Wachstumsorientierte und technologiebasierte Wirtschaftspolitik sowie wirtschaftliche Entwicklung in Indonesien


Diplomarbeit, 2006

102 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Gliederung

1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung
1.2 Aufbau und Methodik
1.3 Wirtschaftsgeographischer Überblick Indonesien

2 Wirtschaftspolitik und Wachstum: theoretische Grundlagen
2.1 Abgrenzung von Wirtschaftspolitik und Theorie der Wirtschaftspolitik
2.2 Wirtschaftspolitik im Kontext des nationalen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems
2.3 Instrumente der Wirtschaftspolitik
2.4 Wirtschaftswachstum - Definition und Determinanten
2.5 Ziel- und Mittel-Funktion von Wachstum
2.6 Wachstumspolitik, wachstumspolitisches Instrumentarium

3 Themenrelevante wachstumstheoretische Ansätze
3.1 Die „Catching-Up Hypothese“
3.2 Markt vs. Staat („The East Asian Miracle“)
3.2.1 Neoklassische Position
3.2.2 Neointerventionistische Position
3.2.3 Kombination: Market Friendly View und funktioneller Wachstumsansatz
3.2.4 Kontextuell differenzierte Einbettung Indonesiens
3.3 Außenhandelsregimes: Importsubstitution vs. Exportpromotion
3.4 Indonesien im Kontext des „Flying-Geese-Modells“

4 Ausländische Direktinvestitionen (ADI) und Wachstum
4.1 Definition und statistische Abgrenzung
4.2 Das „Eklektische Paradigma“ - Motive für ADI in Indonesien
4.3 Die Theorie des „Investment Development Path“ (IDP)
4.4 Wirkungen und Transmissionskanäle von ADI
4.5 Die Bedeutung des Investitionsklimas bezüglich ADI

5 Wirtschafts-/ Wachstumspolitische Entwicklung Indonesiens mit Berücksichtigung der technologiepolitischen Komponente
5.1 Wirtschaftspolitische Kennzeichen Indonesiens
5.2 Wechselnde Außenhandels-Regimes, Deregulierung und strukturelle Transformation bis 1997
5.3 Strukturelle und organisatorische Schwächen der indonesischen Wirtschaft vor dem Hintergrund der Asienkrise
5.4 Technologiepolitik in Indonesien: ADI vs. „state-led technological development“
5.5 Evidenz des direkten staatlichen Einflusses auf die Entwicklung von ADI in Indonesien - „legal Framework“
5.6 Persistente Hauptproblemfelder bezüglich des Investitionsklimas

6 Indonesien - Rückkehr zu Wachstum durch Investitionen?
6.1 Aktuelle (wirtschafts-) politische Leitmotive und Konzeptionen
6.2 Maßnahmen und Reformansätze zur Wachstumsförderung und Verbesserung des Investitionsklimas

7 Abschließende Ausführungen und Ausblick
7.1 Kritische Bewertung der bisherigen wirtschaftspolitischen Maßnahmen
7.2 Ausblick

Literaturverzeichnis

Internetquellenverzeichnis

Expertengespräche

Eidesstattliche Erklärung

Vorwort

(Süd-)Ostasien ist eine der wohl dynamischsten und intensiv untersuchtesten Wirtschaftsregi- onen weltweit. Begriffe wie „Tigerstaaten“, „East Asian Miracle“ und „Asienkrise“ verdeutli- chen die Ambivalenz der damit in Verbindung gebrachten Entwicklungen. Seit vielen Jahren liegt einer der Forschungsschwerpunkte der Abteilung Wirtschaftsge- ographie des Geographischen Instituts der Universität Hannover auf dieser Region. Im März des Jahres 2003 machte sich eine von XXX und XXX geleitete studentische Exkur- sionsgruppe für 17 Tage auf den Weg nach Singapur, Malaysia und Indonesien. Schwerpunkt- thema der Exkursion war der ökonomische und technologische Wandel in der Region. Ein Programmpunkt der Exkursion war der Tagestrip von Singapur auf die indonesische Nachbar- insel BATAM, die als Bestandteil des „Sijori-Wachstumsdreieckes“ hauptsächlich arbeitsin- tensive verarbeitende Industrie beherbergt und als eine Art Abfangventil für Singapurs Wirt- schaft fungiert.

Das aus dieser Exkursion erwachsene Interesse an der Region verstärkte sich ein Jahr später mit der Absolvierung eines dreimonatigen Praktikums bei der Firma PT Schenker Petrolog Utama in Jakarta. Durch den persönlichen Kontakt mit der außergewöhnlichen indonesischen Kultur, das Miterleben der Präsidentschaftswahlen im Sommer 2004 und aufgrund der Tatsa- che, dass die indonesische Wirtschaftsentwicklung bisher nur äußerst dürftig und sporadisch Bestandteil der Forschung am Institut war, wurde mein wissenschaftliches Interesse an Indo- nesien endgültig geweckt.

Die Formulierung eines adäquaten Diplomarbeitsthemas und umfangreiche Vorrecherchen fanden im Oktober 2005 mit dem Beginn der vorliegenden Arbeit ihren Abschluss.

Für das Erwecken meines Interesses an der Region und der Thematik möchte ich an dieser Stelle Herrn XXX und Herrn XXX danken. Ohne Ihr Engagement in Seminaren und der oben erwähnten Exkursionsorganisation wäre die Idee zu der vorliegenden Arbeit sicherlich nicht entstanden.

Weiterer Dank gilt Herrn XXX, der mir neben einem äußerst interessanten und erfolgreichen Praktikum bei der Firma PT Schenker Petrolog Utama in Jakarta auch die Möglichkeit gab, Indonesien und seine Besonderheiten kennen zu lernen und mich im Anschluss regelmäßig anhand von Wirtschafts-Newslettern auf dem Laufenden hielt.

Dank gilt auch all denen, die mir durch stundenlanges Probelesen bei der abschließenden for- malen Korrektur der vorliegenden Arbeit zur Seite standen.

Besonders persönlicher Dank gilt an dieser Stelle meiner Familie und meiner Freundin, ohne deren seelische und finanzielle Unterstützung sämtliche genannte Vorhaben ohne Frage nicht möglich gewesen wären. Ihnen soll aus diesem Grunde die vorliegende Arbeit gewidmet sein.

For Indonesia and those who care about it!

Indonesia Matters!

1 Einleitung

Das Jahr 2004 stand in Indonesien ganz im Zeichen der ersten freien und direkten Präsidentschaftswahlen und der Parlamentswahlen. Die Wahlen zum Parlament und die zum Präsidenten waren die längsten seit Bestehen der Republik und markieren mit ihrem friedlichen und ordnungsgemäßen Verlauf sowie der hohen Wahlbeteiligung von über 78 % einen wirklichen Erfolg im Streben Indonesiens nach Demokratie (vgl. SURYADINATA 2005:133). Als Überraschungspartei galt dabei die Partai Demokrat (PD) des Ex-Generals und ehemaligen Sicherheitsministers des Megawati Kabinetts, Yudhoyono, die auf Anhieb 7,5 % der Stimmen erhielt (vgl. SURYADINATA 2005:135).

Yudhoyono setzte sich zusammen mit seinem Vize-Präsidentschaftskandidaten Jusuf-Kalla (GOLKAR-Partei) klar mit 60,62 % der Stimmen gegen die alte Machthaberin MegawatiSoekanoputri (39,38 %) durch. Der charismatische, gebildete und von vielen für führungsstark befundene Ex-General galt für einen Großteil der Indonesier und Geschäftsleute mit seiner militärischen Vergangenheit als aussichtsreichster Präsident zur Lösung der multiplen Probleme, mit denen sich Indonesien konfrontiert sieht.

Indonesien befindet sich an einem entscheidenden Punkt seiner wirtschaftlichen und gesell- schaftlichen Entwicklung. Die nun vollzogene Demokratisierung, die 1999 mit einem „Big Bang“ initialisierte Dezentralisierung und andauernde Institutionalisierung sowie die makro- ökonomische Stabilisierung seit 2000 könnten die Basis für einen Schritt von Stufe 2 zu Stufe 3 gemäß des Entwicklungsstadienmodells von W. W. Rostow bilden (vgl. SCHÄTZL 2003:171ff). Entscheidend ist, ob es der neuen Regierung gelingt, einen sich selbst tragenden, nachhaltigen Wachstumsprozess zu initiieren, der für eine Verringerung der Armut, den Ab- bau der räumlichen Disparitäten und nicht zuletzt für den Zusammenhalt des indonesischen Archipels mit seinen latent zentrifugalen Kräften von zentraler Bedeutung wäre. Das hierfür notwendige Kapital soll durch wachsende ausländische Direktinvestitionen (ADI), den Abbau von Subventionen, vor allem im Benzin- und Öl-Sektor, und eine weiterhin starke Binnennachfrage generiert werden. Dies könne nur durch umfassende Reformen im wirt- schaftspolitischen Sektor, eine Verbesserung des Vertrauens der Investoren und ein transpa- renteres, verlässlicheres und wachstumsorientierteres Wirtschaftsklima erreicht werden (vgl. ASWICAHYONO/HILL 2004:277). Speziell der Verbesserung des Investitionsklimas kommt eine zentrale Bedeutung zu, da ADI zusätzlich zu den geschaffenen Arbeitsplätzen und Kapi- talzuflüssen, speziell im Falle Indonesiens, auch einen wichtigen direkten Kanal für Wissens- und Technologietransfers darstellen (vgl. MATTHES 2004:40f).

Im Kontext des durch China und Indien stärker werdenden Wettbewerbsdrucks auf die zahl- reich vorhandene arbeitsintensive und verarbeitende Industrie in Indonesien müsse die Arbeitsproduktivität erhöht werden, um den Verlust komparativer Kostenvorteile abzufedern (vgl. KIAN WIE 2005a:218). Ein angemessener Mindestausbildungsstandard der Bevölkerung sei zudem notwendig, um eine Absorption von Kapital- und Wissenstransfer über ausländische Direktinvestitionen überhaupt zu erreichen (vgl. MATTHES, 2004:67). Vor dem Hintergrund der wirtschaftshistorischen Entwicklungen Indonesiens hat sich die Regierung Yudhoyono mit der von ihr verfolgten „Triple-Track Strategie“ (=>Kapitel 6.1) ehrgeizige Ziele zur Lösung oben genannter Probleme gesetzt.

1.1 Problemstellung und Zielsetzung

Indonesien stellt in seiner wirtschaftlichen Entwicklung einen interessanten Sonderfall in der südostasiatischen Region dar. Als industrielles „Latecomer“-Land mit seinen beträchtlichen Vorkommen an natürlichen Rohstoffen, seinem riesigen Binnenmarkt, seiner strategisch günstigen Lage und der aktuell vollzogenen Demokratisierung ist es von nicht zu unterschät- zender Bedeutung für die ganze Region, die sich mit der wachsenden Konkurrenz durch Chi- na und Indien konfrontiert sieht. In dieser Arbeit soll anhand der Herausarbeitung der grund- sätzlichen Merkmale der wirtschaftlichen Entwicklung Indonesiens im Kontext der wirt- schaftspolitischen Paradigmenwechsel seit der Machtübernahme von General Suharto 1965 dargestellt werden, inwieweit die Rolle des Staates und die Art und Weise der Ausrichtung der staatlichen Wirtschaftspolitik Einfluss auf die Entwicklung des indonesischen Wirt- schaftssystems genommen haben. Hauptaugenmerk gilt dabei der Außenhandels- und Direkt- investitionspolitik unter Berücksichtigung der technologiepolitischen Komponente. Vor die- sem Hintergrund schließt sich eine knappe Analyse und Bewertung der wirtschaftspolitischen Ausrichtung der Regierung S.B. Yudhoyono in Bezug auf ihre wachstumsfördernden Wir- kungen an. Ob es der neuen Regierung gelingen kann, eine Verbesserung des Investitionskli- mas auf den Weg zu bringen und das Vertrauen der Investoren wieder zu erlangen, ist auf- grund des kurzen Wirkungszeitraumes nicht empirisch nachprüfbar, soll jedoch vor dem Hin- tergrund der historischen Erfahrungen und anhand diskriminierender Vergleiche mit Nachbar- staaten erfolgen.

Grundsätzliche Fragestellungen, welche die Struktur und den Inhalt dieser Arbeit wesentlich beeinflusst haben, sind:

- Welche politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftsstrukturellen Gegebenheiten und Merkmale zeichnen Indonesien als Schwellenland aus?
- Wie kann ein Staat Wachstum politisch überhaupt beeinflussen und welche Theorien liegen dem zugrunde?
- Welche Rolle spielt Wirtschaftspolitik im nationalen wirtschaftlichen Gesamtgefüge?
- Welche Interdependenzen von Politik und Wirtschaft bestehen?
- Besteht ein theoretischer Kausalzusammenhang zwischen wirtschaftlicher Entwick- lung und politischem Handeln?
- Welche politisch-ökonomischen Phasen hat die „junge“ indonesische Nation seit der Machtübernahme Suhartos 1965 durchschritten?
- Wie stellt sich die wirtschaftliche Entwicklung Indonesiens im Kontext des „East Asi- an Miracle“ dar?
- Inwieweit sind das Wachstum und der Strukturwandel durch die Wirtschaftspolitik und ihren Paradigmenwandel beeinflusst worden?
- Warum wird ausländischen Direktinvestitionen in Indonesien eine große Bedeutung im wirtschaftlichen Aufholprozess („catching-up“) zugeordnet?
- Welche Bedeutung können ausländische Direktinvestitionen (ADI) generell für das Wachstum einer Volkswirtschaft besitzen?
- Was versteht man unter dem Begriff Investitionsklima und wie beeinflusst dessen nationale Ausprägung internationale Investoren?
- Welche Bedeutung und Ausprägung besitzt der technische Fortschritt im Zusammen- hang mit ADI vor dem Hintergrund indonesischer Technologiepolitik?
- Welche wirtschaftspolitischen Maßnahmen und Konzeptionen verfolgt die Regierung unter Yudhoyono, um das angeschlagene Vertrauen ausländischer Investoren in Indonesien wiederherzustellen, das Investitionsklima zu verbessern und neue Investitionen zu generieren, und wie lassen sich diese Ansätze vor dem historischen Hintergrund und der wirtschaftspolitischen Theorie bewerten?
- Sind nach dem ersten Regierungsjahr bereits erste Erfolge / Rückschläge zu evaluieren bzw. gibt es Anzeichen für eine Rückkehr von wirtschaftlicher Dynamik und einen Anstieg der Investitionsquote?

1.2 Aufbau und Methodik

Der Gliederungsaufbau der Arbeit richtet sich nach der zunehmenden thematischen und regi- onalen Tiefe. Nach einem einführenden wirtschaftsgeographischen Überblick Indonesiens werden anhand von Kapitel 2 ausgewählte allgemeine wirtschaftspolitische und wachstums- theoretische Grundlagen ausführlich erläutert, um spätere kausale Verknüpfungen von Wirt- schaftspolitik und wirtschaftlicher Entwicklung vorab theoretisch zu fundieren. Kapitel 3

stellt zunächst die wichtigsten theoretischen Erklärungsansätze zum wirtschaftlichen Erfolg der südostasiatischen Region vor, um Indonesien dann in diesem Kontext einzuordnen. Kapi- tel 4 bildet den Übergang vom theoretischen zum empirisch-politischen Teil der Arbeit. Die Erläuterung der theoretischen Grundlagen zum Thema ADI und Investitionsklima ist genauso Bestandteil dieses Kapitels, wie die Herausarbeitung der Bedeutung von ADI und der diesbe- züglichen Rahmenbedingungen für die technologische Entwicklung seitens Technologietrans- fers, die Erfassung der Motive für ADI in Indonesien und die Einordnung des Entwicklungs- standes anhand der Theorie des „Investment Development Path“. Kapitel 5 dient der Darstel- lung und Analyse der wirtschaftlichen Entwicklung Indonesiens und der Rolle der Wirt- schaftspolitik bzw. des Staates, wie auch der Analyse der Bedeutung und Struktur von ADI und Technologiepolitik. In Kapitel 6 wird abschließend vor dem Hintergrund dieser Arbeit die aktuelle Reformpolitik der Regierung vorgestellt und bewertet.

Aus Gründen des materiellen und zeitlichen Umfangs wurde auf die Erhebung eigener Daten verzichtet. Sekundärstatistische Daten sind als solche kenntlich gemacht und mit der entsprechenden Quellenangabe versehen.

1.3 Wirtschaftsgeographischer Überblick Indonesien

Der indonesische Archipel-Staat erstreckt sich von Ost nach West über 5120 km und von Nord nach Süd über 1760 km. Die Landfläche der 17.508 Inseln beträgt 1.904.569 km2 (vgl. GARBRECHT/PREUßER/SCHILLING 2005:10f). Es leben 219 Millionen Einwohner in Indonesien, davon 45,5 % in urbanisierten Räumen. Indonesien ist damit, gemessen an der Bevölkerungszahl, das viertgrößte Land der Erde und verfügt über einen sehr großen In- landsmarkt. 87 % der Indonesier sind Muslime und machen ihr Land damit zum größten mus- limischen Staat der Erde.

Die Insel Java stellt das wirtschaftliche und mit der Hauptstadt Jakarta auch das administrati- ve Zentrum Indonesiens dar. Allein 54 % der indonesischen Bevölkerung konzentrieren sich auf Java (vgl. BIRO PUSAT STATISTIK [BPSc]). Faktoren wie die politische, administrati- ve und ökonomische Vormachtstellung der Region JABOTABEK (Jakar- ta/Bogor/Tangerang/Bekasi) und das auf Java durch die lange koloniale Einflussnahme deut- lich bessere Gesundheitssystem sind laut ZIMMERMANN (2003:255) die Hauptursachen.

Abb. 1 - Bevölkerungsdichte 2000

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: ZIMMERMANN 2003:254

Eine sehr übersichtliche grafische Raumeinteilung Indonesiens hat ZIMMERMANN 1999 aufgestellt:

Abb. 2 - Zentrale und periphere Räume in Indonesien

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: ZIMMERMANN 1999:8 (vom Autor modifiziert).

Laut ZIMMERMANN lasse sich der geographische Formenwandel Indonesiens nur aus der Polarität von „zentral-peripher“ erklären (vgl. ZIMMERMANN 2003:3). Er gliedert den Ar- chipel in Form einer Hand auf. Zentrales Element ist Java, an das sich dichotom die fünf Fin- ger Sumatra, Nusa Tenggara, Kalimantan, Sulawesi und die Molukken mit West-Neuguinea anschließen. Aufgrund der Größe der einzelnen Flächeneinheiten und ihrer unterschiedlichen physisch-geographischen, religiösen, kulturellen und wirtschaftlichen Prägung differenziert ZIMMERMANN (2003:3) die fünf peripheren Regionen erneut in zentrale Gebiete und Rand- gebiete. „Ein Charakteristikum der indonesischen Wirtschaft ist die geographische Streuung und Schwerpunktbildung der einzelnen Produktionsbereiche“ (FREMEREY 1994:396). Wäh- rend sich die Industrieansiedlungen lange Zeit überwiegend auf den infrastrukturell begüns-

tigten Raum JABOTABEK auf Java konzentrierten, bildet Sumatra das Zentrum der export- orientierten Plantagenwirtschaft. Die Gewinnung von Rohstoffen findet fast ausschließlich auf den Außeninseln Sumatra, Kalimantan und Irian Jaya statt (vgl. FREMEREY 1994:396). Als wichtige Kennzahl für die Entwicklung zeigt das Bruttonationaleinkommen (BNE)/Kopf den Rückstand Indonesiens im Jahre 2004 auf. Mit 1.140 US$/Kopf liegt Indonesien deutlich hinter Singapur (24.220 US$) und Malaysia (4.650 US$) (vgl.: WORLD BANK). Als Maß für die Verteilungsgleichheit des Einkommens erreicht Indonesien im Vergleich zu China (0,44) und Deutschland (0,28) einen Gini-Koeffizienten von 0,34 (vgl. UNITED NATIONS DEVELOPMENT PROGRAMME [UNDP]). Innerhalb des Rankings des Human Develop- ment Index (HDI) belegt Indonesien einen hinteren Platz. Mit Rank 110 von 177 liegt es hin- ter China (Platz 85) und Malaysia (Platz 61) (vgl. UNDP). Das indonesische Bruttoinlands- produkt (BIP) erreichte 2004 einen Wert von 257,6 Mrd. US$. Im Vergleich dazu erwirt- schaftete Malaysia 117,7 Mrd. US$, Singapur 106,4 Mrd. US$ und China 1,64 Billionen US$ (vgl. WORLD BANK).

Das Wachstum der indonesischen Wirtschaft hat sich seit dem Kollaps während der Asienkri- se 1998 kontinuierlich stabilisiert. Wachstumswerte von 8 % vor der Asien-Krise sind zwar bisher nicht erreicht, doch mit 5,76 % BIP-Wachstum im Jahr 2005 (vgl. BPS 2005b) hat sich die Wirtschaft nach ihrer Erholung trotz diverser externer Schocks als erstaunlich robust er- wiesen. Der Großteil des Wachstums wird dabei vom privaten Konsum getragen (vgl. BÜN- TE 2004:204). Die Verwendung des BIP gliederte sich 2004 wie folgt auf: 65,1 % des BIP entfielen auf den privaten Verbrauch, 8,2 % auf die Staatsausgaben und 26,9 % auf den Au- ßenbeitrag (vgl. WORLD BANK 2005a).

Betrachtet man die Entwicklung der Inflationsrate, so zeigt sich ein ähnliches Bild (=> Abb.3). Nach einem Sprung der Inflationsrate während der Asienkrise 1998 auf über 58%, stabilisierte sich diese in den Folgejahren unter 10 %. Diese relativ niedrigen Werte konnten jedoch nur erreicht werden, da in Indonesien der Ölpreis künstlich durch Subventionen ca. 50% unter dem Weltmarktpreis gehalten wurde (vgl. GARBRECHT/PREUßER/SCHILLING 2005:36). Im Oktober 2005 wurden diese Subventionen rigoros zusammengekürzt, um den Staatshaushalt zu entlasten. Dies führte unverzüglich zu Preissteigerungen von bis zu 186 % bei Kerosin (häuslicher Gebrauch) und 149 % bei Benzin im Vergleich zum Preis im Februar 2005 (vgl. SEN/STEER 2005:287), die sich nachgelagert auch auf andere Konsumprodukte auswirkten und die Inflationsrate auf 17,11 % ansteigen ließen. Jedoch führten die Subventio- nen von zuletzt bis zu 13 Milliarden US$/Jahr zu wirtschaftspolitisch ungewollten Situationen

wie einem überproportional hohen Konsum von Öl, einem massiven Schmuggel und zu regi- onalen Verknappungen von Öl-Produkten. Weder dem Wachstum noch der Armutsreduzierung war letztlich damit geholfen (vgl. SEN/STEER 2005:288). Ein Teil der durch die Subventionskürzungen eingesparten Mittel wird in Zukunft über ein „Cash Compensation Program“ an die bedürftigen Haushalte verteilt.

Abb.3 - Durchschnittliche Inflationsrate in % (Indonesien)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Eigene Darstellung. Quelle: ASIAN DEVELOPMENT BANK (ADB) 2004: und *BPSa Die indonesische Wirtschaftsstruktur stellt sich heute wie folgt dar :

Abb.4 - Wirtschaftsstruktur Indonesien 2004

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Eigene Darstellung. Quelle: BPSb

Im Jahr 2004 leistete die Agrarwirtschaft einen Anteil von 15,3 % am BIP. Gleichzeitig fan- den jedoch 46 % der formellen Erwerbsbevölkerung in diesem Bereich ihre Beschäftigung (vgl. GABRBRECHT/PREUßER/SCHILLING 2005:34). Speziell in den ländlichen Gebieten

Indonesiens stellt die Agrarwirtschaft die Hauptbeschäftigungsquelle der Bevölkerung dar.

Sie teilt sich auf in einen kleinbäuerlichen Sektor und einen Plantagensektor (vgl. ZIMMER- MANN 2003:352). Zusätzlich zu den agrarischen und forstwirtschaftlichen Exportprodukten, gehört Indonesien aufgrund seiner reichen Lagerstätten mineralischer Rohstoffe und fossiler Energieträger zu den potentiell reichsten Ländern der Welt (vgl. BAUER et al. 2002:71). Im Bergbau gefördert werden hauptsächlich Erdgas, Erdöl, Steinkohle, Kupfer, Nickel, Bauxit, Eisen, Zinn, Gold und Silber (vgl. ZIMMERMANN 2003:387). Der Anteil am BIP beträgt 8,55 %.

Der Sekundärsektor mit verarbeitender Industrie, Baugewerbe und Energiewirtschaft hatte 2004 einen Anteil von zusammen 35,17 % am BIP. 40,9 % des BIP wurden im Dienstleistungssektor erwirtschaftet (vgl. BPSb), wobei Handel, Tourismus, Transport und Kommunikation die wichtigsten Bereiche darstellen (vgl. GABRBRECHT/PREUßER/SCHILLING 2005:35). Insbesondere die arbeitsmarkt-bedeutsame Tourismusindustrie sieht seit 2004 trotz Tsunami-Effekt und vergangener Bombenanschläge wieder positiv in die Zukunft. Mit ihren Hauptdestinationen Bali, Riau und Java (vgl. BPS 2004) erwirtschaftete sie 2004 Deviseneinnahmen von fünf Milliarden US$ (vgl. BÜNTE 2005:206f).

Ein bedeutendes Problem stellen in Indonesien traditionell die Arbeitslosigkeit und die infor- melle Beschäftigung dar. Indonesien hat 219 Millionen Einwohner. 105 Millionen davon zäh- len zur arbeitsfähigen Bevölkerung. Mit einer Arbeitslosenquote von 10,26 % im Jahre 2005 waren ca.10 Millionen Menschen formell arbeitslos (vgl. BPS 2005a). Der Anteil der Bevöl- kerung, der im informellen Sektor tätig ist, lässt sich dabei sicherlich nur schätzen. Viele Ar- beitslose werden gar nicht erfasst, da sie entweder auf abgelegenen Inseln wohnen oder als helfende Familienangehörige in der Landwirtschaft tätig sind (vgl. GARBRECHT /PREUßER/SCHILLING 2005:36).

Indonesien ist Mitglied in der World Trade Organization (WTO), dem International Monetary Fund (IMF), der Association of South-East Asian Nations (ASEAN) und der Asia Pacific Economic Cooperation (APEC). Der indonesische Außenhandel hat in den Jahren 2004 und 2005 wieder an Dynamik gewonnen. So verzeichneten die Exporte von 2003 auf 2004 ein Wachstum von 17,2 % (=>Abb. 5). Die Importe stiegen im selben Zeitraum durch die weiter- hin starke Binnennachfrage und die wieder steigende Investitionstätigkeit um 43 %. Haupt- zielland für indonesische Exporte war im Jahre 2004 Japan, gefolgt von den USA, Singapur, Korea und China. Bei den Importen ergibt sich ein ähnliches Bild. Hauptherkunftsländer wa- ren Japan, gefolgt von Singapur, China und den USA (vgl. ADB 2005:248f).

Abb. 5 - Indonesien: Außenhandel in Mrd. US$

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Eigene Darstellung. Quelle: ADB 2005:247 und * B Ü NTE 2005:199 (Sch ä tzungen)

Erläuterungen zu Investitionen, Bildung, Forschung und Entwicklung sowie wirtschaftspolitischen Strategien werden in späteren Kapiteln gesondert behandelt.

2 Wirtschaftspolitik und Wachstum: theoretische Grundlagen

Wirtschaftspolitik findet an der Nahtstelle zwischen Wirtschaftssystem und politischem Sys- tem statt. In einem interdependenten System versuchen Politiker Macht auf das ökonomische System auszuüben, während das Wirtschaftssystem versucht, Einfluss auf die Politik zu neh- men (rent-seeking). Macht ist in diesem Zusammenhang definiert als „…die Fähigkeit auf die Willensbildung anderer einzuwirken“ (GRÜSKE/SCHNEIDER 2003:333). Im zeitlichen Verlauf der zunehmenden Globalisierung haben sich auch die wirtschaftspoliti- schen Strategien und die zugrunde liegenden Paradigmen weiterentwickelt und verändert. Ziel des folgenden Kapitels ist es, die theoretischen Positionen und Konzeptionen kurz zu erläu- tern. In diesem Zusammenhang soll auch näher auf die zu schaffenden Rahmenbedingungen und Voraussetzungen sowie die Instrumente und Ziele einer effektiven Wirtschafts- und Wachstumspolitik eingegangen werden.

Mit der sich intensivierenden globalwirtschaftlichen Verflechtung seit den 1980er Jahren, bedingt durch das gehäufte Auftreten „Transnationaler Unternehmen“ (TNU), der Schaffung globalwirtschaftlicher Rahmenbedingungen durch eine sich erhöhende Zahl von Ländern mit gleichen oder ähnlichen marktwirtschaftlichen Systemen, stellte sich ein großer Zuwachs an ausländischen Direktinvestitionen ein (vgl. KULKE 2004:214). Die verstärkte Rolle von ADI bedeutet eine verschärfte internationale Standortkonkurrenz und eine Notwendigkeit seitens der Wirtschaftspolitik, um ADI zu werben und investitionsfreundliche Reformen umzusetzen, sofern eine integrative Politik verfolgt wird. Die Erläuterung der Rolle von ADI für den „Catching-Up“ Prozess in Entwicklungs- und Schwellenländern, die positiven und negativen Auswirkungen auf den Wachstumsprozess und die explizite Bedeutung eines adäquaten Investitionsklimas für die Attraktion von ADI sind Bestandteil dieser Arbeit.

2.1 Abgrenzung von Wirtschaftspolitik und Theorie der Wirtschaftspolitik Wirtschaftspolitik

„ Wirtschaftspolitik ist ein Teilbereich der allgemeinen Politik und darauf gerichtet, die Rahmenbedingungen sowie den Ablauf ö konomischer Aktivit ä ten im Hinblick auf bestimmte Ziele zu gestalten und zu beeinflussen. “ (AHRNS/FESER 1997:2).

Die Wirtschaftspolitik wird traditionell unterteilt in die Wirtschaftsordnungspolitik und die Wirtschaftsprozesspolitik. Laut ENGELKAMP/SELL (2005:327) sei die Ordnungspolitik insoweit prioritär anzusehen, als dass sie überhaupt erst den notwendigen Rahmen und die erforderlichen Voraussetzungen für die Schaffung und den Einsatz prozesspolitischer Instru- mente zur Verfügung stelle. Grundelemente jedes wirtschaftspolitischen Entscheidungspro- zesses sind Lage-Analyse, Zielsetzung, Mittelfindung und Wirkungsanalyse. In der Praxis werden in aller Regel ganze Bündel von Zielen angestrebt, was oftmals Zielkonflikte mit sich bringt, die wiederum durch eine Rangordnung der Ziele gelöst werden müssen (vgl. AHRNS/FESER 1997:4).

Theorie der Wirtschaftspolitik

„ Die Theorie der Wirtschaftspolitik hat die Aufgabe, die Wirksamkeit des Einsatzes von ö konomischen Instrumenten zur Erreichung von gew ü nschten Zust ä nden rational zu pr ü fen. “ (ENGELKAMP/SELL 2005:325).

Sie ist nicht zu verwechseln mit der klassischen Wirtschaftstheorie, welche UrsacheWirkungs-Zusammenhänge im Zusammenspiel von Wirtschaftsakteuren in komplexen Abläufen gesamtwirtschaftlicher Prozesse erklärt.

Die Analyse von Handlungsalternativen zur Erreichung vorgegebener Zielsetzungen wird traditionell als primäre Aufgabe der Theorie der Wirtschaftspolitik angesehen. Die Kooperati- on zwischen Praxis und Theorie finde laut AHRNS/FESER (1997:2f) in der wissenschaftli- chen Beratung der Politik durch Beratungsgremien und Institutionen ihren Ausdruck.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 6 - Wirtschaftspolitik im Überblick

Eigene Darstellung. Quelle: ENGELKAMP/SELL 2005:327 und AHRNS/FESER 1997:5

2.2 Wirtschaftspolitik im Kontext des nationalen Wirtschafts- und Gesellschaftssys- tems

Die Wirtschaftspolitik ist Teil eines komplexen Gesellschaftssystems, bestehend aus politischem, kulturellem und wirtschaftlichem Teilsystem (=>Abb.8). Innerhalb dieses Gesellschaftssystems bestehen naturgemäß vielfältige Interdependenzen der einzelnen Teilsysteme. Die Komplexität der Beziehungen ist in ihrer Ganzheit kaum begreifbar und wenn überhaupt, dann nur eklektisch erklärbar, so dass eine Verminderung der Komplexität durch die Bildung oben genannter Teilsysteme erreicht werden soll. Als Abgrenzungskriterium der einzelnen Subsysteme können beispielsweise die jeweils eingesetzten Mittel zur Erreichung der Bedürfnisbefriedigung verwendet werden (vgl. THIEME 2003:4ff).

- Androhung und Anwendung von legitimierter Gewalt (politisches System)
- Anwendung von psychischen Fähigkeiten (kulturelles System)
- Produktion und Bereitstellung von Gütern (ökonomisches System)

Für die vorliegende Arbeit ist insbesondere die interdependente Beziehung von politischem und wirtschaftlichem System von Bedeutung. Sichtbar werden Interdependenzen zum Bei- spiel dann, wenn Änderungen des politischen oder kulturellen Systems auf das Wirtschafts- system abfärben, oder umgekehrt Transformationen des Wirtschaftssystems nicht ohne Rück- wirkungen auf das politisches System bleiben (vgl. THIEME 2003:6). Die Wirtschaftspolitik hat über ihren Mitteleinsatz die Möglichkeit, das Wirtschaftssystem zu beeinflussen. Im Ge- genzug ist sie allerdings über ihr Budget auf Steuereinnahmen und anderweitige Abgaben angewiesen, um handlungsfähig zu bleiben und ein angemessenes wirtschaftliches Um- feld/Klima zu erhalten. Ihre Legitimation und Motivation erhält die Politik über das soziokul- turelle Teilsystem. Das politische System kann auch über die Außenhandels- und Integrati- onspolitik und damit über den Grad der Einbindung der nationalen in die internationale Wirt- schaft sowie die Gestaltung des Investitionsklimas zur Attraktion ausländischer Direktinvesti- tionen Einfluss auf das Wirtschaftssystem nehmen (=>Abb. 8). Die Verbindung von inländi- scher mit ausländischer Wirtschaft lässt sich in die zwei Hauptbereiche Außenhandel und Faktorbewegungen aufteilen (=>Abb.7).

Abb. 7 - Verbindung von inländischer und ausländischer Wirtschaft

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: WELFENS 2005:313 (vom Autor modifiziert)

In der neuen politischen Ökonomie wird davon ausgegangen, dass Regierungen (Parteien) in einer Demokratie auf dem Wählermarkt um Wählerstimmen konkurrieren und ihre politischen Konzepte stimmenmaximierend ausrichten (vgl. WELFENS 2005:429). Tatsächlich zählen jedoch nicht nur die Wählerstimmen allein, sondern auch die finanzielle Kraft und das Beein- flussungspotenzial bestimmter Gruppen und Organisationen, das diese der Politik als Multi- plikator zur Verfügung stellen können (vgl. WELFENS 2005:415). Jede politische Handlung ist also über eine Rückkopplung mit den anderen Teilsystemen verbunden. Die Wähler beur- teilen die Regierung unter anderem nach ihren Erfolgen in der Wirtschaftspolitik, d.h. das Weiterbestehen der Regierung hängt in hohem Maße auch von der Wirtschaftslage ab. In Ge- sellschaftsformen, deren politisches System autokratisch ausgerichtet ist, ist die politische Machtausübung in den Händen eines oder weniger Menschen konzentriert (vgl. THIEME 2003:5). Eine Kontrolle und Rückkopplung der Politik ist aufgrund fehlender Institutionen mit Kontrollfunktion nicht gegeben. Die folgende grafische Darstellung soll den eben erläu- terten Sachverhalt überblickartig darstellen.

Abb. 8 - Systematische Einbettung der Wirtschaftspolitik

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Eigene Darstellung. Quelle: THIEME 2003:4ff und WELFENS 2005:428

2.3 Instrumente der Wirtschaftspolitik

Wirtschaftspolitische Maßnahmen bedürfen des Einsatzes spezifischer Instrumente zur Errei- chung der gesetzten Ziele. Wirtschaftspolitische Instrumente wirken in aller Regel auf mehre- re Ziele gleichzeitig ein. Erwünschte und unerwünschte Neben- und Folgewirkungen können somit auftreten (vgl. BERG/CASSEL 2003:198f). Ziele und Mittel lassen sich laut BERG/CASSEL (2003:199) zudem nicht scharf voneinander trennen. Besitzen Ziele zum Beispiel den Charakter von Zwischenzielen, so haben sie selbst eine instrumentelle Wirkung auf die jeweiligen Primär-/Oberziele (Bsp.: Freihandel/Wettbewerb ĺ Wohlstandssteige- rung). Oftmals wirken wirtschaftspolitische Maßnahmen erst nach dem Durchlaufen einer langen und komplexen Wirkungskette und einer damit einhergehenden (teilweise erheblichen) zeitlichen Verzögerung auf die Zielvariablen ein (vgl. BERG/CASSEL 2003:199). Mit der Formulierung von angemessenen Zwischenzielen kann die Wirtschaftspolitik dieses Unsi- cherheitsmoment der Maßnahmenwahl, des Maßnahmezeitpunktes und der Dosierung zu mi- nimieren versuchen. „Änderungen der als Zwischenziel gewählten Größe lassen dann die Vermutung zu, dass sich auch die anvisierte Zielvariable nach einiger Zeit (Time-lag) in der

angestrebten Weise verändern wird“ (BERG/CASSEL 2003:199). In der wirtschaftspoliti- schen Praxis werden oftmals so genannte Zielpyramiden (=> Abb. 6 und Kapitel 6.1) angewandt, auf denen die unteren Ebenen Instrumente und Zwischenziele mit instrumentellem Charakter darstellen (vgl. ENGELKAMP/SELL 2005:331f).

Generell lassen sich wirtschaftspolitische Instrumente in ordnungs- und prozesspolitische Maßnahmen unterscheiden. Ordnungspolitik beinhaltet die Einführung von Institutionen, die Bestimmung von Trägern, die Zuweisung von Kompetenzen und die Schaffung von Instru- menten, also die Bereitstellung bzw. Anpassung der konstitutiven Rahmenbedingungen (indi- rekte Wirkung).Gelingt es zum Beispiel, die institutionellen, infrastrukturellen und bildungs- politischen Rahmenbedingungen für die Generierung ausländischer Direktinvestitionen zu optimieren oder überhaupt erst zu schaffen, so könne dies laut THIEME (2003:457) zum Ab- bau der „drei elementaren Entwicklungslücken“ Technologie-, Ersparnis- und Devisenlücke beitragen und damit die Wachstumsdynamik erhöhen. Die Prozesspolitik stellt dann den di- rekten Gebrauch der sich aus der Ordnungspolitik ergebenden Möglichkeiten dar (vgl. BERG/CASSEL 2003:203).

Die wirtschaftspolitischen Instrumente lassen sich nach verschiedenen Kriterien, wie zum Beispiel der Eingriffsintensität, der qualitativen bzw. quantitativen Wirkung oder der Ange- bots- bzw. Nachfrageorientierung klassifizieren. Es existieren laut ENGELKAMP/SELL (2005:342) drei grundsätzliche Anforderungen an wirtschaftspolitische Mittel, welche als Grundlage einer effizienten Wirtschaftspolitik zu beachten sind. Erstens sollten die gewählten Instrumente „zielkonform“ sein. Ob ein Mittel effizient zur Zielerreichung führt, könne mit Hilfe einer Kosten-Nutzen-Analyse ermittelt werden. Die zweite Bedingung, die ein wirt- schaftspolitisches Mittel erfüllen sollte, ist die „Stetigkeit des Mitteleinsatzes“. Eine gewisse Konstanz der Wirtschaftspolitik soll nach Auffassung von Vertretern der „Freiburger Schule“ (Ordoliberalismus) Vertrauen bei den Wirtschaftssubjekten schaffen und bessere Planungssi- cherheit herstellen. Zuletzt sollten alle wirtschaftspolitischen Maßnahmen mit der vorhande- nen Wirtschaftsordnung „systemkonform“ sein.

2.4 Wirtschaftswachstum - Definition und Determinanten Wirtschaftswachstum

„ Im weiteren Sinne beschreibt Wachstum die Zunahme einer wirtschaftlichen Gr öß e im Zeit- ablauf.[ … ] Um den langfristigen Aspekt des Wirtschaftswachstums hervorzuheben und um das Wachstum von den eher kurzfristigen, konjunkturell bedingten Ver ä nderungen des Sozi- alprodukts abzugrenzen, wird anstatt des tats ä chlichen erarbeiteten Sozialprodukts einer Volkswirtschaft deren Produktionspotential herangezogen, d.h. dasjenige Inlandsprodukt, das erwirtschaftet werden k ö nnte.“(BUNDESZENTRALE F Ü R POLITISCHE BILDUNG 2004:121).

Abb. 9 - Wachstum (Verschiebung der Transformationskurve nach außen)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: ENGELKAMP / SELL 2005:217

Laut ENGELKAMP/SELL (2005:217f) ist es von Wichtigkeit, zwischen dem absoluten Wachstum des Inlandsprodukts und dem Inlandsprodukt je Kopf der Bevölkerung zu unter- scheiden. Speziell im Fall von Entwicklungsländern könne der Fall eintreten, dass das Bevöl- kerungswachstum höher ausfalle als das absolute Wachstum des Inlandsprodukts und sich die Versorgungssituation pro Kopf dementsprechend sogar verschlechtere. Der Vergleich des realen Inlandsprodukts zu Preisen eines jeweiligen Basisjahres, d.h. unter Berücksichtigung der Änderung des Preisniveaus, ist laut SCHÄTZL (2000:17f) eine Vorraussetzung des inter- temporalen Vergleichs. Je größer die Zeitspanne des Vergleichs, desto mehr verliert er aller- dings laut SCHÄTZL (2000:18) aufgrund quantitativer und qualitativer Veränderungen bei der Produktion und im Konsumverhalten an Aussagekraft. Die Frage nach der alleinigen Eig- nung von Indikatoren wie dem BIP zur Messung der Steigerung der Wohlfahrt einer Volks- wirtschaft ist bekannt und durch eine Kombination mit multiplen Indikatoren, wie zum Bei- spiel dem Human Development Index (HDI), zu komplementieren.

Die Determinanten des wirtschaftlichen Wachstums lassen sich in zwei Bereiche aufspalten: die quantitative Erhöhung der Faktorausstattung und die qualitative Verbesserung der Faktor- effizienz (Faktorproduktivität). Die Faktorproduktivität ist laut GRÜSKE/SCHNEIDER (2003:158) definiert als der Quotient aus Gesamtertrag und Einsatzmenge eines Faktors (Effi- zienzmaß). Wirtschaftswachstum kann demzufolge zum einen durch eine Ausweitung des Faktoreinsatzes und zum anderen durch technischen Fortschritt (Verbesserung der Faktorpro- duktivität) erreicht werden. Laut KIESE (2004:80) lässt sich ein nachhaltiges Wirtschafts- wachstum nur durch technischen Fortschritt realisieren, da sich Faktorinputs nicht unbegrenzt ausweiten lassen, und ihr erweiterter Einsatz zudem abnehmende Grenzerträge aufweist.

„ Produktivit ä t ist nicht alles, auf lange Sicht aber fast alles. “ (KRUGMAN 1997). Abb. 10 - Determinanten des Wirtschaftswachstums

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: MUSSEL/P Ä TZOLD 2001:147

Nicht unerwähnt bleiben sollen die zahlreichen außerökonomischen Ursachen für wirtschaftliches Wachstum. Dazu zählt laut ENGELKAMP/SELL (2005:223) zum Beispiel der Einfluss der Religion auf die Motivation und das ökonomische Verhalten. Kulturelle und soziale Determinanten können ebenfalls wachstumsfördernde bzw. -hemmende Wirkung haben (Konfuzianismus, Nepotismus etc.).

Wachstumsdeterminanten lassen sich weiterhin nach ihrer Wirkung in indirekte und direkte Determinanten unterscheiden. Zu Ersteren zählen, wie von ENGELKAMP/SELL (2005:224f) erwähnt, die Rahmenbedingungen, wie Wirtschaftsordnung, administrative Regelungen (Re- gulierungsdichte) und Wirtschaftsstruktur (Branchenmix). Innerhalb dieses Rahmens finden sich nun die direkten Determinanten Arbeit, Kapital, Boden und technisches Wissen (Faktor- ausstattung). Diese Faktoren entscheiden letztlich über die Höhe des Produktionspotentials. Dem technischen Fortschritt wird, wie oben erläutert, weitgehend die zentrale Rolle für das Wirtschaftswachstum zugerechnet (vgl. ENGELKAMP/SELL 2005:225f). CLE- MENT/TERLAU/KIY (2004:329) stellen einen auf Wachstumsregressionen basierenden Zu- sammenhang zwischen der Offenheit einer Wirtschaft und wirtschaftlichem Wachstum her. Als praktische Beispiele werden verschiedene osteuropäische Länder und die südostasiati- schen Tigerstaaten angeführt. BRUNETTI (1998:40) führt an, dass Wachstum des Weiteren positiv mit der Qualität des Humankapitalbestandes, der politischen Stabilität und der Ent- wicklung des Finanzsektors korreliere. Als weniger starken, aber noch signifikant, beschreibt er den Zusammenhang mit der Gleichmäßigkeit der Einkommensverteilung, hoher Korruption und hohem Staatskonsum. Einen signifikant positiven Zusammenhang von Demokratie und Wirtschaftswachstum stellt er allerdings nicht fest. Im Gegensatz dazu hält PARASKEWO- POULOS (1997:14) stabile und demokratisch gestaltete politische Strukturen in Verbindung mit einer möglichst konstanten und stabilen marktwirtschaftlichen Ordnungsform für notwen- dig, um den höchsten volkswirtschaftlichen Dynamisierungsgrad / Effizienzgrad einer Gesell- schaft zu erreichen.

2.5 Ziel- und Mittel-Funktion von Wachstum

Wachstum bildet laut MUSSEL/PÄTZOLD (2001:141) die Basis für den materiellen Wohlstand in einem Land. Trifft diese Annahme zu, so hat Wachstum positive Auswirkungen auf:

- Die politische Stabilität eines Landes;
- den Beschäftigungsstand (vorausgesetzt es wird nicht ausschließlich vom technischen Fortschritt getragen);
- die Problemlösungskapazität einer Gesellschaft;
- die Fähigkeit Verteilungskonflikte zu entschärfen;
- den ökonomischen Strukturwandel;
- Produktion öffentlicher Güter;
- Umweltschutzaufgaben

(vgl. CLEMENT/TERLAU/KIY 2004:146; MUSSEL/PÄTZOLD 2001:141f; AHRNS/FE- SER 1997:126).

„Wirtschaftliches Wachstum wird in der Regel nicht nur als eigenständiges Ziel, sondern als Sekundärziel zur Erreichung anderer wirtschafts- oder gesellschaftspolitischer Ziele ausgelegt.“ (CLEMENT/TERLAU/KIY 2004:146).

Wachstum besitzt demnach ebenfalls eine instrumentelle Bedeutung zur Erreichung anderer Ziele, wie zum Beispiel der Wohlfahrtssteigerung (vgl. AHRNS/FESER 1997:126).

2.6 Wachstumspolitik, wachstumspolitisches Instrumentarium

„ Zur Wachstumspolitik z ä hlen alle staatlichen Ma ß nahmen, mit denen das Ziel eines angemessenen und stetigen Wirtschaftswachstums gef ö rdert wird. “ (BUNDESZENTRALE F Ü R POLITISCHE BILDUNG 2004:155).

Wachstumsfördernde Wirtschaftspolitik muss nach ALTMANN (1995:42) die Menge und Qualität der Produktionsfaktoren bzw. deren Kombination verbessern. ENGELKAMP/SELL (2005:262) komplettieren diese Anforderungen durch den Zusatz der Förderung der Wachs- tumsdeterminante technischer Fortschritt und begleitender Infrastrukturmaßnahmen auf den Gebieten Bildung, Forschung und Verkehr. Ansatzpunkte der Wachstumspolitik sind Wett- bewerb, wirtschaftliche Infrastruktur, aber auch Technologie- und Bildungspolitik, Beeinflus- sung des Arbeitsvolumens und eine Politik der Investitionsförderung (vgl. AHRNS/FESER 1997:133). Während Konjunkturpolitik versucht, die vorhandenen Produktionskapazitäten besser auszulasten und somit nachfrageorientierte Politik betreibt, sind Maßnahmen der Wachstumspolitik klassischerweise eher angebotsorientiert ausgerichtet und zielen auf ein langfristig ausgelegtes und angemessenes Wachstum durch Ausweitung der Produktionskapa- zität.

Abb. 11 - Wirtschaftswachstum

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: MUSSEL/P Ä TZOLD 2001:148

Dies setzt, wie von MUSSEL/PÄTZOLD (2001:145f) beschrieben, Nettoinvestitionen voraus. Wachstumspolitik muss demnach auf eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für die nachfolgend genannten investiven Aktivitäten abzielen:

- Sachkapitalerweiterungsinvestitionen (ohne technischen Fortschritt)
- Sachkapitalverbesserungsinvestitionen (Rationalisierungsinvestitionen)
- Humankapitalinvestitionen bzw. Bildungs- und Ausbildungsinvestitionen
- Ressourceninvestitionen (Verringerung des spezifischen Ressourcenverbrauchs)
- Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen
- Investitionen in das Organisationskapital (organisatorische Verbesserungen)

Eine derartige Verbesserung der Rahmenbedingungen soll die „gefesselten“ Marktkräfte entfesseln und auf Dauer zu mehr Wachstum und Beschäftigung führen (vgl. MUSSEL/PÄTZOLD 2001:161).

3 Themenrelevante wachstumstheoretische Ansätze

Vor dem Hintergrund der genannten Aspekte soll nun aufgezeigt werden welche wachstumstheoretischen Ansätze Rückschlüsse auf die spezifische wirtschaftliche Entwicklung des südostasiatischen Raums und Indonesiens zulassen.

3.1 Die „Catching-Up Hypothese“

Die „Catching-Up“- oder „Konvergenzhypothese“ führt die theoretische Annahme an, dass Entwicklungs- oder Schwellenländer aufgrund ihres rückständigen Produktivitätsniveaus das Potential einer schnellen Annäherung an die Industrieländer besitzen. So geht man zunächst davon aus, „that the growth rates tend to be inversely related to the initial levels of productiv- ity.“ (ABRAMOVITZ 1986:386). Je größer die auf dem technologischen Stand basierende Produktivitätslücke des „followers“ zum „leader“ ist, desto größer ist das Wachstumspotential der Arbeitsproduktivität und weiterer verknüpfter Faktoren (Faktorproduktivität) des aufho- lenden Landes (vgl. ABRAMOVITZ 1986:386f). Das relativ ärmere Land wird im Übergang höhere Wachstumsraten erzielen als das relativ reichere Land, da es bei einer niedrigeren Ka- pitalausstattung pro Arbeitsplatz startet und deshalb eine höhere Kapitalproduktivität aufweist (vgl. BENDER/GABISCH 2003:437).

Abb.12 - Konvergenz

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: BENDER/GABISCH 2003:438 (vom Autor modifiziert)

MANKIW (2004:592) erklärt mit dieser Hypothese die im Verhältnis zu den USA deutlich

höhere Wachstumsrate Südkoreas im Zeitraum 1960-1991 vor dem Hintergrund anteilig glei- cher Investitionsaufwendungen am BIP. Auch PARASKEWOPOULOS (1997:17) nennt als Beispiel für eine erfolgreiche Catching-Up Strategie die ostasiatischen Schwellenländer. Die Selbstbeschränkung des aufholenden Wachstums liege darin begründet, dass Kapital abneh- mende Skalenerträge aufweise (vgl. MANKIW 2004:591). Ein wichtiger Grund für den schnellen Aufholprozess ist, so ABRAMOVITZ (1986:390f), die Tatsache, dass Technolo- gien vom aufholenden Land übernommen und kopiert werden können, während die führenden Staaten den technischen Fortschritt selbst vollziehen mussten. Das Hervorbringen und die Übernahme von technischem Wissen gehört laut BENDER/GABISCH (2003:440) zu den stärksten Antriebskräften aufholender Entwicklungsprozesse. Bedingung für diesen Über- nahmeprozess sei jedoch die soziale Absorptionsfähigkeit („social capability“) des Empfän- gerlandes (vgl. ABRAMOVITZ 1986:387). Diese hängt nicht nur vom Bildungsgrad der Be- völkerung und der Organisation von Firmen ab. Eine Rolle spielen auch Aspekte des Wirt- schaftssystems, wie zum Beispiel die Offenheit für Wettbewerb und die Möglichkeiten zur Gründung und Führung von Unternehmen.

Langfristig gesehen spielen verschiedene Vorraussetzungen für die tatsächliche Nutzung des Potentials eine Rolle. Dazu gehören laut ABRAMOVITZ (1986:406):

- Gegebenheiten für die Verbreitung von Wissen (Wissensdiffusion)
- Hindernisse oder fördernde Begebenheiten des strukturellen Wandels in der Zusam- mensetzung des Outputs, der sektoralen Verteilung der Arbeitskräfte und der geogra- phischen Verteilung von Industrie und Bevölkerung,
- Makroökonomische und monetäre Gegebenheiten, die die Investitionsrate beeinflus- sen.

Eine allzu entwicklungsoptimistische Interpretation im neoklassischen Sinne ist allerdings zu vermeiden, da ein langfristiges und nachhaltiges Wachstum nur über die Verbesserung der „social capabilities“ und eine nachhaltige Verstetigung erreicht werden kann.

3.2 Markt vs. Staat („The East Asian Miracle“)

In der Entwicklungsländerforschung und in der allgemeinen Theoriediskussion stehen sich staatsinterventionistische und liberalmarktwirtschaftliche Konzepte gegenüber (vgl. BENDER 1997:302). Mit der rapide aufholenden Entwicklung der ost- und südostasiatischen Staaten seit den 1960er Jahren mit durchschnittlichen Wachstumsraten zwischen sechs und zehn Pro- zent (vgl. SCHÄTZL 2000:235) begann auch die Diskussion um die Ursachen und Gründe für dieses so genannte „East Asian Miracle“.

Abb. 13 - Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in US-Dollar, 1998, und durchschnittliche jährliche Wachstumsraten, 1971-2000 für ausgewählte Länder Südostasiens

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: SCH Ä TZL 2000:235 (vom Autor modifiziert)

Nachdem die viel beachtete Weltbank-Studie „The East Asian Miracle“ 1993 eine grundsätz- lich positive Antwort auf die Frage nach der empirischen Evidenz eines Zusammenhangs von marktwirtschaftlicher Orientierung der Wirtschaftspolitik und wirtschaftlichen Aufholprozes- sen in Ostasien gab, ist die oben genannte Diskussion neu entfacht worden (vgl. BENDER 1997:302). Die Studie bedient sich einer eher analytischen denn empirischen Beurteilung nach dem Prinzip der „diskriminierenden Analyse”, denn „…it is very difficult to establish statistical links between growth and and a specific intervention and even more difficult to establish causality“. (WORLD BANK 1993:6). Die Rolle der staatlichen Politik, so auch die der Wachstumspolitik, wird laut KRUGMAN/OBSTFELD (2004:352) völlig unterschiedlich bewertet. So werde der Erfolg entweder als Beweis für die Überlegenheit des freien Handels und der Nichteinmischung des Staates oder als Beleg für die Wirksamkeit von selektiven staatlichen Interventionen gewertet. Neben den hohen Wachstumsraten machen KRUG- MAN/OBSTFELD (2004:353) als weiteres gemeinsames Merkmal die große Offenheit für internationalen Handel bzw. die starke Exportorientierung dieser Länder aus. Zu der Gruppe der acht „High-performing Asian economies“ (HPAE’s) zählen Japan, die vier Tigerstaaten Hong Kong, Südkorea, Singapur und Taiwan sowie die „newly industrializing economies“ (NIE’s) Indonesien, Malaysia und Thailand (WORLD BANK 1993:1). SCHÄTZL (2000:238) attestiert der praktizierten Wirtschaftspolitik einen maßgeblichen Anteil am wirt- schaftlichen Erfolg der südostasiatischen Volkswirtschaften.

Die Weltbank-Studie führt drei unterschiedliche Argumentationskategorien zur Erklärung des ostasiatischen Wirtschaftswunders an und vereinigt diese schließlich zu einem „Funktionellen Wachstumsansatz“ (vgl. WORLD BANK 1993:87):

3.2.1 Neoklassische Position

In der auf SOLOW’s (1956) Klassischer Theorie basierenden neoklassischen Interpretation von Wachstum wird dem Marktmechanismus die zentrale Rolle zugesprochen. Grundlage für die neoklassische Sichtweise ist die Annahme der inhärenten Stabilität des Systems und die angebotstheoretische Fundierung. Dem Staat kommt grundsätzlich die Aufgabe zu, Rahmenbedingungen für ein funktionierendes Marktsystem zu setzen und zu überwachen. Staatliche Wirtschaftspolitik ist nach dieser Auffassung primär Ordnungspolitik (vgl. CLELEMT/TERLAU/KIY 2004:398). Aufgabenfelder sind:

- Der Abbau von Wettbewerbsbeschränkungen;
- konsequente Entstaatlichung im Unternehmensbereich;
- der Abbau administrativer Hemmnisse (Deregulierung);
- ein anreizorientiertes Steuersystem;
- eine angemessene Versorgung mit öffentlichen Gütern (vgl. CLE-

MENT/TERLAU/KIY 2004:398).

Wirtschaftspolitische Maßnahmen haben nach dieser Denkschule keinen wachstumsfördernden Effekt, und Wachstum beruht hauptsächlich auf exogenem, unbeeinflussbarem technischen Fortschritt (vgl. ALTMANN 1995:74). Das Wachstumsniveau der Entwicklungsländer wird sich, sofern freier Güter- und Kapitalverkehr herrscht, getreu der Konvergenzhypothese (=>Kapitel 3.1) dem der Industrieländer angleichen.

Nach Ansicht der Vertreter der Neoklassik haben speziell die ostasiatischen Länder Hong Kong, Malaysia, Singapur und Südkorea von den politischen Entscheidungen profitiert, die den Einfluss der Regierung auf das Wirtschaftssystem begrenzt haben. Der Erfolg dieser Staa- ten liegt in der Bereitstellung optimaler Rahmenbedingungen sowie einem stabilen makro- ökonomischen Umfeld und einer verlässlichen Wettbewerbsordnung (vgl. WORLD BANK 1993:9). Davon profitierten in erster Linie die Sektoren mit komparativen Kostenvorteilen (vgl. WORLD BANK 1993:82). Hauptantriebskraft des wirtschaftlichen Wachstums in Süd- ostasien war laut SCHÄTZL (2000:236) die Verarbeitende Industrie. Ihr Anteil am BIP stieg seit den 1960er Jahren rapide an. Nach dem „Theorem der komparativen Kostenvorteile“ von RICARDO und dem „Faktorproportionentheorem“ von HECKSCHER/OHLIN wurde der

[...]

Ende der Leseprobe aus 102 Seiten

Details

Titel
Wachstumsorientierte und technologiebasierte Wirtschaftspolitik sowie wirtschaftliche Entwicklung in Indonesien
Hochschule
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover  (Institut für Wirtschafts- und Kulturgeographie)
Note
1,7
Autor
Jahr
2006
Seiten
102
Katalognummer
V60486
ISBN (eBook)
9783638541558
ISBN (Buch)
9783640256686
Dateigröße
1832 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wachstumsorientierte, Wirtschaftspolitik, Entwicklung, Indonesien, Investitionsklima, Südostasien, Wachstum, Wirtschaftsgeographie, Technologie, Wachstumstheorie, ADI, Ausländische Direktinvestitionen
Arbeit zitieren
Diplom-Geograph (Wirtschaftsgeographie) Jan Lange (Autor:in), 2006, Wachstumsorientierte und technologiebasierte Wirtschaftspolitik sowie wirtschaftliche Entwicklung in Indonesien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/60486

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