Triumph des Willens – Sieg der Bilder. Wie Leni Riefenstahls Propagandafilm Adolf Hitler als charismatischen Herrscher darstellt


Seminararbeit, 2006

34 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


INHALT

1. EINLEITUNG

2. ZUR GESELLSCHAFTLICHEN SITUATION – DEUTSCHLAND IN DER KRISE

3. DIE REICHSPARTEITAGFILME UND DIE ROLLE VON LENI RIEFENSTAHL
3.1 DIE REICHSPARTEITAGFILME – EIN PROPAGANDAINSTRUMENT
3.2 DIE REGISSEURIN LENI RIEFENSTAHL – ADOLF HITLER VERFALLEN
3.2.1 EINE BIOGRAPHIE – RIEFENSTAHL UND IHRE KARRIERREN
3.2.2 DER KONTAKT MIT HITLER. WESHALB RIEFENSTAHL DEN CHARISMATISCHEN REIZEN VON HITLER UNTERLIEGEN MUSSTE

4. DIE FILMANALYSE UND DAS INTERPRETATIONSINSTRUMENT
4.1 DIE DREI HERRSCHAFTSFORMEN NACH MAX WEBER
4.1.1 BÜROKRATISCHE HERRSCHAFT
4.1.2 TRADITIONELLE HERRSCHAFT
4.1.3 CHARISMATISCHE HERRSCHAFT
4.2 DIE ANKUNFT DES FÜHRERS – ANALYSE DER ERSTEN FILMSEQUENZ DES REICHTSPARTEITAGFILMS TRIUMPH DES WILLENS
4.2.1 DER PROLOG UND HITERLS ANKUNFT. BESCHREIBUNG DER ERSTEN FILMSEQUENZ AUS TRIUMPH DES WILLENS
4.2.2 ANALYSE – DER HITLER-MYTHOS AUF ZELLULOID

5. SCHLUSSBEMERKUNG

6. LITERATUR

7. LINKVERZEICHNIS

8. ABBILDUNGSVERZEICHNIS

1. EINLEITUNG

Noch heute, fast 75 Jahre nach der Machtergreifung der NSDAP am 30. Januar 1933, ist aus soziologischer und sozialpsychologischer Forschungsperspektive die Ent­ste­hung und Form der nationalsozialistischen Herrschaft nicht eindeutig ge­klärt. Die moderne wahl­so­zio­logische und kommunikationswissen­schaftliche For­schung be­schäf­tigt sich eben­­falls mit dieser Fragestellung und ist der Erklärung des NS-Phäno­mens vor und wäh­rend des Drit­ten Reichs etwas näher gerückt. Medien und deren Instru­men­ta­lisierung spielen dabei eine ebenso bedeutsame wie relevant Rolle. Dies belegen eine Reihe von wis­sen­schaft­lichen Befunden zur Medienwirkungs- und Propagandaforschung (vgl. exem­pla­risch Rösler, 2004).

Die Inszenierung des schönen nationalsozialistischen Scheins durch die Synthese von Poli­tik und Kunst, die Ästhetisierung der Politik wie Walter Benjamin diesen Akt be­zeich­net, wird im Rahmen dieser Arbeit als zentrales Instrument der National­so­zia­lis­ten zur Mobi­lisierung der Massen und zur Bildung eines Führerkultes hervorgehoben. Da­bei soll an­hand des Reichstagfilms Triumph des Willens von Leni Rie­fen­­stahl zum einen ana­ly­siert werden, wie der Film, das damalige zentrale Mas­sen­me­di­um, für die NS-Ziele ins­tru­mentalisiert wird, um die Massen zu mobilisieren. Zum an­de­ren wird anhand der drei Herr­schaftsformen von Max Weber dargestellt, wie die au­dio­vi­su­el­le Gestaltung der ers­ten Filmsequenz aus Triumph des Willens Adolf Hitler als cha­­ris­ma­­tischen Herrscher dar­stellt.

Zunächst findet zu Beginn dieser Arbeit eine kontextuelle Rahmung statt. Anhand be­stim­m­ter struktureller Merkmale der damaligen wirtschaftlichen und gesell­schaft­lichen Si­­tu­ation soll erklärt werden, aus welchen Gründen die nationalsozialistische Be­we­gung so starken Zulauf erhielt bzw. zur Massenbewegung wurde und weshalb Hitler zum cha­ris­matischen Führer einer gesamten Nation werden konnte.

Im darauf folgenden dritten Kapitel wird auf das Medium des (Dokumentar-)Films und des­­sen nationalsozialistische Instrumentalisierung zum Zwecke der Propaganda ein­ge­gan­­gen. Im Rahmen dieses Kapitels wird vor allem das NS-Film Genie Leni Rie­fen­stahl und dessen Rolle im damaligen Regime behandelt. Neben einer kleinen Bio­gra­phie von Riefen­stahl wird auch ihr Verständnis vom Dokumentarfilm und ihr erstes Tref­fen mit Hit­ler und dessen Folgen thematisiert.

Die drei reinsten Formen der Herrschaft, wie Max Weber sie deutet, bilden den ersten Ab­­­schnitt des vierten Kapitels, da sie später als Analyseinstrument des Reichspartei­tag­­films Triumph des Willens verwendet werden. Den Hauptteil dieses Kapitels bildet je­­doch die Analyse der ersten Filmsequenz des Parteitagfilms. Dabei wird zunächst die Se­­quenz beschrieben und daraufhin analysiert. Abschließen wird diese Arbeit eine kur­ze Schlussbemerkung.

2. ZUR GESELLSCHAFTLICHEN SITUATION – DEUTSCHLAND IN DER KRISE

Der Soziologe Max Weber versteht unter Charisma ein dynamisches Interaktions­phä­no­men, bei dem sowohl strukturelle Rahmenbedingungen als auch Qualitäten (Persön­lich­keits­­dispositionen) auf Seiten des Führers und der Geführten von Rele­vanz sind (aus­führ­­licher zu Webers charismatischer Herrschaftsform siehe Kapitel 4.1.3). Die Psycho­lo­gen Bass und Aviolo haben 1990 den Begriff der cha­ris­ma­ti­schen Führung mit ihrem Kon­­­zept der transformationalen Führung gleichgesetzt. Da­bei stellen die beiden bei ih­ren wissenschaftlichen Befunden heraus, dass extravertierte und allgemein verträgliche Per­­­sonen dazu neigen, transformational zu führen[1] und Indivi­duen mit einem geringen Selbst­vertrauen und tendenzieller Ähnlichkeit zum Führer anfällig für Charisma sind. Zu den kontextuellen Faktoren, die charismatische Führung unterstützen, zählen sie sozia­le bzw. ge­sell­schaft­liche Umbruchsituationen, fehlende Möglichkeiten der finanziellen Be­loh­nung von Leistungen und mehrdeutige Aufgaben ohne klare messbare Ziele. Im Ge­gen­satz zu Weber untermauern Bass und Aviolo allerdings ihre Befunde anhand von em­pi­rischen Daten (vgl. Schuler und Höft, 2004, S.304 und Wegge und von Rosen­stiel, 2004, S.479ff).

Werden die drei strukturellen Rahmenbedingungen für den Erfolg von charismatischer Herr­schaft (Führung) als Prämissen für deren Auftreten gedeutet, lässt sich der Erfolg der damaligen NS-Massenbewegung und der Aufstieg der NSDAP aus ihrer politischen Bedeutungslosigkeit wie folgt interpretieren:

Am 25. Oktober 1929 brach in New York die Börse zusammen und die Weltwirt­schafts­kri­­se begann. Einige Monate später traf auch Deutschland der Schwarzen Freitag mit vol­­ler Wucht. Die Arbeitslosenzahl stieg sprunghaft an und Anfang 1933 war fast jeder drit­­te Arbeitnehmer auf der Straße. Nicht nur in der Arbeiterschicht sondern selbst im Mit­­telstand machte sich Panik breit und immer mehr Menschen gaben dem System der Wei­marer Republik und der Demokratie für die nationale und wirtschaftliche Tal­fahrt die Schuld[2]. Die Schmach des verlorenen ersten Weltkrieges und damit in Zu­sam­men­hang ste­hend, die Auflagen des Versailler Vertrages, taten ihr übriges, um in Deutsch­land für eine Krisenstimmung zu sorgen (vgl. Kinkel, 2002, S.22ff).

Diese emotionsgeladene Situation machte sich Hitler (der Führer), als redegewandter und verträglicher Kopf der NSDAP zu Ruhm und Anerkennung gekommen, zu Nutze. Das Volk sehnte sich nach einer partei- und klassenlosen Gesellschaft sowie nach na­tio­na­lem Wiederaufstieg und wirtschaftlicher Sicherheit. Durch die Weltwir­tschafts­kri­se zu­sätz­lich ver­unsichert, besaß das deutsche Volk (die Geführten) kaum noch Ver­trau­en in sich selbst und seine Fähigkeiten. Die politischen Gegenlager der National­so­zia­lis­ten, wie die in Lethargie verfallenen Liberalen, konnten nur fassungslos mit ansehen, wie immer mehr junge Menschen und Nichtwählergruppen sich der NS-Massen­be­we­gung an­schlos­sen und dieser bei Wahlen ihre Stimme gaben. Und selbst der Sozia­lis­mus war da­mals nicht dazu in der Lage, sein eigentliches Klientel, die Arbeitsklasse, zu re­kru­tie­ren (vgl. Broszat, 1983, S.57).

Resümierend kann festgehalten werden, dass die besondere Zugkraft der NSDAP darin be­stand, dass sie dem Arsenal völkischer Ressentiments und Utopien, in Form des Traums vom dritten Reich und der Überwindung von Klassen, Ständen und Parteien, nicht nur gedanklichen, programmatischen Ausdruck verlieh, sondern es in Taten und kon­kret-massive Organisation umsetzte (vgl. Broszat, 1983, S.55ff). Durch ge­schickt ge­­steuerte NS-Massenpropaganda wurde die Krisensituation noch stärker emo­tio­nali­siert und dadurch beträchtliche Schub- und Bewegungskräfte ausgelöst. Die Emo­tio­na­li­sie­rung von Aufgaben und Zielen – ein völkisches drittes Reich - war das, was Hitler an der Spitze der NSDAP durch seinen unermüdlichen Redemut auf Massen­kund­ge­bun­gen vo­ran­trieb und beherrschte. Aus diesem Grund trug Hitler zum Teil selbst dafür Sorge, dass die situativen Rahmenbedingungen günstig für einen charismatischen Kontext wa­ren. Inso­fern drücken die Worte von Hess am Reichsparteitag Der Einheit und Stärke sehr ge­nau das aus, was die Anhänger der NS-Bewegung dachten: „Die Partei ist Hitler – Hitler aber ist Deutschland, wie Deutschland Hitler ist“ (Hess zitiert nach Loiperdinger, 1987, S.85). Eine Identifizierung mit der Per­son Hit­lers und seinen Zielen ist unter Berücksichtigung dieser Aspekte ebenfalls gegeben (Bros­zat, 1983, S.53ff und Broszat, 19770, S.594ff).

Folgende Grafik soll nochmals die relevanten Aspekte für das erfolgreiche Auftreten von Charisma darstellen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

ABBILDUNG 1: Darstellung der Kontextfaktoren, die als Prämissen für das Auftreten von charismatischer Herrschaft fungieren.

3. DIE REICHSPARTEITAGFILME UND DIE ROLLE VON LENI RIEFENSTAHL

Welche (Wirkungs-)Macht die Medien auf die Massen besaßen, war den National­so­zia­lis­ten und vor allem Hitler und Goebbels nicht zuletzt durch die Schriften des ameri­ka­ni­schen Politologen Harold D. Lasswell bekannt[3]. Auch der große Erfolg der Russenfilme, die von Willi Münzenberg vertrieben wurden - hier sei explizit auf die starke klassen­über­­greifende emotionale Wirkungsweise von Panzerkreuzer Potemkin von Sergej Ei­sen­­stein hingewiesen - versetzten die Nazis in Zugzwang, ebenfalls einen kunstvoll an­spre­chenden und technisch modernen (Spiel- oder Dokumentar-)Film über ihre Be­we­gung anzufertigen (vgl. Rösler 2004, S.24-25, Kinkel, 2002, S.39, Trimborn, 2002, S.59 und Hinton, 1991, S.29).

In diesem Kapitel soll dargestellt werden, welche Medien wie zur nationalsozialistischen Pro­paganda instrumentalisiert wurden und auf welchem Wege die Filmemacherin Leni Rie­fenstahl, neben dem Architekten Albert Speer und dem Skulpturkünstler Arno Bre­ker, zur Ästhetisierung der NS-Bewegung beitrug (vgl. Trimborn S.151ff, Hinton, 1991, S.42 und Loiperdinger, 1987, S.23ff).

3.1 DIE REICHSPARTEITAGFILME – EIN PROPAGANDAINSTRUMENT

Unmittelbar nach der Machtergreifung am 30. Januar 1933 sorgte Hitler noch im Laufe desselben Jahres durch die Positionierung von Joseph Goebbels an die Spitze dreier we­­sentlicher Insti­tu­tio­nen für Propaganda, Film, Rundfunk und Kultur (der Reichs­kul­tur­­kam­mer, des Mi­nis­teriums für Volksaufklärung und Propaganda und der Reichspro­pa­­­gan­da­lei­tung der NSDAP) dafür, dass sämtliche Bereiche der öffentlichen Meinung un­­ter die strikte Kon­trolle und Lenkung der Nationalsozialisten fielen. Auf diesem We­ge ge­lang­te, auch ge­gen den Willen der Koalitionspartner und des Vizekanzlers Franz von Pa­pen, die Re­gie der Massenmedien in die Hände des NS-Staates. Durch die ent­spre­chen­­de Gleich­schal­tung der medial vermittelten Massenkommunikationsinhalte entstand die Mas­senkultur und NS-Ästhetik der National­sozialisten. Die damalige Avantgarde der Künst­ler hatte nach der Machtergreifung der Nazis prinzipiell zwei Möglichkeiten: Ent­­we­der mit den neuen Machthabern zusammenzuarbeiten oder zu emigrieren (vgl. Trim­born, 2002, S.155-157, Kinkel, 2002, S.39-49, Broszat, 1970, S.405 und Reichel, 1987, S.128).

[...]


[1] Unter transformationale Führung verstehen Bass und Aviolo die Transformation der Bedürfnisse, Werte und Ziele so­wie das Verhalten von Individuen bzw. Geführten durch den Führer. Dabei wandelt der charismatisch Führer durch verbales und non­ver­ba­les Verhalten die eher als egoistisch zu umschreibenden Interessen der Geführten in kol­lek­tivistisch aus­ge­rich­tet Ziele und Wün­sche um. Die Folge ist eine erhöhte intrinsische Motivation auf Seiten der Ge­führten, die bis zur ab­so­lu­ten Opferbereitschaft zur Ziel­erreichung münden kann. (vgl. Wegge und von Rosenstiel, 2004, S.496).

[2] Nie Nationalsozialisten verstanden es damals wie keine andere politische Bewegung diesen Protest zu ideologisieren und mas­sen­haf­ten zu organisieren. Aus sozialpsychologischer Perspektive war dieser Protest Ausdruck einer allgemeinen Orien­tie­rungs­losigkeit und Panik (Geiger), einer Angst vor dem Chaos (Schumacher) oder eines Unbehagens in der Kultur (Freud) (vgl. Reichel, 1981, S.125).

[3] Der amerikanische Politologe Harold D. Lasswell war einer der ersten Wissenschaftler, der sich mit der Wirkungsweise von Medien be­schäftigte. Er formulierte die Wirkungsweise von politischer Propaganda strikt nach dem Schema von Reiz und Reaktion. Be­stimm­te Reize können gewünschte Reaktionen hervorrufen. Unter Verwendung eines allgemein anerkannten und akzeptierten Co­des kann das Wirkungspotential von Propaganda nach Lass­well auch maximiert werden. Dazu müssen die zu Überzeugenden mit kon­sistenten und kohärenten Infor­ma­tionen versorgt und umgeben werden. Mit anderen Worten: Es müssen alle Reiz­in­for­ma­tio­nen gleich­ge­schal­tet sein, um die intendierte Wirkung erreichen zu können (vgl. Rösler, 2004, S.24-25.)

Ende der Leseprobe aus 34 Seiten

Details

Titel
Triumph des Willens – Sieg der Bilder. Wie Leni Riefenstahls Propagandafilm Adolf Hitler als charismatischen Herrscher darstellt
Hochschule
Universität Duisburg-Essen  (Institut für Kunst und Gestaltung)
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
34
Katalognummer
V61270
ISBN (eBook)
9783638547604
ISBN (Buch)
9783638667944
Dateigröße
790 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Triumph, Willens, Sieg, Bilder, Leni, Riefenstahls, Propagandafilm, Adolf, Hitler, Herrscher
Arbeit zitieren
Marc Petrovic (Autor:in), 2006, Triumph des Willens – Sieg der Bilder. Wie Leni Riefenstahls Propagandafilm Adolf Hitler als charismatischen Herrscher darstellt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/61270

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