In dieser Arbeit geht es darum herauszufinden, ob die Konzepte der Personalentwicklung auf die Arbeit in politischen Parteien übertragbar sind - und wenn ja, in welcher Form.
Dafür versuche ich zunächst zu klären, was Personalentwicklung ist und welche Denktraditionen in dieser Disziplin unterschieden werden können. Dann gebe ich einen Überblick über die Vorgehensweise der Personalentwicklung. Danach stelle ich dar, welche der beschriebenen Konzepte übertragbar sind auf politische Parteien, welche nicht und warum.
Meine Ausführungen im theoretischen Teil bleiben sehr allgemein. Das hängt damit zusammen, dass die Übertragbarkeit der Konzepte der Personalentwicklung auf die Arbeit in politischen Parteien in der Literatur bisher noch keine Aufmerksamkeit erfahren hat. Von daher versuche ich zunächst nur ganz grundsätzlich herauszufinden, ob sie in politischen Parteien anwendbar sind.
In meinem Praxisteil beschreibe ich, als Beispiel für den ersten Schritt zu systematischer Personalentwicklung in einer politischen Partei, meine Bedarfserhebung im Kreisverband Wandsbek der Grün-Alternativen Liste (GAL).
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
Teil 1: Theorie
2 Der Begriff „Personalentwicklung“
2.1 Perspektiven der Personalentwicklung
2.1.1 Personale Perspektive
2.1.2 Interpersonale Perspektive
2.1.3 Apersonale Perspektive
3 Strömungen der Personalentwicklung
3.1 Rationales Problemlöse- und Entscheidungsmanagement
3.2 Phasen-Modelle
3.2.1 Person-Entwicklung
3.2.2 Gruppen-Entwicklung
3.2.3 Organisationsentwicklung
3.3 Personalentwicklung als Selbstorganisation
4 Vorgehensweise in der Personalentwicklung
4.1 Bedarfserhebung
4.1.1 Moderation
4.1.2 Mitarbeiterbefragung
4.1.3 Bedarfserhebung nach dem Rational-Ansatz
4.2 Intervention
4.3 Evaluation
5 Die Übertragbarkeit der Konzepte der Personalentwicklung auf politische Parteien
5.1 Vergleichbarkeit von Unternehmen und politischen Parteien
5.2 Der Begriff „Personal“
5.3 Einfluss der Einzelnen auf die Organisation
5.4 Die Perspektiven der Personalentwicklung
5.5 Strömungen der Personalentwicklung
5.6 Vorgehensweise in der Personalentwicklung
5.7 Inhalte der Personalentwicklung
Teil 2: Praxis
6 Systematische Personalentwicklung im Kreisverband Wandsbek der GAL
7 Beschreibung des Kreisverbands Wandsbek der GAL
7.1 Partei
7.2 Fraktion
7.3 Sitzungen und andere Termine
7.3.1 Ortsebene
7.3.2 Kreisebene
7.3.3 Landesebene
7.3.4 Bundesebene
8 Workshop als Vorstudie zur Mitgliederbefragung
9 Konstruktion des Fragebogens
9.1 Entscheidung für eine Fragebogenbefragung
9.2 Struktur des Fragebogens und Fragearten
9.3 Erfüllung der klassischen Gütekriterien
9.3.1 Reliabilität und Validität
9.3.2 Relevanz und Repräsentativität der Inhalte
9.3.3 Änderungssensitivität
9.3.4 Akzeptanz
9.3.5 Repräsentativität der Stichprobe
9.4 Erfüllung der Gütekriterien aus kognitionspsychologischer Perspektive
9.4.1 Verständlichkeit
9.4.2 Bekanntheitsgrad
9.4.3 Bezug zu Ereignissen und Verhaltensweisen
9.4.4 Spezifität
9.4.5 Individueller Bezug
9.4.6 Neutralität
9.4.7 Geringe Bedrohung
10 Auswertungsmethoden
10.1 Auswertung und Interpretation der geschlossenen Fragen
10.2 Auswertung der offenen Fragen
10.2.1 Transkriptionshandbuch
10.2.2 Interpretationsrichtung
10.2.3 Bestimmung der Analysetechniken
10.2.4 Definition der Analyseeinheiten
10.2.5 Interpretation der Ergebnisse in Bezug auf die Hauptfragestellung
10.2.6 Erfüllung der inhaltsanalytischen Gütekriterien
11 Vorbemerkungen zur Datenauswertung
12 Frage 1.1: Schneller auf aktuelle Themen reagieren
12.1 Genauer Wortlaut der Frage
12.2 Tabellarische Auswertung
12.3 Interpretation der quantitativen Ergebnisse
12.4 Inhaltliche Strukturierung der freien Antworten
13 Frage 1.2: Termine für Information und Diskussion
13.1 Genauer Wortlaut der Frage
13.2 Tabellarische Auswertung
13.3 Interpretation der quantitativen Ergebnisse
13.4 Inhaltliche Strukturierung der freien Antworten
14 Frage 1.3: Attraktivität der Veranstaltungen erhöhen
14.1 Genauer Wortlaut der Frage
14.2 Tabellarische Auswertung
14.3 Interpretation der quantitativen Ergebnisse
14.4 Inhaltliche Strukturierung der freien Antworten
15 Frage 1.4: Mehr Teilnehmer für Veranstaltungen gewinnen
15.1 Genauer Wortlaut der Frage
15.2 Tabellarische Auswertung
15.3 Interpretation der quantitativen Ergebnisse
15.4 Inhaltliche Strukturierung der freien Antworten
16 Frage 2.1: Auf thematische Schwerpunkte konzentrieren
16.1 Genauer Wortlaut der Frage
16.2 Tabellarische Auswertung
16.3 Interpretation der Skalierenden Strukturierung
16.4 Inhaltliche Strukturierung
17 Frage 2.2: Mehr Anträge und Anfragen stellen
17.1 Genauer Wortlaut der Frage
17.2 Tabellarische Auswertung
17.3 Interpretation der quantitativen Ergebnisse
17.4 Inhaltliche Strukturierung der freien Antworten
18 Frage 3.1: Mehr Pressemitteilungen schreiben
18.1 Genauer Wortlaut der Frage
18.2 Tabellarische Auswertung
18.3 Interpretation der quantitativen Ergebnisse
18.4 Inhaltliche Strukturierung der freien Antworten
19 Frage 3.2: Internetseiten erweitern
19.1 Genauer Wortlaut der Frage
19.2 Tabellarische Auswertung
19.3 Interpretation der Skalierenden und Formalen Strukturierung
19.4 Zweite Formale Strukturierung und Interpretation
19.5 Inhaltliche Strukturierung
20 Frage 3.3: Verbreitung von schriftlichem Material
20.1 Genauer Wortlaut der Frage
20.2 Tabellarische Auswertung
20.3 Interpretation der Skalierenden und Formalen Strukturierung
20.4 Inhaltliche Strukturierung
21 Frage 4.1: Neue Mitglieder gewinnen
21.1 Genauer Wortlaut der Frage
21.2 Tabellarische Auswertung
21.3 Interpretation der quantitativen Ergebnisse
21.4 Inhaltliche Strukturierung der freien Antworten
22 Frage 5.1: Verbesserung der bezirksinternen Kommunikation
22.1 Auswertung der Kommentare zu Vorschlag 1
22.1.1 Genauer Wortlaut des Vorschlags
22.1.2 Tabellarische Auswertung
22.1.3 Interpretation der Skalierenden und Formalen Strukturierung
22.1.4 Inhaltliche Strukturierung
22.2 Auswertung der Kommentare zu Vorschlag 2
22.2.1 Genauer Wortlaut des Vorschlags
22.2.2 Tabellarische Auswertung
22.2.3 Interpretation der Skalierenden und Formalen Strukturierung
22.2.4 Inhaltliche Strukturierung
22.3 Auswertung der Kommentare zu Vorschlag 3
22.3.1 Genauer Wortlaut des Vorschlags
22.3.2 Tabellarische Auswertung
22.3.3 Interpretation der Skalierenden und Formalen Strukturierung
22.3.4 Inhaltliche Strukturierung
22.4 Auswertung der Kommentare zu Vorschlag 4
22.4.1 Genauer Wortlaut des Vorschlags
22.4.2 Tabellarische Auswertung
22.4.3 Interpretation der Skalierenden und Formalen Strukturierung
22.4.4 Inhaltliche Strukturierung
22.5 Auswertung der Kommentare zu Vorschlag 5
22.5.1 Genauer Wortlaut des Vorschlags
22.5.2 Tabellarische Auswertung
22.5.3 Interpretation der Skalierenden und Formalen Strukturierung
22.5.4 Inhaltliche Strukturierung
22.6 Auswertung der Kommentare zu Vorschlag 6
22.6.1 Genauer Wortlaut des Vorschlags
22.6.2 Tabellarische Auswertung
22.6.3 Interpretation der Skalierenden und Formalen Strukturierung
22.6.4 Inhaltliche Strukturierung
22.7 Auswertung der Kommentare zu Vorschlag 7
22.7.1 Genauer Wortlaut des Vorschlags
22.7.2 Tabellarische Auswertung
22.7.3 Interpretation der Skalierenden und Formalen Strukturierung
22.7.4 Inhaltliche Strukturierung
22.8 Auswertung der Kommentare zu Vorschlag 8
22.8.1 Genauer Wortlaut des Vorschlags
22.8.2 Tabellarische Auswertung
22.8.3 Interpretation der Skalierenden und Formalen Strukturierung
22.8.4 Inhaltliche Strukturierung
22.9 Auswertung der allgemeinen Kommentare
22.9.1 Tabellarische Auswertung
22.9.2 Interpretation der Skalierenden und Formalen Strukturierung
22.9.3 Inhaltliche Strukturierung
23 Frage 5.2: Vernetzung mit den Landesarbeitsgemeinschaften
23.1 Genauer Wortlaut der Frage
23.2 Tabellarische Auswertung
23.3 Interpretation der Skalierenden und Formalen Strukturierung
23.4 Inhaltliche Strukturierung
24 Frage 5.3: Vernetzung mit dem Landesvorstand
24.1 Genauer Wortlaut der Frage
24.2 Tabellarische Auswertung
24.3 Interpretation der quantitativen Ergebnisse
24.4 Inhaltliche Strukturierung
25 Frage 6: Bürger auf inhaltlicher und persönlicher Ebene erreichen
25.1 Auswertung der Kommentare zu Vorschlag 1
25.1.1 Genauer Wortlaut des Vorschlags
25.1.2 Tabellarische Auswertung
25.1.3 Interpretation der Skalierenden und Formalen Strukturierung
25.1.4 Inhaltliche Strukturierung
25.2 Auswertung der Kommentare zu Vorschlag 2
25.2.1 Genauer Wortlaut des Vorschlags
25.2.2 Tabellarische Auswertung
25.2.3 Interpretation der Skalierenden und Formalen Strukturierung
25.2.4 Inhaltliche Strukturierung
25.3 Auswertung der Kommentare zu Vorschlag 3
25.3.1 Genauer Wortlaut des Vorschlags
25.3.2 Tabellarische Auswertung
25.3.3 Interpretation der Skalierenden und Formalen Strukturierung
25.3.4 Inhaltliche Strukturierung
25.4 Auswertung der Kommentare zu Vorschlag 4
25.4.1 Genauer Wortlaut des Vorschlags
25.4.2 Tabellarische Auswertung
25.4.3 Interpretation der Skalierenden und Formalen Strukturierung
25.4.4 Inhaltliche Strukturierung
25.5 Auswertung der Kommentare zu Vorschlag 5
25.5.1 Genauer Wortlaut des Vorschlags
25.5.2 Tabellarische Auswertung
25.5.3 Interpretation der Skalierenden und Formalen Strukturierung
25.5.4 Inhaltliche Strukturierung
25.6 Auswertung der Kommentare zu Vorschlag 6
25.6.1 Genauer Wortlaut des Vorschlags
25.6.2 Tabellarische Auswertung
25.6.3 Interpretation der Skalierenden und Formalen Strukturierung
25.6.4 Inhaltliche Strukturierung
25.7 Auswertung der Kommentare zu Vorschlag 7
25.7.1 Genauer Wortlaut des Vorschlags
25.7.2 Tabellarische Auswertung
25.7.3 Interpretation der Skalierenden und Formalen Strukturierung
25.7.4 Inhaltliche Strukturierung
25.8 Auswertung der Kommentare zu Vorschlag 8
25.8.1 Genauer Wortlaut des Vorschlags
25.8.2 Tabellarische Auswertung
25.8.3 Interpretation der Skalierenden und Formalen Strukturierung
25.8.4 Inhaltliche Strukturierung
25.9 Auswertung der Kommentare zu Vorschlag 9
25.9.1 Genauer Wortlaut des Vorschlags
25.9.2 Tabellarische Auswertung
25.9.3 Interpretation der Skalierenden und Formalen Strukturierung
25.9.4 Inhaltliche Strukturierung
25.10 Auswertung der Kommentare zu Vorschlag 10
25.10.1 Genauer Wortlaut des Vorschlags
25.10.2 Tabellarische Auswertung
25.10.3 Interpretation der Skalierenden und Formalen Strukturierung
25.10.4 Inhaltliche Strukturierung
25.11 Auswertung der Kommentare zu Vorschlag 11
25.11.1 Genauer Wortlaut des Vorschlags
25.11.2 Tabellarische Auswertung
25.11.3 Interpretation der Skalierenden und Formalen Strukturierung
25.11.4 Inhaltliche Strukturierung
25.12 Auswertung der Kommentare zu Vorschlag 12
25.12.1 Genauer Wortlaut des Vorschlags
25.12.2 Tabellarische Auswertung
25.12.3 Interpretation der Skalierenden und Formalen Strukturierung
25.12.4 Inhaltliche Strukturierung
25.13 Auswertung der Kommentare zu Vorschlag 13
25.13.1 Genauer Wortlaut des Vorschlags
25.13.2 Tabellarische Auswertung der Kommentare
25.13.3 Interpretation der Skalierenden und Formalen Strukturierung
25.13.4 Inhaltliche Strukturierung
25.14 Auswertung der Kommentare zu Vorschlag 14
25.14.1 Genauer Wortlaut des Vorschlags
25.14.2 Tabellarische Auswertung
25.14.3 Interpretation der Skalierenden und Formalen Strukturierung
25.14.4 Inhaltliche Strukturierung
25.15 Auswertung der allgemeinen Kommentare
25.15.1 Tabellarische Auswertung
25.15.2 Inhaltliche Strukturierung
26 Frage 7: Mitwirkung bei der Umsetzung
26.1 Genauer Wortlaut der Frage
26.2 Tabellarische Auswertung
26.3 Interpretation der quantitativen Ergebnisse
27 Ausblick auf das weitere Verfahren
Literaturverzeichnis
Anhang
Anhang A: Satzung des Kreisverbands Wandsbek der GAL
Anhang B: Ergebnisprotokolle des Workshops
Anhang C: Fragebogen
1 Einleitung
In dieser Arbeit geht es darum herauszufinden, ob die Konzepte der Personalentwicklung auf die Arbeit in politischen Parteien übertragbar sind - und wenn ja, in welcher Form.
Dafür versuche ich zunächst zu klären, was Personalentwicklung ist und welche Denktraditionen in dieser Disziplin unterschieden werden können. Dann gebe ich einen Überblick über die Vorgehensweise der Personalentwicklung. Danach stelle ich dar, welche der beschriebenen Konzepte übertragbar sind auf politische Parteien, welche nicht und warum.
Meine Ausführungen im theoretischen Teil bleiben sehr allgemein. Das hängt damit zusammen, dass die Übertragbarkeit der Konzepte der Personalentwicklung auf die Arbeit in politischen Parteien in der Literatur bisher noch keine Aufmerksamkeit erfahren hat. Von daher versuche ich zunächst nur ganz grundsätzlich herauszufinden, ob sie in politischen Parteien anwendbar sind.
In meinem Praxisteil beschreibe ich, als Beispiel für den ersten Schritt zu systematischer Personalentwicklung in einer politischen Partei, meine Bedarfserhebung im Kreisverband Wandsbek der Grün-Alternativen Liste (GAL).
Teil 1: Theorie
2 Der Begriff „Personalentwicklung“
Mitte der siebziger Jahre hielt der Begriff „Personalentwicklung“ in der deutschsprachigen betriebswirtschaftlichen Literatur Einzug. Alt bekannte Themen, wie Aus- und Weiterbildung, Karriereplanung etc. wurden unter dem neuen Begriff zusammengefasst. Eine systematische Neukonzeption fand zunächst nicht statt.
Erst Anfang der achtziger Jahre nahmen sich zunehmend Arbeits- und Organisationspsychologen des Themas an und versuchten sich an einer neuen Systematisierung. „Dabei ist zu berücksichtigen, dass trotz einer Übereinstimmung in Teilbereichen nicht von einem allgemeinen Konsens über die Konzeption von Personalentwicklung ausgegangen werden kann. Sowohl Begriff als auch die damit verbundenen Inhalte weisen große Heterogenität und Unschärfe auf“ (Flohr und Niederfeichtner, 1982).
Neuberger stellt fest:
Meist wird die Entwicklung von (Einzel-)Personen oder sogar nur von Qualifikationen hervorgehoben, es werden der systematische, gezielte, absichtliche Gestaltungsprozeß und die Verantwortung des Managements oder der Personalabteilung betont; häufig wird auch auf den Zielkonflikt zwischen organisationalen und individuellen Interessen hingewiesen und die Möglichkeit seiner konstruktiven Lösungen behauptet.
Zusammenfassend gilt für die meisten Definitionen: PE wird personalisiert (individuelle Qualifikationen!), sie wird aufs Technische reduziert und instrumentalisiert, sie wird harmonisiert: Die Widersprüche, Probleme und Konfliktfelder werden eliminiert (Neuberger, 1994).
Ich werde mich im Folgenden auf einen weiteren Begriff von „Personalentwicklung“ beziehen, den ich am besten verdeutlichen kann, wenn ich die Perspektiven von Personalentwicklung darstelle. Vorab mache ich einen kurzen Exkurs, was unter dem Begriff „Personal“ zu verstehen ist.
Exkurs: Personal
Der Begriff „Personal“ ist nicht zu verwechseln mit „Person“. Hier sind die Menschen ohne Ansehen der Person gemeint, „die Mitgliederschaft, die in Reih’ und Glied steht und so gegliedert (= einer systematischen Ordnung unterworfen) ihre Funktion erfüllt. … Produkt des Personalwesens ist Personal, nicht die Persönlichkeit“ (Neuberger, 1994).
Die Gratwanderung besteht dabei auf der einen Seite darin, die Steuerung so straff zu handhaben, dass die Organisation beherrscht werden, und auf der anderen Seite, so viel Freiheit zuzulassen, dass der einzelne trotzdem noch kreativ sein kann.
Es ist anzumerken, dass Organisation an sich zwar die Freiheit des einzelnen beschneidet, andererseits aber nur durch eine gewisse Organisation die Freiheit sich einzubringen erst möglich gemacht wird. Darüber hinaus besteht eine Wechselwirkung: Die Organisation als Gesamtheit ihrer Mitglieder wirkt auf den Einzelnen ein, aber auch der Einzelne wirkt auf die Organisation ein. Das einzelne Mitglied ist also nicht einseitig den Einflüssen der Organisation ausgeliefert.
2.1 Perspektiven der Personalentwicklung
Das Objekt der Personalentwicklung wird sehr häufig nur in der Person des Mitarbeiters gesehen. Dabei wird die systemische Sicht außer acht gelassen, dass auch die Teilbereiche „Gruppe“ und „objektive Gegebenheiten“ im Leistungsprozess eine Rolle spielen. Auf ein Individuum angewendete Maßnahmen wirken sich nicht nur auf das Individuum selbst aus, sondern gleichzeitig immer auch auf die Gruppe und die organisatorischen Bedingungen. Gleiches gilt, wenn man Einfluss auf eine der anderen Perspektiven nimmt. Ebenso können die anderen beiden Perspektiven dafür verantwortlich sein, dass eine Maßnahme ins Leere läuft oder kontraproduktiv wirkt. Jede der drei Perspektiven ist zugleich Objekt (auf sie wirken die anderen beiden Perspektiven ein) und Subjekt (sie wirkt auf die anderen beiden Perspektiven ein).
Jede Maßnahme in einer Organisation ist immer auch Personalentwicklung. Gewollt oder ungewollt wirkt jene immer auf alle drei Systeme und verändert sie. Ziel der Personalentwicklung ist es natürlich zielgerichtet zu intervenieren, bewusst zu beeinflussen, bestimmte Ergebnisse zu erzielen. Darum muss man von vornherein die anderen Perspektiven mitdenken.
2.1.1 Personale Perspektive
Die personale Perspektive betrifft die Qualifikationen, Einstellungen, Verhaltensweisen, Kompetenzen, Fähigkeiten etc. einer Person.
Ganz bekannt in diesem Zusammenhang ist das Konzept der Schlüsselqualifikation: Das Konzept wurde 1974 von Mertens entwickelt und in der Folge von seinen Nachfolgern mehrfach modifiziert. Grundlage für das Konzept ist die Annahme, dass durch die immer schneller wechselnden Arbeitsinhalte, -methoden und –mittel nicht mehr so sehr spezielle Lerninhalte zählen, sondern Methoden, mit denen sich jemand Wissen aneignen kann. Die letzte mir bekannte Version des Konzepts wurde 1991 von Bunk, Kaiser und Zedler veröffentlicht (vgl. Abb. 1).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Schlüsselqualifikationen (eigene Darstellung nach Vorlage von Bunk, Kaiser und Zedler, 1991)
Bunk, Kaiser und Zedler gehen davon aus, dass die so genannte Fach-, Methoden- und Sozialkompetenz maßgeblich für das flexible Anpassen an die sich ständig erneuernden Arbeitsprozesse ist. Welche konkreten Qualifikationen darunter zu verstehen sind, hängt von dem jeweiligen Unternehmen ab, seinen Zielen und Visionen, seiner Kultur etc.
Es ist bisher empirisch noch nicht nachgewiesen worden, dass Schlüsselqualifikationen durch Aus- und Weiterbildung überhaupt erreicht werden können. Weiterhin wurde bis jetzt auch noch nicht bewiesen, dass eine Person eine bessere Leistung im Beruf zeigt, wenn sie eine Ausbildung nach dieser Theorie, im Vergleich zu einer traditionellen Ausbildung durchlaufen hat.
Meiner Meinung nach ist auch das theoretische Fundament nicht tragfähig: Der Begriff der Schlüsselqualifikation wurde ohne die fachwissenschaftliche Fundierung durch die Psychologie und Pädagogik gebildet. Ausgangspunkt war somit nicht etwa eine Theorie des Arbeitshandelns, wie sie zum Beispiel Hacker in seiner Handlungs-Regulations-Theorie entwickelt hat. Vielmehr hat man sich ausschließlich auf den Gedanken beschränkt, dass der immer schnellere Wandel der Zeit flexible Menschen fordert und daraufhin eine Liste mit Qualifikationen erstellt, die dieser Tatsache Rechnung tragen sollen und dem Augenschein nach Validität besitzen. Alles andere, das auch für das Arbeitshandeln wichtig sein könnte, wurde ausgeklammert. Wissenschaftliche Untersuchungen zur Validierung des Konzepts wurden meines Wissens nach nicht durchgeführt.
Trotzdem spielt das Konzept eine große Rolle in der betrieblichen Aus- und Weiterbildung.
2.1.2 Interpersonale Perspektive
Die Beziehung, die zwei und mehr Personen zu- und miteinander haben, ist weder in der einen Person angelegt noch in der anderen. Es liegt zwischen ihnen – interpersonal.
Bei einer Analyse ist es jedoch wichtig, nicht nur die formalisierten Rollen der Beteiligten zu beachten; die dahinter stehenden Persönlichkeiten geben den Rollen ihre Nuancen.
Computergestützte Planspiele, die Management- oder Organisationsabläufe simulieren sollen, vernachlässigen diese und die personale Perspektive, weshalb ihre Ergebnisse die Realität nie abbilden können.
2.1.3 Apersonale Perspektive
Die organisatorischen Rahmenbedingungen wirken meist unbeachtet, unbemerkt: Es handelt sich entweder um verinnerlichte Organisationskultur oder um Sachzwänge, etwa durch die technische Ausstattung, Architektur und Formulare.
Die Handlungen der Einzelnen sind vororganisiert. Der Einzelne kann nicht einfach arbeiten, was ihm gefällt und wie es ihm gefällt, er muss sich an die vorgegebenen Aufgaben, Ziele, Strukturen und Arbeitsmittel halten. Andererseits sind die Strukturen nicht dinglich, sie entstehen immer wieder in der (Inter-)Aktion neu.
Wenn ich im Folgenden über Personalentwicklung schreibe, meine ich also immer alle drei Perspektiven (vgl. Abb. 2).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Perspektiven der Personalentwicklung (eigenen Darstellung nach Vorlage von Neuberger, 1994)
3 Strömungen der Personalentwicklung
Neuberger (1994) hat als einer der wenigen den Versuch unternommen die verschiedenen Ansätze der Personalentwicklung zu strukturieren. Er hat sie zu drei Strömungen zusammengestellt. Ich halte die Struktur für sehr gelungen und beziehe mich daher in diesem Abschnitt fast ausschließlich auf Neubergers Ausführungen.
3.1 Rationales Problemlöse- und Entscheidungsmanagement
Die Grundlage des rationalen Problemlöse- und Entscheidungsmanagements bildet die operante Lerntheorie:
Ein Defizit wird beobachtet und in Art und Häufigkeit des Auftretens erfasst. Lernziele werden definiert und operationalisiert. Maßnahmen werden zielbezogen und effizient angewandt. Für kognitive Probleme werden einsichtsvermittelnde Strategien empfohlen, für soziale Probleme Imitations- und Modelllernen. Fortschrittsmessungen sollen das Kosten-Nutzen-Verhältnis darlegen, negative und positive Verstärkung den Fortschritt festigen.
Zu den Voraussetzungen dieser als sehr effektiv gepriesenen PE-Strategie [Personalentwicklungsstrategie; J. R.] gehört, daß
- die Lernziele präzis definiert und operationalisiert werden können,
- die Lernsituation weitgehend beherrscht werden kann (Ausschaltung oder Kontrolle externer Einflüsse),
- die individuellen Kontingenzen (Verhaltens-Verstärkungs-Beziehungen) nach Plan kontrolliert werden können,
- attraktive und wirksame Verstärker verfügbar sind,
- in der Lernsituation Bedingungen geschaffen werden, die die schnelle Löschung des neu angeeigneten Situations-Handlungs-Musters verhindern (Neuberger, 1994.).
Abgesehen von den Einschränkungen, die durch die Vorraussetzungen gegeben sind, stellt die einseitige Beachtung der Person-Ebene ein Problem dar. Zwar gibt es auch dem Rational-Ansatz verpflichtete Konzepte, die die interpersonelle und apersonelle Ebene versuchen einzubeziehen, diese befinden sich aber in der Minderheit.
Ein weiteres Problem ist das Fehlen eines übergeordneten Bezugssystems. Die Praktikerliteratur verzichtet auf die Klärung der Fragen, warum bestimmte Ziele verfolgt werden, warum bestimmte Maßnahmen ergriffen werden. Das Fehlen des theoretischen Rahmes macht die Auswahl von Vorgehensweisen beliebig und eine systematische Kritik und Bewertung unmöglich.
Ein unter dieses Konzept zu fassender Ansatz ist die Kontingenz-Theorie. Sie geht zurück auf den psychologischen Stimulus-Response-Ansatz. Allgemein gehen die Vertreter der Kontingenz-Theorie davon aus, dass die externen Gegebenheiten einer Organisation die internen bedingen. Ein bekannter Vertreter ist Thom: Er unterstellt
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Kontingenz-Theorie nach Thom (eigene Darstellung nach Vorlage von Neuberger, 1994)
außerbetriebliche, betriebliche und personelle Bedingungsgrößen, die auf die „Aktionsparameter der Unternehmensführung“ einwirken. Auf rationale Weise setzt diese dann geeignete „Qualifizierungsprozesse“ in Gang (vgl. Abb. 3).
An dieser Theorie ist die willkürliche Auswahl der Variablen zu beanstanden. Es liegt nämlich weder ein theoretisches Konzept zu Grunde, noch sind die Variablen durch empirische Untersuchungen gewonnen worden.
Ein weiterer Spezialfall des rationalen Problemlöse- und Entscheidungsmanagements ist das Job-Man-Fit-Modell von Conradi (1983). Für Conradi gibt es auf der einen Seite die Qualifikation und auf der anderen die Position. Dabei geht er davon aus, dass die Position, der „Job“, klar definiert ist und die Qualifikation durch rationale geplante Maßnahmen an sie angepasst werden muss. Folglich lautet Conradis Definition von Personalentwicklung: Personalentwicklung ist die „Summe von Maßnahmen … die systematisch, positions- und laufbahnorientiert eine Verbesserung der Qualifikationen der Mitarbeiter zum Gegenstand haben“ (ebd.). Die inter- und apersonale Perspektive findet keine Beachtung, dafür führt er eine Längsschnitt-Komponente ein, in dem er den laufbahnbezogenen Qualifikationsprozess betont. Seine schematische Darstellung dieses Prozesses wird häufig zitiert (vgl. Abb. 4)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Arten der Personalentwicklung (eigene Darstellung nach Vorlage von Conradi, 1983)
(1) PE – into – the – job umgreift Maßnahmen, die in zeitlicher, z. T. auch räumlicher Entfernung, aber weitgehender inhaltlicher Nähe auf die Übernahme einer Position vorbereiten, z. B. Programme zur Einführung neuer Mitarbeiter in den Betrieb, Maßnahmen der Berufsausbildung sowie die Einweisung an dem neuen Arbeitsplatz (Unterweisung).
(2) Als PE – on – the – job bezeichnen wir Maßnahmen, die unmittelbar am Arbeitsplatz im Vollzug der Arbeit stattfinden, also z. B. training-on-the-job. Unser Hauptaugenmerk wollen wir auf Maßnahmen richten, die durch schrittweise Veränderung der Arbeitsaufgaben eine Veränderung der Qualifikation nach sich ziehen.
(3) PE – near – the – job sind Maßnahmen, die in enger räumlicher, zeitlicher und inhaltlicher Distanz zur Position stattfinden wie Lernstatt und Entwicklungsarbeitsplatz.
(4) Unter PE – off – the – job wollen wir die traditionelle Weiterbildung behandeln, die üblicherweise in räumlicher, zeitlicher und inhaltlicher Distanz zur Position stattfindet und das Problem des Transfers der erworbenen Qualifikationen aufwirft.
(5) Laufbahnbezogene PE befasst sich mit dem systematischen Wechsel von Arbeitsplätzen im Laufe der Zugehörigkeit eines Mitarbeiters zum Unternehmen (Karriereprogramme) und beinhaltet oft eine Verknüpfung der vorhergenannten PE-Maßnahmen.
(6) PE – out – of – the – job meint Maßnahmen, die den Übergang vom Erwerbsleben in den beruflichen Ruhestand erleichtern sollen (Ruhestands-vorbereitungsprogramme) (Conradi, 1983).
3.2 Phasen-Modelle
Im Gegensatz zum Rational-Ansatz, bei dem davon ausgegangen wird, dass eine Person aktiv entwickelt werden kann, glauben Vertreter des Phasen-Ansatzes, dass ein System eine bestimmte Abfolge von Entwicklungsschritten durchläuft, die unabänderlich ist. Dabei sind für alle drei Perspektiven der Personalentwicklung Modelle entwickelt worden:
3.2.1 Person-Entwicklung
Bekannte Vorläufer der Phasen-Modell-Vertreter beruflicher Person-Entwicklung sind Freud und Erikson. Ihre entwicklungspsychologischen Phasenmodelle für das Kind- und Jugendalter wurden weiterentwickelt, an das Berufsleben angepasst und sind heutzutage unter dem Titel „Life-Styling-Ansatz“ bekannt. Ein Mensch trifft während seines Lebens zu ungefähr festgelegten Zeitpunkten auf bestimmte Probleme, die es zu bewältigen gilt. Die Bewältigung einer Krise ist Voraussetzung, um in die nächste Entwicklungsstufe eintreten zu können. Auch Schein hat diesen Ansatz verfolgt (vgl. Abb. 5).
Die Aufgabe der Personalentwicklung besteht nach dem Phasen-Ansatz darin, der Person zu helfen mit den Krisen konstruktiv umzugehen. Die Personalentwicklung kann nur mit ihnen arbeiten, nicht gegen sie.
Abbildung 5: Phasen beruflicher Entwicklung nach Schein (eigene Darstellung nach Vorlage von Neuberger, 1994)
3.2.2 Gruppen-Entwicklung
Nach Ansicht der Gruppen-Dynamik-Vertreter durchlaufen auch Gruppen bestimmte Phasen. Das wohl bekannteste und einfachste Modell stammt von Tuckman. Er postuliert vier Phasen die eine Gruppe unweigerlich nacheinander durchläuft (zitiert nach Neuberger, 1994):
1. Forming: Auch Testphase genannt. Die Gruppe hat sich gerade zusammengefunden. Die Atmosphäre ist höflich, unpersönlich, gespannt und vorsichtig.
2. Storming: Auch Nahkampfphase genannt. Es beginnt der Kampf um die Positionen, Rollen, Besitzstände etc. Konflikte werden explizit oder unterschwellig ausgetragen. Cliquenbildung ist keine Seltenheit. Diese Phase ist häufig geprägt von dem Gefühl des Nicht-Vorankommens und der Ausweglosigkeit.
3. Norming: Auch Organisierungsphase genannt. Die Rangordnung und die Rollen sind geklärt und werden von allen akzeptiert. Es werden neue Umgangsformen und Verhaltensweisen entwickelt. Nicht mehr die persönlichen Konflikte stehen im Vordergrund, sondern es wird sachbezogen diskutiert.
4. Performing: Auch Verschmelzungsphase genannt. Erst jetzt ist die Gruppe in der Lage, die ihr gestellten Aufgaben zu bearbeiten. Die Atmosphäre ist offen, solidarisch und hilfsbereit. Die Gruppe ist leistungsfähig, flexibel und ideenreich.
Dieses Modell wurde von vielen Autoren übernommen und zum Teil weiterentwickelt, wie zum Beispiel von Francis und Young (1996).
Andere Phasenansätze sehen das Gruppenproblem im Verhältnis von Macht und Abhängigkeit zwischen dem Führer und den Geführten und postulieren typische Phasen des Umgangs mit diesem Problem. Vertreter dieses Ansatzes sind zum Beispiel Bion und Bennis und Shepard.
In der Praktikerliteratur werden dem Entwickler auf die einzelne Phase zugeschnittene, unterstützende Hilfsmaßnahmen vorgeschlagen.
Die Quintessenz von allen gruppenbezogenen Phasenansätzen lautet, dass eine allein sachbezogene Entwicklung von Gruppen zu kurz greift. Ganz im Gegenteil sind die Gruppendynamiker der Meinung, dass am Anfang der Gruppenentwicklung grundsätzlich die Klärung der Beziehungsebene stehen muss, bevor man zu den Sachproblemen vordringen kann.
3.2.3 Organisationsentwicklung
Genau wie bei der Person- und Gruppen-Entwicklung werden bezüglich der Organisationsentwicklung Phasen beschrieben, die ein Unternehmen durchläuft. Ein sehr anschauliches Beispiel stammt von Greiner (nach Neuberger, 1994):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6: Wachstumsphasen einer Organisation nach Greiner (eigene Darstellung nach Vorlage von Neuberger, 1994)
Am Anfang steht die Gründung des Unternehmens. Mit zunehmendem Alter und zunehmender Größe ist das Unternehmen spezifischen Krisen ausgesetzt, die Greiner „Revolutionäre Stufen“ nennt, um die innewohnende Chance der Krisen hervorzuheben. Geht ein Unternehmen konstruktiv mit einer Krise um, tritt es auf die nächst höheren Evolutionsstufe. Bewältigt es die Krise nicht, degeneriert es und scheidet aus dem Markt aus (vgl. Abb.6).
Bestimmte Entwicklungsstufen einer Organisation bedingen bestimmte Maßnahmen der Personalentwicklung. Umgekehrt gilt auch: Unangepasste Personalentwicklungsmaßnahmen laufen ins Leere oder sind sogar kontraproduktiv.
Zu den Phasenmodellen ist kritisch anzumerken, dass sie nur mangelhaft empirisch belegt sind. Das scheint ihrer Beliebtheit bei den Praktikern dennoch keinen Abbruch zu tun.
3.3 Personalentwicklung als Selbstorganisation
Bei dieser Gruppe von Modellen wird die dezentrale Selbstorganisation von Personalentwicklungsmaßnahmen in den Vordergrund gestellt. Es wird davon ausgegangen, dass die Komplexität des Geschehens innerhalb und außerhalb einer Organisation so groß ist, dass die zentrale Planung von Personalentwicklung - wie beim Rational-Ansatz - nicht möglich ist. Diese Gruppe von Modellen stellt den komplementären Ansatz zum rationalen „Lücken-Management“ dar.
Ein Beispiel für den Selbstorganisations-Ansatz stellt das Evolutionsmodell, auch populationsökologischer Ansatz genannt, dar. Seinen Namen erhält es durch die Parallelisierung zur biologischen Evolutionstheorie: Organisationen werden als „Arten“ beschrieben. Ihre Produkte und Dienstleistungen stehen aufgrund der Marktkonkurrenz (der „feindlichen Umwelt“) unter einem starken Selektionsdruck. Die Folge: Nur angepasste „Mutationen“ können überleben. Die Konstruktions- und Arbeitsprinzipien der erfolgreichen Unternehmen dienen in der Folge als Vorbild für die anderen Unternehmen, um ihr eigenes Überleben zu sichern.
Das Kernstück dieses Modells betrifft die „Mutationen“: Sie treten nach dieser Theorie, wie bei der biologischen Evolutionstheorie, ungeplant, zufällig auf. Damit steht diese Theorie in vollständigem Widerspruch zum Rational-Modell. Im Rational-Modell wird behauptet, dass es die optimale Organisation gibt, zu der man ein Unternehmen aktiv entwickeln kann. Beim Evolutionsmodell wird davon ausgegangen, dass es nicht vorhersehbar ist, wie sich die Umwelt entwickelt. Ihre Komplexität, Mehrdeutigkeit und Widersprüchlichkeit mache eine rationale Analyse, wie eine Organisation erfolgreich überleben könne unmöglich. Insofern gibt es keine Zielgröße auf die hinzuarbeiten Sinn macht. Das einzige, was den Organisationen übrig bleibt, ist kreative und innovative Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln und am Markt zu testen.
Die systemische Organisationstheorie ist ein weiteres Modell, dass dieser Strömung zugerechnet werden kann. Die Vertreter dieses Ansatzes gehen von einer unüberschaubaren Vernetzung der Organisation nach innen und auch nach außen aus. Folglich sind personalentwicklerische Maßnahmen in ihrer Wirkungsweise nicht planbar.
Für die Personalentwicklung bedeutet dies: Es macht keinen Sinn lokal einzugreifen, wenn man nicht weiß, was es bewirken wird. Besser ist es, eine globale Richtlinie zu erstellen und den Subsystemen möglichst viel Freiraum zu geben, um selbst zu entscheiden, welche personalentwicklerischen Maßnahmen angemessen sind. Mit Subsystem ist in diesem Fall jeder einzeln Mitarbeiter gemeint, dem die Verantwortung für die Entwicklung der Organisation in die Hand gegeben wird. Die zentrale Personalentwicklung soll nach diesem Modell nur noch beratend zur Verfügung stehen.
Ein solches PE-Verständnis würde durch Widersprüche, Störungen etc. nicht irritiert sein, sondern sie im Gegenteil als notwendige Information oder Auslöser für Veränderungsprozesse sehen. Entwicklung gilt dabei als ein diskontinuierlicher Prozess mit Brüchen und Strukturkrisen, der irreversibel in der Zeit und eng verflochten mit dem relevanten Umfeld abläuft. Es geht um den Aufbau von Ordnung … die sich stets aufs Neue in der umgebenden Unordnung zu bewähren hat und darum nicht statisch und stabil sein darf (Neuberger, 1994).
4 Vorgehensweise in der Personalentwicklung
Personalentwicklung besteht, unabhängig von den genannten Strömungen, aus drei Arbeitsschritten: Bedarfserhebung, Intervention, Evaluation. Jede Strömung nutzt allerdings, die für sie typischen Methoden für die einzelnen Arbeitsschritte.
Auf die Bedarfserhebung, insbesondere die Methoden „Moderation“ und „Mitarbeiterbefragung“, werde ich vor allem eingehen, da sich der praktische Teil meiner Arbeit mit der Bedarfserhebung beschäftigt. Die Kapitel „Intervention“ und „Evaluation“ werde ich dagegen nur kurz anreißen.
4.1 Bedarfserhebung
Die alte Binsenweisheit, dass man nur dann weiß, ob man angekommen ist, wenn man vorher das Ziel kennt, trifft auch hier zu.
Abbildung 7: Informationsquellen zur Ermittlung des Personalentwicklungsbedarfs (eigene Darstellung nach Vorlage von Jeserich, 1982)
Werden ... ad hoc Maßnahmen formuliert bzw. akzeptiert, statt erst einmal gründlich zu definieren, was damit erreicht werden soll bzw. welche Probleme damit zu beseitigen sind, werden solche Maßnahmen schnell zu wenig hilfreichen und nützlichen Aktivitäten … Erst die sorgfältige und exakte Bedarfsanalyse legitimiert die Weiterbildung und sie ist auch einer der Garanten für den Weiterbildungserfolg … Die Festlegung von Weiterbildungsmaßnahmen hingegen ohne Rücksicht auf diese Erkenntnisse und sozusagen aufgrund höherer Einsicht in das, was anderen nützlich zu erscheinen hat, ist heute noch weit verbreitet (Leiter et al., 1982).
Beispiele für Informationsquellen zur Erhebung des Personalentwicklungsbedarfs hat Jeserich (1982) zusammengestellt (vgl. Abb. 7).
Jeserich unterscheidet zwischen subjektiver Bedürfniserfassung und problemorientierter Bedarfsanalyse. Bei der subjektiven Bedürfniserfassung handelt es sich meistens um die Befragung von ranghohen Führungskräften. Das Problem besteht darin, dass die Wünsche dieser Führungskräfte häufig nicht mit den Wünschen ihrer Mitarbeiter und dem wirklichen Bedarf übereinstimmen. Die problemorientierte Bedarfsanalyse dient nach Jeserich daher der Objektivierung und Systematisierung des Bedarfs. Weiterhin teilt Jeserich die Quellen danach ein, ob sie nur Aussagen über Soll-Vorstellungen treffen oder auch über die Abweichung zwischen Ist- und Soll- Zustand.
Bronner (1983) teilt die Bedarfserhebungsmethoden nach einer anderen Struktur ein. Gleichzeitig bietet seine Aufzählung zum Teil eine Ergänzung der von Jeserich genannten Methoden (vgl. Abb. 8).
Abbildung 8: Instrumente der Erfolgssteuerung in der Problemanalysephase (eigene Darstellung nach Vorlage von Bronner, 1983)
Bronner unterscheidet zwischen der Wahrnehmung von Problemen und ihrer Analyse. Die Methoden, die er zur Wahrnehmung von Problemen aufzählt, sollen helfen, ein vermutetes, also noch nicht direkt artikuliertes Problem auszumachen. Die anderen Methoden sollen dann der Analyse des aufgedeckten Problems dienen. Diese Unterscheidung ist vergleichbar mit der von Jeserich in „subjektive Bedürfniserfassung“ und „problemorientierte Bedarfsanalyse“. Neu hingegen ist die Unterscheidung in „Auswertung betrieblicher Datenbestände“ und „Auswertung menschlicher Wissenspotenziale“.
Die Anzahl der Quellen und Erhebungsmethoden ist sehr groß und sie sind sehr vielfältig. Das hängt damit zusammen, dass für unterschiedliche Probleme und für unterschiedliche Organisationen unterschiedliche Methoden geeignet sind. Von daher kann es sein, dass auch ganz andere Methoden als die aufgezählten eingesetzt werden müssen. Der Kreativität bei der Suche nach Informationsquellen sind keine Grenzen gesetzt. Und um ein möglichst valides Ergebnis zu erzielen, ist es in manchen Fällen außerdem zu empfehlen, verschiedene Methoden zum Einsatz zu bringen.
Die beschriebenen Systeme von Bronner und Jeserich versuchen die Erhebungsmethoden zu ordnen. Neuberger (1994) hingegen hat ein System zur Einordnung des ganzen Bedarfserhebungsprozesses entwickelt:
1. zeitliche Dimension:
a) aktueller Bedarf: Es wird auf erkannte Defizite reagiert.
b) künftiger Bedarf: Auf einen prognostizierten Bedarf hin werden Maßnahmen ergriffen. Die Prognosen werden entweder anhand von aktuellen Entwicklungen der Umwelt erstellt oder anhand der geplanten Veränderungen innerhalb der Organisation.
2. Gewichtung: Je nachdem, wie dringlich der Bedarf erscheint, wird er sofort, später oder gar nicht befriedigt.
3. Zielinhalte:
a) defizitorientiert: Es geht darum, die bestehenden Schwächen zu beseitigen.
b) chancenorientiert: Es sollen die Potenziale genutzt, die Stärken ausgebaut werden.
4. Wer stellt den Bedarf fest? Der Bedarf kann beispielsweise von einer der folgenden Gruppen diagnostizieren werden:
-Manager
-Vorgesetzte
-Mitarbeiter
-Personalentwicklungsspezialisten
-Bildungsbeauftragte
-externe Berater
Die einzelnen Gruppen haben unterschiedlich gute Chancen, den von ihnen festgestellten Bedarf durchzusetzen.
Außerdem stehen den einzelnen Gruppen unterschiedliche Instrumente zur Verfügung, den Bedarf festzustellen, so dass jede Gruppe durch die ihr eigene Suchweise eine eigene Sichtweise auf den Bedarf bekommt.
Nicht außer Acht zu lassen ist auch die politische Dimension der Bedarfserhebung: Handelt es sich um Selbst- oder Fremdbeobachtung, erfolgt sie spontan oder auf Anordnung; sind die Beobachtungskategorien frei oder vorgegeben, wird der Bedarf von einem einzelnen oder einer Gruppe beobachtet usw.
5. Suchmethode
a) reaktiv: Reaktive Verfahren sind beispielsweise Befragungen und Gruppendiskussionen. Die Objekte der Untersuchung erhalten die Möglichkeit, ihre Sicht zu schildern.
b) nonreaktiv: Es wird zum Beispiel von Dokumenten ausgegangen.
6. In welcher Sprache wird der Bedarf festgestellt? Es kann nur das beschrieben werden, was gesehen wird. Es wird nur das gesehen, was beschrieben werden kann. Das heißt, dass die Sprache (zum Beispiel die Sprache des Rational-Ansatzes) maßgeblich dafür verantwortlich ist, was als Bedarf benannt wird.
Dieses System kann helfen, die Motive zu klären, warum Personalentwicklung betrieben werden soll. Weiterhin dient es dazu, sich vor Augen zu führen, welches die wesentlichen Aspekte sind, auf die bei der Auswahl einer geeigneten Methode geachtet werden muss. Von außen gesehen kann mit dieser Struktur der Prozess einer Bedarfserhebung auf seine Akzentsetzung hin klassifiziert werden.
In dieser Arbeit beziehe ich mich immer wieder auf die einzelnen Aspekte dieses Schemas.
4.1.1 Moderation
Ausgehend von der Beobachtung, dass eine gleichberechtigte, verbale Kommunikation in größeren Gruppen (ab 5 Personen) nicht möglich ist wurde die Moderationsmethode entwickelt. Sie ist auch bekannt unter dem Namen Metaplantechnik. Sie eignet sich besonders für komplexe, konfliktträchtige, relativ unstrukturierte Probleme mit vielen Beteiligten. Vorraussetzung ist, dass die Lösung des Problems noch offen ist für Mitwirkung. Ja-/Nein-Entscheidungen werden besser mit anderen Methoden gefällt. Ihre Ziele lauten daher (nach Leiter et al., 1982):
- hierarchiefreies arbeiten ermöglichen
- Teilnehmer motivieren
- Kreativität fördern
- durchführbare Ergebnisse gewinnen
Es handelt sich hierbei eigentlich nicht um eine spezielle Bedarfserhebungsmethode, sondern um eine Diskussionstechnik für Gruppen. Sie kann aber natürlich auch bei der Frage nach einem Bedarf und seiner Befriedigung angewendet werden.
Leiter et al. (1982) beschreiben die Hauptphasen einer Moderation wie folgt:
1. Einstieg: Aufwärmen, Problembewusstsein schaffen, Bedürfnisse und Interessen sichtbar machen
2. Bearbeitung des Problems: Problemfragen, Problemspeicher, Kleingruppenarbeit, Vorstellen der Ergebnisse, Rückkopplung
3. Finale: Tätigkeitskatalog, Zufriedenheit und Gruppenklima feststellen
Ein großer Unterschied zu anderen Bedarfserhebungsmethoden besteht darin, dass die Betroffenen nicht nur das Problem analysieren sondern auch selbst Lösungen erarbeiten. Dadurch identifizieren sie sich sehr stark mit den Lösungsvorschlägen. Der hohe Grad an Verbindlichkeit, der durch das schriftliche Festhalten der Lösungsvorschläge entsteht, bewirkt wiederum eine große Handlungsbereitschaft. Das ist der erste Schritt zur Problemlösung.
Andere Bedarfserhebungsmethoden haben selbst wenn sie den Betroffenen die Möglichkeit zu einer eigenen Analyse geben, die Schwierigkeit Problembewusstsein zu vermitteln. Durch das häufig nur mangelnde Interesse der Befragten an der Bedarfserhebung werden die Ergebnisse nicht selten verfälscht.
Die Anwendung der vorgefertigten Schemata anderer Analysemethoden führt dazu, dass nur bestimmte Ergebnisse herauskommen können. Bei der Moderationsmethode gibt es keine vorherbestimmten Kategorien und somit auch keine vorherbestimmten Ergebnisse. Der Aktionsplan ist Ausdruck der Teilnehmerinteressen.
Die Kombination mit anderen Bedarfserhebungsmethoden ist unproblematisch und eventuell sogar sinnvoll.
4.1.2 Mitarbeiterbefragung
Die Mitarbeiterbefragung wird in der Organisations- und Personalentwicklung mit am häufigsten verwendet.
Mitarbeiterbefragungen können einerseits anhand ihres morphologischen Aussehens unterschieden werden, andererseits anhand ihrer Einbettung in eine Gesamtstrategie.
Vom morphologischen Standpunkt aus betrachtet können Mitarbeiterbefragungen durch folgende drei globale Fragen eingeteilt werden (Jöns, 1997):
- Wer wird gefragt?
- Was wird gefragt?
- Wie wird gefragt?
Eine Auswahl der wichtigsten Faktoren einer Mitarbeiterbefragung, die diese drei Fragen betreffen, haben Ladwig und Domsch zusammengestellt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 9: Formen der Mitarbeiterbefragung – morphologische Matrix (eigene Darstellung nach Vorlage von Ladwig und Domsch, 1997)
Bezüglich der Einbettung in eine Gesamtstrategie unterscheidet Borg (2001) vier Haupttypen der Mitarbeiterbefragung (Abb. 10).
Die Meinungsumfrage sollte besser Meinungs- und Einstellungsumfrage genannt werden, da nicht nur Meinungen, sondern auch Einstellungen abgefragt werden. Es geht darum, die Sicht der Mitarbeiter zu erfahren. Deshalb stellt die Meinungsumfrage ein Instrument der Aufwärtskommunikation dar. Außerdem wird sie dazu eingesetzt zu überprüfen, ob das, was das Management denkt, was die Mitarbeiter denken, richtig ist. Da man „erst einmal schauen“ möchte, was bei der Untersuchung herauskommt, sind Planungen für das weitere Vorgehen, Fortführen oder Wiederholen im Vorfeld der Untersuchung nicht zwingend erforderlich.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 10: Die vier Haupttypen von Mitarbeiterbefragungen und einige ihrer Merkmale (eigene Darstellung nach Vorlage von Borg, 2001)
Mit der Benchmark-Umfrage sollen verlässliche Kennzahlen im Bereich der weichen Unternehmensfaktoren gewonnen werden. Diese werden anschließend mit den diesbezüglichen Normen in Beziehung gesetzt. Nachfolgeaktivitäten sind auch hier im Vorwege nicht geplant. Sie hängen von den Ergebnissen ab.
Die klare Unterscheidung, die in der Tabelle (Abb. 10) zwischen der Survey-Feedback-Methode und dem Auftau- und Einbindungsmanagement-Programm getroffen wurde ist in Praxis und Literatur in Wirklichkeit nicht existent. Ihre Übergänge sind fließend und in der Regel firmiert beides unter dem Namen Survey-Feedback.
Grundsätzlich geht es um die Ein- beziehungsweise Fortführung eines Kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP) im Rahmen des Total-Quality-Management (TQM). Inhaltlich sind alle Fragen denkbar, die bedeutsam sind für das Erreichen der Ziele der Organisation. Es geht einerseits darum die Zufriedenheit der Mitarbeiter auch und vor allem der unteren Hierarchieebenen zu erheben und andererseits darum Probleme zu identifizieren. Im Vorwege gibt es schon umfassende Planungen zur Rückspiegelung der Ergebnisse in die Organisation und anschließende umfassenden Interventionsprozesse auf allen Ebenen. Zum Abschluss, beziehungsweise zum Einstieg in den nächsten Kreislauf werden die Maßnahmen evaluiert, in wie weit sie einerseits die Arbeitszufriedenheit gesteigert und andererseits zur Erreichung der Unternehmensziele beigetragen haben.
Borg unterschiedet folgende vier Hauptphasen (vgl. Abb. 11):
1. Die erste Phase dient dazu, die Umfrage vorzubereiten, durchzuführen und zu analysieren.
2. Die zweite Phase umfaßt die Auseinandersetzung mit den Befunden im Top-Management. Dieses muß die Befunde u. a. im Kontext der Ziele der Organisation interpretieren und die wichtigsten Handlungsfelder für die Gesamtorganisation festlegen.
3. In der dritten Phase werden die Ergebnisse den weiteren Führungsebenen und dann den einzelnen Arbeitsgruppen zurückgespiegelt. Dort werden sie diskutiert, der Handlungsbedarf wird ermittelt, Aktionspläne werden erstellt.
4. In der vierten Phase gehen diese nach entsprechender Koordinierung in die Umsetzung. Gleichzeitig werden sie gegenüber der Organisation „vermarktet“. Schließlich findet das AEMP [Auftau- und Einbindungsmanagement-Programm; J. R.] mit einer Evaluation seiner Prozesse und Ergebnisse ihren Abschluß. Damit ist ein AEMP-Zyklus durchlaufen, dem sich weitere anschließen (können) (Borg, 2001).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 11: Die vier Hauptphasen und die Hauptschritte der Survey-Feedback-Methode (eigene Darstellung nach Vorlage von Borg, 2001)
Jede Strategie hat eine eigene Aufgabe, die von einer anderen nicht übernommen werden kann. Um die passende Methode für eine Fragestellung zu finden, ist es deshalb wichtig, sich vorher die vier Typen zu vergegenwärtigen, ihren Nutzen, die jeweils benötigten Voraussetzungen und die mit ihnen verbundenen Kosten und Risiken.
4.1.3 Bedarfserhebung nach dem Rational-Ansatz
Da die allermeisten Schilderungen zur Bedarfsermittlung dem Rational-Ansatz verpflichtet sind, stelle ich die klassische Systematik kurz vor (nach Holling und Liepmann, 1995).
Zuerst wird der Soll-Zustand ermittelt:
Organisationsanalyse: Bei der Organisationsanalyse werden die Ziele der Organisation geklärt. Um zukünftige Ziele herauszufinden, werden Experten herangezogen, die Veränderungen (zum Beispiel technologischer Art) antizipieren und neue Anforderungen formulieren sollen. Um herauszufinden in wie weit die Abteilungen und Arbeitsgruppen, die aktuellen Ziele erreichen, werden folgende Verfahren vorgeschlagen:
- Dokumentenanalyse zu gesetzlichen, tarifrechtlichen, betrieblichen Grundlagen
- Dokumentenanalyse zur organisatorischen Effizienz und Effektivität
- organisationsdiagnostischen Verfahren, wie zum Beispiel das Inventar von Van de Ven und Ferry (1980)
Analyse der individuellen Ziele: Mitarbeiter sind stark motiviert die Qualifikationsangebote zu nutzen, um in der Hierarchie aufzusteigen. Voraussetzung: Es gibt genügend Aufstiegsmöglichkeiten. Zur Ermittlung der individuellen Ziele werden folgende Verfahren aufgezählt:
- Mitarbeiterbefragung
- Gespräche mit dem Vorgesetzten
- Diskussionen in Qualitätszirkeln
Dieser Teil der Bedarfsanalyse stellt eine Besonderheit von Holling und Liepmann (1995) dar. Von anderen Autoren, die dem Rational-Ansatz verpflichtet sind wird dieser Baustein selten aufgegriffen.
Aufgaben- und Anforderungsanalyse: In dieser Phase werden die in der Organisationsanalyse formulierten Rahmenziele spezifiziert: Es werden die Aufgabe der einzelnen Arbeitsplätze beschrieben und die dahinter liegenden psychischen Anforderungen bestimmt. Es wird empfohlen folgende Verfahren in der Kombination anzuwenden:
- umfassende Aufgabeninventare
- Fragebogenverfahren
- Beobachtungs- und Interviewverfahren
- Expertenanalysen
- Analyse von Dokumenten, zum Beispiel wissenschaftlichen Berichten
- Analyse kritischer Ereignisse
- Arbeitstagebücher
- Checklisten
- (quasi-)experimentelle Analysen
Nach der Ermittlung des Soll-Zustands wird der Ist-Zustand festgestellt:
Personanalyse: Mit der Personanalyse sollen die aktuellen Qualifikationen der einzelnen Mitarbeiter festgestellt werden. Dafür werden folgende Verfahren angeführt:
- Interviews und Fragebogenverfahren für Stelleninhaber und deren Vorgesetzte
- standardisierte Leistungsbeurteilungen
- standardisierte Testverfahren und Arbeitsproben
- Assessment-Center
Da man festgestellt hat, dass die Ergebnisse der einzelnen Untersuchungen nur zu einem geringen Grad miteinander korrelieren, wird die Kombination der Verfahren angeraten.
Bedarf wird nun definiert als die Differenz zwischen „Ist“ und „Soll“. Der so ermittelte Bedarf determiniert Art und Umfang der anzuwendenden Personalentwicklungsmaßnahmen.
An diesem Ansatz ist zu kritisieren, dass einseitig die Mitarbeiter an den Arbeitsplatz angepasst werden sollen. Eine Überprüfung, ob die Anpassung des Arbeitsplatzes an einen Mitarbeiter fruchtbarer wäre, findet nicht statt.
Abgesehen davon, sind die Analysen nur scheinrational. Es wird davon ausgegangen, dass der-Bedarf-an-sich gefunden werden kann und muss. Das ist allerdings zu bezweifeln. Zumindest bis heute gibt es keine Instrumente, die valide „Soll-“ und „Ist-Qualifikationen“ messen können.
Außerdem besteht ein relationales Problem zwischen „Soll-Zustand“ und „Ist-Zustand“ (Felsch, 1999): „Soll-Zustände“ bezeichnen tätigkeitsbezogene Qualifikationsanforderungen eines Arbeitsplatzes. Dem gegenüber stehen die personenbezogenen „Ist-Qualifikationen“ eines Bewerbers.
Die Frage lautet, wie man die Übereinstimmung der zwei Variablen unterschiedlicher Qualität überprüfen kann. Oder anders formuliert: Wie lässt sich von den benötigten Tätigkeiten auf die psychischen Funktionsvoraussetzungen schließen? In der Literatur wird diese Fragestellung auch als das „Transformationsproblem“ bezeichnet. Bis heute gibt es keine gesicherte Basis, welche psychischen Kategorien für die Bewältigung beruflicher Anforderungen tatsächlich relevant sind!
Die Folge dieser Probleme ist, dass der Bedarf einfach definiert wird, er wird gesetzt – und die Akteure, die die Definitionsmacht inne haben, können die Akzente setzen, wie sie möchten.
4.2 Intervention
Die Bedarfsermittlung und die Bedarfsdeckung finden in der Praxis nicht immer in dieser Reihenfolge statt. Teilweise werden Maßnahmen schon eingeleitet, bevor der Bedarf ermittelt wurde; teilweise ist eine Bedarfserhebung gar nicht vorgesehen, und manche Bedarfsermittlungsmethode gehört schon zur Intervention. Andererseits bedeutet ein ermittelter Bedarf nicht, dass er auch befriedigt wird.
Ist allerdings ein Bedarf ermittelt worden und hat man sich entschieden, ihn zu decken, entsteht die Frage nach der Art und Weise. Ein Bedarf impliziert keine bestimmte Art der Bedarfsdeckung. Hier eine willkürliche Auswahl an Interventionsmaßnahmen (nach Meier, 1991), die ihre Vielfältigkeit verdeutlichen soll:
- Beurteilungs- und Mitarbeitergespräche
- Coaching
- Job enrichment/enlagement/rotation
- Einarbeitung
- Einführung von Arbeitsgruppen
- Fernunterricht
- Gruppenberatungsgespräch
- Konferenz, Fachtagung, Messe
- Laufbahn-/Nachfolgeplanung
- Lehrgespräch
- Lernstatt
- Mentoring
- Motivationsinstrumente
- Praktikum
- Qualitätszirkel
- Supervision
- Traineeprogramm
- Übungs-/Juniorenfirma
Wie man sieht gibt es einen großen Spielraum, der grob gesagt, unterschieden werden kann nach:
- Ausrichtung (personal, interpersonal, apersonal)
- Dauer
- Kosten
- Ort
- Durchführende
- Methoden
Entscheidend ist, dass das Personalentwicklungskonzept zu dem Bedarf passt.
Vergleicht man die Angebote von Beratungs- und Trainingsunternehmen und Personalentwicklungsabteilungen, fällt auf, dass die Maßnahmen fast immer auf die personale Ebene ausgerichtet sind. Das verwundert nicht, wenn man weiß, dass auch die Bedarfserhebungsmethoden fast ausschließlich die einzelne Person zum Objekt machen. Schaut man sich dagegen die Aufstellung der verschiedenen Methoden bei Neuberger (1994) oder Meier (1991) an, stellt man fest, dass sie sich ganz häufig auch auf die anderen Perspektiven beziehen oder zumindest auf sie einwirken. Denn es gilt: Je mehr Perspektiven eine Methode einbezieht, desto erfolgreicher ist die Intervention (Neuberger, 1994).
Ein wichtiges Problem von Personalentwicklungsmaßnahmen bezieht sich auf den Transfer des Gelernten auf die Praxis. Es gilt: Je entfernter die Lernsituation auf sozialer, sachlicher und zeitlicher Ebene vom Arbeitsplatz ist, desto schwerer fällt den Teilnehmern der Transfer. Deshalb ist die Einbeziehung des Transferproblems in die Vorbereitung und Planung, Durchführung und Nachbereitung der Maßnahme von essentieller Bedeutung für ihren Erfolg.
4.3 Evaluation
Es existieren grob gesagt zwei verschiedene Auffassungen von Evaluation: Die einen verstehen Evaluation als Prüfung, ob die Ziele, die vor einer Maßnahme gesetzt auch erreicht wurden. Die anderen gehen davon aus, dass diese artikulierten Ziele nie vollständig, stabil und eindeutig sind. Außerdem führe die Fixierung auf diese Ziele zu einer Vernachlässigung des Prozesses. Um ein aussagekräftiges Ergebnis bei der Evaluation zu erzielen, sei es dringend erforderlich, dass der Prozess und alle seine Einflussgrößen berücksichtigt werden. Es reiche nicht aus, die artikulierten Ziele der Bedarfserhebung zu beachten, auch die versteckten Ziele (zum Beispiel Gratifikation von Mitarbeitern, Steigerung des Wir-Gefühls, Pflege der Organisationskultur) müssten in die Untersuchung eingehen. Ebenso wichtig sei es, andere Einflussgrößen als die Maßnahme selbst bei der Evaluation zu berücksichtigen (zum Beispiel eine parallel laufende Neustrukturierung der Organisation). Im Idealfall wird ein ganzes Netz von Ergebnissen bei der Evaluation erzielt.
Die Idealvorstellungen der Theoretiker liegen meist sehr weit entfernt von dem Vorgehen der Praktiker. Als Beispiel sei hier genannt, dass die am häufigsten genutzte Methode die Befragung der Teilnehmer anhand eines Fragebogens ist.
Für die Evaluation stehen aber die gleichen vielfältigen Methoden zur Verfügung wie für die Bedarfserhebung. Und ähnlich wie bei der Bedarfserhebung und der Intervention spielt auch bei der Evaluation die Akzentsetzung eine große Rolle für das Ergebnis. Akzente werden durch folgende Kriterien gesetzt:
- Wer evaluiert?
- In wessen Auftrag wird evaluiert?
- Wo wird evaluiert?
- Wer oder was wird evaluiert?
- Wie wird evaluiert?
- Welche Ziele verfolgt die Evaluation?
- Kosten-Nutzen-Analyse der Evaluation
Unterschiedliche Vorgehensweisen führen zu unterschiedlichen Ergebnissen.
Grundsätzlich muss aber festgestellt werden, dass die Evaluation in der Praxis ohnehin nur wenig Anwendung findet. Nork (zitiert nach Neuberger, 1994) nennt folgende Gründe dafür:
1. fehlendes Evaluationsbewusstsein
2. zu hohe Kosten des Evaluierens
3. unerschütterlicher Glaube an die Wirksamkeit von Trainingsmaßnahmen
4. Ängste der Beteiligten
5. Mangel an Konzepten und Instrumenten
6. Probleme der Zurechenbarkeit
5 Die Übertragbarkeit der Konzepte der Personalentwicklung auf politische Parteien
Da es keine Literatur zu der Übertragbarkeit der Konzepte der Personalentwicklung auf politische Parteien gibt, will ich versuchen ein eigenes Bewertungsschema zu entwickeln. Dabei stelle ich verschiedene Hypothesen auf und argumentiere sie, ihre empirische Überprüfung steht aber noch aus.
Gegenstand meiner Betrachtungen sind ausschließlich die Aktiven der unteren Parteiebene (Kreisverbände) und nicht ihre (wenigen) Angestellten. Der Einfachheit halber spreche ich nur allgemein von Parteien, obwohl sich meine konkreten Betrachtungen streng genommen nur auf Bündnis ‘90/Die Grünen beziehen, mit deren Organisationsstrukturen ich mich vertraut gemacht habe. Ferner stelle ich klar, dass ich die Arbeit der Parteien idealtypisch beschreibe, also so, wie sie sein sollte. Da es mir darauf ankommt, ganz grundsätzlich herauszufinden, ob die Konzepte der Personalentwicklung übertragen werden können, halte ich es für legitim, Spezialfälle auszuklammern. Dieser Hinweis gilt auch für alle folgenden Kapitel.
5.1 Vergleichbarkeit von Unternehmen und politischen Parteien
Wenn man sich die Frage stellt, ob die Konzepte der Personalentwicklung auch auf politische Parteien übertragen werden können, muss zuerst geklärt werden, ob die Charakteristika der Organisationsformen vergleichbar sind.
Die Arbeit in einem kapitalistisch-marktwirtschaftlichen Unternehmen kann folgendermaßen charakterisiert werden:
Zielbestimmung: Es wird ein konkretes Ergebnis planvoll angestrebt.
Kooperation: Die isolierte und autarke Tätigkeit des einzelnen ist extremer Sonderfall, üblich ist Zusammen-Arbeit.
Organisiertheit: Die Zusammen-Arbeit ist nicht fallweise abgesprochen, sondern formal, generell und verbindlich geregelt.
Fremdarbeit: Es wird nicht für den Eigenbedarf produziert; Leistungen werden an Dritte (Kunden, Klienten) abgegeben.
Marktförmigkeit: Dieser Tausch erfolgt über Märkte, in denen freie vollständige Konkurrenz die Ausnahme ist.
Geldförmigkeit: Die Leistungen werden über das symbolische Kommunikationsmedium ‚Geld‘ verglichen und abgerechnet. (Neuberger, 1994)
Mit der Frage der Zielbestimmung, die Neuberger hier ganz an den Anfang stellt, handelt es sich meines Erachtens nach schon um den Kern der Frage, ob in einer Organisation Personalentwicklung überhaupt durchgeführt werden kann. Alles andere bezieht sich nur noch auf die Frage der Art der Umsetzung. Man könnte nun kritisieren, dass profitorientierte Unternehmen, Gewinnmaximierung anstrebten. Gewinnorientierte Unternehmen bewegten sich in einem ganz anderen Zielsystem als Parteien, die die Durchsetzung ihrer politischen Konzepte bezweckten. Von daher sei Personalentwicklung in Parteien nicht anwendbar.
Ich hingegen bin der Meinung, dass dieser Unterschied im Zielsystem nicht entscheidend ist für die Frage, ob die Konzepte der Personalentwicklung eingesetzt werden können. Aus meiner Sicht ist allein die Frage, ob eine Organisation überhaupt Ziele verfolgt, dafür entscheidend, ob in einer Organisation Personalentwicklung betrieben werden kann.
Wie Unternehmen, streben auch Parteien planvoll Ziele an. Diese können inhaltlicher Natur sein, wie der Bau einer Stadtbahn von der GAL oder formaler Natur, wenn es um die Erhöhung des Wahlergebnisses geht, wie das Projekt 18 der FDP zur Bundestagswahl 2002. Sie können nach außen gerichtet sein, wie die genannten Beispiele oder nach innen, wie das Aktivieren passiver Mitglieder. Ich behaupte, dass es für Parteien, genau wie auch für Unternehmen, letztlich von existentieller Bedeutung ist, wie erfolgreich die Ziele umgesetzt werden können. Und hierbei spielt Personalentwicklung eine große Rolle.
Da auch politische Parteien Organisationen sind, treffen die Charakteristika „Kooperation“ und „Organisiertheit“ ebenfalls auf sie zu.
Der Aspekt der Fremdarbeit trifft ebenso auf politische Parteien zu, auch wenn sie keine Ware produzieren. Sie sind eher vergleichbar mit Dienstleistungsunternehmen, die ebenfalls ihren Sachverstand und ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellen. Die Unternehmen tun dies im Auftrag und zum Nutzen von Firmen und privaten Kunden, die Parteien tun dies im Auftrag der Wähler zum Gemeinwohl.
Die Marktförmigkeit kann ebenso übertragen werden auf das deutsche demokratisches Parteiensystem: „Die demokratische Methode ist diejenige Ordnung der Institutionen zur Erreichung politischer Entscheidungen, bei welcher einzelne die Entscheidungsbefugnis mittels eines Konkurrenzkampfes um die Stimmen des Volkes erwerben“ (Schumpeter zitiert nach Bundeszentrale für Politische Bildung, 1992). Das heißt im Vergleich zu profitorientierten Unternehmen werben die politischen Parteien für ihre Meinungen und Konzepte und werden je nach den Interessenslagen der einzelnen Bürger unterschiedlich stark gewählt. Hierbei unterliegen die Parteien, ebenso wie die Unternehmen gewissen Regeln, die einen Konkurrenzkampf unter Einsatz aller Mittel unterbinden.
Geldförmigkeit bedeutet bei Neuberger, dass die Verbraucher die Produkte und Dienstleistungen der Unternehmen über ihren Preis miteinander vergleichen und ihn dann bezahlen, wenn sie in ihren Genuss kommen wollen. Ich habe keine plausible Übertragung dieses Charakteristikums auf Parteien gefunden. Ich halte das allerdings im Hinblick auf die Frage von Personalentwicklung in Parteien auch nicht für entscheidend.
Entscheidend für den Unterschied in der Art der Umsetzung von Personalentwicklung in Parteien und Unternehmen erscheint mir vielmehr, dass Parteien im Gegensatz zu Unternehmen demokratisch organisiert sind und dass sie hauptsächlich mit Ehrenamtlichen arbeiten.
Die folgenden Ausführungen sollen meine These belegen, dass in ehrenamtlich und demokratisch organisierten Organisationen trotzdem Personalentwicklung betrieben werden kann.
5.2 Der Begriff „Personal“
Ich halte es für nicht verkehrt, auch die ehrenamtlich tätigen Mitglieder von Parteien, die Funktionen übernommen haben, als Personal zu bezeichnen, beziehungsweise anzustreben, sie zu Personal zu machen: Organisation ist letztlich nichts anderes als ein Netzwerk aus Funktionen, die von Menschen personunabhängig übernommen werden müssen (vgl. Kap. 2).
Der Unterschied zur Arbeit mit hauptamtlichen Mitarbeitern besteht darin, dass gegenüber Ehrenamtlichen kaum Möglichkeiten bestehen, sie in die übernommene Rolle zu zwingen. Das einzige direkte Sanktionsmittel ist ihre Abwahl. Dieses Instrument funktioniert aus verschiedenen Gründen allerdings nicht sehr zuverlässig. Daraus ergibt sich, dass bei ehrenamtlich Tätigen grundsätzlich mehr persönliche Nuancierungen der Einzelnen in Kauf zu nehmen sind als bei bezahlten Arbeitskräften, die sich nach den Direktiven der Vorgesetzten zu richten haben.
Um eine kompetente Rollenübernahme herbeizuführen bleiben also die Alternativen,
a) nichts zu tun oder
b) unterstützende Angebote zu machen, die freiwillig angenommen werden können.
Auf den ersten Blick scheint die zweite Alternative sinnvoller zu sein, zum Beispiel indem Schulungen oder persönliche Hilfestellungen angeboten werden, für entlastende Zusammenarbeit in der Gruppe gesorgt wird und Strukturen geschaffen werden, die die Funktionsträger darin unterstützen, ihre übernommene Rolle auszufüllen.
Voraussetzung einer rationalen Entscheidung ist aber die Durchführung von Kosten-Nutzen-Abwägungen und Risikoabschätzungen. Eine allgemeingültige Aussage ist nicht möglich da sie von der jeweiligen Mitgliederstruktur zum Beispiel bezüglich Kompetenz und Motivation abhängt, sowie auch von den individuellen Vorstellungen über Häufigkeit und Aussehen der Maßnahmen und den gesetzten Zielen. Demzufolge kann es manchmal auch sinnvoll sein, die Mitglieder sich selbst zu überlassen.
Anzumerken ist, dass bei den Kosten nicht nur die monetären Kosten einzubeziehen sind. Es entstehen auch schwer quantifizierbare Kosten, die dennoch nicht zu unterschätzen sind, wie zum Beispiel der Verbrauch von Mitgliederenergien für die Organisation, Durchführung und gegebenenfalls Evaluation von Maßnahmen.
Abgesehen von finanziellen, inhaltlichen und methodischen Zielen können die Maßnahmen auf der Nutzenseite global betrachtet zum Beispiel zu einer besseren Identifikation mit der übernommenen Rolle führen, zur Motivationssteigerung, einer besseren Außenwirkung, effizienteren und effektiveren Strukturen.
Für die Risikoabwägung könnten folgende Überlegungen wichtig sein:
- Werden genügend und „die richtigen“ Mitglieder das Angebot nutzen?
- Könnte es passieren, dass die Nutzung der Angebote die Ausübung der Rolle zum Beispiel aus zeitlichen Gründen verhindert?
- Passen die Angebote zu dem Bedarf?
- Haben die organisierenden und durchführenden Mitglieder noch genügend Energie für ihre eigentlichen Aufgaben?
Schon heute führen Parteien Maßnahmen durch, die der Personalentwicklung zugerechnet werden können. Die Frage ist, ob diese bedarfsgerechter, effizienter und effektiver eingesetzt werden könnten, so dass man eigene Ressourcen besser ausschöpfen und sich Fehlinvestitionen möglicherweise ersparen könnte. Das Kostenargument gegen eine systematische Personalentwicklung wäre in diesem Fall unzutreffend. Hinzu kommt, dass Personalentwicklung auch genutzt werden könnte, die Mitglieder in der Mitgliederwerbung und Spendenakquise zu schulen, so dass sie damit am Ende mehr Geld einwerben, als durch die Einführung einer systematischen Personalentwicklung ausgeben wird.
5.3 Einfluss der Einzelnen auf die Organisation
Ein weiterer Unterschied zwischen Parteien und Unternehmen besteht nach meiner Beobachtung darin, dass Unternehmen stärker formend auf das einzelne Mitglied einwirken, als umgekehrt. Das hat mit der top-down-Struktur von profitorientierten Organisationen zu tun: Mitarbeiter unterstehen der Kontrolle und Weisung der nächst höheren Ebene und haben dadurch weniger Gestaltungsfreiräume.
Nach meinem Eindruck sind die Möglichkeiten der Mitglieder auch formend auf die Organisation einzuwirken bei Parteien deutlich größer. (Die subtile Einflussnahme durch Gruppenprozesse lasse ich hier außer acht, da sie sich wohl nicht sehr von der in Unternehmen unterscheidet). Das hängt einerseits mit der demokratischen Organisation zusammen, die bottom-up-Komunikation und –Entscheidungsfindung sicherstellt. Andererseits sind die einzelnen Aktiven sogar dazu gezwungen Eigenaktivität zu entwickeln und alleine Entscheidungen zu fällen, da die übergeordneten Instanzen anders als in Unternehmen weder zeitlich, noch von ihrer Qualifikation her dazu in der Lage sind, sie zu kontrollieren und zu führen. Im Übrigen haben sie den Mitgliedern gegenüber auch keine Weisungsbefugnis und keine Druckmittel. Daher sind auch keine Kontrollinstitutionen und –instrumente installiert.
5.4 Die Perspektiven der Personalentwicklung
Was die drei Perspektiven der Personalentwicklung angeht (vgl. Kap. 2.1), sehe ich keinen Unterschied in der Relevanz für die Entwicklung von Mitarbeitern und die Entwicklung von Parteimitglieder. Und für beide Organisationsformen gilt: Greift man auf einer Ebene ein, wirkt sich das automatisch auf die anderen Ebenen aus.
5.5 Strömungen der Personalentwicklung
Bezüglich der Strömungen der Personalentwicklung (vgl. Kap. 3), kann festgehalten werden, dass es für Parteien geeignetere und weniger geeignete Konzepte gibt, unabhängig von der grundsätzlichen Kritik, die an einigen zu üben ist.
Das rationale Problemlöse- und Entscheidungsmanagement (vgl. Kap. 3.1) eignet sich für Parteien, eher nicht. Das liegt hauptsächlich daran, dass dieser Ansatz top-down strukturiert ist, was den demokratischen bottom-up Strukturen von Parteien entgegensteht. So ist es in Parteien nicht vorgesehen, dass höhere Ebenen systematisch Defizite darunterliegender Ebenen analysieren und für sie Lernziele und Maßnahmen festlegen. Das hat auch damit zu tun, dass die einzelnen politischen Verbände zwar immer in dem nächst übergeordneten Verband Mitglied sind, aber trotzdem eigenständig bleiben. Es besteht keine Weisungsbefugnis von oben nach unten. Das System ist sehr auf Eigenständigkeit und Dezentralität ausgerichtet, also genau das Gegenteil von dem, was für den Rational-Ansatz notwendig wäre.
Auch der Aspekt der externen Verstärker, die nach diesem Modell eingesetzt werden sollen, um das erwünschte Verhalten hervorzurufen, passt nur bedingt zu einer ehrenamtlichen Organisation, da man hiermit gegebenenfalls die dringend erforderliche intrinsische Motivation zerstört (Sternberg und Williams, 2001). Die Anwendung des Konzepts in Parteien kann ich mir nur vorstellen, wenn es von den Mitgliedern selbst gefordert wird.
Das Konzept Conradis innerhalb des Rational-Ansatzes mit seiner Laufbahnkomponente (Conradi, 1983), ist für Parteien noch weniger geeignet, da man in Parteien von den Mitgliedern in die Positionen gewählt werden muss. Selbstverständlich handelt es sich auch hier um eine Art Personalauswahl, allerdings unterliegt sie zum Teil anderen Kriterien, bei denen die Qualifikation häufig nur eine untergeordnete Rolle spielt. Die Planung einer Karriere durch gezielte, chancenorientierte Personalentwicklung ist daher nahezu unmöglich. Das bedeutet auf der anderen Seite auch, dass kaum jemand Anstrengungen unternimmt, sich oder andere für eine zukünftige Aufgabe zu qualifizieren, da es nicht gewiss ist, dass die Person sie jemals erreicht. Das führt wiederum dazu, dass Personen, die neu in eine Funktion gewählt wurden häufig nicht ausreichend qualifiziert sind. Die Personalentwicklung in Parteien wird daher eher auf den aktuellen Bedarf ausgerichtet sein, als auf einen künftigen. Das trifft nach meiner Beobachtung selbst auf wiedergewählte Vertreter häufig zu, da es sich um ehrenamtliche Tätigkeiten handelt und die Mitglieder häufig noch vielen Verpflichtungen außerhalb der Partei nachkommen müssen. Insofern kann Personalentwicklung in Parteien nicht mit dem gleichen Tempo voranschreiten, wie in Unternehmen.
Die Kritik an den Phasenmodellen besteht darin, dass sie nicht empirisch belegt wurden. Grundsätzlich ist aber eine Übertragung auf Parteien möglich. Wie ich ja schon darlegte, übernimmt die Personalentwicklung hier die Rolle, den einzelnen Personen, den Gruppen oder der Organisation in ihren Krisen beizustehen und ihnen zu helfen, sie konstruktiv zu bewältigen. Sie fungiert als Beobachterin und Beraterin. Die Phasenmodelle können theoretisch also auch bottom-up, gewissermaßen auf Anfrage, eingesetzt werden und würden damit zu einer demokratischen Organisation passen. Die Tatsache, dass die Definitionsmacht bezüglich des vorliegenden Problems im Anschluss bei der Personalentwicklung liegt, die ebenfalls die Interventionen festlegt, halte ich bei diesem Ansatz nicht für problematisch, da sie von den Betroffenen bewusst für diese Leistung hinzugezogen wurde.
Weiterhin ist für mich kein Grund erkennbar, warum die beschriebenen Krisen gegebenenfalls nicht auch auf die einzelnen Mitglieder einer Partei, ihre Gruppen und die Partei als Organisation zutreffen sollten. Immerhin haben sich die Vorläufer der Phasenmodelle, Freud (1994) und Erikson (2002), auch noch nicht direkt auf Mitarbeiter bezogen, sondern wurden später erst auf das Berufsleben übertragen. Zu bemerken ist außerdem, dass mit keinem Wort zu der Theorie der Gruppenentwicklung erwähnt wird, dass es sich hier nur um Gruppen innerhalb von Unternehmen handeln kann. Im Gegenteil werden hier Gruppen ganz allgemein beschrieben.
Auch beim Selbstorganisations-Ansatz (vgl. Kap. 3.3) kann die Initiative zum Hinzuziehen professioneller Hilfe in die Hand der Problemträger gelegt werden, womit er sich grundsätzlich als anwendbar in Parteien erweist. Darüber hinaus sieht der Selbstorganisations-Ansatz vor, die Definitionsmacht für das Problem, sowie die Entscheidungsmacht über die Interventionen bei den Betroffenen selbst zu belassen. Die Personalentwicklung unterstützt die dezentralen Einheiten nur bei der Analyse und Auswahl der Methoden. Abgesehen davon, dass mir dieser Ansatz ohnehin sehr vielversprechend erscheint, passt er auch sehr gut zu Parteien mit ihren sehr motivierten, ehrenamtlich arbeitenden Mitgliedern, ihrer demokratischen Organisation und der hohen formalen und tatsächlichen Eigenständigkeit der einzelnen Verbände.
5.6 Vorgehensweise in der Personalentwicklung
Was die Vorgehensweise der Personalentwicklung betrifft (vgl. Kap. 4) kann ich
ebenfalls keinen Grund feststellen, warum sie nicht auch für Parteien vorteilhaft sein sollte. Letztendlich ist es sicherlich auch für eine Partei sinnvoll, sich zuerst strukturiert Gedanken über den Bedarf und die Ziele zu machen, bevor interveniert wird. Ebenso ist es für eine Partei, nach dem Konzept der Lernenden Organisation (z. B. Sattelberger, 1991; Argyris und Schön, 1978; Senge, 1996), hilfreich zu erfahren, ob die Maßnahme zum Ziel geführt hat.
Für die einzelnen Methoden gibt es allerdings gewisse Einschränkungen zu machen: Alle Methoden, die eng an den Rational-Ansatz gebunden sind, halte ich aus genannten Gründen für eher nicht anwendbar.
Alle Methoden, die sich ausschließlich auf die systematische Personalauswahl und Karriereplanung beziehen, entfallen, da die Mitglieder, wie schon erwähnt, in die Positionen gewählt werden. Diese Methoden können höchstens als Analysemethoden eingesetzt werden, allerdings nur, wenn es von den Mitgliedern ausdrücklich gewünscht wird.
Anzumerken ist außerdem, dass Parteien in ihren zeitlichen, finanziellen und personellen Möglichkeiten im Gegensatz zu Unternehmen stark eingeschränkt sind. Daher können nicht alle Methoden, die theoretisch in Parteien angewendet werden könnten, auch tatsächlich angewendet werden. Ansonsten gilt auch in Parteien, dass die Methode der Situation angemessen sein muss.
5.7 Inhalte der Personalentwicklung
Bei der Bedarfserhebung, die ich im Kreisverband Wandsbek der GAL durchgeführt habe (vgl. Praxisteil), haben sich inhaltlich ähnliche Problemfelder ergeben, wie in Unternehmen. So haben die Mitglieder zum Beispiel Probleme in der Kommunikation, Qualifikation und Öffentlichkeitsarbeit aufgezeigt. Die Untersuchung ist zwar nicht repräsentativ, dennoch halte ich die einfache Tatsache, dass sich manche Probleme der GAL Wandsbek mit denen von Unternehmen überschneiden trotzdem für verallgemeinerbar auf andere Kreisverbände und Parteien. Das zeigt erneut, dass sich Parteien und Unternehmen ähneln.
Mein Fazit: Die Konzepte der Personalentwicklung sind auf politische Parteien mit Einschränkungen grundsätzlich übertragbar. Ob und in wie weit es wirklich sinnvoll ist sie einzusetzen, muss individuell entschieden werden und hängt von der jeweiligen Kosten-Nutzen-Rechnung und Risikoabwägung ab.
Teil 2: Praxis
6 Systematische Personalentwicklung im Kreisverband Wandsbek der GAL
Wie könnte systematische Personalentwicklung in einer politischen Partei in der Praxis aussehen?
Der erste Schritt in der Vorgehensweise der Personalentwicklung ist die Bedarfserhebung. Dafür hat sich der Kreisverband Wandsbek der GAL zur Verfügung gestellt.
Ich habe mich für den Selbstorganisationsansatz entschieden, bei dem die Urteilskraft des einzelnen sehr betont wird. Ich denke, dass dieses Konzept am besten zu den basisdemokratischen Strukturen der Grünen und dem ehrenamtlichen Engagement in Parteien allgemein passt.
Passend zum Selbstorganisationsansatz habe ich mich für die Survey-Feedback-Methode mit einer Mitgliederbefragung zur Bedarfserhebung (vgl. Kap. 4.1.2) entschieden, die der Handhabbarkeit halber über einen Fragebogen von mir durchgeführt wurde. Das Feedback, das ja schon Teil des Interventionsprozesses ist, ist allerdings nicht mehr Teil dieser Studie.
Da noch nie eine systematische Mitgliederbefragung im Kreisverband Wandsbek der GAL durchgeführt wurde, gab es für mich keine Anhaltspunkte, welche Themen relevant sind und welche Lösungsansätze für die Mitglieder in Frage kommen. Deshalb habe ich einen Workshop als Vorstudie durchgeführt.
Im Folgenden stelle ich den Kreisverband Wandsbek der GAL vor, damit man die Ergebnisse meiner Untersuchung besser verstehen kann. Dann folgen der Ablauf des Workshops, die Entwicklung des Fragebogens und die Ergebnisse der Befragung. Als letztes werde ich einen Ausblick auf das weitere Vorgehen mit den gewonnenen Daten geben.
Die Untersuchung wurde in der Hamburger Legislatur 2001-2004 durchgeführt, daher beziehen sich auch die Beschreibungen der politischen und parteiinternen Verhältnisse auf diese Zeit.
7 Beschreibung des Kreisverbands Wandsbek der GAL
Ich werde den Kreisverband Wandsbek der GAL bezüglich seiner Struktur, der Aufgaben und relevanten politischen Themen in der Legislatur 2001-2004 genauer beschreiben, damit man die Ergebnisse des Workshops und der Mitgliederbefragung besser verstehen kann. Viele der Strukturen führen schon zu Personalentwicklung, allerdings bisher nur wenig systematisch.
7.1 Partei
Der Kreisverband Wandsbek ist einer der sieben Kreisverbände der GAL, dem Landesverband von Bündnis ’90/Die Grünen in Hamburg (vgl. Abb. 12).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 12: Aufbau des GAL Landesverbandes (eigene Darstellung)
Laut § 7 Absatz (I) der Satzung des Kreisverbandes Wandsbek (im Anhang) „gliedert (er) sich den Ortsamtsbereichen entsprechend in die Stadtteilgruppen Alstertal, Bramfeld, Kerngebiet, Rahlstedt und Walddörfer“ (vgl. Abb. 13).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 13: Stadtteilgruppen des Kreisverbands Wandsbek der GAL (eigene Darstellung)
Die Mitgliederzahl schwank seit der Abspaltung von Regenbogen Juni 1999 um 150 mit einem relativ konstanten Frauenanteil von 33%.
Die Mitglieder des Kreisverbandes können frei entscheiden, welcher Stadtteilgruppe sie angehören wollen. Sofern sie nichts anderes äußern, werden sie der für ihren Wohnort zuständigen Stadtteilgruppe zugeordnet und erhalten die entsprechenden Einladungen. (Satzung § 7 Absatz (I))
Mitglieder, die außerhalb des Kreisverbands wohnen suchen sich die Stadtteilgruppe, in der sie Mitglied sein wollen selbst aus.
Die Stadtteilgruppen haben laut § 7 Absatz (II) folgende Aufgaben:
- Erarbeitung der GAL-Politik für ihren örtlichen Bereich
- Öffentlichkeitsarbeit/Vertretung der GAL-Politik vor Ort nach außen
- Organisation der Basisarbeit
- Zusammenarbeit mit Initiativen
- demokratische Willensbildung vor Ort
- Delegation und Mitwirkung auf Kreis- und Landesebene
Außerdem erfüllen sie den Zweck, Mitglieder ohne Amt und Mandat einzubinden, über Anträge und Anfragen für den Ortsausschuss zu beraten und Anlaufstelle für Bürger zu sein. Jede Stadtteilgruppe wählt einen Vorsitzenden, der als Ansprechpartner nach innen und außen dient und die „Arbeit und Willensbildung der Stadtteilgruppe“ organisiert (Satzung § 7 Absatz (III)). Außerdem haben die Stadtteilgruppen das Vorschlagsrecht gegenüber der Mitgliederversammlung für den Delegierten der Stadtteilgruppe im Kreisvorstand.
§ 8 der Satzung benennt die Organe des Kreisverbandes:
1. Die Mitgliederversammlung (Hauptversammlung)
2. Der Vorstand
Der Kreisvorstand wird alle zwei Jahre von der Kreismitgliederversammlung gewählt und besteht aus maximal sieben Personen: Dem Geschäftsführenden Vorstand (einem Vorsitzenden, einem Stellvertreter, einem Schatzmeister) und je einem Delegierten pro Stadtteilgruppe.
Macht eine Stadtteilgruppe keinen Vorschlag oder findet ein Vorschlag keine Mehrheit, so verringert sich die Zahl der Vorstandsmitglieder entsprechend (Satzung §11 Absatz (I)).
Da die Mitglieder des Geschäftsführenden Kreisvorstandes natürlich selbst einer Stadtteilgruppe angehören, kommt es in der Praxis vor, dass sie gleichzeitig die Vertretung eines Stadtteils übernehmen, wenn sich niemand anderes findet.
Der Kreisvorstand führt die Beschlüsse der Mitgliederversammlung aus, organisiert die Parteiarbeit und Wahlkämpfe, unterstützt Stadtteilgruppen und Bezirksversammlungsfraktion und ist für die kontinuierliche Information der Mitglieder verantwortlich (Satzung § 11 Absatz (I)).
Für die Praxis bedeutet dies, dass sich der Kreisvorstand zum Beispiel um die Bestellung von Informationsmaterial kümmert, Info-Stände und das Aufstellen von Plakaten organisiert, über Aktionen zwischen den Wahlkämpfen berät (zum Beispiel Demonstrationen), über Anfragen von außerhalb und innerhalb der Partei entscheidet (zum Beispiel finanzielle Unterstützung von Projekten), über das Schalten von Anzeigen berät und die Internetseiten pflegt sowie die politische Debatte anregt.
Es ist vorgesehen, dass der Kreisvorstand ein mal im Monat tagt, bei Bedarf auch häufiger.
Zur Unterstützung seiner Arbeit beschäftigt der Kreisvorstand einen Geschäftsführer mit 20 Stunden.
7.2 Fraktion
Die Fraktion bestand in der Legislatur 2001-2004 aus drei Personen in der Bezirksversammlung und den zugewählten Bürgern in den Ausschüssen (je ein Vertreter und ein Stellvertreter).
Folgende Ausschüsse hat die Bezirksversammlung in der Legislatur 2001-2004 eingesetzt:
- Hauptausschuss: Thematisch beschäftigt sich der Hauptausschuss mit den Eingaben an die Bezirksversammlung und mit den von der Bezirksversammlung in den Hauptausschuss überwiesenen Anträgen, Großen Anfragen, Mitteilungen und Beschlussvorlagen. Er tagt ein mal im Monat zwischen den Bezirksversammlungen, nach Bedarf auch öfter.
- Jugendhilfeausschuss: Der Jugendhilfeausschuss ist Teil des zweigliedrigen Jugendamtes (Verwaltung und Ausschuss) und hat daher weitgehende jugendhilfeplanerische Kompetenzen. Darüber hinaus werden die Gelder des bezirklichen Landesjugendplanes (Jahreshaushalt ca. 3,5 Mio. €) vergeben. Der Jugendhilfeausschuss setzt sich zu 3/5 aus in der Jugendhilfe erfahrenen Träger- und Verbandsvertretern zusammen. 2/5 stellen die Gebietskörperschaften (Bezirksversammlung). Der Jugendhilfeausschuss erfüllt insbesondere folgende Aufgaben: Jugendhilfeplanung (Erarbeitung und Umsetzung), Aufstellung von Richtlinien und Grundsätzen für die Förderung von Einrichtungen und Maßnahmen der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe, Entscheidung über die Förderung von Einrichtungen, Maßnahmen des Jugendamtes und der Förderung von Trägern der freien Jugendhilfe, Anerkennung von Trägern der freien Jugendhilfe im Bereich des Jugendamtes, die Beteiligung an der Durchführung von Aufgaben und der Übertragung dieser Aufgaben zur Ausführung an die Träger der freien Jugendhilfe gemäß § 76 Kinder- und Jugendhilfegesetz, Entscheidung zur Umnutzung und Schließung von Einrichtungen des Jugendamtes im Rahmen der Erfüllung von gemeinnützigen Aufgaben laut Kinder- und Jugendhilfegesetz, Entscheidung zur Überführung von Einrichtungen des Jugendamtsbereiches in freie Trägerschaft und Vorbereitung sowie Unterstützung beim Entwurf und der Realisierung des Haushaltsplanes und des Investitionsprogramms der öffentlichen Jugendhilfe. Der Jugendhilfeausschuss tagt ein mal im Monat.
- Planungsausschuss: Der Planungsausschuss beschäftigt sich hauptsächlich mit der Erstellung von und Beschlussfassung über Bebauungs- und Grünpläne und der Beratung über Eingaben zu stadtteilverändernden Ausnahmegenehmigungen. Er tagt alle drei Wochen, nach Bedarf auch häufiger. Hinzu kommt alle eineinhalb Monate eine Öffentliche Plandiskussion.
- Ausschuss für innere Sicherheit und kommunale Ordnungsmaßnahmen: Der Ausschuss für innere Sicherheit und kommunale Ordnungsmaßnahmen besteht erst seit dieser Legislatur auf Anregung der Partei Rechtsstaatlicher Offensive. Er befasst sich mit Themen, wie dem Katastrophenschutz, Sicherheit im ÖPNV, Drogenhandel vor Schulen, illegaler Werbung auf öffentlichem Grund, der Feuerwehr, illegaler Abfallbeseitigung in der Nähe von Recyclingcontainern und Kriminalprävention im Städtebau. Er sollte eigentlich ein mal im Monat tagen, wurde mangels Themen aber häufig abgesagt.
- Ausschuss für Kultur und Haushalt: Der Ausschuss für Kultur und Haushalt beschäftigt sich unter anderem jedes Jahr mit dem Haushaltsentwurf des Senats für Wandsbek, der Vergabe von Sondermitteln und den kulturellen Einrichtung des Bezirks (Stadtteilarchiv, Kulturzentren, Stadtteilbühnen etc.). Er tagt alle sechs Wochen.
- Ausschuss für Soziales, Frauen, Senioren und Ausländer: Der Ausschuss für Soziales, Frauen, Senioren und Ausländer beschäftigt sich unter anderem mit Frauenförderung, Integrationsmaßnahmen für Ausländer, Therapiezentren für Suchtkranke, Beschäftigungsträgern, dem behindertengerechten Ausbau von Bahnhöfen, dem Einrichten und Begleiten einer Pflegekonferenz. Er tagt alle sechs Wochen.
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