Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich: eine ökonomische Analyse


Seminararbeit, 2004

28 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Arbeitszeit- und Lohnpolitik in Deutschland
2.1 Die Arbeitszeitpolitik in Deutschland der letzten Jahre
2.2 Die Lohnpolitik in Deutschland der letzten Jahre
2.3 Das lohnpolitische Konzept des Sachverständigenrates
2.4 Kritik am lohnpolitischen Konzept des Sachverständigenrates

3 Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich in Deutschland
3.1 Wirkungen auf Wachstum und Beschäftigung
3.2 Aktuelle Diskussion in den Medien

4 Ein Ausblick auf das Jahr 2005

5 Fazit

Anhang

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Durchschnittlich tatsächlich geleistete Wochenarbeitszeiten von Vollzeitbeschäftigten in Deutschland innerhalb der EU-15 im Jahr 2002

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Von längeren Regelarbeitszeiten ohne Lohnausgleich werden positive Wachstums- und Beschäftigungseffekte erwartet. Gleichzeitig sind voraussichtlich auch negative Effekte auf dem Arbeitsmarkt zu erwarten. Durch die Forderung entstand eine Kontroverse

zwischen Befürwortern und Gegnern einer Arbeitszeitverlängerung, da es letztlich um die Senkung der Lohnkosten geht. In diesem Zusammenhang steht die Lohnpolitik und die Arbeitszeitpolitik wieder auf der Tagesordnung der Tarifpolitik. Die ökonomische Analyse der Forderung beginnt mit einer Sachdarstellung (Abschnitt 2) hinsichtlich der Arbeitszeit- und Lohnpolitik in Deutschland. Darüber hinaus finden sich in diesem Abschnitt der Seminararbeit das lohnpolitische Konzept des Sachverständigenrates (SVR) sowie die Kritik an diesem Konzept. Abschnitt 3 diskutiert die möglichen Auswirkungen einer Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich in Deutschland. In Abschnitt 4 wird ein Ausblick auf das Jahr 2005 formuliert. Das Fazit (Abschnitt 5) bildet den Abschluss der Seminararbeit und fasst die Erkenntnisse der Abschnitte 2 und 3 zusammen.

2 Arbeitszeit- und Lohnpolitik in Deutschland

Über Arbeitszeiten und Löhne zu verhandeln, obliegt im Wesentlichen den Tarifvertragsparteien. Gewerkschaften bzw. ein gewerkschaftlicher Dachverband vertreten die Seite der Arbeitnehmer (sofern sie satzungsmäßig dazu berechtigt sind). Arbeitgeber oder Arbeitgeberverbände vertreten die Arbeitgeberinteressen. Beide Parteien unterliegen dabei dem Tarifvertragsgesetz (TVG), das in 13 Paragraphen die formalen Grundlagen des Tarifsystems regelt.

2.1 Die Arbeitszeitpolitik in Deutschland der letzten Jahre

Tarifliche Arbeitszeitpolitik

Die tarifliche Wochenarbeitszeit für Vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer in Deutschland beträgt im Durchschnitt 37,8 Stunden (Jahr 2003), in den alten Bundesländern 37,5 Stunden.[1] Im Zeitraum von 1970 bis 1984 fand ein Übergang auf 40 Stunden pro Woche statt. Ab 1984 begann der Einstieg in Arbeitszeittarife unterhalb der 40 Stundenwoche. Einige Wirtschaftsbereiche haben eine tariflich vereinbarte Arbeitzeit von 35 Stunden pro Woche (westdeutsche Metallbranche, westdeutsche Druck- und Stahlindustrie). In den Neuen Bundesländern wurde die tarifliche Arbeitszeit von 40,9 (Jahr 1991) auf 39,1 Stunden (Jahr 2003) verkürzt. Durch wiedervereinigungsbedingte Anpassungsvorgänge fanden die stärksten Verkürzungen der tariflichen Arbeitszeit bis Mitte der 90er Jahre statt. Seitdem hat sich deren Niveau kaum verändert.

Arbeitszeitflexibilisierung durch Öffnungsklauseln im Rahmen des Tarifvertrags

Öffnungsklausel

Eine Öffnungsklausel ist eine Bestimmung in einem Tarifvertrag, die zu einzelnen Tarifbestimmungen einen ergänzenden Abschluss einer Betriebsvereinbarung oder abweichende Regelungen durch den Arbeitsvertrag zulässt.

Arbeitszeitkonten

Die Anpassung unter die tarifliche/betriebsübliche Arbeitszeit ist nur durch Kurzarbeit möglich, wegen der rechtlichen Bedingungen aber nicht regelmäßig anwendbar. Die Möglichkeit der Arbeitszeitflexibilisierung (über Öffnungsklauseln) mittels Arbeitszeitkonten (AZK) ist inzwischen in vielen Tarifverträgen vorgesehen. Geleistete Überstunden werden nicht mehr bezahlt, sondern in Freizeit ausgeglichen. Auf einem AZK sind die Soll-Arbeitszeit, die tatsächlich geleistete Arbeitszeit (inklusive Mehrarbeit) sowie daraus entstehende Plus- bzw. Minuszeiten und Fehlzeiten verzeichnet. Tarifliche Regelungen zu AZK definieren die zu buchenden Arbeitszeiten, die maximal zulässigen Arbeitszeitguthaben bzw. –schulden und Modalitäten des Abbaus von Zeitguthaben. Die tarifliche Regelarbeitszeit gilt dann für jeden Beschäftigten im Durchschnitt eines längeren Zeitraums. AZK stabilisierten in den letzten Jahren die Beschäftigung. Mehr als ein Drittel der Beschäftigten in Deutschland verfügt über ein AZK. Positiv wirkt sich deren Nutzung hinsichtlich der Anpassung bei Auftragsschwankungen aus. Den Unternehmen entstehen Kostenvorteile durch die Möglichkeit, innerhalb der AZK die Arbeitszeiten nahezu kostenlos variieren zu können. Es wird einfacher und billiger, die Arbeitszeit der Beschäftigten an betriebliche Erfordernisse anzupassen. Die Kosten des Faktors Arbeit sinken, das Unternehmen wird wettbewerbsfähiger. Damit erleichtert die Arbeitszeitflexibilisierung die Entkopplung von Arbeits- und Betriebszeit.[2]

Weitere Möglichkeiten der Arbeitszeitflexibilisierung

Neben Arbeitszeitkonten existieren weitere Instrumente zur Flexibilisierung der betrieblichen Arbeitszeit. Es besteht die Möglichkeit, Arbeitszeitkorridore einzurichten oder die Arbeitszeit zu verlängern. Eine befristete Verkürzung der Arbeitszeit ist ebenfalls möglich. Diese Form der Flexibilisierung dient aber im Wesentlichen der Beschäftigungssicherung und der Vermeidung von Entlassungen. Der Gesamtumfang der Instrumente zur Steigerung der betrieblichen Flexibilität ist beachtlich,[3] findet in der öffentlichen Diskussion aber wenig Beachtung.

Nicht Tariflich vereinbarte Arbeitszeiten

Teilzeitarbeit

Wird die effektive Arbeitszeit (tatsächlich geleistete Arbeitszeit abzüglich der Pausen) der Arbeitnehmer im Wesentlichen durch tarifliche Komponenten bestimmt, gewannen in der Vergangenheit auch weitere Faktoren an Einfluss. Lag die effektive Jahresarbeitszeit (Voll– und Teilzeit in Stunden) in Westdeutschland im Jahr 1970 noch bei 1.878,7 Stunden, so betrug sie im Jahr 2003 nur noch 1.341,1 Stunden. In Ostdeutschland verringerte sie sich von 1.497,6 Std. (Jahr 1991) auf 1.467,5 Std. (Jahr 2003). Die tariflichen Arbeitszeitverkürzungen bestimmten die Entwicklung der Jahresarbeitszeit der Vollzeitbeschäftigten vorrangig in den 70er und 80er Jahren. Die Jahresarbeitszeit aller Beschäftigten (durchschnittliche Arbeitszeit der Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten) verdeutlicht den zunehmenden Einfluss der Teilzeitbeschäftigung. Der zunehmende Anteil von geringfügig Beschäftigten (wenn der Arbeitslohn regelmäßig höchstens 400 EUR im Monat beträgt) mit niedrigen Arbeitsstunden und dem anhaltenden Trend zur Teilzeitarbeit war für eine deutlich verringerte durchschnittliche Jahresarbeitszeit ursächlich. In Ostdeutschland verlief die Entwicklung ähnlich.[4]

Arbeitszeiten in Europa

In öffentlichen Debatten wird der Standortfaktor „Arbeitszeit“ international verglichen und bewertet. Länge, Struktur und Flexibilität der Arbeitszeit sind hierbei genauso von Interesse wie auch die Gesamtentwicklung von Wirtschaft und Arbeitsmarkt. Vollständig vergleichbare Informationen über Differenzierungs- und Flexibilisierungsmöglichkeiten der Arbeitszeiten in den einzelnen Ländern sind selten. Abbildung 1 verdeutlicht die durchschnittlich tatsächlich geleisteten Wochenarbeitszeiten von Vollzeitbeschäftigten in Deutschland innerhalb der EU-15.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Durchschnittlich tatsächlich geleistete Wochenarbeitszeiten von Vollzeitbeschäftigten in Deutschland innerhalb der EU-15 im Jahr 2002

Quelle: Lehndorff 2003 (IAT-Report), Tabelle 4

Wie Abbildung 1 ausweist, entsprachen die durchschnittlich tatsächlich geleisteten Arbeitszeiten der abhängig Vollzeitbeschäftigten in Deutschland mit ca. 40 Wochenstunden dem EU-Durchschnitt.

Zwischenfazit

Die durchschnittliche Jahresarbeitszeit ist im Zeitverlauf deutlich gesunken. Das Niveau

der Jahresarbeitszeit wurde bis Mitte der 90er maßgeblich von Tarifvereinbarungen bestimmt. Der erhebliche Einfluss der Teilzeitarbeit im Bereich geringfügiger Beschäftigung bestimmt seitdem das Niveau der Jahresarbeitszeit. Die politische Diskussion um Arbeitszeitverlängerungen führt ihre Forderung hauptsächlich aus einzelwirtschaftlicher Perspektive heraus, zum Teil basierend auf einer 35 Stundenwoche. Die Berücksichtigung der tariflich vereinbarten Wochenarbeitszeiten aller Branchen (37,8 Std.) für Vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer (AN) ergibt ein anderes Bild. Legt man die durchschnittlich tatsächlich geleisteten Wochenarbeitszeiten zugrunde (39,9 Std.), ist festzustellen, dass die tariflich Vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer mehr Stunden arbeiten, als der Tarifvertrag vorsieht. Das Ausmaß von Arbeitszeitflexibilität wird nicht hinreichend gewürdigt. Im europäischen Vergleich ist Deutschland entgegen vieler Behauptungen kein „Freizeitweltmeister“.

2.2 Die Lohnpolitik in Deutschland der letzten Jahre

Tarifliche Lohnpolitik

Die Forderung nach einer Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich berührt neben dem Arbeitszeitaspekt den Lohnkostenaspekt, der ebenfalls von der Tarifpolitik beeinflusst wird.

Lohnentwicklung

Gegenstand der Tarifverhandlungen sind Nominallöhne. Durch Preisbereinigungen wird der Reallohn ermittelt. Niedrige Reallohnerhöhungen gehen nicht zwangsläufig aus geringen Nominallohnerhöhungen hervor. Sofern die Kostenvorteile der Unternehmen, welche aus geringeren kollektiven Lohnabschlüssen (Tarifverhandlungsergebnis) resultieren, über die Produktverkaufspreise auf dem Produktabsatzmarkt an den Konsumenten weitergegeben werden, ergibt sich eine geringere Inflationsrate (prozentualer Anstieg des allgemeinen Preisniveaus innerhalb eines bestimmte Zeitraums, gemessen an den Veränderungen eines Preisindex). Die Reallöhne steigen. In Deutschland war dieser Zusammenhang in den letzten Jahren beobachtbar. Das Wirtschaftswachstum, gemessen am BIP (Gesamtheit aller im Inland produzierten Waren, Dienstleistungen (DL) während einer Periode abzüglich der Vorleistungen), wies geringe Wachstumsraten auf.[5] Auf den Gütermärkten herrschte eine hohe Wettbewerbsintensität, so dass die Kostenvorteile der Unternehmen direkt in die Preise weitergegeben wurden und die Reallöhne stiegen.[6]

Entwicklung der nominalen Lohnstückkosten

Die Entwicklung der nominalen Lohnstückkosten (Relation von Nominallohn- und Produktivitätsentwicklung) gelten als Indikator preislicher Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft. Sie spiegeln den Lohndruck wider, dem die Unternehmen ausgesetzt sind. Im Zeitraum von 1991 bis 2003 stiegen die durchschnittlichen nominalen Lohnstückkosten in Deutschland um 17,2% und liegen damit deutlich unterhalb des Anstiegs der Eurozone von 24%.[7] Für diesen Zeitraum ging kein Lohndruck durch Nominallohnsteigerungen in Deutschland aus.

Lohnzurückhaltung

Dies ist der umstrittenste Punkt der letzten Jahre. Der Umfang der Lohnzurückhaltung wird durch das Verhältnis von Reallohn- zu Produktivitätsentwicklung beschrieben. Im Zeitraum von 1991 bis 2003 blieb der Reallohnzuwachs hinter der gesamtwirtschaftlichen Produktivitätssteigerung zurück.[8] Die realen Lohnstückkosten (Reallohnposition) haben sich im genannten Zeitraum verschlechtert. Die tarifliche Lohnpolitik verfolgte einen moderaten Kurs. Durch intensiven Preiswettbewerb auf den Gütermärkten waren die Reallohnsteigerungen höher als erwartet. Da sich der Reallohnsatz als Relation zwischen Nominallohnsatz und Güterpreisindex (Preisniveau) ergibt, führt eine Preissenkung zu einem steigenden Reallohnsatz. Die Absatzpreispolitik für die produzierten Güter ist nicht durch die Gewerkschaften beeinflussbar. Findet ein Preiswettbewerb auf dem Absatzmarkt statt, so geschieht dies ex-post (nach Vertragsabschluß über den Nominallohnsatz). Der Nominallohnsatz zwischen den Tarifpartnern wird vor der Absatzpreisfestsetzung des Unternehmens ausgehandelt (ex-ante) und ist bindend für den Zeitraum bis zur kommenden Lohnverhandlung. Die schwache Binnennachfrage sorgte für einen einsetzenden Preiskampf auf den Absatzmärkten. Zur Stimulierung der Nachfrage senkten die Unternehmen ihre Preise um Teile ihrer Produktionskosten zu decken. Das Preisniveau sinkt, der Reallohnsatz steigt.[9]

Zwischenfazit

Der Reallohnzuwachs blieb im Zeitraum 1991 bis 2003 hinter dem gesamtwirtschaftlichen Produktivitätszuwachs zurück. Die Reallohnposition verschlechterte sich. Die gestiegene Produktivität ist durch die Gewerkschaften nicht in vollem Umfang bei den Lohnverhandlungen in Form von höheren Nominallöhnen durchgesetzt worden. Der lohnpolitische Kurs war moderat. Ein Nachfragerückgang war seitens der Unternehmen nicht erwartet worden. Der Preiswettbewerb führte zu höheren Reallohnsteigerungen als erwartet. Hieraus den Rückschluss auf einen nicht moderaten lohnpolitischen Kurs abzuleiten, ist nicht gerechtfertigt. Der Sachverständigenrat (SVR) vertritt in der Mehrheit seiner Mitglieder, basierend auf eigenen Berechnungen, eine andere Meinung hinsichtlich der Aussage, dass in den letzten Jahren eine moderate Lohnpolitik erfolgte.

2.3 Das lohnpolitische Konzept des Sachverständigenrates

Zur Beurteilung, ob die in der Vergangenheit ausgehandelten tariflichen Lohnabschlüsse in einer gesamtwirtschaftlichen Perspektive „beschäftigungsfreundlich“ waren, hat der SVR ein Beurteilungskriterium entwickelt.[10] Der lohnpolitische Verteilungsspielraum ist Gegenstand der Analyse. Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit darf der -über die beschäftigungsneutrale Fortschrittsrate der Arbeitsproduktivität ermittelte- reale Verteilungsspielraum nicht voll ausgeschöpft werden.

Theoretische Grundlagen

Betrachtet wird ein repräsentatives Unternehmen, das sein Güterangebot bei exogenem Stand des technischen Wissens produziert und dem Gewinnmaximierungskalkül folgt.

Unterstellt wird eine Cobb-Douglas-Produktionsfunktion (eine substitutionale Produktionsfunktion, das heißt die Faktoreinsatzverhältnisse sind beliebig kombinierbar). Als Entscheidungsparameter dienen die Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital. Die Kapitalkosten sind nicht beeinflussbar. Die Löhne hängen positiv von der Höhe des Arbeits-einsatzes ab und die Güterpreise positiv von der gehandelten Gütermenge. Neben der Produktionsfunktion enthält das Modell auch eine Nachfragefunktion mit zugehöriger Elastizität der Güternachfrage. Die reale Gesamtnachfrage ist preisabhängig, wobei die Preiselastizität die Reaktion der Nachfrager (Konsumenten) auf Preisänderungen widerspiegelt. Das Modell basiert auf der neoklassischen Grenzproduktivitätstheorie. Der Kapitalstock ist konstant. Solange die realen Arbeitskosten sich im Ausmaß der Fortschrittsrate der Arbeitsproduktivität verändern, bleibt die Arbeitsnachfrage der Unternehmen unverändert.[11] Die Grenzproduktivität bestimmt, unter Berücksichtigung der Preissteigerungsrate, die Höhe der möglichen verteilungsneutralen Lohnsteigerung.

Ökonomisches Rationalverhalten der Akteure wird vorausgesetzt.[12]

Arbeitsproduktivität und ihre Messung

Die Arbeitsproduktivität wird als Produktionsergebnis je eingesetzter Arbeitseinheit gemessen. Unternehmen fragen zusätzlich Arbeit nur nach, solange die realen Arbeitskosten unterhalb des zusätzlich erzielten Produktionsergebnisses liegen („Grenzproduktivität der Arbeit“). Die Zunahme der Produktion sinkt mit steigendem Arbeitseinsatz, da zusätzlich eingesetzte Arbeitskräfte und Arbeitsstunden eine immer geringere Produktivität aufweisen. Die Arbeitsnachfrage bleibt konstant, sobald sich die realen Lohnkosten und die Grenzproduktivität der Arbeit (GPA) entsprechen. Überschreiten die realen Lohnkosten die GPA, erwirtschaftet das Unternehmen Verluste und baut die Beschäftigung ab.[13] Gesamtwirtschaftlich ist die GPA schwer festzustellen, deshalb wird häufig die Durchschnittsproduktivität der Arbeit (durchschnittlich erzieltes Produktionsergebnis je eingesetzter Arbeitseinheit) genutzt. Für längerfristige oder präzisere Analysen ist eine Schätzung der GPA auf Grundlage der Durchschnittsproduktivität und produktionstechnischer Parameter erforderlich.

Entlassungsproduktivität

Unabhängig von der Wahl der Arbeitsproduktivität, die zur Bestimmung des Verteilungsspielraums herangezogen wird, ist stets der Anteil der Produktivität herauszurechnen, der durch Freisetzung von Arbeit entsteht („Entlassungsproduktivität“). Eine überzogene Lohnpolitik -ohne Berücksichtigung der „Entlassungsproduktivität“- wäre im Nachhinein immer gerechtfertigt, da durch den geringeren Arbeitseinsatz die Produktivität steigt. Für die Beurteilung des realen Verteilungsspielraums ist es erforderlich, die beschäftigungsneutrale Fortschrittsrate der Arbeitsproduktivität (Durchschnittsproduktivität der Arbeit, bereinigt um die „Entlassungsproduktivität“) zu ermitteln. Diese wird mit Hilfe produktionstheoretischer Überlegungen geschätzt oder durch die trendmäßige Entwicklung des Produktivitätsfortschritts approximiert.

Fazit der Analyse der Lohnpolitik

Die Schaffung neuer Arbeitsplätze erfordert, dass der Anstieg der realen Arbeitskosten hinter dem beschäftigungsneutralen Produktivitätswachstum zurückbleibt. Weniger produktiven Arbeitslosen werden damit Beschäftigungschancen ermöglicht. In der Vergangenheit ist der erforderliche Abschlag für mehr Beschäftigung nicht erfolgt und der Verteilungsspielraum wurde überschritten (JG 2003/2004 Tabelle 74).[14] Die Lohnzurückhaltung der vergangenen Jahre war unzureichend und führte beispielsweise zu Rationalisierungsinvestitionen (Mehreinsatz von Kapital mit dem Ziel, die gleiche Produktionsmenge wie zuvor mit einem neuen Produktionsverfahren zu erstellen (Zielsetzung: Arbeit durch Kapital zu ersetzen)). Positive Beschäftigungseffekte konnten nicht entstehen. Somit wurde den Arbeitslosen die Chance verwehrt, neue Arbeitsplätze einzunehmen. Die Produktion wurde ins kostengünstigere Ausland verlagert oder der Betrieb stillgelegt. Die hohe Arbeitslosigkeit ist auf das Fehlverhalten der Tarifpartner zurückzuführen und zu korrigieren.[15]

2.4 Kritik am lohnpolitischen Konzept des Sachverständigenrates

Nachfragefunktion

Die reale Gesamtnachfrage ist abhängig von der Preisniveauentwicklung. Marktmacht der Unternehmen auf dem Gütermarkt wird durch die Preiselastizität beschrieben.[16] Unberücksichtigt bleibt, dass die Machtposition der Arbeitgeberseite zu dauerhaften, unter der GPA liegenden Lohnsätzen, führen kann.[17] Die Einkommensentwicklung spielt für die Bestimmung der Gesamtnachfrage keine Rolle und der Doppelcharakter der Löhne (stellen Kosten für den Unternehmer und Einkommen für die privaten Haushalte dar) wird vernachlässigt. Durch Lohnerhöhungen steigen die Arbeitskosten. Positive Auswirkungen auf die Gesamtnachfrage werden vernachlässigt. Lohnzurückhaltung senkt die Arbeitskosten, hat aber keine negativen Auswirkungen auf die Nachfrage.[18]

Optimalitätsbedingung

Lohn- und Preisbildung sind modellendogen (Löhne und Preise ergeben sich über die Festlegung der Beschäftigung bzw. des Outputs) konstruiert, der Reallohn wird aber exogen (außerhalb des Modells) vorgegeben.[19] Dies ist ein Widerspruch zu den An-nahmen des Modells.

[...]


[1] Spitznagel / Wanger (2004), S. 1 f.

[2] Koch (2004), S. 1-3

[3] Bispinck / Schulten (2004), S. 3 (Tabelle)

[4] Spitznagel / Wanger (2004), S. 2 f.

[5] DIW (2004b), S. 646

[6] Schnur / Walwei / Zika (2004), S. 3

[7] Hirschel (2004), S. 440

[8] Hirschel (2004), S. 440

[9] Schnur / Walwei / Zika (2004), S. 3

[10] SVR (2003/2004), S. 362

[11] SVR (2003/2004), S. 364

[12] SVR (2003/2004), S. 362

[13] SVR (2003/2004), S. 362

[14] SVR (2003/2004), S. 363

[15] SVR (2003/2004), S. 366

[16] SVR (2003/2004), S. 364

[17] Hirschel (2003), S. 3

[18] Horn / Logeay (2004), S. 237

[19] Horn / Logeay (2004), S. 238

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich: eine ökonomische Analyse
Hochschule
Technische Universität Berlin  (Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialpolitik)
Veranstaltung
Seminar: Globale Brennpunkte
Note
2,3
Autor
Jahr
2004
Seiten
28
Katalognummer
V61398
ISBN (eBook)
9783638548663
ISBN (Buch)
9783656771722
Dateigröße
553 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Arbeitszeitverlängerung, Lohnausgleich, Analyse, Seminar, Globale, Brennpunkte
Arbeit zitieren
Diplom-Volkswirt Maik Klann (Autor:in), 2004, Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich: eine ökonomische Analyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/61398

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich: eine ökonomische Analyse



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden