In der berühmten Präambel der lateinischen Fassung des Mainzer Reichsfriedens von 1235 werden im Wesentlichen zwei Gründe für die Proklamation des Gesetzes genannt. Dies ist zum einen der Wunsch, „eine Regierung des Friedens und der Gerechtigkeit stattfinden zu lassen“; der andere Grund sind die bestehenden deutschen Rechtsgewohnheiten. So sei das Gesetz erlassen worden, da „die Bewohner ganz Deutschlands in ihren Rechtsstreitigkeiten und privaten Rechtsgeschäften noch ganz nach den überlieferten alten Gewohnheiten und ungeschriebenem Recht leben“ und Gerichtsurteile „mehr durch bloßes Gutdünken als durch ein auf gesatztes Recht gestütztes“ Verfahren entschieden würden.
In dieser Begründung artikuliert sich ein wesentliches Ziel der mittelalterlichen Landfriedensbewegung insgesamt; die Absicht nämlich, an die Stelle althergebrachten Gewohnheitsrechtes willentlich gesetztes Recht treten zu lassen. Die in etwa seit der Wende vom 11. zum 12. Jahrhundert auftretenden Landfrieden können schließlich als „Träger des ersten positiven und nur positiven Rechts“ gelten. In ihnen „setzt sich zum ersten Mal im deutschen Raum die menschliche Freiheit dem Recht gegenüber durch“. Grundsätzlich richtete sich die Landfriedensgesetzgebung gegen alle die öffentliche Sicherheit und den sozialen Frieden bedrohenden Handlungen. Landfriedensrechtlicher Hauptregulierungsgegenstand aber war das tradierte Rechtsinstitut der Fehde, die in dem hier behandelten Zeitraum vor allem die Ritterfehde meint, d.h. ganz allgemein die vom waffenfähigen Adel ausgeübte legitime Rechtsdurchsetzung auf dem Weg der Selbsthilfe. Ein Großteil der landfriedensrechtlichen Bestimmungen seit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts waren diesem Rechtsmittel gewidmet, das als ein „konstitutives Strukturelement mittelalterlicher Verfassungswirklichkeit“ betrachtet werden muss. Dabei werden die überaus zahlreichen, teilweise für das gesamte Reich, weitaus häufiger jedoch mit regionaler Geltungsbegrenzung beschlossenen Friedenstexte getragen von einem gleichsam programmatischen, im Laufe der Zeit immer deutlicher hervortretenden Bemühen: Der offene, gewalttätige Streit eigenmächtig handelnder Parteien wurde, soweit das Friedensgebot reichte, schrittweise an Rechtsregeln gebunden, durch derartige ‚Verrechtlichung’ zunehmend delegitimiert und schließlich gänzlich kriminalisiert.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Zur Landfriedensforschung nach dem Zweiten Weltkrieg
- Der Mainzer Reichsfriede von 1235
- Verdrängung der Fehde in die Subsidiarität..
- Bestimmungen zur Gerichtsbarkeit..
- Die Reformatio Friderici von 1442.
- Fehderegulierende Maßnahmen .
- Zum Problem der Schiedsgerichtsbarkeit
- Die Reichsfriedenskonstitution Friedrichs III. von 1467.
- Befristetes vollständiges Fehdeverbot...
- Bestimmungen zur Gerichtsbarkeit..
- Das crimen laesae maiestatis
- Der Wormser Reichsfriede von 1495
- Unbefristetes vollständiges Fehdeverbot
- Staatsbildende Maßnahmen…......
- Schlussbetrachtung.
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Entwicklung der Reichsfriedensgesetzgebung im Spätmittelalter (15. Jahrhundert) mit dem Ziel, die allmähliche Verdrängung der Fehde als legitimes Rechtsinstitut und die Herausbildung eines staatlichen Gewaltmonopols zu beleuchten.
- Die Regulierung und schließlich das Verbot der Fehde als Ausdruck des Strebens nach Rechtsfrieden und staatlicher Ordnung
- Die Rolle von Landfriedenstexten als Träger des ersten positiven Rechts im deutschen Raum
- Die Entwicklung von Gerichtsbarkeit und Strafverfolgung im Zusammenhang mit der Fehde
- Die Bedeutung des crimen laesae maiestatis im Kontext der Reichsfriedensgesetzgebung
- Die Etablierung eines staatlichen Gewaltmonopols als langfristiger Prozess
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Die Einleitung stellt den Kontext der Landfriedensbewegung im Spätmittelalter dar und führt den Leser in die Thematik der Verdrängung der Fehde und die Herausbildung eines staatlichen Gewaltmonopols ein.
- Zur Landfriedensforschung nach dem Zweiten Weltkrieg: Dieser Abschnitt gibt einen Überblick über die Forschungslandschaft zur Landfriedensforschung nach dem Zweiten Weltkrieg, wobei die unterschiedlichen Ansätze und Theorien zur Interpretation der Landfriedensbewegung beleuchtet werden.
- Der Mainzer Reichsfriede von 1235: Dieses Kapitel analysiert den Mainzer Reichsfriede von 1235 als wichtigen Meilenstein in der Entwicklung der Reichsfriedensgesetzgebung. Es beleuchtet insbesondere die Einführung des gerichtlichen Klagezwangs als Bedingung für eine rechtmäßige Fehdeansage.
- Die Reformatio Friderici von 1442: Der Abschnitt befasst sich mit der Reformatio Friderici von 1442 und analysiert die darin enthaltenen fehderegulierenden Maßnahmen und die Bedeutung der Schiedsgerichtsbarkeit.
- Die Reichsfriedenskonstitution Friedrichs III. von 1467: Dieses Kapitel untersucht die Reichsfriedenskonstitution Friedrichs III. von 1467, die ein zeitlich befristetes Fehdeverbot einführte. Es beleuchtet auch die Ausweitung des crimen laesae maiestatis auf den Landfriedensbruch.
- Der Wormser Reichsfriede von 1495: Der Abschnitt behandelt den Wormser Reichsfriede von 1495, der ein unbefristetes Fehdeverbot verordnete und damit die mittelalterliche Reformanstrengung für den inneren Frieden abschloss.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter dieser Arbeit sind: Reichsfriede, Fehde, Landfriedensbewegung, crimen laesae maiestatis, Gewaltmonopol, Rechtsfrieden, Gerichtsbarkeit, Strafverfolgung, Mittelalter, Spätmittelalter, staatliche Ordnung, Rechtsgeschichte, Rechtsentwicklung.
- Quote paper
- Oliver Laschet (Author), 2005, Die Fehde. Von der regulativen Erfassung zum generellen Verbot in der Reichsfriedensgesetzgebung des Spätmittelalters, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/61511