Der Dichter und Essayist Gottfried Benn ist ohne Zweifel eine der widersprüchlichsten Figuren der literarischen Welt der Dreißiger Jahre. Eben noch provozierend in seiner Verachtung für Politik und Plebejertum, unterstützte er ab 1933 wortgewaltig und nahezu fanatisch eine Diktatur, die eben dieses demagogische, aufdringliche Plebejertum verkörperte. Mit der ganzen Kraft seines literarischen Talents zog er alle möglichen und unmöglichen Vergleiche heran, um die Bedeutung des für ihn glorreichen Wandels in Deutschland zu betonen.
Doch bald schon, spätestens nach dem Röhm- Putsch 1934, setzte die Desillusionierung ein; angewidert wandte sich der Künstler von der Welt ab und seinem Innersten zu. Gesellschaftlich isoliert und als Militärarzt in der ‚inneren Emigration‘ überstand er die Kriegsjahre. Ebenso wie seine politische Gesinnung unterlag auch seine Kunstprogrammatik in diesen Jahren einem tiefgreifenden Wandel. In der Zeit der Begeisterung für den Nationalsozialismus war für Benn die eng mit der Hoffnung auf einen neuen, idealen Staat verbundene Verbindung zwischen Kunst und Macht, die er in seinem Essay Dorische Welt beschreibt, von zentraler Bedeutung. Nach seinem Rückzug aus der Öffentlichkeit, beschämt über seine Fehleinschätzung des neuen Regimes, widmete er sich zunehmend der so genannten monologischen Dichtung, die auf das reflektierende Individuum konzentriert ist.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich im ersten Teil mit den Ursachen und Auswirkungen dieses Wandels der ästhetischen Theorien Gottfried Benns. Hierbei wird besonderer Wert auf die Darstellungen in Dorische Welt sowie die Bedeutung, die der Begriff des formgebenden ‚Geistes‘ für Benn hatte, gelegt. Im zweiten Teil liegt der Schwerpunkt auf der Analyse der ‚monologischen‛ Dichtung; ein Begriff, der ähnlich wie ‚Montagekunst‛ untrennbar mit dem Kunstbegriff des Lyrikers verbunden ist. Hierfür werden einmal das Schmähgedicht „Monolog“, welches Benn 1941 als eine abrechnende Auseinandersetzung mit dem Naziregime verfasste, zum anderen zwei typische Beispiele seiner monologischen Dichtung, „Einsamer nie -“ und „Wer allein ist - “ im Hinblick auf die Umsetzung der Kunstprogrammatik und der ästhetischen Überzeugungen untersucht.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Hauptteil
- Gottfried Benns Kunstprogrammatik während der Dreißiger Jahre
- Kunst, Geschichte und Dorische Welt
- Wandel und, Geist‘- Begriff
- Versagen des Weltbildes - Der „Monolog“
- Monologische Dichtung
- Die in sich gekehrte Psyche in „Einsamer nie –
- ,Wer allein ist –
- Gottfried Benns Kunstprogrammatik während der Dreißiger Jahre
- Schlussbemerkungen
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert den Wandel von Gottfried Benns Kunstprogrammatik während der Dreißiger Jahre. Im Fokus steht die Entwicklung von Benns ästhetischen Theorien, insbesondere im Kontext seiner frühen Unterstützung des Nationalsozialismus und dem späteren Rückzug in die „innere Emigration“.
- Die Wechselwirkung von Kunst und Politik im Werk von Gottfried Benn
- Der Einfluss der „Dorischen Welt“ auf Benns Kunstprogrammatik
- Die Entwicklung der „monologischen Dichtung“ als Ausdruck individueller Reflexion und gesellschaftlicher Isolation
- Die Rolle des „Geistes“ in Benns ästhetischen Überzeugungen
- Die Bedeutung des „Monologs“ als Kritik an den Idealen des Nationalsozialismus
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung skizziert die widersprüchliche Position Gottfried Benns in der literarischen Welt der Dreißiger Jahre. Sie beleuchtet die Entwicklung von Benns Kunstprogrammatik, die von einer anfänglichen Begeisterung für den Nationalsozialismus zu einer Desillusionierung und einem Rückzug in die „innere Emigration“ führt.
Der erste Teil der Arbeit widmet sich den Ursachen und Auswirkungen dieses Wandels. Der Fokus liegt auf Benns Essay „Dorische Welt“ und der Bedeutung des „Geistes“ für seine ästhetischen Theorien.
Der zweite Teil der Arbeit analysiert die „monologische Dichtung“ als Ausdruck von individueller Reflexion und gesellschaftlicher Isolation. Hier werden die Gedichte „Monolog“, „Einsamer nie -“ und „Wer allein ist“ im Hinblick auf ihre Umsetzung der Kunstprogrammatik und der ästhetischen Überzeugungen untersucht.
Schlüsselwörter
Gottfried Benn, Kunstprogrammatik, Dorische Welt, Monologische Dichtung, Geist, Nationalsozialismus, „innere Emigration“, Monolog, „Einsamer nie -“, „Wer allein ist“, Essay, Lyrik, Literatur, Dreißiger Jahre.
- Arbeit zitieren
- Winnie Grobecker (Autor:in), 2004, Der Wandel von Gottfried Benns Kunstprogrammatik während der Dreißiger Jahre, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/59982