Partizipantenbezogene Adverbien im Polnischen


Magisterarbeit, 2006

86 Seiten, Note: 1,00


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Zur Abgrenzung des Untersuchungsgegenstands
2.1 Primäre Prädikate
2.2 Prädikative Komplemente und komplexe Prädikate
2.3 Partizipantenbezogene Adverbien vs. Adverbiale
2.3.1 Adverbiale unterschiedlicher Ebenen
2.3.2 Tests zur Abgrenzung von Partizipanten- und Ereignisbezug
2.3.3 Partizipanten- und Ereignisbezug als semantisches Kontinuum
2.4 Nominalphraseninterne Adverbien
2.4.1 Attribute
2.4.2 Adverbien mit Attributsbezug
2.5 Adverbialpartizipien

3. Depiktive
3.1 Depiktive mit Subjekts- oder Objektsbezug
3.2 Depiktive mit Bezug auf einen semantischen Partizipanten
3.3 Syntaktische Charakteristika von Konstruktionen mit depiktiven Adverbien

4. Resultative
4.1 Resultative mit Subjekts- oder Objektsbezug
4.2 Resultative mit Bezug auf einen semantischen Partizipanten
4.3 Zur Unterscheidung von Depiktiven und Resultativen
4.4 Syntaktische Charakteristika von Konstruktionen mit resultativen Adverbien

5. Zirkumstantiale

6. Vage Partizipantenorientierung
6.1 Partizipantenbezug von Adverbien mit Argumentstatus
6.2 Vagheit bei Satelliten der Ebene 1
6.3 Partizipantenbezug von Satelliten der Ebenen 2 und 3

7. Semantische Charakteristika
7.1 Prototypische partizipantenorientierte Adverbien
7.2 Primäre Prädikate
7.3 Analytische Adverbien

8. Alternative Kodierungen

9. Fazit

10. Literaturverzeichnis

Abbildungen

Abbildung 1: Ereignis- und partizipantenbezogene Prädikate als semantisches Kontinuum

Abbildung 2: Syntaktische Charakteristika von Konstruktionen mit depiktiven Adverbien

Abbildung 3: Syntaktische Charakteristika von Konstruktionen mit resultativen Adverbien

1. Einleitung

Mit der Sprechakttheorie (Searle 1969) lassen sich sprachliche Äußerungen auf zwei grundlegende Prinzipien zurückführen: Referenz und Prädikation. Trifft ein Sprecher eine Äußerung, so beruht diese auf einem Referenzakt, in dem er sich auf eine Entität der aktuellen (oder einer möglichen) Welt bezieht, sowie auf einem Prädikationsakt, mit welchem der Sprecher eine Aussage über diese Entität fällt, ihr eine Eigenschaft zuschreibt oder Verhältnisse zwischen mehreren Entitäten ausdrückt. Mit einem Satz wie (1) zum Beispiel nimmt der Sprecher Bezug auf einen Referenten, Jan, und prädiziert über diesen, daß er zur Arbeit fährt.

(1) Jan jedzie do pracy. 'Jan fährt zur Arbeit.'

Adverbien werden typischerweise benutzt, um auf syntaktischer Ebene Adverbiale zu bilden, die die Prädikation modifizieren.1 Ein Adverb wie szybko 'schnell' in (2) beispielsweise modifiziert die Geschwindigkeit, mit der das Ereignis vonstatten geht, und bildet somit ein Adverbial der Art und Weise.

(2) Jan jedzie szybko do pracy. 'Jan fährt schnell zur Arbeit.'

(3) Jan jedzie wesoło do pracy. 'Jan fährt fröhlich zur Arbeit.'

Von der traditionellen Schulgrammatik würde zwar ein Adverb wie wesoło 'fröhlich' in (3) als Adverbial der Art und Weise klassifiziert werden, obwohl anzunehmen ist, daß wesoło 'fröhlich' kaum etwas über die Art und Weise des Fahrens aussagt. Denn im Gegensatz zu einem Adverb wie szybko 'schnell' in (2), das dem Ereignis eine Eigenschaft zuschreibt ('das Fahren ist schnell'), prädiziert wesoło 'fröhlich' in (3) etwas über einen Partizipanten des Ereignisses ('Jan ist fröhlich, während er fährt', nicht 'das Fahren ist fröhlich'). Aufgrund dieser Partizipantenorientierung ist es eher angemessen, wesoło in (3) trotz der Kodierung als Adverb als sekundäres Prädikat zu klassifizieren.

Auf der Grundlage einer Korpusuntersuchung von literarischen und publizistischen Texten des 20. Jahrhunderts beschäftigt sich die vorliegende Arbeit mit solchen partizipantenbezogenen Adverbien im modernen Standardpolnisch. Obwohl bereits bei Grzegorczykowa (1975) und Křižková (1966) Ansätze einer differenzierten Betrachtung der Funktion von Adverbien zu finden sind, ist dieses Phänomen von der polonistischen Sprachwissenschaft bisher nur unzureichend berücksichtigt worden. Auch Arbeiten zu sekundären Prädikaten im Polnischen wie beispielsweise Fehrmann (1991) konzentrieren sich in der Regel auf adjektivische sekundäre Prädikate, die mit ihrem Bezugselement kongruieren, während partizipantenbezogene Adverbien nur am Rande oder gar nicht angesprochen werden. Den Rahmen, der für die vorliegende Untersuchung adaptiert wird, bilden deshalb die typologischen Arbeiten zu Depiktiven2 von Schultze-Bernd & Himmelmann (2004) sowie Himmelmann & Schultze-Berndt (2005).

In die Untersuchung werden Adverbien aufgenommen, die auf Adjektive zurückgeführt werden können. Neben den einfachen Ableitungen auf -o oder -(i)e wie zum Beispiel szybko 'schnell', wesoło 'fröhlich', niebezpiecznie 'gefährlich' und wściekle 'wütend' werden auch analytische Adverbien berücksichtigt, bei denen ein Element, das von einem Adjektiv abgeleitet ist, mit einer Präposition einhergeht, wie zum Beispiel na boso 'barfuß', po pijanemu 'betrunken', do sucha 'trocken', nicht jedoch solche Adverbien, die auf ein Substantiv zurückzuführen sind, wie beispielsweise na bosaka 'barfuß', na golasa 'nackt'.

In Beispiel (4) weist blisko 'nah' zwar die Semantik und die morphologische Form des zugrunde liegenden Adverbs auf, regiert aber den Kasus des folgenden Ausdrucks und ist somit als Präposition zu klassifizieren.

(4) Znajd ą go blisko wyścig ó w [...]. (Chmielewska) 'Sie werden ihn nah den Wettrennen finden.'

Eine Interpretation des Satzteils blisko wyścig ó w 'nah den Rennen' als sekundärem Prädikat ist zwar möglich. Da diese Untersuchung sich auf Adverbien beschränkt, werden jedoch auch Konstruktionen wie (4) ausgeschlossen, in denen eine Präposition auftritt, die von einem Adverb abgeleitet ist.

Im nächsten Abschnitt wird zunächst der Untersuchungsgegenstand eingegrenzt, indem sekundäre Prädikate primären Prädikaten (2.1), prädikativen Komplementen und komplexen Prädikaten (2.2) sowie Adverbialen (2.3) gegenübergestellt werden. In diesem Zusammenhang werden außerdem nominalphraseninterne Adverbien (2.4) und Adverbialpartizipien (2.5) diskutiert. Die dann folgenden Abschnitte behandeln syntaktische Charakteristika von Konstruktionen, in denen partizipantenbezogene Adverbien als Depiktive, Resultative und Zirkumstantiale auftreten (Kapitel 3, 4 und 5). Abschnitt 6 befaßt sich mit der Syntax und Semantik von Adverbien, deren Partizipantenbezug als vage einzustufen ist. Semantische Charakteristika der besprochenen, eindeutig partizipantenbezogenen Adverbien und der primären Prädikate, mit denen sie einhergehen, werden in Kapitel 7 behandelt. Abschnitt 8 schließlich geht der Frage nach, in welchen Kontexten eine alternative Markierung für sekundäre Prädikate durch Adjektive oder analytische Adverbien anstelle von einfachen Adverbien möglich ist und Kapitel 9 faßt die Ergebnisse der Untersuchung zusammen.

2. Zur Abgrenzung des Untersuchungsgegenstands

Im Mittelpunkt dieser Arbeit stehen Konstruktionen, in welchen ein Adverb ein sekundäres Prädikat bildet. Charakteristisch für solche Konstruktionen ist, wie eingangs bereits angedeutet, daß sie zwei Prädikationen umfassen, wobei zwischen einem Partizipanten einer primären Prädikation und einem anderen Satzteil, dem sekundären Prädikat, eine kopulare Beziehung besteht (siehe zum Beispiel Hentschel 2005:1). Der Partizipant, über den das sekundäre Prädikat eine Aussage trifft, das Subjekt des sekundären Prädikats, wird im Folgenden mit Schultze-Berndt & Himmelmann (2004) Controller genannt.

Ein Beispiel für ein als Adverb kodiertes sekundäres Prädikat wurde mit wesoło 'fröhlich' in (3) bereits vorgestellt. Ein weiteres Beispiel liegt mit boso 'barfuß' in (5) vor. Hier bildet przed ni ą uciekała 'vor ihr flüchtete' die primäre Prädikation, ihr Partizipant, mit dem boso 'barfuß' als sekundäres Prädikat eine kopulare Beziehung eingeht, ist das Agens młodziutka słu żą ca 'eine junge Dienerin'.

(5) Przed ni ą uciekała boso [...] młodziutka słu żą ca. (Nowak) 'Vor ihr flüchtete barfuß eine junge Dienerin.'

Charakteristika, die über diese grobe Definition hinausgehen, werden im Folgenden dargestellt, indem sekundäre Prädikate mit relevanten anderen Konstruktionen verglichen werden.

2.1 Primäre Prädikate

Von solchen Verwendungen, in denen Adverbien als sekundäre Prädikate auftreten wie in (5), sind zunächst Konstruktionen abzugrenzen, in denen ein Adverb als primäres Prädikat fungiert. Im Polnischen ist dies in der Regel zum Beispiel bei subjektlosen Sätzen wie in (6) der Fall oder in Sätzen wie unter (7), in denen ein Infinitiv das Subjekt des Satzes bildet (siehe Grzegorczykowa 1975:32- 36). Das syntaktische Subjekt wird in deutschen Übersetzungen von Sätzen wie in (6) typischerweise durch ein semantisch leeres es gebildet. Das es in Übersetzungen von Sätzen wie unter (7) läßt sich als Pronomen beschreiben, das für eine ganze Proposition steht.

(6) a. Tu jest mokro. (Grzegorczykowa 1975:79) 'Hier ist es naß.'

b. Było mglisto. (Grzegorczykowa 1975:33) 'Es war neblig.'

(7) a. Chodzi ć w czasie burzy jest niebezpiecznie. (Grzegorczykowa 1975:35) 'Es ist gefährlich, während eines Gewitters zu gehen.'

b. Pracowa ć w złych warunkach jest trudno. (Grzegorczykowa 1975:35) 'Es ist schwierig, unter schlechten Bedingungen zu arbeiten.'

Bei einigen Adverbien, wie zum Beispiel nago 'nackt', boso 'barfuß' oder głośno 'laut', sind darüber hinaus auch Konstruktionen wie (8a) möglich, in denen das Adverb ein primäres Prädikat bildet, ohne daß ein unpersönlicher Satz wie in den Beispielen unter (6) vorliegt oder ein ganzer Sachverhalt das Subjekt der Prädikation bildet wie bei (7).

(8) a. Jan jest nago / boso / głośno.

b. Jan jest nagi / bosy / głośny.

'Jan ist nackt / barfuß / laut.'

(9) a. * Jan jest dobrze / młodo / brzydko.

b. Jan jest dobry / młody / brzydki.

'Jan ist gut / jung / häßlich.'

Zu beachten ist jedoch, daß nur wenige Adverbien als primäres Prädikat einer Entität erster Ordnung eingesetzt werden können, Konstruktionen wie beispielsweise (9a) sind inakzeptabel.3 Anders als im Deutschen, wo Adverbien genauso markiert werden wie prädikativ verwendete Adjektive, lassen sich Adverbien im Polnischen anhand ihrer morphologischen Markierung von Adjektiven unterscheiden. In der Regel werden bei Entitäten erster Ordnung kongruierende Adjektive anstelle von Adverbien als primäre Prädikate verwendet, so daß (8b) alternativ zu (8a) möglich ist und (9b) im Gegensatz zu (9a) grammatisch korrekt.

Zu einer Typologie von Entitäten siehe Dik (1997:136ff). Als Entitäten erster Ordnung werden dort solche wie zum Beispiel 'Jan', 'ein Brief' oder 'die Bibliothek' aufgefaßt, von denen man sagen kann, daß sie im Raum existieren. Unter Entitäten zweiter Ordnung dagegen versteht Dik beispielsweise Stände der Dinge und unter Entitäten dritter Ordnung Propositionen.

Obwohl die Adverbien in den Konstruktionen unter (6), (7) und (8) zwar eindeutig eine prädikative Funktion übernehmen, ist jedoch festzuhalten, daß sie nicht in eine übergeordnete Prädikation eingebettet sind, sondern jeweils selbst das einzige Prädikat bilden. Anders als bei diesen primären Prädikaten gilt für die kopulare Verbindung, die ein sekundäres Prädikat mit seinem Bezugselement eingeht, daß sie nicht explizit durch eine Form eines Hilfsverbs wie by ć 'sein' ausgedrückt wird. Ein sekundäres Prädikat wie boso 'barfuß' in (5) ist somit auch nicht gesondert in temporalen und modalen Kategorien markiert, sondern in diesen Dimensionen abhängig vom übergeordneten Prädikat.4

2.2 Prädikative Komplemente und komplexe Prädikate

Prädikative Komplemente haben mit sekundären Prädikaten gemeinsam, daß sie neben einem Hauptprädikat eine weitere Prädikation über einen Partizipanten des Ereignisses treffen. Einige Autoren, beispielsweise Halliday (1967), betrachten dementsprechend auch prädikative Komplemente als sekundäre Prädikate. Meistens wird in der relevanten Literatur jedoch zwischen beiden Konstruktionen unterschieden, da das maßgebliche Kriterium der Obligatheit als zu wichtig erscheint, um darüber hinwegzusehen. Nur fakultative Satzelemente mit Partizipantenbezug werden so in der Regel als sekundäre Prädikate erachtet, obligatorische Elemente mit Partizipantenbezug, die eine Valenzstelle des Verbs ausfüllen, werden hingegen nicht dazugezählt.

(10) a. Po prostu młodo umr ę . (Konwicki)

'Ich werde einfach jung sterben.'

b. Po prostu umr ę .

'Ich werde einfach sterben.'

(11) a. Z otwartymi oczami wygl ą dała młodziej. (Friesdorf 1991, 46)

'Mit geöffneten Augen sah sie jünger aus.'

b. * Z otwartymi oczami wygl ą dała.

'Mit geöffneten Augen sah sie aus.'

Das sekundäre Prädikat młodo 'jung' in (10a) kann ausgelassen werden, ohne daß der Satz ungrammatisch wird. Auch das Ereignis wird dabei nicht modifiziert, lediglich eine zusätzliche Information über das Subjekt des Satzes fehlt in (10b). Das Weglassen eines Arguments wie młodziej 'jünger' in (11a) dagegen bewirkt in der Regel, daß der Satz inakzeptabel wird, wie bei (11b).

Ein weiterer Unterschied betrifft die Semantik, denn prädikative Komplemente sind auch in ihrer Bedeutung enger an das Verb gebunden als sekundäre Prädikate. Die Menge an prädikativen Komplementen zu Verben wie beispielsweise aussehen, klingen oder schmecken ist nämlich insofern eingeschränkt, als daß diese Komplemente nur Aussagen über sicht-, hör- respektive schmeckbare Eigenschaften des entsprechenden Partizipanten machen können. Auch wenn nicht mit jedem Verb jede Art von sekundärem Prädikat akzeptabel ist, so ist doch die Menge an möglichen Prädikaten nicht so stark limitiert.5

In vielen Sprachen gilt es, neben prädikativen Komplementen auch komplexe Prädikate von sekundären Prädikaten abzugrenzen. Komplexe Prädikate sind Prädikaten mit prädikativen Komplementen insofern ähnlich, als daß auch hier das zweite prädikative Element neben dem verbalen Prädikat nicht weggelassen werden kann, ohne daß der Satz ungrammatisch wird (vgl. Schultze-Berndt & Himmelmann 2004:69-72):

(12) a. Ich schreibe mir die Finger wund.

b. *Ich schreibe mir die Finger.

(13) a. Hans lacht sich tot.

b. *Hans lacht sich.

Während sekundäre Prädikate eine weitgehend vom primären Prädikat unabhängige Prädikation kodieren und prädikative Komplemente hinsichtlich ihrer Semantik etwas stärker eingeschränkt sind, so sind die zur Rede stehenden Teile von komplexen Prädikaten sehr stark vom Verb restringiert. In (12a) könnte wund nur noch durch Elemente wie kaputt, krumm oder ähnliches ausgetauscht werden, auch bei tot in (13a) sind nicht viele Möglichkeiten zur Variation gegeben.

Auffällig ist im Vergleich von Polnisch und beispielsweise Deutsch jedoch, daß solche Prädikate im Deutschen häufiger vorkommen als im Polnischen. Eine mögliche Erklärung dafür besteht darin, daß das Polnische über eine recht produktive Derivationsmorphologie verfügt. So werden die polnischen Übersetzungsäquivalente von Konstruktionen mit sekundären Prädikaten, prädikativen Komplementen oder komplexen Prädikaten oft mit nur einem einzigen verbalen Prädikat gebildet, wobei die Bedeutungskomponente, die in der deutschen Konstruktion nicht vom Verb getragen wird, im Polnischen durch ein Affix ausgedrückt wird:

(14) Er schlug das Glas kaputt. / Roz biłszklank ę.

2.3 Partizipantenbezogene Adverbien vs. Adverbiale

Von Verwendungen von Adverbien als sekundären Prädikaten sind außerdem die weitaus häufigeren Fälle zu unterscheiden, in denen ein Adverb als Adverbial fungiert. Dik (1997) sowie Dik e.a. (1990) gehen im Rahmen einer funktionalen Grammatik von einem mehrschichtigen Satzmodell aus und unterscheiden Adverbiale auf vier verschiedenen Ebenen.6

2.3.1 Adverbiale unterschiedlicher Ebenen

Dik (1997) argumentiert, daß jedem Satz eine nukleare Prädikation zugrunde liegt. Eine solche nukleare Prädikation entsteht, wenn alle Argumentstellen eines Prädikats mit entsprechenden Termen ausgefüllt sind. Der Stand der Dinge, der durch eine nukleare Prädikation ausgedrückt wird, kann von Adverbialen der ersten Ebene (in Diks Terminologie Satelliten der Ebene 1) modifiziert oder spezifiziert werden. Einen derartig modifizierten Stand der Dinge nennt Dik qualifizierten Stand der Dinge. Zur Illustration läßt sich ein Beispiel wie (15) anführen.

(15) Twarz Prymasa powoli nabierała barwy jego stroju. (Ziemkiewicz) 'Das Gesicht des Primas nahm langsam die Farben seiner Kleidung an.'

Werden die freien Argumentstellen eines Prädikats wie nabiera ć 'annehmen' mit entsprechenden Termen ausgefüllt, hier mit twarz Prymasa 'das Gesicht des Primas' und barwy jego stroju 'die Farben seiner Kleidung', so liegt eine nukleare Prädikation vor, die von einem Satelliten der Ebene 1 wie powoli 'langsam' modifiziert werden kann. Das ausschlaggebende Kriterium zur Identifikation von Ebene 1 Satelliten ist Dik (1997:226) zufolge, ob der jeweilige qualifizierte Stand der Dinge sich irgendwie vom entsprechenden einfachen Stand der Dinge unterscheidet. In (15) ist das offensichtlich der Fall, da das langsame Annehmen einer Farbe ein etwas anderes Ereignis bezeichnet als das bloße Annehmen einer Farbe.

Zu beachten ist des weiteren, daß es sich bei Satelliten der Ebene 1 um die Art von Satelliten handelt, die dem jeweiligen Prädikat semantisch am nächsten sind und deswegen nicht auf jeden Stand der Dinge angewendet werden können. Im Gegensatz zu (15) ist es beispielsweise in (16) nicht möglich, einen Satelliten wie powoli 'langsam' in den Satz zu integrieren, da hier kein dynamischer Stand der Dinge vorliegt.7

(16) *Piotr siedziałpowoli na kanapie.

'Peter saß langsam auf dem Sofa.'

Auf der zweiten Ebene können mit Dik (1997:243) Adverbiale angebracht werden, die den qualifizierten Stand der Dinge im Hinblick auf räumliche, zeitliche oder kognitive Dimensionen lokalisieren. Die prominentesten Beispiele für derartige Satelliten bilden in der Tat Temporal- und Lokaladverbiale wie um 8 Uhr, gestern oder hier und in Moskau.8 Da sich prinzipiell jeder Stand der Dinge in diesen Dimensionen lokalisieren läßt, unterscheiden sich Ebene 2 Satelliten von denjenigen der Ebene 1 darin, daß ihre Applizierbarkeit nicht auf bestimmte Sachverhalte restringiert ist. Somit sind zum Beispiel weder (17a) noch (17b) ungrammatisch.

(17) a. [...] poło ż yli si ę spa ć bardzo wcześnie [...] (Szymański)

'Sie legten sich sehr früh schlafen.'

b. Piotr siedziałbardzo wcześnie na kanapie.

'Peter saß sehr früh auf dem Sofa.'

Eine derartig erweiterte Prädikation wird von Dik auf der dritten Ebene als Proposition modelliert, die nun eine mögliche Tatsache (und nicht mehr einen Stand der Dinge) ausdrückt.9 Satelliten dieser dritten Ebene, sogenannte attitudinale Satelliten, sind Adverbiale, mit denen der Sprecher seine Einstellung gegenüber dem Inhalt der Proposition ausdrückt. Dabei können beispielsweise modale Unterscheidungen getroffen werden, wie mit pewnie 'sicherlich' in (18) oder oczywiście 'natürlich' in (19).

(18) Teraz pewnie siedz ą naławce i przepraszaj ą si ę . (Słomczyński)

'Jetzt sitzen sie sicherlich auf einer Bank und versöhnen sich.'

(19) Oczywiście wiedział, ż e go krzywdzi [...]. (Szymański)

'Natürlich wußte er, daß er ihm Unrecht tut.'

Als Adverbiale der vierten Ebene schließlich definiert Dik (1997:304) illokutionäre Satelliten. Es handelt sich dabei um Adverbiale, die den Sprechakt selbst kommentieren, indem sie beispielsweise spezifizieren, wie oder warum der Sprecher das sagt, was er sagt, so wie serio 'ernsthaft' in (20).

(20) Zwr ó ciłsi ę ku Stefanowi i powiedział: - Serio, Dedalus, jestem

spłukany. (Joyce)

'Er wandte sich an Stefan und sagte: „Ernsthaft, Daidalos, ich bin pleite.“'

2.3.2 Tests zur Abgrenzung von Partizipanten- und Ereignisbezug

Ob es sich bei einem gegebenen Adverb um ein Adverbial oder ein sekundäres Prädikat handelt, läßt sich feststellen, indem man fragt, worauf es sich bezieht. Ein sekundäres Prädikat sagt etwas über einen Partizipanten der primären Prädikation aus, während Adverbiale, wie oben erläutert, sich entweder auf den Stand der Dinge (Ebene 1 und 2), die Proposition (Ebene 3) oder den Sprechakt (Ebene 4) beziehen. Als diagnostisches Hilfsmittel stehen dabei verschiedene Paraphrasetests zur Verfügung.

Für viele Ebene 4 Adverbiale, die den illokutionären Wert einer Aussage modifizieren, ist zum Beispiel eine Paraphrase wie in (21b) möglich. Die Paraphrase verdeutlicht, daß das Adverb serio 'ernsthaft' in (21a) die Art und Weise modifiziert, auf die der Sprecher sich äußert.

(21) a. Serio, jestem spłukany.

'Ernsthaft, ich bin pleite.'

b. M ó wi ę serio, kiedy m ó wi ę , ż e jestem spłukany.

'Ich spreche ernsthaft, wenn ich sage, daß ich pleite bin.'

Bei Satelliten der Ebene 3 wie nat ü rlich in (22a) und Satelliten der Ebene 2 wie fr ü h in (23a) sind mit Zifonun e.a. (1997:1122ff) Paraphrasen der folgenden Art möglich:

(22) a. Nat ü rlich wu ß te er, da ß er ihm Unrecht tut.

b. Es war nat ü rlich der Fall, da ß er wu ß te, da ß er ihm Unrecht tut.

(23) a. Sie legten sich fr ü h schlafen.

b. Es war fr ü h der Fall, da ß sie sich schlafen legten.

Da das Polnische jedoch nicht über eine Wendung analog dem deutschen es ist der Fall, da ß oder dem englischen it is the case that verfügt, muß man hier auf eine andere Konstruktionen zurückgreifen. Bei Satelliten der dritten Ebene kann eine Paraphrase zum Beispiel mit to było tak, ż e 'es war so, daß' eingeleitet werden, wie in (24). Für Satelliten der Ebene 2 sind Paraphrasen möglich, in denen das fragliche Element aus dem Satz gestrichen und als primäres Prädikat in einem Folgesatz mit To było... 'das war' eingesetzt wird, wobei to in diesem Fall den Stand der Dinge aus dem Ausgangssatz vertritt, siehe (25).

(24) a. Oczywiście wiedział, ż e go krzywdzi [...]. (Szymański)

'Natürlich wußte er, daß er ihm Unrecht tut.'

b. To było oczywiście tak, ż e wiedział, ż e go krzywdzi.

'Es war natürlich so, daß er wußte, daß er ihm Unrecht tut.'

(25) a. Wcześnie poło ż yli si ę spa ć .

'Sie legten sich früh schlafen.'

b. Poło ż yli si ę spa ć . To było wcześnie.

'Sie legten sich schlafen. Das war früh.'

Satelliten der Ebene 1 lassen sich von Satelliten der Ebenen 2 und 3 mit Hilfe eines solchen Paraphrasetests unterscheiden, da er wie in (26) ein inakzeptables Ergebnis liefert, wenn er auf Ebene 1 Adverbiale angewendet wird.

(26) a. Twarz powoli nabierała barwy stroju.

'Das Gesicht nahm langsam die Farben des Anzugs an.'

b. *To było powoli, ż e twarz nabierała barwy stroju.

'Es war langsam, daß das Gesicht die Farben des Anzugs annahm.'

Bei den Satelliten der Ebene 1 ist die Unterscheidung zwischen dem Ereignisbezug eines Adverbials und dem Partizipantenbezug eines sekundären Prädikats mitunter allerdings nicht so einfach zu ziehen, wie die Beispiele (2) und (3) aus der Einleitung vermuten lassen. Zur Identifikation von Adverbialen der Art und Weise läßt sich zum einen ein Paraphrasetest heranziehen, bei dem das fragliche Adverb zum primären Prädikat oder zum Adjektivattribut eines vom Verb des Ausgangssatzes abgeleiteten Substantivs gemacht wird, siehe (27b). Zum anderen ist eine Paraphrase analog zu (27c) möglich. Eine gängige Paraphrase für sekundäre Prädikate hingegen beruht darauf, das fragliche Adverb aus dem Ausgangssatz zu streichen und als kongruierendes Adjektiv zum primären Prädikat eines Kopulasatzes zu machen, in welchem der Partizipant, über den das sekundäre Prädikat eine Aussage trifft, das Subjekt bildet wie in (27d).

(27) a. Jan jedzie szybko do pracy.

'Jan fährt schnell zur Arbeit.'

b. Jazda jest szybka. / szybka jazda

'Die Fahrt ist schnell.' / 'eine schnelle Fahrt'

c. Jan jedzie do pracy w spos ó b szybki.

'Jan fährt auf eine schnelle Art und Weise zur Arbeit.'

d. Jan jedzie do pracy. Przy tym Jan jest szybki.

'Jan fährt zur Arbeit. Dabei ist Jan schnell.'

(28) a. Jan jedzie wesoło do pracy.

'Jan fährt fröhlich zur Arbeit.'

b. Jazda jest wesoła. / wesoła jazda

'Die Fahrt ist fröhlich.' / 'eine fröhliche Fahrt'

c. *Jan jedzie do pracy w spos ó b wesoły.

'Jan fährt auf eine fröhliche Art und Weise zur Arbeit.'

d. Jan jedzie do pracy. Przy tym Jan jest wesoły.

'Jan fährt zur Arbeit. Dabei ist Jan fröhlich.'

Bei einem Adverbial der Art und Weise wie szybko 'schnell' in (27a) sind die entsprechenden Paraphrasen (27b) und (27c) problemlos möglich. Bei dem sekundären Prädikat wesoło 'fröhlich' in (28a) liefert der Test für Adverbiale der Art und Weise in (28c) ein negatives Ergebnis. Die Paraphrase (28b) ist zwar akzeptabel, es ist jedoch anzunehmen, daß dem eine metonymische Verschiebung zugrunde liegt, denn man spricht dann von einer fröhlichen Fahrt, wenn die Teilnehmenden während der Fahrt fröhlich sind. Ebenso ist die Akzeptabilität von (27d) mit einer metonymischen Verschiebung zu erklären, denn in der Regel sagt man von jemandem, daß er schnell sei, wenn er das, was er tut, auf eine schnelle Art und Weise tut. In (27d) ist Jan aufgrund seines schnellen Fahrens schnell.

Außer der Frage nach möglichen metonymischen Verschiebungen ist bei diesen Tests vor allem zu bedenken, welche der angebotenen Paraphrasen den Inhalt des Ausgangssatzes am besten wiedergibt. So kommt die Paraphrase in (28d) dem Inhalt von (28a) sicherlich am nächsten, die besseren Paraphrasen für (27a) dagegen sind (27b) und (27c).

Neben den bisher vorgestellten Paraphrasen wird häufig auch auf den in der englischsprachigen Literatur verbreiteten sogenannten do so -Test verwiesen (vgl. Hentschel 2005:2-3). Dieser Test beruht darauf, das verbale Prädikat im Ausgangssatz durch ein Verb wie tun zu ersetzen. Ein akzeptables Ergebnis soll darauf schließen lassen, daß das fragliche Adjunkt ereignisbezogen zu interpretieren sei.

(29) a. Jan jedzie szybko do pracy.

'Jan fährt schnell zur Arbeit.'

b. Jan robi to szybko.

' Jan tut es schnell.'

(30) a. Jan jedzie wesoło do pracy.

'Jan fährt fröhlich zur Arbeit.'

b. Jan robi to wesoło.

' Jan tut es fröhlich.'

Daß dieser Test problematisch ist, zeigt (30). Obwohl sich wesoło 'fröhlich' mit Hilfe der Tests unter (28) eindeutig als partizipantenbezogen einstufen läßt, ist die Paraphrase in (30b) ohne weiteres akzeptabel, denn das Adverb bildet hier, genau wie im Ausgangssatz, ein sekundäres Prädikat.

Eine Hilfestellung bietet der do so -Test allerdings bei sekundären Prädikaten mit Objektsbezug wie in (31), wo czarno 'schwarz' etwas über das Objekt przyszło ść 'Zukunft' aussagt. Eine do so -Paraphrase liefert in diesen Fällen in der Regel ein inakzeptables Ergebnis oder drückt einen anderen Inhalt aus als der Ausgangssatz, so auch bei (31b).

(31) a. On widzi przyszło ść czarno. (Friesdorf 1991:26)

'Er sieht die Zukunft schwarz.'

b. * On robi to czarno.

'Er tut es schwarz.'

Außer diesen Paraphrasetests stehen zur Abgrenzung von Partizipanten- und Ereignisbezug noch zwei Anschlußtests zur Verfügung. Der erste dieser Tests zielt darauf ab, daß die Art und Weise, auf welche ein Ereignis sich vollzieht, in der Regel auch nach außen hin wahrnehmbar ist, was sich in einem Anschlußsatz nicht negieren läßt. Der zweite beruht auf der Annahme, daß andererseits ein Adjunkt mit Partizipantenbezug eine Disposition dieses Partizipanten ausdrückt, die im Anschluß nicht negierbar ist. Somit ist die Inakzeptabilität von (32) ein weiteres Indiz für die Interpretation von szybko 'schnell' als ereignisbezogen, die Inakzeptabilität von (33) hingegen ein Indiz für die Klassifizierung von wesoło 'fröhlich' als partizipantenbezogen.

(32) *Jan jedzie szybko do pracy, ale nie mo ż na pozna ć , ż e to (jechanie)

si ę odbywa szybko.

'Jan fährt schnell zur Arbeit, aber man merkt nicht, daß es (das Fahren) schnell vonstatten geht.'

(33) *Jan jedzie wesoło do pracy, ale przy tym wcale nie jest wesoły.

'Jan fährt fröhlich zur Arbeit, aber dabei ist er gar nicht fröhlich.'

2.3.3 Partizipanten- und Ereignisbezug als semantisches Kontinuum

Neben den bisher angesprochenen Fällen, in denen Partizipantenbezug relativ klar von Ereignisbezug zu unterscheiden ist, finden sich häufig Beispiele, in denen ein gegebenes Adverb eine vage Orientierung aufweist, weil es sowohl über das Ereignis als auch über einen Partizipanten dieses Ereignisses eine Aussage trifft.

(34) Pisz ę wi ę c powoli i ostro ż nie. (Kuriata)

'Ich schreibe also langsam und vorsichtig.'

In (34) ist powoli 'langsam' analog zu szybko 'schnell' in den vorangegangenen

Beispielen als prototypisches Adverb mit Ereignisbezug einzustufen. Beim Adverb ostro ż nie 'vorsichtig' dagegen scheint sowohl eine ereignisbezogene als auch eine partizipantenbezogene Lesart plausibel. Die oben vorgestellten Tests liefern kein eindeutiges Ergebnis, denn keine der entsprechenden Paraphrasen scheint den Inhalt des Ausgangssatzes besser als die jeweils andere wiederzugeben.

(35) a. Pisz ę w spos ó b ostro ż ny. / ostro ż ne pisanie

'Ich schreibe auf eine vorsichtige Art und Weise.' / 'vorsichtiges Schreiben'

b. Pisz ę i przy tym jestem ostro ż ny.

'Ich schreibe und ich bin dabei vorsichtig.'

Solche Beobachtungen legen nahe, das Verhältnis von Partizipanten- und Ereignisbezug auf semantischer Ebene nicht dichotomisch aufzufassen, sondern als Kontinuum zu modellieren. Nach Grzegorczykowa (1975:75ff) bilden Adjektive und Adverbien eine gemeinsame semantische Klasse, deren Funktion im Ausdruck von Eigenschaften liege. Bestimmte Ausdrücke seien dabei prototypische Adjektive, weil sie Eigenschaften ausdrücken, die ausschließlich auf Entitäten erster Ordnung zutreffen, wie zum Beispiel Farbe, Form und andere physikalische Eigenschaften wie Alter. Andere Ausdrücke seien dabei prototypische Adverbien, weil sie über Eigenschaften von Handlungen oder Eigenschaften von Eigenschaften informieren, wie beispielsweise zeitliche Einordnung, Häufigkeit, Geschwindigkeit oder Intensität.

Dazwischen finde sich eine Gruppe von Eigenschaftswörtern, die alternativ Adjektive oder Adverbien sein können, wenn sie Eigenschaften ausdrücken, die sowohl auf Dinge als auch auf Ereignisse anwendbar sind. Dabei handele es sich laut Grzegorczykowa (1975:75ff) vor allem um Bewertungen ('ein guter Mensch' / 'er benimmt sich gut') und polyseme Eigenschaftswörter wie zum Beispiel lang mit einerseits räumlicher Bedeutung ('ein langer Stock') und andererseits zeitlicher Bedeutung ('langes Warten').

Ein ganz ähnliches Modell präsentieren auch Schultze-Bernd & Himmelmann (2004:120):10

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Ereignis- und partizipantenbezogene Pr ä dikate als semantisches Kontinuum

Auf der semantischen Ebene bilden Schultze-Berndt & Himmelmann (2004) zufolge Prädikate mit deutlicher Partizipantenorientierung (zum Beispiel solche, die etwas über Beschaffenheit oder Zustand ihres Subjekts aussagen) und Prädikate mit primärer Ereignisorientierung (zum Beispiel temporale oder lokale) die Extrempunkte eines Kontinuums, das ebenso Prädikate umfaßt, die nicht eindeutig partizipanten- bzw. ereignisorientiert zu interpretieren sind und als vage eingestuft werden müssen.11

Wie dieses unterliegende semantische Verhältnis auf der morphosyntaktischen Ebene kodiert wird, ist von Sprache zu Sprache unterschiedlich. Einige Sprachen greifen für Adjunkte auf eine Strategie zurück, mit welcher sekundäre Prädikate mit Partizipantenbezug und Adverbiale mit Ereignisorientierung auf die gleiche Weise kodiert werden. Man kann hier von unspezifischen Adjunktkonstruktionen sprechen.12 Derartige unspezifische Adjunktkonstruktionen werden beispielsweise im Deutschen im Bereich der Adjektive verwendet, wo sowohl ereignisorientierte Adverbiale als auch partizipantenorientierte sekundäre Prädikate ebenso wie primäre adjektivische Prädikate ohne Flexionsendung markiert werden, vgl. beispielsweise schnell und barfu ß in der Übersetzung von (36) und (37). Das Polnische hingegen verfügt über zwei unterschiedliche Konstruktionen, um das unterliegende semantische Kontinuum zu kodieren. Für den Ausdruck ereignisorientierter Inhalte werden wie in (36) typischerweise Adverbien verwendet (adverbiale Konstruktion), für partizipantenorientierte Inhalte stehen Konstruktionen mit einem kongruierenden Adjektiv als sekundärem Prädikat zur Verfügung (Depiktivkonstruktion), siehe (37a). Alternativ zur Markierung des sekundären Prädikats als Adjektiv, das in Kasus, Numerus und Genus mit seinem Bezugselement kongruiert wie in (37a), besteht in diesem Kontext außerdem die Möglichkeit adverbialer Markierungen wie in (37b) und (37c).

(36) Ojciec wr ó ciłszybko.

'Der Vater kehrte schnell zurück.'

(37) a. Ojciec wr ó ciłbosy.

b. Ojciec wr ó ciłboso.

c. Ojciec wr ó ciłna boso.

'Der Vater kehrte barfuß zurück.'

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich in erster Linie damit, unter welchen Bedingungen im Polnischen adverbiale Markierungen für Inhalte verwendet werden, die auf der semantischen Ebene eher als partizipantenorientiert einzuordnen sind. Darüber hinaus soll aber auch die Frage gestellt werden, in welchen Kontexten alternativ zur adverbialen Markierung auch depiktive Markierungen möglich sind und welche semantischen Unterschiede diese Konstruktionen ausdrücken, siehe dazu 8. Alternative Kodierungen, Seite 74.

2 .4 N ominalphraseninterne Adverbien

2.4.1 Attribute

Sekundäre Prädikate haben mit Attributen gemeinsam, daß sie als Adjunkte, also fakultative Elemente, auftreten. Bei sekundären Prädikaten handelt es sich jedoch um Adjunkte der Verbalphrase, während Attribute als Adjunkte auf Ebene der Nominalgruppe einzustufen sind. Schultze-Berndt & Himmelmann (2004:60) verdeutlichen dies anhand des folgenden Beispiels:

(38) Carol drinks [black coffee]NP

'Carol trinkt schwarzen Kaffee.'

(39) Carol [drinks [her coffee]NPM black]VP

'Carol trinkt ihren Kaffee schwarz.'

Das Adjektiv black 'schwarz' übernimmt in der Nominalphrase in (38) und in der Verbalphrase in (39) referenzsemantisch unterschiedliche Funktionen. In (38) referiert der Sprecher auf schwarzen Kaffee als eine Entität der aktuellen Welt, mit Hilfe des Attributs wird dieser zum Beispiel gegenüber Kaffee mit Milch abgegrenzt. Mit der Nominalgruppe in (39) dagegen referiert der Sprecher auf Carols Kaffee, black 'schwarz' übernimmt in diesem Satz nicht die Aufgabe, die Referenz dieser Nominalphrase zu limitieren, sondern trifft eine zusätzliche Aussage über sie: Carol trank Kaffee und der Kaffee war schwarz.

Ein Test zur Unterscheidung von Attributen und sekundären Prädikaten beruht darauf, das entsprechende Bezugswort durch ein Personalpronomen zu ersetzen. Da anaphorische Personalpronomen verwendet werden, um auf einen im vorausgehenden Diskurs bereits spezifizierten Referenten zu verweisen, ist es nicht möglich, ein Personalpronomen mit einem Attribut zu versehen, das dessen Referenz weiter beschränken würde. Der Ersetzungstest liefert somit ein inakzeptables Ergebnis für Sätze, in denen das fragliche Element ein Attribut bildet, vgl. (38) und (40), bei sekundären Prädikaten ist er jedoch erfolgreich, vgl. (39) und (41).

[...]


1 In Arbeiten, die beispielsweise im Rahmen der sogenannten 'neo-Davidsonian semantics' angesiedelt sind, werden sie deshalb als Prädikate von Ereignissen modelliert. Zu beachten ist jedoch, daß die Funktion von Adverbialen nicht ausschließlich auf die Modifikation von Prädikationen beschränkt ist, vgl. 2.3.1 Adverbiale unterschiedlicher Ebenen, S. 8.

2 Als Depiktive bezeichnet man eine bestimmte Art von sekundären Prädikaten, siehe Abschnitt 3, Seite 26.

3 Zu einer Typologie von Entitäten siehe Dik (1997:136ff). Als Entitäten erster Ordnung werden dort solche wie zum Beispiel 'Jan', 'ein Brief' oder 'die Bibliothek' aufgefaßt, von denen man sagen kann, daß sie im Raum existieren. Unter Entitäten zweiter Ordnung dagegen versteht Dik beispielsweise Stände der Dinge und unter Entitäten dritter Ordnung Propositionen.

4 Vgl. dazu die Definition für Depiktive in Abschnitt 3, Seite 26.

5 Zu prädikativen Komplementen vgl. auch 6.1 Partizipantenbezug von Adverbien mit Argumentstatus, Seite 53.

6 Wie Dik e.a. (1990:65) bemerken, unterscheidet zum Beispiel Hengeveld (1989) gar fünf verschiedene Ebenen, neben den vier hier vorgestellten noch eine weitere für Adverbiale, die Verhältnisse zwischen Sätzen ausdrücken, was für die vorliegende Untersuchung jedoch nicht relevant ist.

7 Zu einer Typologie von Ständen der Dinge siehe Dik (1997:106ff).

8 Für eine ausführliche Darstellung derartiger Adverbiale siehe Zifonun e.a. (1997:1119ff).

9 Die Unterscheidung zwischen Ständen der Dinge und Propositionen als möglichen Tatsachen erläutert Dik (1997:292) damit, daß man von Ständen der Dinge beispielsweise sagen könne, daß sie sich ereignen, beginnen, andauern oder enden. Mögliche Tatsachen hingegen seien nicht wahrnehmbar, dafür handele es sich dabei um Entitäten, die man glauben, wissen oder denken könne. Außerdem lasse sich von ihnen sagen, ob sie im Verhältnis zum Eintreten eines Standes der Dinge wahr oder falsch sind.

10 Vgl. auch die Verfeinerung dieses Modells als 'semantic map' in Himmelmann & SchultzeBerndt (2005:29).

11 Man beachte, daß die Begriffe Prädikat und Subjekt an dieser Stelle in einem semantischen Sinne verwendet werden, obwohl sie in dieser Arbeit ansonsten als syntaktische Termini gebraucht werden. Auf dieser semantischen Ebene lassen Adverbiale sich als Prädikate von Ereignissen auffassen.

12 Im englischen Original lautet der Terminus „general adjunct construction“ (Schultze-Berndt &Himmelmann 2004).

Ende der Leseprobe aus 86 Seiten

Details

Titel
Partizipantenbezogene Adverbien im Polnischen
Hochschule
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg  (Seminar für Slavistik)
Note
1,00
Autor
Jahr
2006
Seiten
86
Katalognummer
V62225
ISBN (eBook)
9783638555043
Dateigröße
840 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit befaßt auf der Grundlage einer Korpusanalyse mit Konstruktionen der polnischen Standardsprache, in denen Adverbien auftreten, die nicht (oder zumindest nicht primär) die für Adverbien prototypische Orientierung auf die Prädikation aufweisen, sondern eine Aussage über einen Partizipanten des Ereignisses treffen und somit als sekundäres Prädikat zu klassifizieren sind.
Schlagworte
Partizipantenbezogene, Adverbien, Polnischen
Arbeit zitieren
M.A. Martin Renz (Autor:in), 2006, Partizipantenbezogene Adverbien im Polnischen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/62225

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