Leseprobe
Inhalt
1. Einleitung
2. Der Begriff Gewalt
3 Gewalt als Männerproblem
3.1 Männer als Gewalttäter
3.2 Männer als Opfer von Gewalt
4. Frauen als Täter und Opfer von Gewalt
4.1 Frauen als Täterinnen
4.2 Frauen als Opfer
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
1 . Einleitung
Diese Arbeit soll sich mit der Frage beschäftigen, ob Gewalt hauptsächlich von Männern ausgeübt wird oder doch ein gewisser Teil auch von Frauen ausgeht. In der Öffentlichkeit wird eher die Meinung vertreten, dass Gewalt hauptsächlich ein männliches Problem ist, was trotz Forschungsergebnissen, die dem widersprechen, kaum die öffentliche Meinung beeinflusst. Zu sehr ist das öffentliche Denken noch von den typischen Geschlechterzuschreibungen geprägt, das Frauen eher als Opfer sieht denn als Täter. Die Fakten scheinen die öffentliche Meinung zu stützen, orientiert man sich an den Daten der Kriminalstatistik. Denn auch hier sind es Männer, die deutlich bei den Gewaltdelikten dominieren. Der Grund dafür liegt wohl darin, dass Männer vor allem körperliche Gewalt ausüben, die Spuren hinterlässt und einfacher nachzuweisen ist. Um aber ein differenziertes Bild über die Gewaltproblematik zu erhalten, ist es nötig, auch die versteckte Gewalt in den Blick zu nehmen. Weil diese nur sehr schwer nachzuweisen ist, da sie sich der Sichtbarkeit meist entzieht, kann der Eindruck entstehen, dass diese nicht existiert. Dem soll diese Arbeit entgegenwirken und mit einem erweiterten Gewaltbegriff untersuchen, ob Männer wirklich gewalttätiger sind als Frauen.
2. Der Begriff Gewalt
Bevor ich mit der Ausarbeitung beginne, möchte ich noch den Begriff der Gewalt definieren. In der Fachliteratur gibt es dazu viele Ansichten, von denen ich einige vorstellen möchte. Die heutigen Erkenntnisse in der Gewaltforschung zeigen, dass es eine gewaltfreie Gesellschaft über einen längeren Zeitpunkt niemals gegeben hat und dies wird auch in Zukunft nicht der Fall sein (vgl. Schröttle / Heitmeyer 2006: 15). Deshalb muss es Ziel der Gesellschaft sein, die bestehende Gewalt zu vermindern (vgl. ebd.). Zudem entscheidet auch die Kultur darüber, was als Gewalt aufgefasst wird und was nicht (vgl. Helsper 2006: 209). In der Vergangenheit wurde der Begriff Gewalt von der „Unabhängigen Regierungskommission zur Verhinderung und Bekämpfung von Gewalt“ als ‚zielgerichtete, direkte physische Schädigung von Menschen durch Menschen` definiert (vgl. Schröttle / Heitmeyer 2006: 15). Bei diesem Gewaltbegriff fällt auf, dass er nicht präzise genug gewählt worden ist und, dass auch die psychische Gewalt nicht mit eingeschlossen wird. Die heutige Definition wurde erheblich erweitert, denn jetzt zählt auch zum Beispiel Sachbeschädigung oder psychische Gewalt zum Gewaltbegriff (vgl. Heeg 2009: 16). Eine allgemeine Gewaltdefinition ist also kaum möglich, da Gewalt subjektiv wahrgenommen wird und es auch vom Kontext abhängt, wie Gewalt definiert wird (vgl. Budrich 2008; 20). Dass heutzutage der Gewaltbegriff in der Wissenschaft sehr erweitert wurde, birgt auch Gefahren, so kann es passieren, dass auch normales Verhalten als Gewalthandlung gesehen wird und somit ein Problem konstruiert wird (vgl. Helsper 2006: 210). Im Folgenden soll die psychische und physische Gewalt näher betrachtet werden.
3 Gewalt als Männerproblem
Verfolgt man die Berichte in den Medien oder die öffentliche Meinung, so wird einem schnell klar, dass Gewalt vor allem als Männerproblem angesehen wird und, dass Frauen kaum als gewalttätig wahrgenommen werden. Doch wo liegen die Ursachen darin? Ist es tatsächlich so, dass die Männer das gewalttätigere Geschlecht sind oder ist das nur ein Irrglaube? Verschiedene Studien beweisen, dass Männer über verschiedene Kulturkreise hinaus, mehr körperliche Gewalt ausüben, die auch heftiger ist als bei Frauen, und dass Männer auch interkulturell die Kriminalstatistiken bei Gewaltdelikten anführen (vgl. Scheithauer 2006:69:). Daraus wird abgeleitet, dass Männer biologisch dazu neigen Gewalt auszuüben. Schaut man sich die Ergebnisse der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) 2014 an, so bestärkt das die These, dass vor allem Männer als Gewalttäter in Erscheinung treten, denn 90,5 Prozent der Tatverdächtigen bei Raubdelikten und 80,6 Prozent bei Körperverletzung sind Männer (PKS Bundeskriminalamt, 2014). Es lässt sich also eindeutig feststellen, dass Männer viel häufiger als Tatverdächtige im Gewaltbereich auftauchen als Frauen. Auf den ersten Blick scheint die Sache klar zu sein, denn man kann aus diesen Daten schlussfolgern, dass Männer automatisch Gewalttätiger sein müssen als Frauen, denn diese sind in der Statistik unterrepräsentiert. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass Statistiken kein Abbild der Wirklichkeit sind (vgl. Meuser 2003: 38) und dass die Mehrheit der Männer nicht als Gewalttäter in Erscheinung treten. Darüber hinaus geben Statistiken oft nicht an, wie schwer die Gewalthandlung war. Laut Bruhns und Wittmann müssen die Erkenntnisse der PKS skeptisch betrachtet werden, weil das Anzeigeverhalten stark mit der subjektiven Wahrnehmung zusammenhängt, die vor allem durch Medienberichte beeinflusst wird (vgl. Bruhns / Wittmann 2006: 297). Des Weiteren steigt die Zahl der Anzeigen auch, wenn die Polizei verstärkt Kontrollen an Orten durchführt, die für ihre Kriminalität bekannt sind (vgl. ebd.). Einen weiteren Hinweis dafür, dass die PKS die Wirklichkeit nicht abbildet, zeigt die Zahl der geringen Verurteilungen der Strafverdächtigen (vgl. ebd.). Zudem ist bekannt „dass Gewalt in engsten sozialen Beziehungen und im sozialen Nahraum häufig nicht zur Anzeige gebracht wird.“ (Lenz 2006: 100). Das weniger Frauen in der Statistik als Täterinnen auftauchen kann auch daran liegen, dass sie bevorzugt unprototypische Gewaltformen, wie relationale Gewalt, anwenden, die schwer zu ahnden ist (vgl. Scheithauer 2003: 15).
Dennoch lässt sich nicht bestreiten, dass Männer sehr häufig als Gewalttäter vorkommen. Doch laut Boatca und Lamnek ist Gewalt „kein Monopol von Männern“ (Boatca / Lamnek 2003: 20) sondern auch bei Frauen existent. Warum die Männer als Täter die Gewaltdiskussion dominieren soll im nächsten Punkt behandelt werden.
3.1 Männer als Gewalttäter
Wie im vorigen Punkt beschrieben gelten Männer grundsätzlich gewalttätiger als Frauen und das hat viele Gründe. Dieser Eindruck entsteht, wenn man den Gewaltbegriff zu eng auslegt und nur die physische Gewalt betrachtet und andere Formen der Gewalt ausblendet. Auch die Perspektive von der man Gewalt im Geschlechterverhältnis betrachtet ist wichtig, denn meistens richtet sich der Blick der Wissenschaft auf das Thema der Gewalt an Frauen und blendet aus, dass es auch Gewalt von Frauen an Männern gibt (vgl. Boatca / Lamnek 2003: 13). Ottermann sagt dazu:
Wer sich auf die heute herrschende Definition von Gewalt als primär männlichem Problem einlässt, kann mit öffentlicher Unterstützung, Geldern und sozialen Ansehen rechnen (wer dies nicht tut, muss sich zumindest auf informelle negati ve Konsequenzen gefasst machen) (Otterman 2006: 169).
Das Bild vom männlichen Gewalttäter ist deshalb so erfolgreich, weil die Kriminalstatistiken die stereotypischen Vorstellungen der Gesellschaft von Männern und Frauen bestätigen (vgl. ebd.: 19). Wenn Frauen Gewalt ausüben wird es entweder bagatellisiert oder als legitime Gegenwehr angesehen, weshalb es auch weniger Strafanzeigen und weniger Verurteilungen gegen sie gibt (vgl. ebd.). Männer hingegen fallen eher einer Stigmatisierung der Medien und der Gesellschaft zum Opfer, die die traditionellen Geschlechterbilder reproduzieren (vgl. ebd.). Wenn Männer als Opfer in Erscheinung treten, so wird das in der Öffentlichkeit tabuisiert und zusätzlich wirft man ihnen den Verlust ihrer Männlichkeit vor, und das führt dazu, dass sich Geschlechterzuschreibungen festigen und somit selektive Forschung und Berichterstattung gefördert wird (vgl. ebd.: 20). Laut Boatca und Lamnek lässt die momentane Datenlage in Deutschland kaum zu, ein zuverlässiges Abbild über die Verteilung von Gewalttätigkeit auf die beiden Geschlechter zu übertragen (vgl. ebd.).
Schaut man sich zum Beispiel Dunkelfelduntersuchungen zum Thema der Partnergewalt an, so fällt auf, dass Frauen und Männer annähernd zu gleichen Teilen Gewalt gegen den Partner ausüben, wohingegen in institutionellen Statistiken die Frauen als Opfer dominieren (vgl. ebd.: 28). Grund dafür kann sein, dass das Entdeckungsrisiko bei Männern erhöht ist, da diese eher offene Formen von Gewalt anwenden und dass ihre Verurteilung wahrscheinlicher ist als bei Frauen, denn diese nutzen eher versteckte Formen von Gewalt, die schwerer zu beweisen sind (vgl. ebd.). Bei Frauen ist die Opferrolle gesellschaftlich anerkannt, was ihnen ermöglicht sich öffentlich zu ihrer Angst zu bekennen und um Hilfe zu bitten, wohingegen bei Männern gleiches Verhalten zumindest bei traditionellen Geschlechterrollenerwartungen als unmännlich angesehen wird (vgl. Ottermann 2006: 170). Daraus kann man schließen, „dass eine Kultur, in der Männer nicht als Opfer erscheinen dürfen, die Neigung zur Täterschaft vergrößert“ (Hagemann- White 2002: 145).
Ein weiterer Grund warum Männer häufiger gewalttätiger sind als Frauen, könnte das Männerbild der Gesellschaft sein. So werden Jungen stärker für feministisches Verhalten bestraft, als Mädchen mit männlichem Verhalten (vgl. Scheithauer 2003: 86). Zudem werden der maskulinen Geschlechterrolle „Eigenschaften, wie zum Beispiel Dominanzverhalten, Durchsetzungsvermögen oder Unabhängigkeit zugeordnet“ (vgl. ebd.: 81). Wer sich also mit diesem Männerbild identifiziert, der hat ein höheres Risiko sich aggressiv zu verhalten (vgl. ebd.). Aggressives Verhalten von Männern wird in der Gesellschaft eher akzeptiert als bei Frauen und in manchen Situationen wird es auch von ihnen erwartet (vgl. ebd.:88). So muss sich der Mann in diesem Fall entscheiden, entweder auf Gewalt zu verzichten und dabei befürchten als unmännlich zu gelten und den Respekt bei anderen Männern zu verlieren, oder aber er übt Gewalt aus und hat somit mit weniger Sanktionen zu rechnen und mit einem Zugewinn an Respekt von den anderen Männern.
3.2 Männer als Opfer von Gewalt
Wenn von Gewalt von Männern gesprochen wird, so kommt einem direkt in den Sinn, dass die Opfer Frauen sein müssen. Doch in Wirklichkeit trifft es eher die Männer, was in der Öffentlichkeit nicht gerne diskutiert wird. Gahleitner sagt dazu:
Die von Männern ausgehende Gewalt ist überwiegend gegen andere Männer gerichtet, nicht nur in Kriegen, sondern auch im Alltag. Gewalt gegen Männer hingegen ist ein global weit verbreitetes und zugleich kulturell weitgehend ignoriertes Phänomen. Sie wird von vielen Betroffenen verleugnet und gesellschaftlich bislang so gut wie nicht als soziales und schon gar nicht als politisches Problem wahrgenommen (Gahleitner 2007: 21f.).
Männer sind oft nicht fähig, die erfahrene Gewalt als solche zu erkennen, denn im Alltag gibt es verschiedene Zwänge, die fließend in die Gewalt übergehen, also schwer von Gewalt zu unterscheiden sind, auch melden Männer erfahrene Gewalt nicht, entweder weil sie sie als „normal“ empfinden oder sich schämen diffamiert zu werden, deshalb schweigen die Männer eher (vgl. ebd.: 34).
Männer haben auch Probleme sich als Opfer zu begreifen, Gahleitner sagt dazu:
Das eigene Opfersein als Mann will nicht wahrgenommen werden, da dies doppelt blockierend an die eigene ‚Schwäche` und das eigene Versagen erinnert. Die Widerfahrnisse von Ohnmacht, Passivität und das Ausgeliefertsein werden abgewehrt. Auf dem Hintergrund des Systems der zweigeschlechtlichkeit stellt der Begriff des ‚männlichen Opfers‘ ein kulturelles Paradox dar (…) (vgl. ebd.: 28).
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