Das ausgehende Mittelalter und die Frühe Neuzeit bildeten den zeitlichen Rahmen für eines der faszinierendsten und auch kontroversesten Phänomene der europäischen Geschichte: die Hexenverfolgungen. Obgleich England aufgrund seines Inselcharakters in vielen Aspekten seiner Geschichte von jener der Kontinentalmächte abweicht, machte die Welle der sogenannten „Witchcrazes“ nicht vor dem Ärmelkanal halt. Dennoch lautet der Konsens der modernen Forschung, dass es sich auf der britischen Insel um eine Art gemäßigtem Sonderfall handelt, da mehrere Grundzüge der kontinentalen Verfolgungen hier nicht griffen, während andere wiederum - wenn auch oft mit geringer zeitlicher Verzögerungwiederzufinden sind. In der neueren Forschung wurde diese zunächst sehr strenge Sicht Englands als ein absolut verfolgungsarmer Ausnahmefall immer weiter relativiert, so dass zu fragen bleibt, wie sich das Verfolgungs-Szenario der britischen Insel tatsächlich ausnahm. Allein die temporären Verfolgungswellen treffen nicht direkt mit den stärksten kontinentalen Höhepunkten der Verfolgungen zusammen, sondern scheinen eher wie ein Echo dieser. England erlebte die Blüte der Verfolgungen in den 1640er bis 1690er Jahren, während der Regierung Elizabeths, und sah ihren ersten Rückgang bereits wenig später, mit einem anzusetzenden Endpunkt zur Zeit der letzten Hinrichtung im Jahre 1684 und dem letzten Hexereiprozess anno 1717. Insgesamt gehen wissenschaftliche Schätzungen der Todesopfer zwischen 1542 und 1736 (dem Jahr der Außerkraftsetzung der Hexerei-Statute James I.) von weniger als 1000 ausgeführten Todesurteilen aus. Diese Jahre sollen auch den Zeitrahmen für meine Ausführungen bieten. Mehrere Rahmenbedingungen trugen zum außergewöhnlichen Status Englands innerhalb der Geschichte der Hexenverfolgungen bei. In dieser Arbeit wird es mein Ziel sein, diese darzustellen und einige der grundlegenden Erklärungsmodelle zu erläutern, die helfen sollen, das Phänomen der Hexenverfolgungen zu beleuchten. Eine der bedauerlicherweise spärlich gesäten schriftlichen Quellen der englischen Hexenverfolgungen ist die Druckschrift des Gerichtsbeamten Thomas Potts, der im Jahre 1612 einen der spektakulärsten Prozesse der englischen Verfolgungsgeschichte, nämlich den Massenprozess der Pendle Forest Hexen, aus erster Hand aufzeichnete. [...]
Inhaltsverzeichnis
- TEIL 1: MERKMALE ENGLISCHER HEXENVERFOLGUNGEN
- 1) Die Unterschiede des englischen zum kontinentalen Verfolgungsszenarios
- 1.1) Das Hexereikonzept und seine Rezeption
- 1.2) Das Reglement des Foltergebrauchs und das englische Rechtssystem als hemmende Faktoren
- TEIL 2: GRUNDLAGEN DER ENGLISCHEN HEXENVERFOLGUNGEN
- 2. Die auslösenden Faktoren der Verfolgungen: Wissenschaftliche Erklärungsmodelle
- 2.1) Die politische Erklärungstheorie
- 2.2) Die religiöse Erklärungstheorie
- 2.3) Die sozial-anthropologische Erklärungstheorie
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Besonderheiten der englischen Hexenverfolgungen in der Frühen Neuzeit und beleuchtet die Unterschiede zum kontinentalen Verfolgungsszenario. Ziel ist es, die spezifischen Merkmale des englischen Hexereikonzeptes, den Umgang mit Folter im englischen Rechtssystem sowie die auslösenden Faktoren der Verfolgungen anhand wissenschaftlicher Erklärungstheorien zu analysieren.
- Das englische Hexereikonzept und seine Besonderheiten im Vergleich zum Kontinent
- Die Rolle des englischen Rechtssystems und der Folter im Kontext der Hexenverfolgungen
- Die Rezeption des Hexereikonzeptes in der englischen Gesellschaft
- Wissenschaftliche Erklärungsmodelle für die Entstehung der englischen Hexenverfolgungen
- Die Relevanz des Prozesses der Pendle Forest Hexen für die Analyse der englischen Hexenverfolgungen
Zusammenfassung der Kapitel
Der erste Teil der Arbeit konzentriert sich auf die Besonderheiten der englischen Hexenverfolgungen im Vergleich zum Kontinent. Kapitel 1.1 analysiert das englische Hexereikonzept und seine Rezeption in der englischen Gesellschaft. Kapitel 1.2 befasst sich mit dem Reglement des Foltergebrauchs und dem Einfluss des englischen Rechtssystems auf die Verfolgungen.
Der zweite Teil der Arbeit widmet sich den wissenschaftlichen Erklärungstheorien für die Entstehung der englischen Hexenverfolgungen. Kapitel 2.1 beleuchtet die politische Erklärungstheorie, Kapitel 2.2 die religiöse Erklärungstheorie und Kapitel 2.3 die sozial-anthropologische Erklärungstheorie.
Schlüsselwörter
Hexenverfolgungen, England, Frühe Neuzeit, Hexereikonzept, Rechtssystem, Folter, Wissenschaftliche Erklärungstheorien, Pendle Forest Hexen, "cunning folk"
- Quote paper
- M.A. Isabel Blumenroth (Author), 2004, "The Wonderfull Discovery of Witches" - Merkmale und Ursprünge der Hexenverfolgungen im England der Frühen Neuzeit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/60197