Methoden und Bedeutung der Unternehmensbewertung bei Aktiengesellschaften


Diplomarbeit, 2002

59 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

Abbildungs- und Tabellenverzeichnisverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung: Aktienanalysen, Börsenwert und Unternehmenswert

2 Die Aufgaben der Unternehmensbewertung
2.1 Anlässe der Unternehmensbewertung
2.2 Objektiver und subjektiver Unternehmenswert
2.2.1 Objektive Werttheorie
2.2.3 Subjektive Werttheorie
2.3 Integration der Werttheorien in der Funktionenlehre
2.3.1 Hauptfunktionen
2.3.2 Nebenfunktionen
2.3.3 Kritik an der Funktionenlehre

3 Anforderungen an die Unternehmensbewertung

4 Der Standard IDWS1
4.1 Neuerungen gegenüber der Stellungnahme des HFA2/1983
4.2 Grundsätze der Unternehmensbewertung

5 Die Methoden der Unternehmensbewertung

6 Gesamtbewertungsverfahren
6.1 Die Phasenmethode zur Ermittlung der zukünftigen Überschüsse
6.2 Die Bedeutung des Ertragswertes
6.3 Die Relevanz von Börsenkursen bei der Ermittlung des Unternehmenswertes
6.4 Ertragswertverfahren
6.4.1 Netto-Cash-Flows beim (potenziellen) Eigner
6.4.2 Netto-Ausschüttungen aus dem Unternehmen
6.4.3 Einzahlungsüberschüsse des Unternehmens
6.4.4 Netto-Einnahmen des Unternehmens
6.4.5 Periodenerfolge des Unternehmens
6.4.6 Die Berechnung des Unternehmenswertes nach dem Ertragswertverfahren
6.5 DCF-Verfahren
6.5.1 Bruttoverfahren (Entity-Approach)
6.5.2 Adjusted-Present-Value-Verfahren (APV-Verfahren)
6.5.3 Nettoverfahren (Equity-Approach)
6.6 Vergleichsverfahren
6.6.1 Comparative-Company-Approach
6.6.1.1 Similar Public Company Methode
6.6.1.2 Recent Acquisitions Method
6.6.1.3 Initial Publik Offering
6.6.2 Multiplikatorverfahren
6.6.2.1 Testfunktion
6.6.2.2 Indikationsfunktion
6.6.2.3 Unterstützungsfunktion
6.6.2.4 Anwendung der Multiplikatorverfahren

7 Einzelbewertungsverfahren (Substanzwertverfahren)
7.1 Substanzwertverfahren auf Basis von Reproduktionswerten
7.2 Substanzwertverfahren auf Basis von Liquidationswerten

8 Mischverfahren
8.1 Mittelwertverfahren
8.2 Übergewinnverfahren

9 Ausblick

Literaturverzeichnis

Erklärung

Abbildungs- und Tabellenverzeichnisverzeichnis

Abb. 1: Die Bewertungsverfahren im Überblick

Abb. 2: Schematische Darstellung der Ertragswertmethode

Abb. 3: Überblick über die DCF-Verfahren

Abb. 4: Funktionen der Multiplikatorbewertung

Tab. 1: Anlässe der Unternehmensbewertung

Tab. 2: Kriterien für Anforderungen an die GoU

Tab. 3: Equity-Value-Multiplikatoren

Tab. 4: Enterprice-Value-Multiplikatoren

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung:

Aktienanalysen, Börsenwert und Unternehmenswert

Finanzjournalisten, Wertpapieranalysten und Effektenberater interpretieren die Markt­bewertungen von börsennotierten Unternehmen für das interessierte Publikum.[1] So werden bestehende Bewertungen von Aktien bestätigt oder Fehlbewertungen aufgezeigt. Strategische Alternativen werden dabei verglichen, Geschäftsfelder beurteilt und Anreize auf der Grundlage möglicher Wertsteigerungen geschaffen.[2] Der Bewerter löst, wie der Marktpreis selbst, in der zeitlichen Folge Reaktionen (Kauf, Halten, Ver­kauf) bei den Marktteilnehmern aus, welche durch Stimmungen, nicht rational fassbaren Motiven, Marktengen bei bestimmten Aktien und auch durch Fehlinformationen begleitet werden.[3]

Sollten verschiedene Analysten ausnahmsweise zu einer übereinstimmenden Bewertung bzw. Beurteilung von Aktien kommen, führen die Ergebnisse der Aktienbewertungen häufig zu einer sprachlichen Verwirrung. Die üblicherweise in englischer Sprache verbreiteten Aktienbewertungen wollen, trotz gleicher Wortwahl verschiedener Analysten, unterschiedliche Aktienkursentwicklungen antizipieren. Besonders deutliche Unterschiede sind in den Bewertungsbegriffen Outperformer, Marketperformer und Underperformer anzutreffen. Weitere übliche Begriffe wie Strong Buy, Buy, Hold, Sell und Strong Sell werden durch Empfehlungen wie Moderate Buy, Accumulate , Reduce und Moderate Sell ergänzt. Der Begriff "Accumulate" wird beispielsweise von Marktteilnehmern sowohl als moderate Kaufempfehlung als auch als verkappte Verkaufsempfehlung interpretiert. Ein "Strong Buy" bedeutet sicherlich durch die starke Kaufempfehlung die höchste Auszeichnung von Analysten. Dagegen wird man bei Goldmann Sachs zur Erlangung dieser Auszeichnung auf die Recommended List gesetzt. Der Rat suchende Marktteilnehmer erhält noch weitere Entscheidungshilfen, welche jedoch durch die Formulierungen wie "Basisinvestment", "Langfristanlage", "attraktiv", "interessant" oder "aussichtsreich" leider nicht nachvollziehbar sind.[4]

Diese Empfehlungen werden auf der Grundlage anerkannter Methoden der Unterneh­mensbewertung erstellt. Dennoch ist dieses "rating" nicht als Unternehmensbewertung zu verstehen. Es ist vielmehr eine häufig nicht zutreffende Einschätzung über die Entwicklung von Aktienkursen, welche i.d.R. mit Publizierung den Börsenwert eines Unternehmens beeinflusst. Der Börsenwert eines Unternehmens (Börsenkapitalisie­rung= Anzahl der Aktien multipliziert mit dem Börsenkurs) ist der Tagespreis am Aktienmarkt, welcher den zum Umsatzmaximum führenden Preis darstellt, der sich an der Börse aufgrund aufeinander treffender Nutzenschätzungen der Aktienanbieter und Nachfrager bildet.[5] Durch die Beeinflussung des Börsenkurses von einer Vielzahl von Faktoren ist es gesicherter Stand der Unternehmensbewertung, dass der Börsenwert den Unternehmenswert nicht zuverlässig wiedergibt.[6]

Die vorliegende Arbeit gibt einen Überblick und Einblick in die Grundlagen der Unternehmensbewertung und stellt in konzentrierter Form die wesentlichen Methoden der Bewertungsverfahren vor.

2 Die Aufgaben der Unternehmensbewertung

Die Aufgabe der Unternehmensbewertung dient der Ermittlung potenzieller Preise für ganze Unternehmen, Beteiligungen oder organisatorisch selbständige Gliedbetriebe.[7] Dabei sind alle Erfolgspotenziale des Unternehmens sowie die darauf einwirkenden Einflüsse zu berücksichtigen. Der "potenzielle Preis" wird hierbei als Verkaufserlös ver­standen, welcher zum Bewertungsstichtag als am ehesten als zutreffend bezeichnet werden kann. Demnach ist die Aufgabe der Unternehmensbewertung eine Schätzung welche im kaufmännischen Wortsinn als Kalkulation bezeichnet wird.[8]

Die verschiedenen Aufgaben der Unternehmensbewertung ergeben sich aus dem je­weiligen Zweck, dem die Durchführung der Unternehmensbewertung zugrunde liegt. Einerseits dient sie der Wertermittlung bei Änderungen der Eigentümerstruktur und anderen extern hervorgerufenen Anlässen, andererseits kommt ihr vermehrt der Charakter eines internen Steuerungsinstrumentes zu.[9]

Durch den Vergleich des Unternehmenswertes, welcher mit Hilfe verschiedener Bewertungsmethoden anhand zugänglicher Informationen ja auch durch potenzielle Mehrheitsaktionäre (Rayder) ermittelt werden kann, mit dem Börsenwert des Unternehmens erhält der Vorstand beispielsweise Erkenntnisse, ob die Gefahr einer unfreundlichen Übernahme besteht (Rayder-Analysen). Durch den möglichen Verlust von Macht und Einflussmöglichkeiten ist es aus der Sicht des Managements i.d.R. nicht erwünscht durch einen Mehrheitsinvestor übernommen zu werden. Der Vorstand wird daher versuchen den Börsenwert seines Unternehmens durch wertsteigernde Strategien so weit zu erhöhen, dass bei einen maximalen Börsenwert eine Übernahme für potenzielle Mehrheitsaktionäre unwirtschaftlich wird.[10]

Die Unternehmensbewertung als Instrument der wertsteigernden Unternehmens­führung impliziert durch aktives Wertmanagement eine stärkere Orientierung unternehmerischer Entscheidungen am Nutzen der Anteilseigner und somit am Shareholder Value.[11]

2.1 Anlässe der Unternehmensbewertung

Die Anlässe zur Durchführung von Unternehmensbewertungen können grundsätzlich danach unterschieden werden, ob aufgrund gesetzlicher Vorschriften bzw. vertraglicher Vereinbarungen oder aus sonstigen Gründen eine Bewertung erfolgen soll.[12] Unterneh­mensbewertungen sind stets nur Mittel für bestimmte Zwecke.[13] Sie werden für die unterschiedlichsten Parteien durch Privatgutachter (Berater), Schiedsgutachter (Vermittler) oder durch Gerichtsgutachter (neutraler Gutachter) durchgeführt.[14] Bewer­tungsanlässe aufgrund gesetzlicher Regelungen entstehen insbesondere aus den aktienrechtlichen Regelungen (zur Ermittlung des angemessenen Ausgleichs, der Ab­ findung in Bar und in Aktien) beim Abschluss von Unternehmensverträgen zur Ein­gliederung.[15] Unternehmensbewertungen auf vertraglicher Grundlage ergeben sich überwiegend bei Personengesellschaften beim Eintritt und Austritt von Gesellschaftern.

Vielfach werden Unternehmensbewertungen auch vor dem Hintergrund unternehmeri­scher Initiativen, wie z.B. Kauf oder Verkauf von Unternehmen, Fusionen, Zuführung von Eigen- oder Fremdkapital, Sacheinlagen und beim Börsengang vorgenommen.[16]

Ein wesentlicher Anlass für Unternehmensbewertungen liegt darin, dass das nach §242Abs.1HGB ermittelte Eigenkapital in der Bilanz nicht den tatsächlichen Ver­hältnissen entspricht. Weiterhin werden in der Bilanz nach §246Abs.1HGB in Verbindung mit §253Abs.1HGB sämtliche Vermögensgegenstände mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten und die Verbindlichkeiten zu ihrem Rückzah­lungsbetrag angesetzt. Damit bietet die Handelsbilanz kein vollständiges Bild über die Aktiva und Passiva und enthält historische Wertansätze, die das Bild des Eigenkapitals verzerren. Obwohl eine Bilanz i.d.R. dem Gläubigerschutz genügt, gibt sie dem Eigen­tümer keinen ausreichenden Einblick in die Werte seiner Vermögens- und Beteiligungsrechte.

Häufig bieten Bilanzen der Geschäftsleitung keine ausreichende Dispositionsgrundlage. Manche Unternehmen stellen daher nach den Grundsätzen einer Unter­nehmensbewertung eine Nebenrechnung auf, um Informationen über die tatsächliche Ertrags- und Vermögenslage zu erhalten.[17]

Für die Systematisierung von Bewertungsanlässen lassen sich diese in entscheidungs­abhängige und -unabhängige Bewertungen einteilen. Ausschlaggebend ist, ob sie mit dem Willen oder unabhängig vom Willen der Eigentümer erfolgen.[18]

Die folgende Tabelle fasst die verschiedenen Bewertungsanlässe zusammen, wobei differenziert wird, ob ein Eigentumswechsel stattfinden soll oder nicht.

Tab. 1: Anlässe der Unternehmensbewertung[19]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.2 Objektiver und subjektiver Unternehmenswert

Die Höhe des Nutzens den ein Gut stiftet und der damit verbundene wirtschaftliche Wert, steht im kausalen Zusammenhang seiner objektiven Eigenschaften. Er wird aber wesentlich von der individuellen und somit subjektiven Nutzeneinschätzung des In­teressenten bestimmt.[20] Dieser Aussage folgend, wird auch der Unternehmenswert vom subjektiven Nutzen bestimmt, den sein Inhaber aus ihm ziehen kann.[21]

Der tatsächlich gezahlte Preis für Unternehmen und Unternehmensanteile bildet sich regelmäßig auf freien Kapitalmärkten aus Angebot und Nachfrage und wird im Wesent­lichen durch die Nutzenschätzung (Grenznutzen) der jeweiligen Käufer und Verkäufer gebildet. Dabei kann der Preis mehr oder weniger stark vom Wert des gesamten Unternehmens oder dem quotalen Anteil abweichen. Er ist daher für die Unternehmens­bewertung eine wichtige Orientierungsgröße zur Beurteilung der Plausibilität von Unternehmens- und Anteilswerten, kann diese aber nicht ersetzen.[22]

2.2.1 Objektive Werttheorie

Aus der objektiven Werttheorie geht hervor, dass Gegenstände über einen Wert verfü­gen, der Ihnen wie eine Eigenschaft anhaftet.[23] Daher wurde eine lange Zeit versucht einen objektiven Unternehmenswert zu ermitteln, der die subjektiven Interessenlagen der Käufer und Verkäufer unbeachtet lässt.[24] Das "Unternehmen wie es steht und liegt" hat in der objektiven Werttheorie einen festen Wert, den Marktpreis. Bei der Werter­mittlung ist nicht der Bezug auf konkrete Käufer und Verkäufer herzustellen, sondern die Erfolgspotenziale des Unternehmens festzustellen, welche als "innerer Wert" in dem Unternehmen für jedermann enthalten sind.[25]

Kritik an der objektiven Werttheorie ergibt sich aus den Argumentationen, dass ein objektiver Wert generell nicht zu ermitteln ist, da der Wert aus einer Objekt-Subjekt-Beziehung hervorgeht. Weiterhin gibt es für ein Unternehmen keinen fixierten Markt­preis, da der Unternehmenswert ganz entscheidend von subjektiven Erwartungen abhängt. Auch die besondere Situation von Käufer und Verkäufer mit Ihren unterschiedlichen Interessenlagen wird nicht berücksichtigt, so dass keine Verhand­lungsbasis und kein Einigungsbereich entsteht.[26]

2.2.2 Subjektive Werttheorie

Die subjektive Werttheorie leitet den Wert eines Gutes aus seinem Gebrauchswert ab und gibt ihm eine psychologische und subjektive Bedeutung. Sie wurde im Gegenzug zur objektiven Werttheorie entwickelt um bei der Unternehmensbewertung die subjektiven Ziele, Möglichkeiten und Vorstellungen des Investors zu berücksichtigen.

Dabei werden alle in das Bewertungskalkül einfließenden Größen auf den potenziellen Interessenten ausgerichtet. Dieser Vorstellung entspricht ein zukunftsbezogener Ertragswert. Dieser Wert ist jedoch nicht der Kaufpreis. Der Kaufpreis ergibt sich erst aus den Verhandlungen der Vertragsparteien mit ihren unterschiedlichen subjektiv ermittelten Werten.[27]

Die Kritik an der subjektiven Werttheorie ergibt sich aus der Tatsache, dass die Bewertung des Einzelnen aufgrund der Subjektivität für andere nicht nachvollziehbar ist. Sie bietet so keine neutrale Grundlage für einen fairen Interessenausgleich der Vertragsparteien.[28]

2.3 Integration der Werttheorien in der Funktionenlehre

Im Rahmen der "Kölner Funktionenlehre" wird versucht, die Unterschiede der objektiven und subjektiven Werttheorien für die verschiedenen Zwecke der Unter­nehmensbewertung zu integrieren.[29] Diese konsensbildende funktionale Werttheorie führt zu einer Feststellung der Bewertungsfunktionen, welche sich in Haupt- und Nebenfunktionen unterteilen lässt.[30] In den Hauptfunktionen wird nach den Beratungs-, Vermittlungs- und Argumentationsfunktionen und in den Nebenfunktionen nach den untergeordneten Aufgaben wie Bilanz- Informations- und Vertragsgestaltungsfunktion unterschieden.[31]

Mit dieser aufgabenbezogenen Funktionenlehre werden die vom Bewerter zu lösenden Aufgaben auf den jeweiligen Zweck seiner Bewertungstätigkeit gerichtet und zum Unterscheidungskriterium bei der Ermittlung eines Unternehmenswertes.[32] Der we­sentlichste Zweck einer Unternehmensbewertung ist somit die Ermittlung von Grenzpreisen für potenzielle Käufer und Verkäufer.[33]

2.3.1 Hauptfunktionen

In der Beratungsfunktion dient die Unternehmensbewertung der Ermittlung eines subjektiven Entscheidungswertes. Unter Berücksichtigung der vorhandenen indivi­duellen Möglichkeiten und Planungen ermitteln die Bewerter eine Preisuntergrenze für den Verkäufer und eine Preisobergrenze für den Käufer (Investor), welche die jeweilige ökonomische Situation durch die Transaktion nicht verschlechtert.[34] Der Bewerter unterstützt dabei eine Partei bei den Verhandlungen wobei jede Partei unabhängig von der anderen einen Unternehmenswert ermittelt hat. Es handelt sich somit um subjektive Unternehmenswerte, wobei der Einigungspreis zwischen den Preisgrenzen liegen wird.[35]

In der Argumentationsfunktion wird die Kenntnis des Entscheidungswertes vorausge­setzt. Der Bewerter sucht nach Argumenten, welche die Verhandlungsposition seiner Partei unterstützen und stärken sollen.

Es werden Argumente, wie unorganischer Aufbau des Betriebes, Eigenkapitalaus­stattung und synergetische Effekte zusammengetragen, um den Verhandlungspartner zu beeinflussen. Ziel ist es, einen Unternehmenspreis zu realisieren, der möglichst nahe am Entscheidungswert des Auftraggebers liegt.[36] Eine Partei, die eine optimale Argumentationsstrategie betreibt, muss alle Verfahren der Unternehmensbewertung kennen und die sich daraus ergebenden unterschiedlichen Werte errechnen um das Verfahren vorzuschlagen, welches den eigenen Vorstellungen am nächsten kommt.[37] Der zu diesem Zweck ermittelte Wert wird somit nicht als Argumentationswert bezeichnet, sondern erhält während der Verhandlung den Status eines Entscheidungspreises oder sogar den eines objektivierten Wertes.[38]

Die Vermittlungsfunktion ergibt sich aus der Aufgabe zwischen den subjektiven Wertvorstellungen des Käufers und Verkäufers eines Unternehmens den fairen Eini­gungspreis vorzuschlagen bzw. zu bestimmen. Damit ein akzeptabler Kompromiss gefunden werden kann müssen alle parteispezifischen Interessen bekannt sein.[39] Die Entscheidungswerte der Parteien grenzen den Einigungswert ein.[40] Der durch den Gutachter ermittelte Einigungspreis soll einen Schiedswert anstreben, welcher einen fairen und angemessenen Interessenausgleich der Beteiligten darstellt, welcher die wirt­schaftliche Lage beider Parteien verbessert. Dieser Schiedsspruchwert wird auch Arbitriumwert genannt.[41]

2.3.2 Nebenfunktionen

Die Informationsfunktion einer Unternehmensbewertung ist geprägt durch handels­rechtliche Normen, die zum Schutz außenstehender Gläubiger und Gesellschafter konzipiert wurden und Informationen über die Ertragskraft liefern soll. Dabei wird aus der Bilanz, welche über die Konventionen des Realisations- und Vorsichtsprinzips nur eine beschränkte Aussagekraft hat, eine Unternehmensbewertung vorgenommen. Weiterhin kann sich hieraus eine Steuerbemessungsfunktion ableiten, welche sich auf Ertrag- Verkehr- und Substanzsteuern beziehen.

Die Vertragsgestaltungsfunktion kommt durch Unternehmensbewertungen zum Tragen, welche durch die Formulierungen zur Abfindung von Gesellschaftern in Gesellschaftsverträgen vorgenommen werden. Diese Funktion ergibt sich aus den unterschiedlichsten Vorgaben, wie Werte (Buchwertabfindung), Verfahren (Ertragswertverfahren), Bewerter (Steuerberater, Wirtschaftsprüfer) oder auch Ziele (Erhalt des Bestandes und der Liquidität), die in diesen Verträgen vereinbart werden.[42]

2.3.3 Kritik an der Funktionenlehre

Die Funktionenlehre wird von den Wirtschaftsprüfern akzeptiert, spiegelt sich aber in den Funktionen der Wirtschaftsprüfer nur teilweise wider.[43] Die Argumentations­funktion wird beispielsweise nicht umgesetzt, da sie den Berufsgrundsätzen der Wirtschaftsprüfer nicht entspricht.[44]

Weiterhin hat sich ein breites Anwenderspektrum um die Bewertungen für das "Value-Based-Management" entwickelt. Hierbei werden die Auswirkungen unternehmerischer Maßnahmen auf den Shareholder Value analysiert und kommuniziert. Die Grundlage solcher Bewertungen sind die Renditeforderungen der Aktionäre, welche über den Kapitalisierungszins die Berechnung des Unternehmenswertes beeinflussen. Damit zielt die Bewertung von Strategien und Projekten im Rahmen der Gesamtunternehmensbe­wertung auf den Shareholder Value. Folglich ist ein Bewertungszweck gegeben, welcher nicht in das Schema der Funktionenlehre passt.

Eine Erweiterung der Funktionenlehre könnte hier nur Abhilfe schaffen, wenn man Ab­grenzungsprobleme akzeptieren möchte. Eine Auflösung der Funktionen könnte den Zweck der Unternehmensbewertung in den Vordergrund stellen und somit die jeweiligen Verfahren beschreiben.[45]

3 Anforderungen an die Unternehmensbewertung

Die Unternehmensbewertung unterliegt als Verfahren der Anforderung treffsicher und schlüssig zu sein.[46] Die relative Güte ihrer Ergebnisse ist daran zu messen, dass sie nur aus der Ableitung von Tatsachen erstellt wird und somit zu einem plausiblen Bewer­tungsergebnis führt. Die wesentlichen Anforderungen an eine Unternehmensbewertung sind erfüllt, wenn der Unternehmenswert zukunftsbezogen über alle Nutzenbeträge, unter Berücksichtigung der Chancen und Risiken, mit Blick auf den jeweiligen Be­wertungszweck abgeleitet wird.[47]

Die allgemeinen Anforderungen sind Gegenstand zahlreicher Untersuchungen und wurden in Form von Grundsätzen ordnungsmäßiger Unternehmensbewertungen (GoU) zusammengestellt.[48] Der Zusammenhang der unterschiedlichen Kriterien für die Grundsätze ordnungsmäßiger Unternehmensbewertungen ist in der folgenden Übersicht dargestellt:

Tab. 2: Kriterien für Anforderungen an die GoU[49]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

4 Der Standard IDWS1

Der Hauptfachausschuss (HFA) des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) beauftragte im September 1997 den Arbeitskreis Unternehmensbewertung (AKU) die Stellungnahme des HFA2/1983 über die Grundsätze zur Durchführung von Unterneh­mensbewertungen zu überarbeiten. Am 28. Juni 2000 wurde durch den HFA in der 173. Sitzung der IDW Standard: Grundsätze zur Durchführung von Unternehmens­bewertungen (IDWS1) in seiner endgültigen Fassung verabschiedet.[50] In diesem Standard werden vor dem Hintergrund der in Theorie, Praxis und Rechtsprechung entwickelten Standpunkten die Grundsätze dargelegt, nach denen Wirtschaftsprüfer Unternehmen bewerten.[51] Er bringt gegenüber der Stellungnahme des HFA2/1983 erhebliche Änderungen mit sich, die natürlich für die Berufsarbeit der Wirtschafts­prüfer, aber darüber hinaus auch für die Unternehmensbewertung insgesamt von grundlegender Bedeutung sind.[52]

4.1 Neuerungen gegenüber der Stellungnahme des HFA2/1983

Der IDWS1 enthält gegenüber der Stellungnahme HFA2/1983 eine Vielzahl von formalen und inhaltlichen Neuerungen, wobei insbesondere folgende Punkte hervorzu­heben sind:[53]

- Voranstellung verfahrensunabhängiger allgemeiner Grundsätze,
- Klarstellungen zum objektivierten Unternehmenswert,
- Betonung unterschiedlicher Vorgehensweisen bei der Ermittlung eines objekti­vierten Unternehmenswertes und bei der Ermittlung eines subjektiven Entscheidungswertes,
- Einheitliche Risikobehandlung,
- Einbeziehung persönlicher Steuern der Unternehmenseigner schon bei der Ermitt­lung eines objektivierten Unternehmenswertes,
- Der Unternehmenswert kann durch die Wirtschaftsprüfer nunmehr nicht nur als Zukunftserfolgswert nach dem Ertragswertverfahren sondern auch nach den Dis­counted-Cash-Flow-Verfahren ermittelt werden,[54]
- Maßgeblichkeit von Börsenkursen,
- Maßgeblichkeit der Verhältnisse des Sitzlandes des zu bewertenden Unternehmens,
- Berücksichtigung des Steuersenkungsgesetzes.

[...]


[1] Vgl. Süchting, Joachim (1995): [Finanzmanagement], S. 84f..

[2] Vgl. Schultze, Wolfgang (2001): [Methoden der Unternehmensbewertung], S. 5.

[3] Vgl. Süchting, Joachim (1995): [Finanzmanagement], S. 85.

[4] Vgl. Schumacher, Manfred / Kagelmann Dorothee (2001): [Die Kursmacher], S. 62f..

[5] Vgl. WPg (17/2000): [Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen], S. 827.

[6] Vgl. Rödl, Bernd / Zinser, Thomas (2000): [Going public], S. 267.

[7] Vgl. Bellinger, Bernhard / Vahl, Günter (1992): [Unternehmensbewertung in Theorie und Praxis], S.32; Peemöller(2001)/Peemöller: [Praxishandbuch der Unternehmensbewertung] S. 3.

[8] Vgl. Bellinger, Bernhard / Vahl, Günter (1992): [Unternehmensbewertung in Theorie und Praxis], S. 32.

[9] Vgl. Schultze, Wolfgang (2001): [Methoden der Unternehmensbewertung], S. 5.

[10] Vgl. Lehmann, Steffen (1994): [Neue Wege in der Bewertung], S. 62f..

[11] Vgl. Copeland, Tom / Koller, Tim / Murrin, Jack (1993): [Unternehmenswert], S. 49ff..

[12] Vgl. WPg (17/2000): [Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen], S. 827.

[13] Vgl. Bellinger, Bernhard / Vahl, Günter (1992): [Unternehmensbewertung in Theorie und Praxis], S. 30.

[14] Vgl. Peemöller (2001) / Peemöller: [Praxishandbuch der Unternehmensbewertung] S. 20.

[15] Vgl. WPg (17/2000): [Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen], S. 827.

[16] Vgl. Schultze, Wolfgang (2001): [Methoden der Unternehmensbewertung], S. 5.

[17] Vgl. Bellinger, Bernhard / Vahl, Günter (1992): [Unternehmensbewertung in Theorie und Praxis], S. 32.

[18] Vgl. Bellinger, Bernhard / Vahl, Günter (1992): [Unternehmensbewertung in Theorie und Praxis], S. 30.

[19] Vgl. Schultze, Wolfgang (2001): [Methoden der Unternehmensbewertung], S. 31.

[20] Vgl. Schultze, Wolfgang (2001): [Methoden der Unternehmensbewertung], S. 14.

[21] Vgl. IDW (Hrsg.) (1985/1986): [Wirtschaftsprüferhandbuch], S. 1057.

[22] Vgl. WPg (17/2000): [Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen], S. 827.

[23] Vgl. Peemöller (2001) / Peemöller: [Praxishandbuch der Unternehmensbewertung], S. 4.

[24] Vgl. Schultze, Wolfgang (2001): [Methoden der Unternehmensbewertung], S. 7.

[25] Vgl. Bellinger, Bernhard / Vahl, Günter (1992): [Unternehmensbewertung in Theorie und Praxis], S. 238.

[26] Vgl. Peemöller (2001) / Peemöller: [Praxishandbuch der Unternehmensbewertung], S. 5.

[27] Vgl. Lehmann, Steffen (1994): [Neue Wege in der Bewertung], S. 15f..

[28] Vgl. Schultze, Wolfgang (2001): [Methoden der Unternehmensbewertung], S. 7.

[29] Vgl. Lehmann, Steffen (1994): [Neue Wege in der Bewertung], S. 13.

[30] Vgl. Schultze, Wolfgang (2001): [Methoden der Unternehmensbewertung], S. 7.

[31] Vgl. Lehmann, Steffen (1994): [Neue Wege in der Bewertung], S. 13ff..

[32] Vgl. Lehmann, Steffen (1994): [Neue Wege in der Bewertung], S. 14.

[33] Vgl. Drukarcyk, Jochen (1998): [Unternehmensbewertung], S. 43.

[34] Vgl. WPg (17/2000): [Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen], S. 827.

[35] Vgl. Schultze, Wolfgang (2001): [Methoden der Unternehmensbewertung], S. 8.

[36] Vgl. Peemöller (2001) / Peemöller: [Praxishandbuch der Unternehmensbewertung], S. 10.

[37] Vgl. Lehmann, Steffen (1994): [Neue Wege in der Bewertung], S. 14.

[38] Vgl. Zacharias, Erwin (2000): [Börseneinführung mittelständischer Unternehmen], S. 257.

[39] Vgl. Peemöller (2001) / Peemöller: [Praxishandbuch der Unternehmensbewertung], S. 9.

[40] Vgl. WPg (17/2000): [Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen], S. 827.

[41] Vgl. Schultze, Wolfgang (2001): [Methoden der Unternehmensbewertung], S. 8.

[42] Vgl. Peemöller (2001) / Peemöller: [Praxishandbuch der Unternehmensbewertung], S. 12f..

[43] Vgl. WPg (17/2000): [Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen], S. 827.

[44] Vgl. Schultze, Wolfgang (2001): [Methoden der Unternehmensbewertung], S. 9.

[45] Vgl. Peemöller (2001) / Peemöller: [Praxishandbuch der Unternehmensbewertung], S. 13.

[46] Vgl. Bellinger, Bernhard / Vahl, Günter (1992): [Unternehmensbewertung in Theorie und Praxis], S. 36.

[47] Vgl. Schultze, Wolfgang (2001): [Methoden der Unternehmensbewertung], S. 40f..

[48] Vgl. Bellinger, Bernhard / Vahl, Günter (1992): [Unternehmensbewertung in Theorie und Praxis], S. 36.

[49] Vgl. DStR (33/2001) / Peemöller, Volker: [Grundsätze der Unternehmensbewertung], S. 1401.

[50] Vgl. WPg (19/2000): [Der neue IDW Standard], S. 946.

[51] Vgl. WPg (17/2000): [Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen], S. 826.

[52] Vgl. Peemöller (2001) / Peemöller: [Praxishandbuch der Unternehmensbewertung], S. 30.

[53] Vgl. WPg (19/2000): [Der neue IDW Standard], S. 947.

[54] Vgl. WPg (17/2000): [Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen], S. 826.

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Details

Titel
Methoden und Bedeutung der Unternehmensbewertung bei Aktiengesellschaften
Hochschule
Verwaltungs- und Wirtschafts-Akademie Dortmund
Note
1,7
Autor
Jahr
2002
Seiten
59
Katalognummer
V6197
ISBN (eBook)
9783638138284
ISBN (Buch)
9783656620549
Dateigröße
721 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Methoden, Bedeutung, Unternehmensbewertung, Aktiengesellschaften, Bewertung, Unternehmenswert, Börse, Aktienwert
Arbeit zitieren
Manfred Aßmann (Autor:in), 2002, Methoden und Bedeutung der Unternehmensbewertung bei Aktiengesellschaften, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/6197

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