Medien und Kultur in Friedrich Kittlers "Grammophon, Film, Typewriter"


Hausarbeit, 2006

28 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

I. Einleitung

1. Was sind Medien?
1.1 Was Medien leisten.
2. Kultur und Medien in Friedrich Kittler Grammophon, Film. Typewriter
2.1 „Grammophon“
2.2 „Film“
2.3 „Typewriter“

II. Fazit: Medien bestimmen die Kultur einer Gesellschaft

III. Bibliographie

I. Einleitung

Mit seinen Arbeiten über Medien und Kultur bzw. Literatur hat Friedrich Kittler einen Diskurs angeregt, der eine veränderte Sichtweise der Medien- und Literaturgeschichte nach sich zog. Seine kybernetisch inspirierten Arbeiten sehen die Entwicklung der technischen Medien als elementaren Bestandteil der Kultur- und Literaturgeschichte. In Grammophon, Film, Typewriter (1986) erläutert Kittler die Einbettung der Medien in unsere Kultur als die historische Evolution der im Titel genannten Erfindungen. Wie wird seine Medien- und Fernsehtheorie nun an Literatur/Kultur gekoppelt?

Wer den Begriff Medien im Wörterbuch nachschlägt, findet dort häufig Einträge, die auf die medienlogischen Grundphänomene Speichern, Übertragen und Bearbeiten im technischen Sinne reduziert sind.[1] Die Definition von Medien ist aber eine nicht ganz so einfache Angelegenheit. Denn was im Allgemeinen unter Medien verstanden wird, ist lediglich ein Teil dessen, was sie sind und was sie leisten. Und gerade hier hat Kittler mit seinem Werk angesetzt, um den Fokus auf die Wirkung der unterschiedlichen Medienleistungen und Einsatzgebiete zu legen.[2]

Im Allgemeinen wird gesagt, dass Medien in erster Linie ein Kommunikationsmittel sind; eben ein Mittel oder Vermittelndes. „Neue Medien“ verdrängen sich gegenseitig und zitieren sich selbst und alte Medien.[3] Dennoch bleibt es schwer zu definieren, welches Verhältnis Kommunikation und Medien im Einzelfall zueinander haben. Medien sind allgegenwärtig. Niemand wundert sich heute noch darüber. Wir haben uns im Zeitalter der modernen Technik und des Fortschritts an rasante Entwicklungen gewöhnt und gehen tagtäglich routiniert mit solchen „Wundern“ um. Als Konsequenz des Medienzeitalters hat sich die Sicht der Dinge verändert: „Wunder werden üblich.“[4] Dass die Erfindung der technischen Medien lediglich Abfallprodukt militärischer Kriegsforschung ist, bestätigt für Kittler den engen Zusammenhang von „Herrschaft und technischen Medien.“[5] Im Folgenden soll daher gezeigt werden, wie innovativ Friedrich Kittler seine Medien- und Kulturtheorie an kultur- und literaturwissenschaftlichen Fragestellungen entwickelt hat.

1. Was sind Medien?

Das Wort Medium hat bis heute eine ganze Reihe von Definitionsversuchen hervorgerufen, die einen sowohl wissenschaftlichen, als auch alltagsgebräuchlichen Umgang mit diesem Wort gerecht werden sollen. Doch eine „umfassende Definition“ dieses Begriffs ist dabei nicht gefunden worden. Gerade dies ist nach neuester Auffassung auch weder möglich, noch notwendig. Sowohl in wissenschaftlichen Diskursen als auch im gesellschaftlichen Alltagsgebrauch hat sich eine dreiteilige Verwendungsweise etabliert. Die Bezeichnung Medium wird erstens mit Blick auf unsere sinnlichen Wahrnehmungsmedien wie Raum und Zeit verwendet. Die jeweiligen Medien bieten unterschiedliche Raum-Zeit-Strukturen, Aufmerksamkeitsfokussierungen und Sinn-Sinne-Konstellationen.[6] So stellt auch Heidegger fest: „Alle Arten der Steigerung der Geschwindigkeit, die wir heute mehr oder minder gezwungen mitmachen, drängen auf Überwindung der Entferntheit.“[7] Zweitens beziehen wir das Wort Medium auf semiotische Kommunikationsmedien wie Bild, Sprache, Schrift oder Musik. Drittens gebrauchen wir es zur Bezeichnung von technischen Verbreitungs-, Verarbeitungs- und/oder Speichermedien wie Buchdruck, Radio, Film, Fernsehen, Computer oder Internet.[8] Die Unterscheidung von reiner V erarbeitung hin zu Verbreitung von Daten und Informationen weist dabei auf die Verwendung solcher Medien hin, die entweder Zeit oder Raum überwinden können; bzw. Informationen dauerhaft bewahren und/oder verbreiten können.

Die differenzierte Auffassungsweise des Begriffs Medium hat bereits einen etymologischen Ursprung. Das lateinische „medius“, seit dem 17. Jahrhundert in der deutschen Sprache nachweisbar übliches Fremdwort, beschreibt noch primär im räumlichen Sinn das „Dazwischenliegende“, oder „in der Mitte Befindliche“. Im 18. Jahrhundert schließlich erlangt es zwei unterschiedliche Bedeutung: erstere wird als pragmatisches Bedeutungsfeld im Sinne von „das, was zur Erreichung eines Zweckes dient“ verwendet. Gemeint ist damit eine „Mittel“, „Hilfsmittel“ oder „Werkzeug“, welches als Medium fungiert. Mit der zweiten Bedeutung wird ein Medium zum „Mittler“, „Vermittler“ oder „vermittelndes Element“, welches sich zunächst aus der ersten Bedeutung ableitet, aber schließlich mit dieser Zweitbedeutung Verbreitung findet.[9] Der moderne Medienbegriff sieht den Rezipienten als Teilnehmer eines komplexen psychologischen Prozesses an. Friedrich Kittler hat dieses Konzept psychoanalytisch ausdifferenziert und mit technologiespezifischen Theorien des (Post)Strukturalismus verbunden.[10]

1.1 Was Medien leisten

Zahlreiche Medientheorien wurden im Laufe der Zeit entwickelt, widerrufen, abgeändert oder erneuert, um das Phänomen von Medien zu beschreiben. Medien befinden sich in einem ständigen Fortbildungsprozess. Sie verändern sich mit dem Fortschritt der Technik und den gesellschaftlich-politischen Schwankungen der Zeit. Die moderne Medientheorie geht davon aus, dass die individuelle Auseinandersetzung mit der historischen Welt durch den Informations- und Bilderfluss technischer Apparaturen ersetzt wird. Dadurch wird Erfahrung durch Erlebnis und Orientierung durch Information abgelöst. Der berühmte Vorreiter der modernen Medientheorie, Marshall McLuhan, definierte eine interessante Eigenschaft: Medien sind Körperextensionen.

McLuhan schrieb dazu in seinem Buch Understanding Media: „Das Leitmotiv dieses Buches ist der Gedanke, dass alle Techniken Ausweitungen unserer Körperorgane und unseres Nervensystems sind, die dazu neigen, Macht und Geschwindigkeit zu vergrößern.“[11] Es ist kein Geheimnis, dass die meisten unserer modernen Medien bereits durch die Bezeichnung als Körperextensionen ihren apparativen Zweck der Sinnerweiterung beinhalten.[12] Die große Schwäche und Stärke der McLuhan-Definition ist die Trennschärfe von Medien. Kittler versucht daher in Grammophon, Film, Typewriter (1985) den differenzierungsschwachen Medienbegriff von McLuhan zu überwinden, indem er Medien ausnahmslos in eine historische Reihe der Evolutionsfunktionen, Speichern – Übertragen – Bearbeiten definiert.[13] Medien machen einen Großteil unserer Realität aus. Noch mehr: Sie schaffen einen wesentlichen Teil dieser Realität. Bekannt ist dies vor allem durch die Erfindung von Film und Fernsehen. Dort gezeigte „Realitätsversionen“[14] werden zum Maßstab für „DIE Realität“; stammen aber ursprünglich ja nicht aus dem Fernsehen, sondern aus der „Realität“ selbst. Medien bringen eben zusammen, was nicht von sich aus zusammengehört.[15] Sie verbinden, was verbunden werden will. So können Medien nicht nur Daten fixieren, speichern oder (trans)kodieren, sondern eben auch übertragen, senden und ganz allgemein eben „verarbeiten“.[16] Ohne die Deutung von Zeichen (bzw. Verarbeitung von Daten) würde man sich in seiner Umwelt gar nicht zurechtfinden.

Für uns als Individuum ist es dabei nicht nachzuvollziehen, welche Realität uns über die Medien vermittelt wird. Schein und Sein verschmelzen zu einer mythischen Glaubens- und Wissenshaltung. Wir glauben zu wissen, was wir – beim Medium Film und Fernsehen sind es gleichzeitig auch viele andere – „mit eigenen Augen“ wahrnehmen. Die übertragenen Botschaften sind grundsätzlich aber höchst „unwahrscheinlich“. Niklas Luhmann nennt daher Medien auch „Unwahrscheinlichkeitsverstärker“. Denn gerade die Fülle an unwahrscheinlichen Medieninhalten, stärkt unseren Glauben an solche Unwahrscheinlichkeiten. Gerade die Aufhebung der menschlichen Beschränkungen und Mängeln durch - zumeinst technischen Medien - ist eine fundamentale Eigenschaft der Medien allgemein. Eine weitere phänomenale Eigenschaft von Medien ist es, „Abwesendes anwesend“ zu machen. Medien übernehmen damit eine kompensatorische Aufgabe zur Überbrückung von räumlicher und/oder zeitlicher Abwesenheit.[17]

Dass nach dem Tod das Leben im Himmel kommt, scheint uns sehr unwahrscheinlich, aber unser Glaube allein sieht in der Hostie bereits die Fleischwerdung Christi. Was mit Vernunft nicht bestritten werden kann ist, dass solche Medienereignisse eine immense kommunikative und auch kulturelle Überbrückungsfunktion haben. Der postmoderne Medientheoretiker Jean Baudrillard hat ein solches Phänomen folgendermaßen beschrieben: “Alle unsere Maschinen sind Bildschirme, wir selbst sind Bildschirme geworden, und das Verhältnis der Menschen zueinander ist das von Bildschirmen geworden.”[18] Nach Baudrillard ist dies eine „reine Form der Kommunikation, die nur die Promiskuität des Bildschirms und den elektronischen Text als Filigran des Lebens kennt, wo wir uns in einer neuen Höhle des Platon wieder finden und nur noch die Schatten der fleischlichen Lust an uns vorüberziehen sehen. Wozu sollte man noch miteinander reden, wenn es so einfach ist, zu kommunizieren?”[19]

2. Kultur und Medien in Friedrich Kittler Grammophon, Film. Typewriter

Bereits im Vorwort seines Werkes schreibt Friedrich Kittler entscheidende Erkenntnisse nieder, die eine Wechselwirkung von Medien auf Kultur und Gesellschaft deutlich widerspiegeln. Für ihn sind bereits die frühen technischen Erfindungen das erste Merkmal der „Technisierung von Information“[20]. Mit der getrennten Aufzeichnung von Geräuschen, Schriften und Bildern speicherten und trennten die frühen Maschinen bereits die ursprünglich natürliche Kombiniertheit. Ganz im Sinne Luhmanns[21] sieht auch Kittler eine fortwährende Trennung und Ausdifferenzierung durch Medien. Dieses „Zerhacken“ und „Zertrennen“ nimmt er als ein weiteres Indiz der Medienradikalisierung für gegenüber unserem Körper. Mensch, Seele und Material werden physisch voneinander getrennt und autonom. „Der sogenannte Mensch zerfällt in Physiologie und Nachrichtentechnik.“[22] Dass elektrische bzw. elektronische Medien diese Trennung dann wieder durch Verschaltung aufheben können, „ändert nichts am Faktum dieser Ausdifferenzierung.“[23]

[...]


[1] Vgl. Hörisch, Jochen: Eine Geschichte der Medien. Von der Oblate zum Internet. Frankfurt a.M. 2004. S. 70f

[2] Vgl. Ansgar Nünning. Metzler Lexikon – Literatur und Kulturtheorie. Ansätze – Personen - Grundbegriffe. Stuttgart/Weimar 2001. S. 306

[3] Vgl. ebd. S. 75f

[4] Hörisch, Jochen: Eine Geschichte der Medien. 2004. S. 68

[5] Vgl. Friedrich Kittler: Grammophon, Film, Typewriter. Berlin 1986. S. 9

[6] Vgl. Jochen Hörisch: Eine Geschichte der Medien. Von der Oblate zum Internet. Frankfurt a.M. 2004. S. 73

[7] Heidegger, Martin: Sein und Zeit. Tübingen 1967. S. 105 (§23)

[8] Vgl. Mike Sandbothe: Kulturwissenschaften. Theorien – Methoden – Forschungsansätze. Stuttgart/Weimar: Metzler 2003. S. 2

[9] Vgl. Stefan Hoffmann: Geschichte des Medienbegriffs. Hamburg 2002. S. 24-28

[10] Vgl. Ralf Schnell. Metzler Lexikon – Kultur der Gegenwart. Themen und Theorien. Formen und Institutionen seit 1945. Stuttgart/Weimar 2000. S. 332

[11] McLuhan, Marshall: Die magischen Kanäle - Understanding Media. Frankfurt a. M. 1970. S. 94

[12] Vgl. Jochen Hörisch: Eine Geschichte der Medien. S. 63

[13] Vgl. Ansgar Nünning. Metzler Lexikon – Literatur und Kulturtheorie. Ansätze – Personen - Grundbegriffe. Stuttgart/Weimar 2001. S. 307

[14] Gerade durch die Möglichkeit von „Manipulation durch subjektive Selektion der Informationen“ in Bildern und die damit verbundene Interpretationsproblematik werden alternative Realitätsversionen geschaffen, die nicht zwangsläufig für alle gleich wahr sein müssen.

[15] Vgl. Jochen Hörisch: Eine Geschichte der Medien. S. 66

[16] Vgl. ebd. S. 66

[17] Vgl. Hörisch, Jochen: Gott, Geld, Medien. Frankfurt a.M. 2004. S. 169

[18] Baudrillard, Jean: Videowelt und fraktales Subjekt. In: Barck, Karlheinz et al. (Hrsg.): Aisthesis. Wahrnehmung heute oder Perspektiven einer anderen Ästhetik. Leipzig 1990. S. 263

[19] Baudrillard, Jean: Videowelt und fraktales Subjekt. S. 263

[20] Kittler, Friedrich: Grammophon, Film, Typewriter. S. 4

[21] Siehe hierzu: N. Luhmann: Das Problem der Epochenbildung und die Evolutionstheorie. In: Epochenschwellen und Epochenstrukturen im Diskurs der Literatur- und Sprachhistorie. Frankfurt a.M. 1985. S. 11-33

[22] Vgl. Friedrich Kittler: Grammophon, Film, Typewriter. S. 29

[23] Vgl. ebd. S. 27

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Medien und Kultur in Friedrich Kittlers "Grammophon, Film, Typewriter"
Hochschule
Universität Mannheim  (Lehrstuhl Neuere Germanistik II)
Veranstaltung
Passt Kultur ins Fernsehen?
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
28
Katalognummer
V62294
ISBN (eBook)
9783638555609
ISBN (Buch)
9783638879743
Dateigröße
690 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
In Grammophon, Film, Typewriter (1986) erläutert Kittler die Einbettung der Medien in unsere Kultur als die historische Evolution der im Titel genannten Erfindungen.
Schlagworte
Medien, Kultur, Friedrich, Kittlers, Grammophon, Film, Typewriter, Passt, Kultur, Fernsehen
Arbeit zitieren
Master of Arts Alexander Monagas (Autor:in), 2006, Medien und Kultur in Friedrich Kittlers "Grammophon, Film, Typewriter", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/62294

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