Politik in Tradition und Moderne - Gedanken von Wilhelm Hennis im Vergleich mit Hobbes und Aristoteles


Seminararbeit, 2004

15 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Gliederung:

1. Einleitung

2. Hauptaussagen des Textes „Ende der Politik?“

3. Wilhelm Hennis politische Theorien im Vergleich mit Aristoteles und Hobbes
3.1. Der Politikbegriff
3.2. Anthropologische Prämissen
3.2.1. Die Natur des Menschen
3.2.2. Trennung Oikos und Polis
3.3 Politik als Handlungs- oder Herstellungsprozeß
3.4. Wert- oder Zweckrationale Politik
3.5 Politik und Technokratie
3.6. Wert der Institutionen
3.7. Wilhelm Hennis wissenschaftstheoretischer Standpunkt

4. Aktualität der Positionen zur politischen Analyse moderner Gesellschaften

5. Zusammenfassung

1. Einleitung

“In dem Maß, in dem unsere Wissenschaften und Künste zur Vollkommenheit fortschritten, sind unsere Seelen verderbt geworden.“[1] heißt es bei Jean-Jacques Rousseau in einer Zeit in der Europa fasziniert von Wissenschaft und Technik dem Fortschrittsglauben der Aufklärung verfallen war.

Heute, wo die Wissenschaft in alle Teilgebiete der Gesellschaft fortschreitet, immer neue Bereiche für sich in Anspruch nimmt – kurz gesagt, sich in der Ehrenrunde nach ihrem Siegslauf befindet- werden wieder kritische Stimmen in Form von Technokratiediskussion, Anti-Atom-Gegnern und ähnlichen Bewegungen laut. Eine dieser Stimmen ist „einer der renommiertesten deutschen Politologen“[2], Wilhelm Hennis, der sich in seinem Essay „Ende der Politik? – Zur Krisis der Politik in der Neuzeit“ mit dem Einfluß der Wissenschaft auf die traditionell abendländische Politik und ihren Wandel zur wissenschaftlich orientierten Politik der Moderne befaßt.

In dieser Hausarbeit werden Wilhelm Hennis Überlegungen zu diesem Thema aufgezeigt und mit den sich größtenteils antagonistisch gegenüberstehenden Auffassungen vom traditionellen und modernen Politikverständnis verglichen, so daß letztendlich der wissenschaftstheoretische Standpunkt Hennis ermittelt werden kann. Dieser Vergleich wird sich auf jeweils einen typischen Vertreter beider Richtungen konzentrieren - zum einem auf Aristoteles, dessen Lehren das politische Denken in Antike und Mittelalter maßgeblich bestimmt haben[3] und zum anderen auf Thomes Hobbes als „Gründungsheros der neuzeitlichen Politik“[4].

Abschließend wird geprüft, inwiefern Hennis Theorien heute noch geeignet sind, politische Realitäten in modernen Gesellschaften zu analysieren.

Zum besseren Verständnis der Ausführungen werden im folgenden Kapitel die Hauptaussagen aus dem der Hausarbeit zu Grunde liegenden Text, „Ende der Politik? –Zur Krisis der Politik in der Neuzeit“, dargestellt.

2. Hauptaussagen des Textes „Ende der Politik?“

Die aus der Technokratiediskussion stammenden Theorien von Schelsky, Wissenschaft wird Politik ersetzen, und Lübbe, Politik wird immer in einem normativen, nichtrationalisierbaren Bereich bestehen bleiben, leiten Wilhelm Hennis Essay „Ende der Politik? Zur Krisis der Politik in der Neuzeit“ ein und prognostizieren mögliche Entwicklungstendenzen der Politik. Bevor aber über diese spekuliert wird, ist es notwendig den Politikbegriff genauer zu betrachten. Obwohl er heute als zeitlos bezeichnet und ihm jedes spezifische Traditionsmerkmal abgesprochen wird, findet man den Ursprung des Begriffs unweigerlich in der griechischen Polis. Diese unübersehbare Tradition des Begriffs beeinflußt die moderne Politik-Definition durch die Zentralkategorie Macht jedoch nicht. Der Begriff wird zu einer allgemeingültigen, inflationär gebrauchten Phrase, die jegliche Machtkonstellationen zwischen Menschen als Politik bezeichnet und mit der aufgrund der fehlenden normativen Verankerung nicht einmal zwischen Rechtsstaaten und Schreckensherrschaften unterschieden werden kann.

Im Gegensatz dazu betonte schon Aristoteles, der im Streit mit Platon seinem Lehrer widersprach, die strukturellen Unterschiede von politischer und anderer Herrschaft.

Für ihn war es unvorstellbar, daß im Freistaat unter gleichgestellten und wirtschaftlich selbständigen Bürgern eine politische Ordnung im Sinne der häuslichen Herrschaft gelten kann. So schloß er despotische und politische Herrschaft als Gegensätze aus und festigte die Bedeutung von der Trennung des Privaten (oikos) und des Öffentlichen (Polis).

Diese Trennung wurde im Absolutismus stark angezweifelt und letztendlich aufgehoben, um den Fürsten absolute Macht, wie sie der Hausvater im oikos besaß, zu verleihen. Jean Locke sprach sich in „Two Treatises of Government” entschieden gegen dieses Vorhaben aus und beeinflußte damit nachhaltig die Entwicklung der abendländischen Politik. Staatsphilosophen wie Bodin, Montesquieu, Locke und Kant wiesen dem wirtschaftlich autarken Haushalt als sozialen Grundstein der Gesellschaft eine große Bedeutung zu, die erst durch die im 18. Jahrhundert einsetzende Demokratisierung und dem später folgenden sozialen Wandel aufgehoben wurde. Im gleichen Prozeß erhalten im Zuge der Egalitätsentwicklung alle Menschen, mit Ausnahme der Kinder, den Bürgerstatus. Jedoch verdeutlicht gerade der Vergleich zwischen polis und oikos, daß sich Politik nicht durch Herrschaft, sondern durch die Natur der Herrschaft strukturell unterscheiden läßt. Wird diese Trennung aufgehoben, hebt sich auch der Raum des typisch Politischen auf. Des Weiteren ist die nicht direkte Zweckgebundenheit, sondern die Wertorientierung und das Wohl der Bürger spezifisch für die politische Herrschaft, die ihrer selbst Willen besteht und bestehen bleibt. Ihr Wirkungsort ist das verfaßte politische Gemeinwesen, das durch den Charakter seiner Bürger determiniert wird.

Die große Schwäche des praktischen Politikbegriffs ist die bestehende Ungewißheit, sein Ziel überhaupt zu erreichen. Moderne Vorstellungen schweben in der Utopie, die bei Vielen jedoch nicht als solche erkannt wird, einen anvisierten Zweck mit den modernen Mitteln der Wissenschaft zielsicher ansteuern zu können. Von solch einer Sicherheit könnte jedoch nur bei wirklich gewissen Erkenntnissen, z.B. den Newtonschen Gesetzen, oder aber bei Dingen, die wir selbst hergestellt haben, wie Werkzeuge, gesprochen werden. Dieses Herstellungsdenken, das die soziale Ordnung als zu schaffendes Konstrukt sieht, ist ein zentraler Teil des technischen Denkens. Der Staat ist demnach die Konstruktion eines „Architekten“[5] und völlig unabhängig von seinen Bürgern, die nur Dienstleistungen und Funktionstüchtigkeit vom Staat verlangen.

War der Staat in der Vormoderne nur subsidiärer Helfer, so ist der moderne Dienstleistungsstaat ein Daseinsvorsorgestaat geworden, der seine Kompetenzen auf alle Gesellschaftsgebiete ausweitet. Seinem dadurch entstehenden Machtzuwachs steht die steigende Belastung gegenüber, die er zu bewältigen nicht sicher in der Lage ist.

Die Familie, als Werte und Normen stiftende Institution, wurde beispielsweise durch staatliche Erziehung verdrängt, jedoch kann der Staat diese Leistung niemals ersetzen. Auf der Suche nach dem richtigen Weg setzt er statt auf Werte auf die Wissenschaft, die aber nicht in der Lage ist, Zweck und Effizienz von Familien und Freundschaften zu berechnen. Trotzdem drängen die staatlichen Bemühungen in diesen vorpolitischen Bereich, da hier der individuelle Charakter der späteren Bürger entsteht, der den Egalitätstendenzen der modernen Gesellschaft zuwiderläuft.

Auch die Religion, als Kern der sittlichen Ordnung, die den Menschen erst zu etwas Besonderem macht, wo er ansonsten nur ein Tier oder ein Ding wäre, fällt der Expansion des Staates zum Opfer. Diese Zerstörung der Transzendenz ist neben der drohenden Vernichtung der Gattung und den sich anbahnenden Umweltkatastrophen die größte Gefahr der Menschheit. Wenn die politische Tradition abstirbt, wird der Staat nicht mehr durch politische Kategorien geführt, sondern durch die „ultima ratio regis“. Dieses gilt es zu verhindern, ansonsten wäre ein freiheitliches Zusammenleben der Menschen mißglückt.

[...]


[1] Rousseau, Jean-Jacques (1955): Über Kunst und Wissenschaft. Über den Ursprung der Ungleichheit unter den Menschen. Hamburg: Felix Meiner Verlag. S.15

[2] Daniels, Arne/Grill, Markus (2004): Streitbarer Gelehrter. In: Stern. Nr. 6. S.33

[3] vgl. dazu Kersting, Wolfgang (1996): Einleitung: Die Begründung der politischen Philosophie der Neuzeit im Leviathan. In: Kersting, Wolfgang: Thomas Hobbes – Leviathan. Berlin: Akademie Verlag. S. 9

[4] ders. S. 14

[5] Hobbes, Thomas (1966): Leviathan oder Stoff, Form und Gewalt eines bürgerlichen und kirchlichen Staates. Neuwied/ Berlin: Luchterland. S.245

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Politik in Tradition und Moderne - Gedanken von Wilhelm Hennis im Vergleich mit Hobbes und Aristoteles
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Institut für Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Proseminar: Einführung in das Studium der politischen Theorie
Note
1,7
Autor
Jahr
2004
Seiten
15
Katalognummer
V59854
ISBN (eBook)
9783638536813
ISBN (Buch)
9783656778219
Dateigröße
489 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Vergleich des modernen (Hobbes) mit dem traditionellem (Aristoteles) Politikverständnisses unter Einbeziehungen der Theorien und Gedanken von Wilhelm Hennis
Schlagworte
Politik, Tradition, Moderne, Gedanken, Wilhelm, Hennis, Vergleich, Hobbes, Aristoteles, Proseminar, Einführung, Studium, Theorie
Arbeit zitieren
Willem gr. Darrelmann (Autor:in), 2004, Politik in Tradition und Moderne - Gedanken von Wilhelm Hennis im Vergleich mit Hobbes und Aristoteles, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/59854

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