Elementen, da es für ihn als Urelement und Schöpfungswasser einen besonderen Körper bilde. Die Wassergeister haben für ihn eine besondere Bedeutung und fungieren als zentrales Element des Lebens. Damit sind sie Abbild des Menschen, ohne eine Seele zu besitzen (Vgl. Floeck 1909, S.10f.)

[...]

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Bedeutung des Wassers in Friedrich de la Motte Fouqués "Undine"
Hochschule
Universität Augsburg
Note
1,3
Autor
Jahr
2020
Seiten
22
Katalognummer
V593971
ISBN (eBook)
9783346196385
ISBN (Buch)
9783346196392
Sprache
Deutsch
Schlagworte
bedeutung, fouqués, friedrich, motte, undine, wassers
Arbeit zitieren
Aileen Thesing (Autor:in), 2020, Bedeutung des Wassers in Friedrich de la Motte Fouqués "Undine", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/593971

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