Mies van der Rohe - Die Villa Tugendhat


Seminararbeit, 2000

18 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


Inhalt

1. Zum Architekten: Mies van der Rohe

2. Das Landhaus in Eisenbeton

3. Tradition und Fortschritt.

4. Die Villa der Tugendhats.
4.1. Entstehungsgeschichte
4.2. Zum Bau

5. Kann man im Haus der Tugendhats wohnen ?..
5.1. Ludwig Hilbersheimer urteilt
5.2. GreteTugendhat urteilt
5.3. Fritz Tugendhat urteilt

6. Rezeption

1.) Zum Architekten: Mies van der Rohe

Auf dem Gebiet des Bauens lieferte die sich entfaltende Technik neue Materialien und praktische Arbeitsmethoden, die oft in scharfem Gegensatz zu unseren hergebrachten Auffassungen von der Baukunst standen. Trotzdem glaubte ich an die Möglichkeit, mit diesen neuen Mitteln eine Baukunst zu entwickeln. Ich fühlte, daß es möglich sein müsse, alte und neue Kräfte in unserer Zivilisation miteinander in Harmonie zu bringen. Jeder meiner Bauten war eine Demonstration dieser Gedanken und ein weiterer Schritt in dem Prozeß meines eigenen Suchens nach Klarheit.“

(Mies van der Rohe, 1964)[1]

Ludwig Mies van der Rohe gilt seit langem als einer der vier Grundväter der Architektur des zwanzigsten Jahrhunderts. Sein Werk läßt sich in zwei deutlich unterschiedenen Phasen unterteilen.

Die erste Periode in der Zeit zwischen 1925 und 1935 war die fruchtbarste bis die Wirtschaftskrise, die politische Reaktion und die Ereignisse, die schließlich zum Zweiten Weltkrieg führten, die Grundlagen für eine ungewöhnlich kreative Epoche überschattete.

Die Nachkriegszeit die, für Mies van der Rohe bereits 1940 in Chicago begann, brachte eine neue Nüchternheit mit sich. Mies van der Rohe entschied sich für den freiliegenden Stahlrahmen und für die architektonischen Möglichkeiten des Walzstahlprofils. Diese Version des Stahlskelettbaus leitete er von der Tradition des deutschen Industriebaus her, welcher z.B. im Ruhrgebiet verbreitet war. Mies war sich aber durchaus im Klaren darüber, daß unterschiedliche Bauaufgaben auf unterschiedlichem Niveau geplant und bearbeiten werden müssen.

Jedes Bauwerk hat seine Position innerhalb einer Hierarchie- nicht jedes ist eine Kathedrale“[2]

Mies van der Rohe spielt heute eine besondere Rolle, weil er der Konstruktion und auch dem Akt des Bauens eine besondere Bedeutung zumaß. Er empfand großen Respekt vor dem Material, und dieser Faktor bestimmte entscheidend das Endresultat. Mies Erinnerungen an die Umstände, unter denen er den Onyx für die Wände des Barcelona Pavillons ( Weltausstellung 1927) aussuchte, demonstriert die Genauigkeit und Mies Liebe zum Detail.

Da man Marmor nicht im Winter vom Steinbruch holen kann, weil er innen naß ist, leicht frieren und deshalb brechen würde, mußten wir trockenes Material finden. Schließlich entdeckte ich einen Onyxblock in einer bestimmten Größe, und weil ich nur diesen Block benutzen konnte, machte ich den Pavillon doppelt so hoch, und dann entwickelten wir den Grundriß.“[3]

Doch Mies Sensibilität für Materialien bezog sich nicht nur auf luxuriöse Materialien sondern auch auf alltägliche Baustoffe, wie z.B. Backstein.

„Architektur beginnt, wenn zwei Backseine sorgfältig zusammengesetzt werden. Architektur ist eine Sprache Mit der Disziplin einer Grammatik. Man kann Sprache als Prosa benutzen , und wenn man sehr gut ist kann man ein Dichter sein.“[4]

Diese Feststellung demonstrierte Mies in den Backsteinhäuser, die er in den zwanziger und frühen dreißiger Jahren baute. Diese Backsteinbauten zeigen aber noch keine Spur von jenem freien Grundriß, der bald beim Barcelona Pavillon und der Tugendhat Villa (Brünn 1930) auftrat.

In der Tugendhat Villa zeigt sich sehr ausgeprägt der Unterschied zwischen traditionellem Raumfluß (vgl. Backsteinhäuser) und dem avantgardistischem Raumfluß. Die Haupträume stellen ein voll verglaster Kontinuum mit freiem Grundriß dar, während die Schlafräume umschlossene traditionelle Volumen sind.

Zu dieser Zeit, explizit auch für die Villa Tugendhat, entwarf Mies van der Rohe Möbelstücke für das Berliner Metallgewerbe. Diese Möbeltypen sind eher dialektisch als konventionell rhetorisch, das heißt, glänzende, verchromte, von Maschinen bearbeitete Flächen werden bewußt mit fein verarbeiteten Polstern konfrontiert.

Mies van der Rohes Stil ist eine harmonische Kombination vieler verschiedener Stile, z.B. des Suprematismus (obwohl Mies strikt in Abrede stellte, daß die russische Avantgarde Einfluß auf sein Werk habe), der Romantik (seine These des „beinahe Nichts“ scheint wie eine Verschmelzung zweier romantischer Versionen, des verschleierten Lichts Caspar David Friedrichs und der ästhetischen Stille in Malewitsch ungegenständlicher Welt), und auch des Klassizismus (Mies wurde sehr von seinem Lehrer Peter Behrens beeinflußt, der seinerseits wieder von Karl Friedrich Schinkel beeinflußt war.). Deutlich zu sehen ist diese Kombination der Stile z.B. an den verchromten Stützen des Barcelona Pavillons und der Tugendhat Villa. Einerseits erinnern die Lichtreflexe und die Kannelierung an die typische klassische Ordnung, andererseits tragen sie auch zur „Entmaterialisierung“ bei.

Suprematistische Anklänge finden sich auch in Mies van der Rohes Spätwerk, dem Hochhaus (z.B. Lake Shore Drive 860, Chicago 1951 und Seagram Building, New York 1958).

2.) Das Landhaus in Eisenbeton:

Mies Interesse galt niemals nur allein dem Wolkenkratzer, sondern immer auch dem Flachbau, einem Typ, dessen reinster Ausdruck das freistehende Gebäude ist, welches z.B. nur einen einzelnen Raum enthält.

Wenn Mies nun ein Gebäude entwickelt, so besteht dies grundsätzlich aus zwei wichtigen Dingen:

1.) Konzept einer neutralen, das ganze Gebäude umgebenden Konstruktion, innerhalb derer sich die dem Gebäude zugedachten Funktionen frei entfalten können.
2.) Die Ausschaltung der üblichen Unterteilungen im Raum, damit die von Mies gewünschte Weiträumigkeit entstehen kann.

Die Verwirklichung dieser Gedanken hängt natürlich von den Möglichkeiten der Konstruktion ab, welche zur Verfügung stehen. Hier bietet sich, da die elementarste Forderung ein unterstütztes Dach ist, (da die Dachkonstruktion selbst das Maß des Innenraums bedingt, können hölzerne Balken keinen so weiten Raum überspannen wie Stahlträger) der Stahlskelettbau an. Das heißt, eine Eisenbetonschale ruht auf unterzogenen Trägern, die auf frei in den Raum gestellten Stützen ruhen. Dabei erlaubt die hohe Belastbarkeit der Träger eine weite, freischwebende Auskragung der Deckenplatten.

„Der Versuch, den Eisenbeton als Baumaterial für den Wohnhausbau einzuführen, ist schon wiederholt gemacht worden. Meist aber in ungenügender Weise. Die Vorzüge dieses Materials hat man nicht ausgenutzt und seine Nachteile nicht vermieden. man glaubte, dem Material genügend Rechnung zu tragen, wenn man die Ecken des Hauses und die der einzelnen Räume abrundete. Die runden Ecken sind für den Beton gänzlich belanglos und nicht einmal ganz einfach herzustellen. Es genügt natürlich nicht, ein Backsteinhaus in Eisenbeton zu übertragen. Den Hauptvorzug der Eisenbetons sehe ich in der Möglichkeit großer Materialersparnis. Um diese bei einem Wohnhaus zu ermöglichen, muß man die tragenden und stützenden Kräfte auf wenige Punkte des Gebäudes konzentrieren. Der Nachteil des Eisenbetons ist seine geringe Isolierfähigkeit und seine große Schallleitbarkeit. Es ist also notwendig, eine besondere Isolation als Schutz gegen Außentemperaturen vorzusehen. Das einfachste Mittel, den Übelstand der Schallübertragung zu beseitigen scheint mir darin zu liegen, alles das was Schall erzeugt auszuschließen; ich denke hier an Gummiböden, Schiebefenster und - Türen und ähnliche Vorkehrungen; dann aber auch an eine Großräumigkeit in der Grundrißbildung. Der Eisenbeton verlangt vor seiner Ausführung genaueste Festlegung der gesamten Installation; hier kann der Architekt vom Schiffsingenieur noch aller lernen. Beim Backsteinbau ist es möglich, wenn auch nicht gerade sinnvoll, sofort nach dem Richten des Daches die Heizungs- und Installationsmonteure auf das Haus loszulassen, die in kurzer Zeit das kaum errichtete Haus in eine Ruine verwandeln. Ein solches Verfahren ist allerdings beim Eisenbeton ausgeschlossen. Hier kann nur diszipliniertes Arbeiten zum Ziele führen.

[...]


[1] Spaeth, David, Mies van der Rohe. Der Architekt der technischen Perfektion, Stuttgard 1985, 7

[2] Spaeth, David, Mies van der Rohe. Der Architekt der technischen Perfektion, Stuttgard 1985,7

[3] Spaeth, David, Mies van der Rohe. Der Architekt der technischen Perfektion, Stuttgard 1985,7

[4] Spaeth, David, Mies van der Rohe. Der Architekt der technischen Perfektion, Stuttgard 1985,7

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Mies van der Rohe - Die Villa Tugendhat
Hochschule
Katholisch-Theologische Privatuniversität Linz  (Institut für Kunstwissenschaft und Ästhetik)
Veranstaltung
Proseminar Architekturbegegnung
Note
sehr gut
Autor
Jahr
2000
Seiten
18
Katalognummer
V6038
ISBN (eBook)
9783638137300
Dateigröße
511 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mies, Rohe, Villa, Tugendhat, Proseminar, Architekturbegegnung
Arbeit zitieren
Martina Traxler (Autor:in), 2000, Mies van der Rohe - Die Villa Tugendhat, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/6038

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