Vom 'alten' zum 'neuen' Organum - Am Beispiel von 'Viderunt omnes notum fecit domino' aus dem Magnus liber organi


Seminararbeit, 2006

18 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Das „alte“ Organum: Merkmale und Quellen
2.1 Einführung
2.2 Quellen und Merkmale
2.2.1 Die Musica enchiriadis
2.2.2 Der Micrologus de Musica von Guido von Arezzo

3 Das „neue“ Organum der Notre-Dame-Schule: Merkmale und Quellen
3.1 Einführung: Der Magnus liber organi und Leoninus
3.2 Die zweistimmigen Organa des Magnus liber organi am Beispiel von Viderunt omnes notum fecit dominus
3.2.1 Einführung
3.2.2 Viderunt omnes notum fecit dominus
3.2.2.1 Organum- und Discantuspartien
3.2.2.2 Die Organum- und Discantuspartien in Viderunt omnes
3.2.2.3 Die Discantuspartien in Viderunt omnes
3.2.2.4 Die Haltetonpartien in Viderunt omnes

4 Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

Musikalienverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Das Thema dieser Arbeit sind die zweistimmigen Organa des Magnus liber organi de gradali et antiphonario. Der Magnus liber ist eine, an der Notre-Dame Kathedrale in Paris entstandene, Sammlung von liturgischen Gesängen.[1] Die darin enthaltenen zweistimmigen Organa werden auf Grund des Berichtes von Anonymus 4 dem Pariser Komponisten Leoninus zugeordnet.[2] Anonymus 4 war ein aus England stammender Mönch, der, vermutlich Ende des 13. Jahrhunderts, einen Musiktraktat verfasste, nachdem er die Pariser Notre-Dame-Kirche besucht hatte.[3]

Im Laufe dieser Arbeit wird insbesondere Viderunt omnes notum fecit dominus, eines der zweistimmigen Organa, analysiert.

Um einen besseren Zugang zu den Stücken zu bekommen, werden im ersten Teil der Arbeit nicht nur die Quellen, die der Forschung auf diesem Gebiet zur Verfügung stehen, genannt und erläutert, sondern es wird auch genauer auf den musikgeschichtlichen Kontext (d. h. auf das sog. „alte“ Organum) eingegangen. Auf diese Weise lässt sich die musikhistorische Bedeutung der Leoninschen Organa klarer erkennen.

Das Faksimile der in dieser Arbeit betrachteten Handschrift (Firenze, Biblioteca Mediceo-Laurenziana, Pluteo 29,1) wurde 1966 von Luther Dittmer herausgegeben. Die Übertragung des gregorianischen Chorals findet sich in Band 1 des Magnus liber Organi, herausgegeben von Edward Roesner (Monaco 1993). Das zweistimmige Graduale ist in dem von Mark Everist editierten Band 3 dieser Serie erschienen (Monaco 2001).

Als weitere Quellen dienten u. a. verschiedene Artikel des MGG2, sowie Hans Heinrich Eggebrechts „Musik im Abendland“[4] (München 1991).

Eine genaue Liste der verwendeten Literatur findet sich am Ende dieser Arbeit.

2 Das „alte“ Organum: Merkmale und Quellen

2.1 Einführung

Um nachvollziehen zu können, was mit dem „alten“ Organum gemeint ist und wie es im Vergleich zu den zweistimmigen Organa des Leoninus aussieht, sollten im Voraus einige Begriffe geklärt werden.

Der Begriff Organum leitet sich von dem griechischen Wort órganon ab, was – laut Haas – so viel wie „Werkzeug, Gerät, Instrument, Apparat“[5] bedeutet. Der Begriff Organum wird nicht nur für die erste Mehrstimmigkeit ab dem neunten Jahrhundert gebraucht[6], sondern auch in der Bibel und in antikem Zusammenhang als Begriff für ein Instrument oder speziell für ein Musikinstrument.[7]

Man ist sich uneinig, weshalb Organum als Begriff für die Mehrstimmigkeit verwendet wurde. Eggebrecht widerspricht Haas in diesem Punkt, indem er sich von der Bedeutung des Wortes Organum als „Instrument“ oder „Werkzeug“ distanziert. Stattdessen meint er in dem Bezug zu dem Wort órganon dessen „geometrischen Sprachgebrauch“[8] zu erkennen. Dieser „geometrische Sprachgebrauch“[9] würde nämlich durch die ausschließliche Verwendung von „Oktave, Quinte und Quarte“[10] zustande kommen.

Innerhalb des Kontextes dieser Arbeit wird der Begriff Organum, wie es laut Eggebrecht heute üblich ist, als Begriff für eine mehrstimmige Choralbearbeitung gebraucht.[11]

2.2 Quellen und Merkmale

Die wichtigsten Quellen, die im Zusammenhang mit dem „alten“ Organum und der ersten Mehrstimmigkeit existieren, sind zwei Musiktraktate; die Musica enchiriadis und der Micrologus de Musica. Die Musica enchiriadis ist nach heutigem Wissen kurz nach 850 entstanden[12] und somit älter als der Micrologus de Musica, welcher etwa Anfang des zwöften Jahrhunderts von dem Benediktinermönch Guido von Arezzo verfasst wurde.[13]

Um die Entwicklung der Musiklehren besser verfolgen zu können, werden die beiden Traktate im Folgenden nun in chronologischer Reihenfolge behandelt.

2.2.1 Die Musica enchiriadis

Die Musica enchiriadis ist der bedeutendste Teil einer fünfteiligen Traktatgruppe, die vermutlich nach 850 in Nordfrankreich entstanden ist (siehe oben).[14] Man ist sich bis heute nicht einig, ob die fünfteilige Traktatgruppe einen gemeinsamen Verfasser hat, und wer, sofern es einen gibt, dieser war.[15] Die deutsche Übersetzung des Titels lautet „Handbüchliche Musica“[16] ; eine weitere Edition[17] des Werkes benennt das Traktat auch „Handbuch über die Musik“ (Liber enchiriadis de musica).[18]

In diesem Musiktraktat wird erstmals über die Möglichkeiten des mehrstimmigen Gesangs geschrieben und hierfür eine neue Art der Notenschrift entwickelt.[19] Auf diese Notenschrift – die sog. Dasia-Notation – soll in diesem Zusammenhang nicht weiter eingegangen werden. Es sollte nur erwähnt werden, dass es dieser Notation möglich war die Tonhöhen der zu singenden Töne genau festzulegen. Dies geschah mit Hilfe der Dasia-Zeichen[20].[21]

Für die Thematik dieser Arbeit ist aber die Erscheinungsform des mehrstimmigen Gesangs in der Musica enchiriadis bedeutender.

Nach der Darlegung des Notensystems und einer Intervalllehre werden im dritten Teil des Traktats zwei Formen der Mehrstimmigkeit erläutert: das Quintorganum und das Quartorganum.[22]

[...]


[1] Vgl. Art. Notre Dame und Notre Dame Handschriften, in: MGG2S, Bd. 7, Sp. 462-458, Autor unbekannt, u. a. Kassel 2002, Sp. 468

[2] Vgl. Haas, Max: Art. Organum, in: MGG2S, Bd. 7, Sp. 853-881, u. a. Kassel 2002, Sp. 870

[3] Vgl. Reckow, Fritz: Der Musiktraktat des Anonymus 4, Teil II: Die Interpretation der Organum Purum-Lehre, in: Beihefte zum Archiv für Musikwissenschaft, Bd. V, hrsg. v. Eggebrecht, Hans Heinrich, Wiesbaden 1967,

S. 1-2

[4] Eggebrecht, Hans Heinrich: Musik im Abendland. Prozesse und Stationen vom Mittelalter bis zur Gegenwart, München 1991

[5] Siehe Haas, Sp. 853

[6] Vgl. Haas, Sp.857

[7] Vgl. Haas, Sp. 853-855

[8] Siehe Eggebrecht: MiA, S. 27

[9] Siehe Eggebrecht: MiA, S. 27

[10] Siehe Eggebrecht: MiA, S. 27

[11] Vgl. Eggebrecht: MiA, S. 101

[12] Vgl. Eggebrecht: MiA, S. 20 und Haas, Sp. 859

[13] Vgl. Eggebrecht: MiA, S. 30

[14] Vgl. Eggebrecht: MiA, S. 20 und Haas, Sp. 859

[15] Vgl. Waeltner, Ernst Ludwig: Das Organum bis zur Mitte des 11. Jahrhunderts, Diss. Ruprecht-Karl-Universität-Universität Heidelberg, Heidelberg 1955, S. 72

Waeltner nennt in diesem Zusammenhang den Namen „Hucbald von St. Amand“, geht aber auch nicht weiter auf das Problem ein, sondern verweist auf Müller, Hans: Hucbald’s echte und unechte Schriften über Musik, Leipzig 1884; Riemann, Hugo: Geschichte der Musiktheorie im IX.-XIX. Jahrhundert, Leipzig 1898; Handschin, Jacques: Die Musikanschauung des Johannes Scotus (Erigena), in: Deutsche Viertelahrsschrift für Literaturwissenschaften und Geistesgeschichte, Bd. V, o. O. 1927, S. 316 ff..

[16] Diese Übersetzung bezieht sich auf den Titel Musica enchiriadis der Edition von Martin Gerbert: Scriptores ecclesiastici de musica sacra potissimum, Bd. I, St. Blasien 1784

[17] Hier ist die Edition von Hans Schmid gemeint: Musica et scolica enchiriadis una cum aliquibus tractatulis adiunctis recensio nova post Gerbertinam altera ad fidem omnium codicum manuscriptorum, quam edidit Hans Schmid. Bayrische Akademie der Wissenschaften, Veröffentlichungen der Musikhistorischen Kommission, Bd. III, München 1981

[18] Vgl. Eggebrecht: Eggebrecht, Hans Heinrich: Die Mehrstimmigkeitslehre von ihren Anfängen bis zum 12. Jahrhundert, in: Die Mittelalterliche Lehre von der Mehrstimmigkeit, S. 9-88, hrsg. v. Zaminer, Friedrich, Darmstadt 1984 (Geschichte der Musiktheorie, Bd. 5), S. 13

[19] Vgl. Haas, Sp. 859

[20] Die gesamte Dasia-Notation beruht auf einem System von Tetrachorden, welches von einer älteren, griechischen Notenschrift übernommen wurde.

Vgl. Apel, Willi: Die Notation der polyphonen Musik 900-1600, Leipzig 1962, S. 220

[21] Vgl. Haas, Sp. 859

[22] Vgl. Eggebrecht: ML, S. 15-16

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Vom 'alten' zum 'neuen' Organum - Am Beispiel von 'Viderunt omnes notum fecit domino' aus dem Magnus liber organi
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg  (Musikwissenschaftliches Seminar)
Veranstaltung
Notre Dame
Note
2,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
18
Katalognummer
V60048
ISBN (eBook)
9783638538138
ISBN (Buch)
9783638752756
Dateigröße
548 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Organum, Beispiel, Viderunt, Magnus, Notre, Dame
Arbeit zitieren
Michaela Lehr (Autor:in), 2006, Vom 'alten' zum 'neuen' Organum - Am Beispiel von 'Viderunt omnes notum fecit domino' aus dem Magnus liber organi, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/60048

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