Mitten im politischen Chaos der ersten Hälfte der 90er Jahre zerfiel die Tschechoslowakei zum zweiten und zum letzten Mal in Ihrer Geschichte. Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes über die Auflösung der Föderation am 1. Januar 1993, sind zwei neue Republiken als Nachfolgestaaten der aufgelösten CSFR entstanden. Überschriften, wie "friedlicher Zerfall" oder "friedliche Scheidung" haben die Seiten der Zeitungen und Zeitschriften in der ganzen Welt gefüllt.
Lange Zeit herrschte die allgemeine These vor, dass der Zerfall auf einen sich verstärkenden slowakischen Nationalismus und ethnische Unruhen zurückzuführen ist. Als weiterer Grund gilt die Tatsache, dass es keine kommunistische Diktatur mehr gab, die diese Strömungen und Auseinandersetzungen mit ihren diversen Methoden weiterhin verdrängen konnte.
Mit dieser allgemeinen und viel zu groben Meinung über den Zerfall der ČSFR, nach welcher sich die Slowakei abgespaltet hat, stellt sich der Autor dieser Arbeit nicht zufrieden. Ziel ist es deshalb eine komplexe Analyse bestehend aus der Geschichte, der Innen- und Außenpolitik, der Verfassungsproblematik, der politischen Parteien und Eliten, der Wirtschaft und der Mythen, die den gemeinsamen Staat bis an sein Ende begleitet haben, zu liefern.
Inhaltsverzeichnis
- TEIL I: DIE GEMEINSAME GESCHICHTE
- 1. DIE ERSTE REPUBLIK
- 1.1 Gründung des gemeinsamen Staates 1918/1919
- 1.1.2 Nationale Wiederbelebung im 19. Jahrhundert
- 1.1.3 Die Gründungsaktivitäten von Tomáš G. Masaryk und Milan R. Štefánik
- 1.1.4 Der Mythos der „tschechoslowakischen Nation“
- 1.1.5 Gründung der Tschechoslowakischen Republik
- 1.1.6 Die staatsrechtliche Grundlage der Ersten Republik
- 1.2 Innenpolitische Lage und Aufbau der Ersten Republik 1918-1939
- 1.2.1 Aufbau der Ersten Republik
- 1.2.2 Das tschechisch-slowakische Verhältnis in der Ersten Republik
- 1.3 Die ČSR im Schatten des Dritten Reiches - Das Münchner Abkommen
- 1.3.1 Auswirkung der außenpolitischen Konstellation der Dreißiger Jahre auf die ČSR
- 1.3.2 Die außenpolitische Lage nimmt einen negativen Wandel
- 1.3.3 Das Münchner Abkommen - Weg zum ersten Zerfall der Tschechoslowakei
- 1.4 Abspaltung der Slowakei 1939 - Gründung des faschistischen Satellitenstaates
- 1.4.1 Von Autonomie zur Abspaltung der Slowakei
- 2. DIE KRIEGSJahre, der WideRSTAND, DIE EXILREGIERUNG UND IHRE „DOKTRIN DER RECHTSKONTINUITÄT“
- 2.1 Aktivitäten der Londoner Exilregierung und die „Doktrin der Rechtskontinuität“
- 2.2 Der Widerstand während des Zweiten Weltkrieges und der slowakische Nationalaufstand
- 2.3 Wiederherstellung der Ersten Republik nach dem Zweiten Weltkrieg
- 2.4 Die letzten freien Wahlen von 1946 – der Aufstieg der Kommunisten
- 3. DIE SOZIALISTISCHE ZWEITE REPUBLIK
- 3.1 Der kommunistische Staatsstreich und die Verfassung von 1948
- 3.2 Die totalitäre Verfassung von 1960
- 3.3 Der,,Prager Frühling“ und seine Auswirkung auf das Verhältnis zwischen den Tschechen und den Slowaken
- 3.4 Die sozialistische Föderation
- 3.5 Aufbau der sozialistischen Föderation
- 3.6 Wiederherstellung des totalitären Regimes
- 4. DIE SAMTENE REVOLUTION VON 1989 – ZÜNDER DES ZERFALLS?
- 4.1 Die Opposition nach 1968
- 4.2 Fall des Kommunismus im November 1989
- 4.3 Rücktritt der kommunistischen Garnitur
- 5. ZUSAMMENFASSUNG
- TEIL II: GRUNDLAGENANALYSE
- 1. STAATSRECHTLICHE ASPEKTE
- 1.2 Das Problem der sozialistischen Verfassung
- 1.2 Evolution oder Revolution?
- 1.3 Anmerkungen zum Sezessionsrecht
- 1.4 Die Verfassungen der Republiken
- 2. INNENPOLITISCHE LAGE 1989/1990
- 2.1 Innenpolitische und gesellschaftliche Veränderungen nach 1989
- 2.2 Gesamtstaatliche politische Parteien und deren sinkender Einfluss
- 2.3 Politische Parteien in Tschechien
- 2.4 Politische Parteien in der Slowakei
- 3. ÖKONOMISCHE UND SOZIALE LAGE
- 3.1 Die wirtschaftliche Entwicklung der Tschechoslowakei
- 3.2 Tschechoslowakische Wirtschaft zu Beginn der neunziger Jahre
- 3.3 Die Folgen
- 4. AUBEN- UND SICHERHEITSPOLITISCHE ASPEKTE
- 4.1 Neue Welt- und Europaordnung
- 4.2 Die außenpolitischen Herausforderungen
- 5. ZUSAMMENFASSUNG
- TEIL III: PROZESS DES ZERFALLS
- 1. DIE ERSTEN FREIEN WAHLEN 1990 UND DEREN AUSWIRKUNG
- 1.1 Der Bindestrichkrieg
- 1.2 Beitrag der Intellektuellen zum Bindestrichkrieg
- 1.3 Bewertung
- 2. DIE WAHLEN 1990 UND DEREN AUSWIRKUNGEN
- 2.1 Das politische Umfeld
- 2.2 Die Wahlprogramme
- 2.3 Die Wahlergebnisse und die neuen Regierungen
- 3. DIE VERHANDLUNGEN ÜBER DIE GEMEINSAME STAATSFORM - DAS KOMPETENZGESETZ
- 3.1 Die Absichten
- 3.2 Die Verhandlungen über die Kompetenzen
- 3.3 Die Krise der Verhandlungen im Schatten des Sprachengesetzes
- 3.4 Inhalt des Kompetenzgesetzes
- 4. DIE VERHANDLUNGEN 1991
- 4.1 Der wirtschaftliche Kontext
- 4.2 Zersplitterung der politischen Parteien
- 4.3 Neue Initiative: Der Tschechisch-slowakische Staatsvertrag
- 4.4 Die Verhandlungen über den Staatsvertrag – erste Jahreshälfte 1991
- 4.5 Havels gescheitertes Referendum
- 4.6 Haltung der Bevölkerung zur gemeinsamen Staatsform
- 4.7 Die Verhandlungen über den Staatsvertrag – Jahreswende 1991/1992
- 4.8 Folgen der Konsensunfähigkeit
- 5. DIE PARLAMENTSWAHLEN 1992 – DER ANFANG VOM ENDE
- 5.1 Politische Ausgangslage
- 5.1.1 Die politischen Parteien, deren Programme und der Wahlkampf
- 5.1.2 Die öffentliche Meinung
- 5.2 Die Wahlen
- 5.2.1 Die Wahlergebnisse
- 5.2.2 Die Wahlsieger: Václav Klaus und Vladimír Mečiar
- 6. DER ZWEITE ZERFALL DER TSCHECHOSLOWAKEI
- 6.1 Koalitionsverhandlungen zwischen ODS und HZDS
- 6.1.1 Die Brünner Verhandlungen
- 6.1.2 Die erste Verhandlungsrunde in Prag
- 6.1.3 Die zweite Verhandlungsrunde in Prag
- 6.2 Das politische Abkommen über den Zerfall
- 6.3 Die Slowakische Souveränitätserklärung und die Verabschiedung der slowakischen Verfassung
- 6.3.1 Die Souveränitätserklärung des Slowakischen Nationalrates
- 6.3.2 Die slowakische Verfassung
- 7. MODALITÄTEN DES ZERFALLS 1992
- 7.1 Das Vertragswerk und die Trennung des föderalen Eigentums
- 7.2 Gesetze über das Ende der Tschechoslowakei
- 7.2.1 Gesetz über die Trennung des föderalen Eigentums
- 7.2.2 Gesetz über die Auflösung der Föderation
- 8. LEGITIMITÄT DES ZERFALLS
- 8.1 Wer sollte entscheiden und wer hat tatsächlich entschieden?
- 8.2 Die Interessen der ODS und der HZDS
- Die gemeinsame Geschichte der Tschechen und Slowaken
- Die politische Entwicklung der Tschechoslowakei nach dem Ende des Kommunismus
- Die Rolle der politischen Parteien und der öffentlichen Meinung im Zerfallsprozess
- Die Bedeutung der wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen für den Zerfall
- Die rechtlichen und verfassungsmässigen Aspekte des Zerfalls
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Diplomarbeit untersucht den Zerfall der Tschechoslowakischen Föderativen Republik im Jahr 1992. Das Ziel ist es, die politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ursachen und Prozesse zu analysieren, die zu diesem historischen Ereignis geführt haben.
Zusammenfassung der Kapitel
TEIL I: DIE GEMEINSAME GESCHICHTE
Dieser Teil beleuchtet die gemeinsame Geschichte der Tschechen und Slowaken, die sich durch eine Reihe von historischen Meilensteinen auszeichnet. Er analysiert die Gründung der Tschechoslowakischen Republik im Jahr 1918, die Innenpolitik der Ersten Republik, die Auswirkungen des Münchner Abkommens und den Zerfall der ČSR im Zweiten Weltkrieg. Darüber hinaus werden die Aktivitäten der Exilregierung während des Krieges und der Widerstand gegen das NS-Regime behandelt. Der Teil endet mit der Beschreibung der sozialistischen Zweiten Republik und der „Samtenen Revolution“ von 1989.
TEIL II: GRUNDLAGENANALYSE
Dieser Teil untersucht die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen in der Tschechoslowakei vor dem Zerfall. Er analysiert die Staatsrechtlichen Aspekte, die Innenpolitische Lage, die Ökonomische und Soziale Lage sowie die Aussen- und Sicherheitspolitischen Aspekte in den Jahren 1989/1990.
TEIL III: PROZESS DES ZERFALLS
Dieser Teil befasst sich mit den politischen Ereignissen, die unmittelbar zum Zerfall der Tschechoslowakei führten. Er analysiert die ersten freien Wahlen im Jahr 1990, die Verhandlungen über die gemeinsame Staatsform, die Parlamentswahlen von 1992 und die politischen Abkommen, die den Zerfall der Tschechoslowakei besiegelten. Abschliessend werden die Modalitäten des Zerfalls und die Legitimität des Prozesses diskutiert.
Schlüsselwörter
Die Diplomarbeit befasst sich mit den zentralen Themen der tschechoslowakischen Geschichte, Politik und Gesellschaft. Zu den wichtigsten Schlüsselbegriffen gehören: Tschechoslowakei, Zerfall, Föderation, Demokratie, Kommunismus, Wahlen, politische Parteien, Wirtschaft, Gesellschaft, Recht, Verfassung, Legitimität.
- Arbeit zitieren
- Michal Broska (Autor:in), 2005, Der Zerfall der Tschechoslowakischen Föderativen Republik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/59773