Immobilienpreisblasen als wirtschaftspolitisches Problem. Der Fall Spanien


Diplomarbeit, 2006

105 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Die Theorie spekulativer Blasen
2.1 Elementare Eigenschaften von Bubbles
2.2 Erwartungsbildung in spekulativen Märkten
2.3 (Ir-)Rationalität und Herdeneffekte
2.4 Die Ratio spekulativen Verhaltens
2.5 Empirische Erfahrung: Die Tulpenmanie in Holland

3 Die Charakterisierung der Immobilienpreisentwicklung
3.1 Angebot und Nachfrage im theoretischen Modell
3.2 Angebotsseitige Einflussparameter
3.2.1 Natürliche und künstlich erzeugte Knappheit
3.2.2 Ursprüngliche Kosteneinflussgrößen
3.2.3 Probleme bei der Wertermittlung
3.3 Nachfrageseitige Preisbestimmungsparameter
3.3.1 Demographische Faktoren
3.3.2 Direkte Besteuerung und Subventionierung
3.3.3 Die Wirkung von Transaktionskosten
3.3.4 Das Verhältnis von Miet- und Eigentumsmärkten
3.3.5 Psychologische Faktoren
3.4 Der Kreditmarkt
3.4.1 Feedback-Effekte auf dem Kreditmarkt
3.4.2 ‘Disaster Myopia’ und ‘Perverse Incentives’
3.4.3 Die Loan-to-Value-Ratio
3.4.4 Variable und fixe Zinssätze
3.4.5 Notwendigkeit zur Absicherung des Systems
3.5 Auswirkungen von Immobilienpreisänderungen
3.5.1 Konsumeffekte
3.5.2 Der Einfluss auf die Faktormobilität
3.6 Indikatoren zur Identifikation einer Immobilienpreisblase
3.7 Unterschiede zu anderen Vermögenspreisblasen
3.8 Der Einfluss der Geldpolitik

4 Der Fall Spanien
4.1 Analyse des spanischen Immobiliensektors
4.1.1 Ökonomische Bewertung Spaniens
4.1.2 Entwicklungen im Bausektor
4.1.3 Analyse der spanischen Wohneigentumspreise
4.1.4 Die PIR als Indikator der Überbewertung
4.2 Kreditmärkte als Nährboden der Immobilienpreisblase
4.2.1 Die Kreditwut in Spanien
4.2.2 Variable Verzinsung als Schuldenfalle
4.2.3 LTV-Ratios als Anker des Systems
4.2.4 Unterschiede in den Kreditrisiken
4.3 Effekte der Finanz- und Strukturpolitik
4.3.1 Fiskalische Anreize zum Eigenheimerwerb
4.3.2 Der spanische Mietmarkt
4.3.2.1 Einfluss gesetzlicher Regulierungen auf den Mietmarkt
4.3.2.2 Der Mietpreis als Überbewertungsindikator
4.3.3 Die soziale Wohnungsbaupolitik Spaniens
4.3.4 Die Baulandverordnung und ihre Auswirkungen
4.4 Psychologie, Demographie und Tradition
4.4.1 Spekulation auf dem Zweitwohnungsmarkt
4.4.2 Der sozio-demographische Wandel

5 Defizite & Handlungsmöglichkeiten
5.1 Benchmark: Der Immobiliencrash in Japan
5.2 Gefahrenszenarien für den Fall Spanien
5.3 Wesentliche Defizite im spanischen System
5.3.1 Rationaler Überschwang durch perverse Anreize
5.3.1.1 Defizit
5.3.1.2 Handlungsempfehlung
5.3.1.3 Problematik
5.3.2 Das mangelnde Bewusstsein der Vorteilhaftigkeit der Miete
5.3.2.1 Defizit
5.3.2.2 Handlungsempfehlung
5.3.2.3 Problematik
5.3.3 Die fehlende Nachhaltigkeit des Baubooms
5.3.3.1 Defizit
5.3.3.2 Handlungsempfehlung
5.3.3.3 Problematik
5.3.4 Die Wirkung der einheitlichen Geldpolitik
5.3.4.1 Defizit
5.3.4.2 Handlungsempfehlung
5.3.4.3 Problematik
5.3.5 Die künstlich erzeugte Knappheit von Bauland
5.3.5.1 Defizit
5.3.5.2 Handlungsempfehlung
5.3.5.3 Problematik

6 Fazit & Ausblick

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Preisreaktionen bei Änderung von Nachfrage- und Angebot im Immobiliensektor. Quelle: Garcia Montalvo (2003), Grafik 21

Abb. 2: Besteuerung von Wohneigentum im europäischen Vergleich. Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Catte et. al (2004), S.41

Abb. 3: Transaktionskosten in Prozent des Kaufpreises im internationalen Vergleich. Quelle: Catte et. al (2004), S.27

Abb. 4: Funktionsmechanismus zwischen Hausbesitzern und Mietern. Quelle: Aoki et. al (2001), S.463

Abb. 5: Mietquoten in der EU. Quelle: EZB (2003), S. 26

Abb. 6: Deregulierungsmaßnahmen auf dem Mietmarkt in der EU seit 1980. Quelle: EZB (2003), S.52

Abb. 7: Umfrageergebnisse zur Einschätzungen bezüglich der künftigen Entwicklung von Immobilienpreisen (in %). Quelle: Case/Shiller (2003), S.323

Abb. 8: Umfrageergebnisse zu den Gründen für das Entstehen eines Immobilienpreisbooms (in %). Quelle: Case/Shiller (2003), S.326

Abb. 9: EU-weite Gesetzesänderungen in Bezug auf den Kreditmarkt (seit 1980). Quelle: EZB (2003), S.54

Abb. 10: Immobilienpreisentwicklung und Hypothekenkreditwachstum (durchschnittliche jährliche Veränderung für die Periode von 1999-2004 in %). Quelle: EZB (2006), S.63

Abb. 11: Internationale Regulierungsbestimmungen zu LTV-Ratios. Eine Übersetzung ins Deutsche erschien aufgrund der englischen Fachtermini nicht angebracht. Quelle: Catte et. al (2004), S.40

Abb. 12: Jährliche Preisänderungsraten für Wohnimmobilien und private Konsumausgaben innerhalb des Euro-Währungsraums. Quelle: EZB (2003a), S.55

Abb. 13: House Equity withdrawal und Realpreise von Immobilien. Quelle: Catte et. al (2004), S.20

Abb. 14: Faktormobilität (in %) in den fünf größten europäischen Staaten (1995-1997), aufgeschlüsselt nach Art des Wohnverhältnisses. Quelle: EZB (2003), S.34

Abb. 15: Wohneigentumspreise und der nominale ’User Cost of Housing Capital’ im Euro-Währungsraum (prozentuale Veränderung pro Jahr, 1990-2004). Quelle: EZB (2006), S.62

Abb. 16: Veränderung der Wohneigentumspreise im europäischen Währungsraum. Quelle: EZB (2006), S.56

Abb. 17: Ausgewählte wirtschaftliche Daten aus Spanien und dem Euro-Währungsraum (2002-2004) in realen Wachstumsgrößen (in %). Quelle: IWF (2005), S.3

Abb. 18: Anteil der Wohnungsbauinvestitionen am BIP (2001).Quelle: Garcia Montalvo (2003), Grafik 3

Abb. 19: Europaweiter Vergleich der Miet- und Eigenbedarfsquoten, Leerstände und Gebäudeanzahl pro 1000 Einwohner (2001). Quelle: OECD (2005), S.65

Abb. 20: Wachstumsraten (B, in %) und reale Werte (C, 1987 = 100) der Immobilienpreise in Spanien (Fomento) und Madrid (Tecnigrama). (a) Mit dem CPI-Deflator berechnet.Quelle: Banco de España (2003), S.32

Abb. 21: Immobilienpreise in % des nationalen Durchschnitts nach Größe der Gemeinde im Inland (B) und in Küstenregionen (C). Quelle: Banco de España (2003), S.32

Abb. 22: Entwicklung der Hauspreise und Gehälter in Spanien (1985-2003). Die linke Skala gibt die jährliche Veränderungsrate (in %) der Wohneigentumspreise (‚precios vivienda’) und der Gehälter (‚salarios’) an. Die durchgezogene Linie und die rechte Skala messen die Anzahl der Jahresgehälter (‚Años de salario para pagar la vivienda’), die Spanier für durchschnittliches Wohneigentum aufbringen müssten. Quelle: Naredo Peréz (2004), S.150

Abb. 23: Entwicklung der Anzahl der Neubauten/Jahr, deren Quadratmeterpreise und der Baukosten (Warenkorb aus verschiedenen Baumaterialien und Stundenlöhnen). Quelle: Eigene Berechnungen aus Daten des spanischen Statistikinstitutes

Abb. 24: Immobilienpreisentwicklung/verfügbares Einkommen pro Einwohner (über 25 Jahre). Quelle: Banco de España (2003), S.37

Abb. 25: Anteil der Wohneigentumskredite an der totalen Kreditvergabe in Spanien. Quelle: Garcia Montalvo (2003), Grafik 13

Abb. 26: Kurzfristige Realzinsen in ausgewählten Euro-Ländern (1999-2004). Quelle: IWF (2005), S.5

Abb. 27: Jährliches Hypothekenkreditwachstum (in %, Skala rechts, Linien) und Haushaltsverschuldung relativ zum BIP (in %, Skala links, Balken) in Spanien und dem Euro-Währungsraum. Quelle: IWF (2005), S.4

Abb. 28: Hypothekenkreditzinsen in Spanien und Europa. Quelle: Garcia Montalvo (2003), Grafik 17

Abb. 29: Referenzzinsen für den spanischen Hypothekenmarkt. Quelle: Garcia Montalvo (2003), Grafik 16

Abb. 30: Entwicklung der Verschuldungsquote (Kreditraten/Haushaltseinkommen; L/y) und des Verhältnisses zwischen Kredit- und Vermögenswerten (L/Wh). Quelle: Banco de España (2003), S.36

Abb. 31: Indikatoren zur Zugänglichkeit von Wohneigentum. Finanzierbarkeit eines Hypothekenkredits (linke Skala) und Anzahl an erforderlichen Jahreseinkommen für eine durchschnittliche 93,5m² große Wohnung in Spanien. Quelle: OECD (2005), S.65

Abb. 32: Hausbesitzeranteil in verschiedenen Ländern 2001. Quelle: Ludwig/Slok (2002), S.10

Abb. 33: Wachstumsraten der Kreditvergabe im Immobiliensektor (in %). Aufgeschlüsselt nach Verwendungszweck. Quelle: IWF (2005), S.17

Abb. 34: Rentabilitäten des Wohneigentumsmarktes in Spanien (1988-2003) bei Finanzierung durch Eigenkapital ('Contado'), Hypothekenkreditfinanziert ('Adq. hipotecario') und Baufinanzierung ('Primer acceso'). Quelle: Garcia Montalvo (2003), Grafik 22

Abb. 35: Korrelation zwischen dem Steuerkeil und der Immobilienpreisvariation. Quelle: OECD (2005), S.67

Abb. 36: Entwicklung der realen Nettogewinne auf dem Madrider Aktienmarkt (Ibex35). Quelle: Banco de España (2003), S.37

Abb. 37: Entwicklung der Mietquoten im europäischen Vergleich (1960-2000). Quelle: Garcia Montalvo (2003), Grafik 10

Abb. 38: Anteil der Zweitwohnungen (blaue Balken) und Leerstände (rote Balken) am gesamten Wohnungsbestand. Quelle: Garcia Montalvo (2003), Grafik 8

Abb. 39: Verhältnis zwischen Wohneigentumspreisen und Mieten in Spanien (logarithmiert). ‚Equilibrio a largo plazo’ (Langfristiger Gleichgewichtswert), ‚Observada’ (Beobachteter Wert), ‚Senda de ajuste estimada’ (geschätzter Anpassungspfad). Quelle: Ayuso et. al (2003), S.70

Abb. 40: Anteil der fertig gestellten Wohnungen nach Art des Bauträgers: ‚Sociedades’ mercantiles (Privatunternehmen), ‚Personas, cooperativas y communidades’ (Privatpersonen, Genossenschaften und Gemeinden), ‚Promotores públicos’ (öffentliche Bauträger). Quelle: Naredo Peréz (2004), S.149

Abb. 41: Anzahl der Erstwohnungen pro 1000 Einwohner im europäischen Vergleich. Quelle: Naredo Peréz (2004), S.149

Abb. 42: Anzahl der Neubauten in Großstädten (Grandes cuidades), an der touristischen Küstenregion (Costa turística) und insgesamt (Linie). Quelle: Naredo Peréz (2004), S.148

Abb. 43: Migrationsbewegungen in Spanien (1991-2001). In den braun eingefärbten Regionen hat per saldo eine Zu- in den grünen eine Abwanderung statt gefunden. Quelle: INE (2003), S.6

Abb. 44: Jährliches Wachstum des Immobilienbestandes und der Bevölkerung in Spanien. Crec. Demográf. (Bevölkerungswachstum), Construc. Viviendas (Wohnungsbau), Flujo neto de hogares (Nettowachstum der Haushalte), Crec. dem. desplazado (um 25 Jahre verschobenes Bevölkerungswachstum). Quelle: Naredo Peréz (2004), S.146

Abb. 45: Kumulierte Auswirkung von Immobilienpreiskorrekturen auf den Konsum im spanischen Markt. Quelle: IWF (2005), S.8

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in ieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

„The short history of formal theory about growing bubbles is an intellectual struggle between attempts to rationalize the possibility of bubbles, because they may occur, and attempts to rule out bubbles because they are arbitrary.”[1]

Die Liberalisierung internationaler Finanzmärkte bewirkt starke Liquiditätsvolatilitäten und damit einhergehende Unsicherheiten auf den Finanzmärkten. Zwar ist es zu begrüßen, dass in den letzten zwei Jahrzehnten der Kampf gegen die Inflation weltweit Früchte zeigt, dies begünstigt beschriebenes Szenario aber stark. Märkte sind aufgrund fallender Transaktionskosten der Spekulation internationaler Investoren ausgeliefert. Auf die Existenz und gleichzeitig die Gefahr, welche hiervon ausgeht, wies vor knapp zehn Jahren Alan Greenspan, damaliger Präsident der US-Notenbank ‚Federal Reserve’ (Fed), hin. Dieser bezeichnete im Dezember 1996 die damaligen Vorgänge auf den Finanzmärkten als ‚irrationalen Überschwang’. Robert J. Shiller wies in seinem gleichnamigen Buch, welches er während der Hochphase des Internet-Booms Anfang 2000 veröffentlichte, darauf hin, dass Wellen überoptimistischer Erwartungen den Nährboden für sog. ‚Bubbles’ oder ‚spekulative Blasen’[2] bilden. Der Rest ist Geschichte. Dass sich diese zu wiederholen droht, lassen diverse Menetekel vermuten. Trotz internationaler konjunktureller Abkühlung entwickeln sich Vermögenspreise, vor allem auf dem Immobilienmarkt, mit zweistelligen Wachstumsraten. Der amerikanische Immobilienindex steht auf dem tiefsten Wert seit 11 Jahren, die Fed hat ihren Leitzinssatz im Juni 2006 auf 5,25% angehoben, im Euro-Währungsraum erwartet man, dass bis August die 3%-Marke erreicht wird - weitere Steigerungen sind vorgesehen.

Der Fokus vorliegender Arbeit liegt jedoch auf der anderen Seite des Atlantiks. Auch wenn Kassandra-Rufe, die spanische Immobilienblase platze in den nächsten Wochen, schon seit mehreren Jahren kursieren, so weisen mittlerweile doch sehr ernst zu nehmende Autoritäten wie die ‚Weltbank’ und der ‚Internationale Währungsfonds’ (IWF)[3] ‚ ‚The Economist[4]’ oder die ‚Banco de España’ (BDE)[5] auf die Bedrohlichkeit der Lage hin. Für seinen Ausspruch ‚España va bien’ (Spanien boomt) war der konservative spanische Ministerpräsident José Maria Aznar López bekannt, welcher im März 2004 von dem Sozialdemokraten José Luis Rodriguez Zapatero abgelöst wurde. Gültigkeit besitzt diese Aussage auch heute noch – allerdings weniger für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung Spaniens sondern eher für die auf dem Immobilienmarkt, der momentan hinsichtlich Preisentwicklung und Bautätigkeit den Rest Europas weit hinter sich lässt. Davon profitiert auch Daimler-Chrysler Spanien, dessen Chef Wolfgang Minet berichtet, dass sein Nutzfahrzeug-Geschäft hauptsächlich von Kipplastwagen getrieben werde. So sehr ihn das freut, so wenig vertraut Minet auf den Aufschwung: „Wir haben schon vor drei Jahren geglaubt, die Blase würde endlich platzen. Und je länger es bis dahin dauert, desto tiefer könnte der Fall werden.“[6]

Zielsetzung vorliegender Arbeit soll sein, die Problematik von Immobilienpreisblasen aufzuzeigen, das besondere Gefahrenpotential für den Fall Spanien zu identifizieren und die Möglichkeiten der Wirtschaftspolitik zu benennen, individuelle, wohlfahrtsoptimale Lösungsansätze zu entwickeln. Gegenstand von Kapitel 2 ist es daher, die Entstehungsgründe, Wirkungsmechanismen und Gefahren von spekulativen Blasen im Allgemeinen zu veranschaulichen. In Kapitel 3 werden die Besonderheiten des Immobilienmarktes behandelt und wirtschaftspolitische Stellschrauben zu dessen Beeinflussung identifiziert. Diese Ergebnisse sollen in Kombination mit einer Analyse der aktuellen Lage auf dem spanischen Immobilienmarkt im Verlauf von Kapitel 4 dessen individuelle Problematik aufzeigen. Abschließend wird in Kapitel 5 versucht, für die identifizierten Defizite, einzelne wirtschaftspolitische Handlungsempfehlungen zu deren Korrektur abzuleiten. In Kapitel 6 wird ein Fazit gezogen und ein kurzer Ausblick gegeben.

Vorliegende Arbeit ist, in Anbetracht der ihr obliegenden Restriktion bezüglich des Umfangs, verbalökonomisch gehalten und verzichtet auf ökonometrische Modellierungen und formale Herleitungen. Aufgrund der Tatsache, dass für eine in der wissenschaftlichen Breite und Tiefe adäquate Arbeit dieser Ordnung nur zu einem sehr kleinen Teil deutschsprachige Literatur zur Verfügung steht, sei der Leser außerdem darüber informiert, dass bei der Ausarbeitung zu über 90% spanische oder englische Literatur verwendet wurde, was sich selbstverständlich auf den Text sowie die verwendeten Abbildungen auswirkt.

2 Die Theorie spekulativer Blasen

In diesem Kapitel soll eine Einführung in die Theorie spekulativer Blasen gegeben werden, indem vorab deren Basiseigenschaften dargestellt werden. Ferner soll ein Verständnis für verschiedene Formen der Erwartungsbildung erzeugt und Verhaltensformen analysiert werden, die zur Bubble-Bildung führen. Abschließend wird die Theorie mithilfe eines empirischen Beispiels abgerundet.

2.1 Elementare Eigenschaften von Bubbles

Spätestens seit der geplatzten IT-Blase zur jüngst vergangenen Jahrtausendwende ist das Wort ‚Bubble’ ein Begriff, der nicht nur geprellten Börsenanlegern geläufig ist. Die Bezeichnung steht in diesem Fall für sich aufblähende, ins exorbitant Positive schießende Vermögens- bzw. Assetpreise[7] - im umgekehrten Fall spricht man von negativen Blasen. Spekulative Blasen sind allerdings, im Gegensatz zur landläufigen Meinung, kein Produkt der Neuzeit. Garber stellt fest, dass Bubbles, wie die in Kapitel 2.5 vorliegender Arbeit untersuchte Tulpenmanie Hollands im frühen 17. Jahrhundert, schon seit dem Aufkommen von Finanzmärkten, diese weltweit und in unregelmäßigen Abständen destabilisieren. Sie können insofern nicht als (negative) Begleiterscheinung des Aufkommens der Informations- und Kommunikationstechnologie des 20. Jahrhunderts verharmlost werden. Was aber verbirgt sich genau hinter dem Mysterium der Bubbles und warum werden Volkswirtschaften seit Jahrhunderten immer wieder Opfer dieser Phänomene, ohne dass sich mittlerweile wirkungsvolle Patentrezepte zu deren Bekämpfung etablieren konnten?

In der Literatur wird oftmals auf das philosophische Dilemma der Bubble-Theorie verwiesen. Eine spekulative Blase ist demnach nur ex post identifizierbar, also wenn sie bereits geplatzt ist. Könnte man durch wirtschaftspolitische Maßnahmen das Platzen verhindern, so handelt es sich streng genommen lediglich um einen Boom.[8] Diese Eigenschaft der Irreversibilität ihrer Evolution wirft insofern die Frage nach Identifikationsmöglichkeiten und Handlungsoptionen bei Existenz einer Vermögenspreisblase, und gleichsam die Daseinsberechtigung vorliegender Arbeit, auf. Problematisch ist also generell eine Abgrenzung dessen, was als spekulative Blase und was als lediglich schneller Preisanstieg in Märkten bezeichnet werden kann. „The difficulty in determining asset price bubbles not only exists ex ante, but also ex post.”[9] Man spricht im Allgemeinen von einem Bubble in einem bestimmten Markt, wenn der Buchwert der gebundenen Vermögensgegenstände stark von seinem langfristigen Trend abweicht.[10] Dieser Trend wird durch den Fundamentalwert bestimmt, also durch die abgezinsten zukünftig erwarteten Gewinne und Dividenden des Assets. Spahn weist auf die Anomalie des Bubbles und somit auf seine ihn auszeichnende Eigenschaft hin[11]: Obwohl sich der (Kurs-) Wert von Vermögensgegenständen negativ auf seine (Dividenden-)Rendite auswirkt, kommt es beim Vorliegen einer spekulativen Blase nicht zum Verkauf der Assets sondern das Gegenteil ist der Fall. Nachfrage sowie Preise steigen exponentiell an. Die Gesamtrendite wird daher über die erwarteten Wertsteigerungen konstant gehalten bzw. erhöht. Diese lassen sich jedoch nicht mit der Analyse fundamentaler Werte erklären, da die Erwartungsbildung und ihre Bedeutung für die Wertentwicklung hierbei nicht ausreichend gewürdigt würden. Folglich bedient man sich nicht-fundamentaler Modelle, um den Entscheidungsprozeß der Anleger zu erklären, Preissteigerungserwartungen in jeder Periode des Lebenszyklus’ einer spekulativen Blase aufrecht zu erhalten bzw. noch zu verstärken.

Die Symptome aber auch gleichzeitig Ursachen der spekulativen Blase liegen gleichsam in irrationalen Ausbrüchen und induzierten Wellen von Optimismus, welche Vermögenspreise derart ansteigen lassen, dass Investitionen und Ressourcen im großen Stil fehl gelenkt werden und die Implosion der Preisblase und sogar größere Finanzkrisen oftmals unvermeidbar sind. Denn zumindest rational kalkulierende Wirtschaftssubjekte wissen, dass nur formal eine Wertsteigerung unendlich lange erfolgen kann, praktisch kommt es früher oder später zum Platzen der Blase.[12] Dies tritt dann auf, wenn der Markt seinen Kulminationspunkt überschritten hat und in sich zusammenbricht. Anleger flüchten Panik artig aus den Vermögenswerten, Verkaufswellen lösen immense Preisstürze aus. Auslöser hierfür ist das Umschlagen der Erwartungen am oberen Scheitelpunkt der Preisentwicklung. Kindleberger erörtert den Begriff in seinem unter Fachpublikum weltberühmten Buch ‚Manias, Panics and Crashes’ folgendermaßen: „A bubble is an upward price movement over an extended range that then implodes.”[13] Im Lebenszyklus eines Bubbles stehen also der ‚Boom-Phase’, in welcher mit kurzfristigen positiven Wohlfahrtseffekten für betroffene Volkswirtschaften zu rechnen ist, große Risiken der von starken Preisstürzen gekennzeichneten ‚Bust-Phase’ gegenüber. Langfristige Fehlallokationen des Kapitals sowie das Abrutschen in eine deflatorische Entwicklung sind als potentielle Gefahrenszenarien zu nennen.[14]

Tirole grenzt ab, welche Arten von Vermögensgegenständen Gegenstand einer Spekulationsblase sein können. Grundsätzlich müssten diese sowohl aktiv als auch beständig sein, da nur mit Vermögenswerten spekuliert wird, für welche die Möglichkeit der Weiterveräußerung besteht.[15] Ein weiteres Basischarakteristikum sieht er in der kurzfristigen relativen Inelastizität des Asset-Angebots.[16] Ferner erfordert das Entstehen der spekulativen Blase die Existenz sozio-struktureller Mechanismen, die eine Koordination des Glaubens daran ermöglicht, dass Bubble-Gebilde entstehen und sich weiterentwickeln können. Es scheint sich hierbei also um Vorgänge zu handeln, die an Universitäten gelehrte Marktgleichgewichtstheorien ins Wanken bringen, da in Bubble-Märkten ein Ausgleich von Angebot und Nachfrage über den Preismechanismus in klassischer Form nicht stattfindet.

Ein überzeugendes Indiz für das Bestehen eines Bubbles ist der Beweggrund beim Kauf eines Assets. Ist dieser auf dem Glauben begründet, das betreffende Objekt würde in Zukunft an Wert gewinnen, so liegt per se schon die Voraussetzung für die Entstehung einer spekulativen Blase vor: Positive Zukunftserwartungen.[17] „A sharp rise in the price of an asset or a range of assets in a continuous process, with the initial rise generating expectations of further rises and attracting new buyers – generally speculators interested in profits from trading in the asset rather than its use or earning capacity.”[18] Unabhängig von der jeweiligen Definition steht fest, dass die Identifikation einer spekulativen Blase sowohl ex ante als auch ex post aufgrund der Quantifizierbarkeit der ihr zugrunde liegenden Parameter äußerst diffizil ist, Handlungsableitungen daher sowohl in ihrer Stärke als auch Richtung nur sehr vage sein können.

2.2 Erwartungsbildung in spekulativen Märkten

Es existieren zwei wesentlich voneinander zu unterscheidende Ansätze der Bubble-Theorie. Eine eher traditionelle Variante ist die der adaptiven Erwartungen. Hierbei geht man davon aus, dass Marktteilnehmer durch Fortschreibung von Trends der Vergangenheit ihrerseits wiederum die erwarteten Preise der Zukunft festlegen.[19] Bubbles können also bei adaptiven Erwartungen langfristig nicht entstehen, da Preisentwicklungen über den Zeitverlauf antizipiert werden und eine Abweichung des Buchwertes vom Fundamentalwert daher theoretisch unmöglich ist.

Bei rationalen Erwartungen hingegen blicken Investoren ausschließlich in die Zukunft. Unterstellt werden vollkommene Informationen aus jedem Einflussbereich, welche, kombiniert mit einem der Erwartungsbildung individuell zugrunde liegenden Modell, entscheidend für die Preisbildung sind. Die Theorie rationaler Erwartungen hat aufgrund ihrer Konzeption deshalb einen so großen Einfluss auf die Bubble-Theorie, weil Zukunftsereignisse hier schon in der Preisgleichung verarbeitet sind, sodass lediglich Zufallsmomente und exogene Schocks einen Einfluss auf die Preisbildung haben. Dies könnten bspw. Statements von Fachautoritäten oder Zentralbänkern zur künftigen Marktentwicklung sein. Da diese wiederum vollkommen zufallsverteilt sind und nicht in den Erwartungen der Marktteilnehmer berücksichtigt werden können, erzeugen sie eine Art ‚Random Walk’ in der Asset-Preisentwicklung. Preispfade sind hier also tendenziell unbestimmt, weil sowohl Preise, als auch Erwartungen periodische Variablen sind, die keine definitive Marktgleichgewichtsbestimmung ermöglichen.[20] Die Frage, ob Bubbles also rationale Spiele sind oder ihr Entstehen auf systeminhärente Fehlkonstruktionen hinweist, ist nicht nachhaltig zu klären.[21] Wie schon zu Beginn erwähnt, sind spekulative Blasen nicht etwa ein Produkt der technologisierten Neuzeit, sie entstehen auch nicht durch Kettenreaktionen in den Rechenzentren der Börsen, sondern in den Köpfen der Anleger.

2.3 (Ir-)Rationalität und Herdeneffekte

Mit der Verbreitung der Theorie rationaler Erwartungen entstand auch die These rationaler Bubbles. Shiller betont in seinem Werk 'Irrationaler Überschwang'[22], dass auch vollkommen rational agierende Wirtschaftssubjekte nach dem Herdenprinzip handeln, und sich aufgrund von sog. Informationskaskaden der Meinung anderer Marktteilnehmer, zu denen sie Vertrauen aufgrund deren vermeintlich besserer Informationslage haben, anschließen. Ähnlich dem Keynesschen 'Beauty Contest-Modell' metaphorisiert Shiller den Vorgang auf Asset-Märkten mit dem Auswahlprozess der Gäste für zwei nebeneinander gelegene, leere Restaurants.[23] Angenommen die ersten für beide Restaurants potentiellen Gäste des Abends entscheiden sich zufällig für Restaurant A. Die zweite Gruppe von Gästen wählt nun ebenfalls dasselbe Restaurant, aufgrund der Tatsache, dass hier schon Kunden essen wohingegen das leere Restaurant B (unberechtigterweise) eine relativ niedrigere Attraktivität bzw. Qualität signalisiert. Dieser Prozess setzt sich solange fort, bis im Extremfall Restaurant A vollkommen überfüllt und Restaurant B immer noch vollständig leer bzw. langfristig pleite ist. Die Wahl des Restaurants (Assets) ist also, bis auf das erste Mal, weder gleich verteilt noch durch objektive Qualitäts- oder Preis-/Leistungskriterien bzw. subjektive Präferenzstrukturen, sondern lediglich durch eine spezielle Kombination von ‚Signaling’ und Informationsasymmetrien entschieden worden. Problematisch hierbei ist die im Zeitverlauf immer fragiler werdende Struktur der Informationskaskade. Dies liegt vor allem daran, dass die Entscheidungen der im Zeitverlauf eintretenden Marktteilnehmer tendenziell stark an Informationsgehalt verlieren. Die Kaskade ist dadurch sehr empfindlich gegenüber exogenen Einflüssen, wie z.B. neuen bzw. höherwertigen Informationen.[24] In dem Moment, wo Ereignisse eintreten, die der Informationskaskade widersprechen, kommt es zu deren Einsturz bzw. zum Platzen einer spekulativen Blase. Die beschriebenen rationalen, gleichgerichteten Herdeneffekte beruhen auf (Fehl-)Informationen und führen sowohl zur Entstehung von Bubbles, als auch zu deren Implosion.

Es existieren aber auch irrationale Herdeneffekte, bei denen gleichgerichtetes Verhalten weder durch Informationen, noch durch Anreize zu rechtfertigen ist.[25] Der Vorteil gleichgerichteten Verhaltens bspw. bei Analysten und Fondsmanagern ist die Risikovermeidung. So wird angenommen, dass diese eher den Vorhersagen erfahrener Kollegen folgen, um im Falle einer Fehlprognose nicht isoliert gehandelt zu haben und somit der Gefahr schlechter Reputation zu entgehen.[26] Es existieren selbst bei offensichtlicher Irrationalität kaum Anreize, von der Herde abzuweichen, da dies in der Regel nicht entlohnt wird.[27] Der Markträumungsmechanismus wird so lange außer Kraft gesetzt, bis das Investitionsmotiv von den Wirtschaftssubjekten angezweifelt wird. Erst dann werden die von Informationskaskaden fehlgeleiteten Investoren verkaufen, weil sie den Glauben an weitere Preissteigerungen verloren haben. An diesem Punkt kommt es oftmals zu einer drastischen Umkehr des Prozesses und die Vermögenspreise fallen ins Bodenlose – die Blase ist geplatzt. Sinken die Preise gar unter ihre Fundamentalwerte, spricht man auch von inversen oder negativen spekulativen Blasen.[28]

2.4 Die Ratio spekulativen Verhaltens

Aufgrund der Existenz unterschiedlicher Risikoaversionsgrade von Marktteilnehmern übernehmen risikobereite Spekulanten gegen Bezahlung einer Pämie die Preisrisiken risikoaverser Wirtschaftssubjekte.[29] Spekulation entsteht somit aufgrund unterschiedlicher Informationsverarbeitung durch Investoren, wobei insbesondere der mit Unsicherheit verbundenen Erwartungsbildung eine bedeutende Rolle zukommt. Das typische Verhalten spekulativer Anleger, bei einer positiven Abweichung vom Fundamentalwert Käufe zu verstärken, obwohl das Risiko mit jeder Wertsteigerung exponentiell ansteigt, ist letztendlich rational. Der homo oeconomicus rechtfertigt sein quantitativ stärkeres Engagement trotz steigendem Ausfallrisiko durch eine sich parallel mindestens linear erhöhende Preissteigerung des Assets.

Der heute über dem Fundamentalwert liegende Preis einer Wertschrift resultiert folglich lediglich aus der Erwartung der Finanzmarktteilnehmer, dass die positive Preisentwicklung auch in Zukunft bestehen bleibt. Es handelt sich gleichsam um eine Art 'self-fulfilling-prophecy'.[30] Diese Erwartung wiederum schreibt sich in den Preisentwicklungen fort und es entsteht ein rationaler, sich selbst verstärkender Prozess. Kindleberger sieht jene unkontrollierte Gier der Anleger als Fehlentwicklung von Märkten, die staatlich kontrolliert werden solle.[31] Um ein plastischeres Verständnis der Problematik zu erzeugen, werden im Folgenden kurz die Geschehnisse während der geschichtsträchtigen niederländischen Tulpenmanie beschrieben.

2.5 Empirische Erfahrung: Die Tulpenmanie in Holland

Ende des 16.Jahrhunderts wurden aus der Türkei Tulpenzwiebeln in die Niederlande eingeführt. Aufgrund des knappen Angebots und der komplizierten Züchtung bestimmter sehr seltener Arten, die wegen eines ‚Mosaikvirus’ eine sonderbare Pigmentierung besaßen, wurden die Tulpen zu hohen Preisen gehandelt. Zugespitzt hatte sich die Situation im Winter 1636/1637, als kurz vor dem immensen Kursverfall im Februar 1637 eine einzige Zwiebel der Art ‚Semper Augustus’ zum vierzigfachen Jahreseinkommen eines Zimmermanns verkauft wurde.

Die konträren Positionen von Kindleberger und Garber bezüglich der Ursachen dieses ersten Bubbles der (dokumentierten) Geschichte und der dadurch entstandene wissenschaftliche Streit, zeigen sehr gut auf, worin das eigentliche Problem der Theorie spekulativer Blasen besteht. Die Meinungen darüber, wie sich ein Bubble von einem Boom genau abgrenzt, wie man also die Existenz einer spekulativen Blase quantitativ bestimmt, driften deswegen so weit auseinander, weil insbesondere beim Konzept der Fundamentalpreise Konfusion besteht. Dies führt zu der Frage, ob es überhaupt zu einer Abweichung von Fundamentalwerten kommen kann. „Kindleberger, in his new edition of Manias, Panics, and Crashes (1996), which dominates the popular mind on the history of bubbles, added a chapter on tulipmania, which had not been in previous editions, to critique my view that the tulipmania was based on fundamentals.”[32] Garber rechtfertigt die damals erzielten Buchwertsteigerungen der Blumen mit der aufgrund von schwierigen Züchtungsbedingungen erzeugten Knappheit. Durch die Reproduzierbarkeit des Produkts rechnete man mit hohen Zukunftserträgen seiner Ableger. Kindleberger hingegen spricht von irrationalem Fieber, was er dadurch begründet, dass die astronomischen Summen gerade zu einer Jahreszeit erzielt wurden, als sich das gehandelte Gut unsichtbar unter der Erde verpflanzt befand.[33] Am 7.2.1637 kam es zu einem Kursverfall um 95%, weil sich bei einer wichtigen Versteigerung plötzlich nicht mehr genug Käufer fanden. Die Kaskade fiel in sich zusammen, die Blase war geplatzt.

3 Die Charakterisierung der Immobilienpreisentwicklung

In diesem Kapitel wird erörtert, welche Parameter die Immobilienpreise nachfrage- und angebotsseitig bestimmen. Ferner wird ausgeführt, wieso eine enge Beziehung des Immobilienmarktes zum Kreditmarkt besteht und wie sich Immobilienpreise auf andere Märkte auswirken. Des Weiteren werden Möglichkeiten der Bestimmung von Fundamentalwertabweichungen und Unterschiede von Immobilienpreisblasen zu anderen Assetpreis-Bubbles dargestellt. Abschließend werden die Möglichkeiten der Geldpolitik aufgezeigt, auf Fehlentwicklungen in Immobilienmärkten Einfluss zu nehmen. Der Fokus vorliegender Arbeit liegt auf dem Wohnimmobilienbereich. Für gewerblich genutzte Objekte müsste eine separate Analyse insbesondere im nachfrageseitigen Bereich durchgeführt werden, aber auch im Bereich der Fiskalpolitik oder der Kreditvergabe gelten für Unternehmen andere Bestimmungen und Wirkungsmechanismen.

Als Immobilie oder Liegenschaft wird ein Grundstück inkl. der sich darauf befindlichen Gebäude und Zubehör bezeichnet. Juristisch gesehen handelt es sich bei der Immobilie um ein unbewegliches Gut, was im Lateinischen als ‚im-mobilis’ bezeichnet wird. Gebäude sind fest mit dem Stück Land verbunden, auf dem sie erbaut wurden. Dies ist insofern wichtig, als Boden nicht reproduzierbar ist und daher Knappheit für Immobilien sowie deren Preise eine wichtige Rolle spielt. Sowohl der Konstruktionsprozess, als auch die Lebensdauer von Immobilien sind zudem vergleichsweise langwierig, was dem Markt einen kurzfristig sehr rigiden Charakter verleiht. Im Vergleich zu anderen Assets haben Immobilien in ihrer Funktion nicht primär Wertaufbewahrungs- bzw. Spekulationscharakter, sondern dienen einem (in der Bedürfnispyramide weit unten stehenden) Grundbedürfnis: dem Wohnen.[34] Daher unterscheidet sich die Immobilie als Gut von bspw. einer Aktie dadurch, dass sie gleichzeitig auch ein realer Vermögensgegenstand ist, und von einem Gemälde dadurch, dass sie zudem auch eine Gebrauchsfunktion besitzt. Immobilienpreisentwicklungen beeinflussen folglich bei gegebener Budgetrestriktion alle weiteren Märkte. Sieht man von Wohnsitzlosen ab, ist Konsumverzicht auf diesem Markt nicht möglich.

3.1 Angebot und Nachfrage im theoretischen Modell

Um die Zusammenhänge in einem theoretischen Modell zu verdeutlichen, seien anhand von Abb. 1 die Auswirkungen der Änderung einzelner relevanter Parameter aufgezeigt. Das Preisniveau Pv ist negativ mit der Anzahl der Immobilien korreliert, da mit einem größeren Angebot die Mieten sinken und über die Rentabilität auch das Preisniveau auf dem Markt zurückgeht. Daher hat die Nachfragekurve D eine negative Steigung. Das Angebot O steigt mit dem Preisniveau an. Bei Reduktion der (laufenden) Kosten für die Erhaltung oder Finanzierung der Immobilie (z.B. aufgrund einer Zinssenkung) verschiebt sich die Nachfragekurve nach rechts. Im neuen Gleichgewicht b hat sich daher sowohl der Preis, als auch der Bestand an Immobilien erhöht. Eine Verschiebung nach links würde dementsprechend bei einer Erhöhung der mit dem Besitz oder der Nutzung verbundenen Kosten der Immobilie eintreten (bspw. bei einer Steuererhöhung auf Immobilienbesitz).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Preisreaktionen bei Änderung von Nachfrage- und Angebot im
Immobiliensektor. Quelle: Garcia Montalvo (2003), Grafik 21.

3.2 Angebotsseitige Einflussparameter

3.2.1 Natürliche und künstlich erzeugte Knappheit

Wohnimmobilienpreise werden in der langen Frist über Veränderungen von Angebot und Nachfrage bei Wohneigentum bestimmt. Aufgrund der Tatsache, dass Land und damit Wohnraum knappe Faktoren sind, kommt es phasenweise zu knappheitsbedingten Preisbestimmungen, da eine kurzfristige Anpassung des Angebotes bei dieser Art von Gut nicht möglich ist. Immobilienmärkte sind national oder gar lokal begrenzt, Gebäude sind nur sehr beschränkt-, Land überhaupt nicht transportierbar. Zumindest kurz- bis mittelfristig ist also aufgrund der spezifischen Charakterisierung des Immobilienmarktes mit starken knappheitsbedingten Abweichungen der Fundamentalwerte von ihrem natürlichen Preispfad zu rechnen. Doch nicht das Land an sich, sondern vielmehr die Landvergabe durch Regulierungsbehörden führen oftmals die eigentliche Verknappung herbei. Insbesondere in Ländern mit strukturell schwerfälligen Systemen wie langwierigen Baulandvergabeprozessen, Infrastrukturanpassungen oder Stadtplanungsbestimmungen ist mit einer nur sehr langsamen Anpassung des Angebots an Wohn- oder Gewerbeimmobilien zu rechnen. Gerade bei den Neubauten, aber in eingeschränkter Form auch bei Altbauten ist die Elastizität des Marktes daher sehr gering. Bestimmungen zu Sanierung, Veränderung von Gebäuden (Denkmalschutz), aber vor allem die langen Wege der Genehmigungsprozeduren erzeugen kurzfristige Angebotsrigiditäten. Studien von Barker haben ergeben, dass in England vor allem die lokale Stadtplanung und der Genehmigungsprozess für Bauvorhaben eine kurz- bis mittelfristig rigide Angebotskurve erzeugen.[35]

Selbst wenn Land erwerbbar ist steigt und fällt dessen Wert mit seinen Nutzungsmöglichkeiten, ein Bauverbot bspw. senkt seinen Preis drastisch. Obwohl es falsch wäre von einer zunehmenden Angleichung internationaler Immobilienpreisniveaus auszugehen (da sich durch die schnelle Verlagerung von Wirtschaftszentren und aufgrund der rigiden Angebotsstruktur regional beschränkte Knappheiten ergeben), rechtfertigen diese natürlich und regulatorisch erzeugten Knappheiten trotzdem keine unendlichen Preissteigerungen. Gerade in schon gefestigten Metropolen zeigt sich in letzter Zeit eine tendenzielle Trendumkehr, weil sich das Preisniveau oftmals stärker als die Zahlungsbereitschaft der Nachfrager entwickelt hat. In Hongkong bspw. sind Immobilienpreise zwischen 1998 und 2003 um 65% gefallen.[36]

3.2.2 Ursprüngliche Kosteneinflussgrößen

Um den Fundamentalwert einer Immobilie festzulegen, muss man sie in verschiedene Kategorien einteilen. Es gibt unter anderem unbebaute Grundstücke, gewerblich genutzte Gebäude und Wohngebäude, die privat genutzt oder vermietet werden können. Sowohl die Baukosten, welche bei der Konstruktion und dem Anschluss an Infrastruktur anfallen, als auch das Alter der Objekte bei Gebrauchterwerb, sind wichtige Faktoren für die ursprüngliche Preisbestimmung. Insbesondere die Angebotselastizität, welche vor allem auf strukturelle Faktoren zurückzuführen ist, bestimmt das zyklische Verhalten von Preisentwicklungen auf dem Immobilienmarkt.[37] Der Wert eines Grundstücks steigt, wenn es durch geeignete Infrastruktur erschlossen ist. Hierzu zählt z.B. die Anbindung an Verkehr, Gas, Wasser, Strom und Telekommunikation. Auch die Nähe zu Einrichtungen wie bspw. Schulen oder öffentlichem Nahverkehr, Gesundheits- und Freizeiteinrichtungen und vor allem die Sicherheit der Umgebung spielen bei der individuellen Preisbildung im Immobiliensektor eine gewichtige Rolle. Wertmindernd hingegen sind bspw. Immissionen, ein hoher Lärmpegel oder Altlasten wie Kontamination. Ebenso können Wertänderungen auch Folge einer politischen Entscheidung wie z.B. dem Bau eines Flughafens oder einer Autobahn sein. Wie die meisten anderen materiellen Güter auch, unterliegt die Immobilie zusätzlich laufenden Kosten wie Erhaltungsinvestitionen, Abschreibung und evtl. Zinszahlungen auf Veräußerungsgewinne.[38]

3.2.3 Probleme bei der Wertermittlung

Die Ermittlung des Wertes einer Immobilie ist in Deutschland in der Wertermittlungsverordnung geregelt. Diese amtliche Verordnung unterscheidet Sachwertverfahren, Ertragswertverfahren und Vergleichswertverfahren.[39] Problematisch ist hierbei vor allem der intertemporale Preisvergleich aufgrund von qualitativen Änderungen an den Gebäuden. Daher wird hierzulande im Immobilienbereich seit längerem die hedonische Preisindizierung verwendet, welche Qualitätsverbesserungen in der Teuerungsrate berücksichtigt. Quigley geht von einer durchschnittlichen Qualitätssteigerungsrate von 1,3% p.a. aus.[40] Ein internationaler Vergleich von Immobilienpreisen ist dementsprechend vergleichsweise schwer, weil die Daten hierfür aus nicht-harmonisierten, privaten und öffentlichen Quellen stammen (Statistische Landesämter, Hypotheken- und Maklerverbände, etc.). Abgesehen von der oftmals unvollständigen geografischen Abdeckung der Statistiken, werden auch meist nur bestimmte (durch Hypothekenkredite finanzierte oder von Maklerbüros abgewickelte) Transaktionen registriert. Vor allem Umbauten oder Erweiterungen werden weder qualitativ noch quantitativ erfasst.[41]

3.3 Nachfrageseitige Preisbestimmungsparameter

3.3.1 Demographische Faktoren

Zu den grundlegenden nachfrageseitigen Bestimmungsfaktoren sowohl bei Immobilien, als auch bei vielen anderen Gütern, gehören Einkommensentwicklung, demographische Veränderungen, Beschäftigungsquote und Nutzungskosten sowie Änderungen in der Kreditvergabe oder im Zinsniveau.[42] Ebenso spielen regionalspezifische Faktoren wie Steuern oder Zuschüsse eine bisweilen elementare Rolle in der Kaufentscheidung der Wirtschaftssubjekte. Drei Faktorenbündel beeinflussen die Wohnungs- bzw. Wohnflächennachfrage, die sich auch gegenseitig beeinflussen können: Hierzu gehört die Anzahl der Privathaushalte sowie ihre Alters- und Größenstruktur[43], die konjunkturelle Entwicklung und damit das zur Verfügung stehende Einkommen und das individuelle Anspruchsniveau, das sich in der Wohnflächennachfrage widerspiegelt.[44] Somit ist nicht ausschließlich die Rate der Veränderung der Gesamtbevölkerung sondern eher diejenige bestimmter Gruppen relevant, welche marktwirksame Nachfrage erzeugt. Man hat festgestellt, dass bspw. der Altersgruppe zwischen 20 und 44 Jahren im Wohneigentumsmarkt eine besondere Rolle zukommt. Während die bis 30-Jährigen eine starke Nachfrage nach kleinen Wohnungen, schwerpunktmäßig im unteren Marktsegment und dem Mietmarkt erzeugen, fragen die bis 44-Jährigen größeren Wohnraum nach und betreiben verstärkte Eigentumsbildung.[45] Empirische Studien haben ergeben, dass die langfristige Elastizität von Hauspreisen in Bezug auf das Einkommen sehr nahe bei eins liegt.[46] Anders als bei inferioren Gütern wie bspw. Grundnahrungsmitteln, steigt also bei höherem Einkommen der Haushalte auch der qualitative und quantitative Wohnbedarf an. Trotzdem sind Auswirkung von positiven oder negativen Einkommensschocks oder graduellen Anpassungen des Einkommens- über das Inflationsniveau hinweg auf den Häusermarkt nicht unbedingt linear. Um bspw. die Wirkung der Arbeitslosenquote auf die Immobiliennachfrage bestimmen zu können, muss primär festgestellt werden, ob es sich um allgemeine oder bspw. um Jugend- oder Altersarbeitslosigkeit handelt, da wie erwähnt, die Neigung zur Wohneigentumsbildung stark vom Lebensalter abhängt. Wie schon ausgeführt unterliegt aber die quantitative Anpassung (Ausweitung von Wohnraum pro Einwohner) besonders in der kurzen Frist angebotsseitiger Restriktionen. Der preismechanistisch logische Schluss ist eine Verlagerung des erhöhten Bedarfs in die Bestandspreise der Immobilien. Grundsätzlich kann also festgehalten werden, dass sowohl das zur Verfügung stehende Volkseinkommen, als auch das durchschnittliche Einkommen pro Einwohner in Verbindung mit der demographischen Entwicklung einen stark positiven Einfluss auf das Preisniveau des Immobilienmarktes haben.[47]

3.3.2 Direkte Besteuerung und Subventionierung

Der Staat hat die Möglichkeit, mithilfe fiskalpolitischer Maßnahmen direkten Einfluss auf die relative Attraktivität von Wohneigentum gegenüber Mietverhältnissen bzw. Immobilieninvestitionen gegenüber Alternativanlagen zu nehmen. Dies hat über verschiedene Kanäle Auswirkungen auf die Ausgaben der Wirtschaftssubjekte, die mit dem Immobilienmarkt in Verbindung stehen. In Abb. 2 sind verschiedene Besteuerungs- bzw. Subventionsformen von Wohneigentumskauf, -finanzierung, -veräußerung und -vererbung sowie Stempelsteuern im europäischen Vergleich abgebildet.

Abbildung in ieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Besteuerung von Wohneigentum im europäischen Vergleich.
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Catte et. al (2004), S.41.

Allgemeine Steuern und Subventionen wirken direkt auf das Haushaltseinkommen oder auf die Opportunitätskosten von Immobilieninvestitionen. Direkte Steuern und Subventionen sowie indirekte Steuern auf Immobilienerwerb (Mehrwertsteuer, Transaktionssteuer, Grundsteuer aber auch bspw. Erbschaftssteuer) können hingegen bei gegebenem Budget, je nach Ausgestaltung, Anreize zum Kauf oder zur Miete geben. Um Wohneigentum zu fördern, werden in vielen Ländern von staatlicher Seite sowohl Steuerbefreiungen, die sich auf den Wert der Immobilie beziehen, sowie Subventionsleistungen, bspw. in Form von zinslosen Baudarlehen, gewährt. In manchen Ländern bezieht sich dies nur auf Neubauten, in anderen generell auf Eigentumserwerb. Der Trend zu bevorzugter finanzieller Behandlung von Eigenheimbesitzern ist jedoch tendenziell rückläufig.[48] In vielen Ländern, wie bspw. den Niederlanden, beschränkt sich fiskalische Unterstützung mittlerweile nur noch auf Haushalte mit geringem Einkommen oder Erstimmobilienbesitzer.[49]

3.3.3 Die Wirkung von Transaktionskosten

Fiskalische Steuerungsmöglichkeiten ergeben sich vor allem auch im Bereich der Transaktionskosten. Hierzu gehören Stempel- und Mehrwertsteuern, Maklerprovisionen und Gebühren für die Grundbucheintragung sowie Versicherungskosten. Eine Übersicht über die Gewichtsverteilung dieser Kosten im internationalen Vergleich gibt Abb. 3.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Transaktionskosten in Prozent des Kaufpreises im internationalen Vergleich.
Quelle: Catte et. al (2004), S.27.

Irland verfolgt bspw. seit 1998 eine Politik der zweistufigen Stempelsteuer. Während auf der einen Seite durch steuerliche Anreize Transaktionskosten für Hauseigentümer, die ihre Immobilie selbst nutzen, gesenkt wurden, belastete man Immobilien-Investoren höher, um Spekulation vorzubeugen.[50] Diese Maßnahme hat zwar zum gewünschten Abklingen der Spekulationsblase geführt, erzeugte dafür allerdings enormen Preisdruck auf dem Mietmarkt. Als im Jahre 2002 aus diesem Grund die Steuerpolitik eine Kehrtwende machte, verlagerte sich die Preisdynamik wieder auf das Wohneigentum. „The connection between housing transaction costs and the strength of the house-price/consumption correlation is difficult to demonstrate […] but the presumption is that higher costs operate to impede the housing sector/consumption transmission mechanism by making housing assets less liquid.”[51] Alan Greenspan vertritt die Meinung, dass der Immobilienmarkt nicht so anfällig gegenüber Spekulationen sei wie der Aktienmarkt, da Hausbesitzer ihr Eigentum nicht so schnell kaufen und verkaufen könnten wie Aktienbesitzer ihre Anteile. Dies läge im Wesentlichen daran, dass Menschen in ihren Häusern leben und die Transaktionskosten ständiger Wohnsitzwechsel viel zu hoch seien.[52] Im Gegensatz zu Wertpapieren, die in Sekundenschnelle den Besitzer wechseln ohne dass dieser, abgesehen von den Auswirkungen auf seinem Bankkonto, davon Notiz nimmt, sind die Transaktionskosten im Immobilienmarkt hingegen vergleichsweise hoch.

Abgesehen von materiellen Transaktionskosten wie bspw. den Maklerprovisionen, die oft mit 5-6% des Verkaufspreises ins Gewicht fallen, sind Umzugskosten sowie deren immaterielle psychologische Effekte mit einzukalkulieren. Eine neue Umgebung mit dem Verlust alter sozialer Strukturen bringt Gewöhnungszeiten und –kosten mit sich, die schwer bezifferbar sind. Harald Hau von der Banque de France hingegen fand heraus, dass Transaktionskosten tendenziell einen eher geringen Einfluss auf Immobilienpreisblasen haben, sehr wohl aber einen stark negativen auf die Faktormobilität.[53] Auf diesen Zusammenhang wird in Kapitel 3.5.2 näher eingegangen. Obwohl erwähnter Transaktionskostenansatz eher gegen spekulative Bewegungen auf dem Immobilienmarkt spricht, existieren zahlreiche Gegenthesen, die die Entstehung einer Blase in diesem Sektor für wahrscheinlicher halten als in anderen Asset-Märkten. Diese werden in Kapitel 3.7 behandelt.

3.3.4 Das Verhältnis von Miet- und Eigentumsmärkten

Aufgrund des hohen Anteils der Ausgaben von Wirtschaftssubjekten im Wohnsektor haben sich weltweit Mietmärkte gebildet. Wohnkonsum und Wohneigentum müssen daher getrennt betrachtet werden, da ersterer auch ohne Immobilienerwerb möglich ist. Im Gegensatz zu Aktienkursen bilden Mietpreise direkt das Verhältnis von Angebot und Nachfrage in einem Partialmarkt ab. Wie für jeden Vermögensgegenstand, der als Investitionsobjekt zu betrachten ist, gilt, dass der in einem bestimmten Zeitraum erzielte Nettogewinn dem Risiko alternativer Investitionsformen entsprechen muss. Vorab soll in diesem Kapitel ein Überblick darüber gegeben werden, in welcher Form auf dem Immobilienmarkt Interaktionen zwischen Hauseigentümern und Mietern bestehen. Hierzu haben Aoki, Proudman und Vlieghe[54] von der Bank of England interessante Überlegungen angestellt (siehe Abb. 4). Grundsätzlich lassen sich zwei Typen von Haushalten unterscheiden: Hauseigentümer und Konsumenten. Hauseigentümer beleihen sich bei Finanzintermediären, um ihren Besitz (zumindest teilweise) finanzieren zu können. Zur Finanzierung und Tilgung ihres Kreditgeschäfts vermieten daher Hauseigentümer die Objekte, falls kein Eigenbedarf vorliegt, an Konsumenten. Hierbei ist es wichtig zu erwähnen, dass, insbesondere im Niedrigpreissegment, die öffentliche Hand oftmals als Vermieter auftritt. Der Anteil dieser sog. Sozialwohnungen am Gesamtmietmarkt ist allerdings besonders in den südeuropäischen Ländern wesentlich geringer als in den, stärker sozialstaatlich geprägten, mitteleuropäischen oder skandinavischen Ländern.[55]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Funktionsmechanismus zwischen Hausbesitzern und Mietern.
Quelle: Aoki et. al (2001), S.463.

Mit einem Anteil von 6% am EU-weiten HVPI-Warenkorb[56] stellt der Mietmarkt zwar einen nicht unbedeutenden Faktor für die Inflationsentwicklung dar, die Tendenz ist aber europaweit fallend. Dies spielt für die Inflationsentwicklung insofern eine Rolle, als im HVPI-Index interessanterweise nicht die kalkulatorischen Mietkosten eines vom Eigentümer bewohnten Hauses berücksichtigt werden.[57]

Das Angebot auf dem Mietmarkt wird im Wesentlichen von der Bereitschaft der Eigentümer beeinflusst, die Objekte zur Miete freizugeben.[58] Falls also kein Eigenbedarf vorliegt, so sind regionale oder staatliche Regulierungen, das Mietrecht, aber vor allem das Steuersystem, welches i.d.R. Eigentumserwerb gegenüber Mietverhältnissen begünstigt, dafür verantwortlich, dass es auf diesen Märkten trotz Vorhandensein der Objekte nicht zu einem effektiven Angebot kommt. Insbesondere drei Kriterien der Mietregulierung seien genannt, welche sich weitgehend auf Zukunftsunsicherheiten beziehen und somit die Attraktivität des Mietmarktes sowohl für die Mieter, als auch für die Vermieter beeinflussen.[59]

1.) Wie stark darf der Vermieter den Mietzins im Laufe des Mietverhältnisses erhöhen?
2.) Gibt es Bestimmungen, inwieweit Vertragsbestandteile geändert werden dürfen bzw. im Laufe des Mietverhältnisses ein neuer Vertrag gültig werden kann?
3.) Welche Bestimmungen gibt es zur Vertragsauflösung?

Trotz international vorherrschender Tendenz zur Deregulierung unterliegen viele Märkte noch immer zahlreichen Bestimmungen. Aufgrund dieser, aber auch bspw. aus traditionellen Gründen, divergieren die Mietquoten (Anteil des Mietmarktes am gesamten Wohnungsmarkt) mitunter stark, allein in der EU zwischen 10% und 60%. Wie Abb. 5 verdeutlicht, sind diese mit Ausnahme von Finnland europaweit gefallen, was darauf hinweist, dass Konsumenten Wohneigentumserwerb im Vergleich zur Miete heutzutage attraktiver bewerten als früher. Ein weiterer Grund für diese Entwicklung ist, dass durch niedrigere Zinsen oder aufgrund des Zugangs einer breiteren Bevölkerungsschicht zu Krediten die Finanzierung eines Eigenheims in der jüngeren Vergangenheit erst möglich wurde.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5: Mietquoten in der EU. Quelle: EZB (2003), S. 26.

Finnland ist ein Beispiel dafür, dass die dort stattgefundene Aufhebung vieler Mietregulierungen diesen interessanter sowohl für potenzielle Mieter als auch Vermieter gemacht hat. Bspw. ist in jedem dritten finnischen Vertrag geregelt, dass sich die Mietkosten nur mit der Geldentwertung erhöhen dürfen. Der Mietmarkt ist im Vergleich zum Eigentumsmarkt vor Spekulationen weitgehend geschützt. Dies liegt daran, dass die beschriebenen gesetzlichen Regulierungen zur Mieterhöhung nur eine verhältnismäßig moderate Schwankung der Preise zulassen. Ein funktionierender Mietmarkt wirkt sich daher nicht zuletzt aufgrund der durch seine Preisstabilität planbaren Wohnkosten positiv auf die Faktormobilität der Mieter aus. Da Wohnkosten (Miete + laufende Kosten) mit 15% des HVPI ein bedeutender Budgetverknappungs-Faktor der Wirtschaftssubjekte darstellen, dienen Immobilienpreissteigerungen auch als Lohnverhandlungsargument. Transaktionskosten des Wohnraumwechsels und vor allem die im Allgemeinen (für den Mieter) bestehende Nachteilhaftigkeit von Bestimmungen bestehender gegenüber neuer Mietverträge vermindern die Anreize zum Wohnungswechsel und führen daher zum Verlust horizontaler Mobilität.[60] In folgender Abbildung sind die wesentlichen Deregulierungsmaßnahmen auf dem europäischen Mietmarkt seit 1980 aufgelistet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 6: Deregulierungsmaßnahmen auf dem Mietmarkt in der EU seit 1980. Quelle: EZB (2003), S.52.

Für den europäischen Raum lässt sich die Aussage machen, dass Mieten zwar stärker als die Inflation angestiegen, die Teuerungsraten im Vergleich zu Wohneigentum jedoch moderater ausgefallen sind, Mieten also real günstiger geworden ist.[61] Dieses Argument relativiert sich allerdings im Hinblick auf den Realzins und die Kreditvergabemodalitäten für Immobilienerwerb in manchen Regionen des Euro-Währungsarums. Trotz des relativ teureren Eigentums ziehen Konsumenten in der Erwartung von Preissteigerungen im Immobilienmarkt den Eigenheimerwerb vor. Dieser Zusammenhang wird eine wesentliche Rolle in der Untersuchung des Falles Spanien in Kapitel 4 spielen. Die vorgebrachten Argumente führen zu der Überzeugung, dass ein funktionierender Mietmarkt die Gefahr der Bubble-Bildung einschränkt. Er kann aber nur entstehen oder bestehen bleiben, wenn er weitgehend flexibel ist und von potentiellen Mietern und Vermietern als gleichermaßen finanziell attraktiv eingeschätzt wird. Den dafür notwendigen Rahmen zu schaffen ist die Aufgabe staatlicher Institutionen.

3.3.5 Psychologische Faktoren

Gründe für den Erwerb einer Immobilie sind zahlreich. Dass sie allerdings auch sehr irrational sein können, hat eine empirische Studie von Case und Shiller Ende der achtziger Jahre aufgezeigt, welche im Jahre 2003 noch einmal mit sehr ähnlichen Ergebnissen durchgeführt wurde.[62] Darin haben die Autoren jeweils 500 frisch gebackene Hauskäufer in boom oder post-boom Märkten befragt, wieso diese glaubten, dass es zu einem Immobilienpreisboom kam. Gut ein Drittel der Befragten argumentierten jeweils mit den Veränderungen der Zinsstrukturen. Das Zinsniveau der USA ist allerdings landesweit einheitlich, so wie mit Ausnahme dieser ‚Hot Spots’[63] auch die Hauspreise - die Begründung kann also nicht der Realität entsprechen.[64] Die Mehrheit der Probanden gab Investition als Hauptgrund dafür an, warum sie kauften. Daher vermuteten auch fast alle, dass es weitere Preisanstiege geben würde und sie dasselbe oder ein ähnliches Eigenheim in Zukunft aufgrund des begrenzten Angebots nicht mehr erwerben könnten (vgl. Abb. 7).[65] Obwohl, wie die Studie zeigte, die Mehrheit der Käufer das Preisniveau für zu hoch hielt und in ‚normalen’ Zeiten zu diesen Preisen nicht kaufen würde, haben sich doch alle aufgrund erwarteter Preissteigerungen zum Kauf entschlossen. „This so-called ‘myopic’ […] expectation can contribute to endogenous oscillation of property prices or deviations from their long-run equilibrium values.”[66] Die Studie zeigte vor allem, dass sich Investoren anstatt auf Marktstudien, Fundamentalwertschätzungen oder Fortschreibungen statistischer Preisentwicklungen tendenziell eher an Gerüchten und Stimmungen orientieren.[67]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 7: Umfrageergebnisse zur Einschätzungen bezüglich der künftigen
Entwicklung von Immobilienpreisen (in %). Quelle: Case/Shiller (2003), S.323.

Insbesondere für die Objekte in Küstennähe gilt das Argument, dass sich das Angebot nur in sehr beschränktem Maße der steigenden Nachfrage anpasst, da es sich hierbei um einen geographisch klar abgegrenzten Bereich handelt, der natürlichen Bedingungen unterliegt und nicht erweiterbar ist. Ein Ausgleich über den Preismechanismus ist die logische Folge. Dass es hierbei allerdings effektiv nicht zu einem Ausgleich von Angebot und Nachfrage sondern zu Spekulation und immensen Preisübertreibungen aufgrund von Zukunftserwartungen kommt, ist kein marktmechanistischer sondern eher ein psychologischer Effekt. Für ein gebrauchtes Einfamilienhaus liegen die Durchschnittspreise bei gleichen Baukosten und identischem Zinsniveau in Texas bei 82 000 US-$ und in San Francisco bei 516 000 US-$. Preissteigerungsraten von über 20 % p.a. in San Diego lassen sich weder durch niedrige Zinsen, den kontinuierlichen Zuzug von Beschäftigten, noch durch die zunehmende Tendenz zu kleineren Haushalten rechtfertigen und müssen deshalb als irrrationale Überschwang bezeichnet werden. Auch die im Vergleich zu anderen Regionen wesentlich höhere Rate von Immobilientransaktionen ist als Zeichen spekulativer Kaufwellen zu interpretieren.

[...]


[1] Camerer (1989), S.7

[2] Die beiden Begriffe werden im Weiteren der vorliegenden Arbeit Synonym verwendet.

[3] Vgl. IWF (2005), S.1ff.

[4] Vgl. The Economist (2005), S.1

[5] Vgl. Banco de España (2003), S.24ff.

[6] Die Welt (2005), S.1

[7] Die beiden Begriffe werden im Weiteren der vorliegenden Arbeit Synonym verwendet.

[8] Vgl. Garber (2000), S.7

[9] Belke/Wiedmann (2005), S.8

[10] Vgl. Hoffjan/Siemes (1999), S.454

[11] Vgl. Spahn (2006), S.42

[12] Vgl. Ebd., S.43

[13] Kindleberger (1987), S.16

[14] Vgl. Belke/Wiedmann (2005), S.6

[15] Vgl. Tirole (1982), S. 1163-1181

[16] Dies kann wohl auch als wesentlicher Grund dafür betrachtet werden, dass Künstler (vor allem Maler) zumeist erst nach ihrem Tode zu Ruhme kommen bzw. die Preise ihrer Werke steigen.

[17] Vgl. Meltzer (2003), S.23

[18] Kindleberger (1987), S.281

[19] Vgl. Leverton (2002), S.44

[20] Vgl. Camerer (1989), S.7

[21] Vgl. Helbling (2005), S.31

[22] Vgl. Shiller (2000), S.177

[23] Das Beauty Contest Modell erhielt seinen Namen in Anlehnung an frühere, mit Schönheitswettbewerben verknüpfte, Preisausschreiben in amerikanischen Zeitungen und wurde von John Maynard Keynes entwickelt. Der Gewinn des Wettbewerbs wurde unter an den Teilnehmer vergeben, der unter den zur Wahl stehenden Frauenfotos das ausgewählt hatte, das auch von den meisten anderen als das Schönste ausgewählt worden war. „Wir haben den dritten Grad erreicht, bei dem wird unsere Intelligenz darauf verwenden, welche Meinungen die meisten Leute über die Meinung der meisten Leute haben. Und es gibt Einige, glaube ich, die den vierten, fünften oder noch höhere Grade praktizieren.“ (Keynes (1936), S.156)

[24] Vgl. Hirth et al. (2001), S.8

[25] Vgl. Nöth/Weber (2001), S.3

[26] Vgl. Mewis (2001), S.30

[27] Vgl. Nöth/Weber (2001), S.13f.

[28] Vgl. Belke/Wiedmann (2005), S.8

[29] Vgl. Stöttner (1998), S.76

[30] Die selbsterfüllende Prophezeiung ist eine Vorhersage, die wahr wird, nur weil sie vorhergesagt bzw. erwartet wurde. In der Realität existiert aber kein Zusammenhang, so wie er in der Erwartung existiert. Die Überlegung basiert auf dem Prinzip, dass man selber auf die Umwelt Einfluss nimmt und sie in eine gewünschte oder erwartete Richtung verändert.

[31] Vgl. Kindleberger (1987), S.295

[32] Garber (2000), S.77

[33] Kindleberger (1996), S.145ff.

[34] Vgl. Maslow (1943), S.370ff.

[35] Barker (2003), S.1ff.

[36] Vgl. The Economist (2003a), S.1

[37] Vgl. Case/Shiller (2003), S.337

[38] Vgl. EZB (2006), S.61

[39] Vgl. Wikipedia (2006), http://de.wikipedia.org/wiki/Immobilien [Stand 31.5.2006]

[40] Vgl. Quigley in Case/Shiller (2003), S.358

[41] Vgl. EZB (2003), S.15

[42] Vgl. Garcia Montalvo (2003), S.29

[43] Bspw. steigt die Neigung zur Vermögenshaltung in Immobilien mit dem Alter eines Wirtschaftssubjekts oder einer Gesellschaft an, bestimmte Altersgruppen neigen zu Miet-, andere zu Eigentumsverhältnissen. Auch die Größe der Wohnfläche verändert sich mit der Altersstruktur (Vgl. Catte et. al (2004), S.14).

[44] Vgl. Schader-Stiftung, Online im Internet: URL: http://www.schader-stiftung.de/wohn_wandel/850.php [Stand 16.6.2006].

[45] Vgl. NLW (2001), S.35

[46] Vgl. EZB (2003), S.22

[47] Vgl. Müllbauer/Murphy (1997), S.1710ff.

[48] auch in Deutschland hat die Bundesregierung zum 1.1.2006 die Eigenheimzulage abgeschafft

[49] Vgl. EZB (2003), S.38

[50] Vgl. EZB (2003), S.39

[51] Catte et. al (2004), S.26

[52] Vgl. The Economist (2005), S.3

[53] Vgl. Hau (2001)

[54] Vgl. Aoki et. al (2001), S.463

[55] Vgl. EZB (2003), S.30

[56] Der harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) ist ein in der Europäischen Union (EU) erhobener Verbraucherpreisindex, dem ein EU-weit einheitlicher Warenkorb zugrunde liegt. Der HVPI ist die Kennzahl, mit der in der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) die Preisniveauentwicklung gemessen wird.

[57] Vgl. EZB (2003), S.5

[58] Vgl. Ebd., S.12

[59] Vgl. Ebd., S.25

[60] Vgl. EZB (2003), S.12

[61] Vgl. EZB (2003), S.31

[62] Vgl. Case/Shiller (1988/2003)

[63] Als ‚Hot Spots’ werden die Boom-Regionen bezeichnet, in denen besonders starke Preisniveauzuwächse im Immobiliensektor verzeichnet wurden. Hierzu zählte man während der Untersuchungen bspw. San Francisco, Los Angeles oder Boston.

[64] Vgl. Case/Shiller (1988), S.11

[65] Vgl. Ebd., S.9ff.

[66] Heath (2003), S.10

[67] Vgl. Ebd., S.17

Ende der Leseprobe aus 105 Seiten

Details

Titel
Immobilienpreisblasen als wirtschaftspolitisches Problem. Der Fall Spanien
Hochschule
Universität Hohenheim  (Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik)
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
105
Katalognummer
V61910
ISBN (eBook)
9783638552608
ISBN (Buch)
9783638709835
Dateigröße
2379 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Immobilienpreisblasen, Problem, Fall, Spanien
Arbeit zitieren
Diplomökonom Felix Genze (Autor:in), 2006, Immobilienpreisblasen als wirtschaftspolitisches Problem. Der Fall Spanien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/61910

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