Mit der Ablehnung des Verfassungsvertrages durch Frankreich und die Niederlande hat das europäische Projekt einen herben Rückschlag erlitten. Die Medien sprachen von einer „Niederlage für Europa“
(vgl. FAZ: 28. Mai 2005). Politiker forderten mehr Transparenz für die Bürger sowie eine gewisse „Volksnähe“, um so die Krise der EU zu überwinden. Doch worin besteht diese Krise eigentlich? Kann sie mit der Minderung des vorherrschenden Demokratiedefizits gelöst werden und was war das entscheidende Motiv für die Ablehnung des europäischen Verfassungsvertrages?
Lediglich mit politischen Gesichtspunkten argumentieren zu wollen, wie es die Medien besonders nach dem französischen „Nein“ zur EU-Verfassung getan haben, ist nicht genug. Hier geht es um mehr, als bloße innenpolitische Machtkämpfe. Es geht um solch grundlegende Dinge wie Loyalität, Vertrauen, Verbundenheit mit einem System, kurz gesagt, um Identität.
Die EU befindet sich in einer tiefgreifenden Identitätskrise. Damit verbunden ist die Frage nach der Zukunft Europas. Von der Art und Weise, wie diese Krise überwunden werden kann, wird es abhängen, in welche Richtung sich die EU entwickeln wird. Hin zu einer wirklich supranationalen Union, einer europäischen „Supernation“, oder zu einem föderativen System, den „United States of Europe“, wie es heute im Wesentlichen bereits besteht?
Die Chancen und Grenzen für die Entwicklung einer europäischen Nation sollen in dieser Arbeit herausgearbeitet werden. Dabei wird insbesondere der Frage nach der europäischen Identitätsfindung sowie der Bildung eines europäischen Verfassungspatriotismus nachgegangen. Welche historischen, kulturellen oder politischen Gegebenheiten bieten sich als identifikationsstiftende Merkmale an? Ist es notwendig, einen europäischen Nationalismus zu forcieren und welche Gefahren verbergen sich hinter solch einer Entwicklung?
Die Arbeit gelangt so zu dem Ergebnis, dass für die Bildung einer europäischen Identität zwischen kultureller und politischer Identität unterschieden werden muss. Die europäische Identitätsformation sollte auf politischer Ebene vollzogen werden. Hierfür
steht genügend Potential zu Verfügung, welches jedoch aufgrund der vorherrschenden
Machtstrukturen und des sich verstärkenden Trends zum Regionalismus, der gewissermaßen als Abwehrmechanismus fungiert, nicht ausgeschöpft werden kann.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Theoretische Konzepte
- „Qu'est-ce qu'une nation?“
- Die Rolle des Nationalismus im Prozess der Nationenbildung
- Das Konzept der kollektiven Identität
- Kann es eine europäische Nation geben?
- Perspektiven nach Anthony D. Smith
- Möglichkeiten einer europäischen Identitätsbildung ...
- Verfassungspatriotismus als Chance?
- Schlussfolgerungen
- Chancen
- Grenzen
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit befasst sich mit der Frage, ob und wie eine europäische Nation entstehen kann. Die Arbeit analysiert die Chancen und Grenzen einer europäischen Nation und untersucht dabei die Bedeutung von Nationalismus und kollektiver Identität im Prozess der Nationenbildung. Sie beschäftigt sich mit der Problematik der europäischen Identitätsfindung und den Möglichkeiten eines europäischen Verfassungspatriotismus.
- Konzepte von Nation und Nationalismus
- Rolle der kollektiven Identität bei der Nationenbildung
- Chancen und Grenzen einer europäischen Nation
- Europäische Identitätsfindung
- Verfassungspatriotismus als Chance
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel beleuchtet verschiedene Theorien zu Nation, Nationalismus und Identitätsbildung. Es werden zentrale Fragen zur Entstehung von Nationen, deren Wesen und Anziehungskraft sowie zur Rolle des Nationalismus im Prozess der Nationenbildung erörtert. Besonderer Fokus liegt auf der Bildung einer kollektiven Identität.
Im zweiten Kapitel werden die theoretischen Konzepte auf die Frage der europäischen Nation angewandt. Die Arbeit stützt sich dabei auf die Theorien von Anthony D. Smith zur Bildung von Nationen. Es werden Chancen und Grenzen für die Entstehung einer europäischen Nation ausgelotet, wobei die europäische Identitätsfindung und die Bildung eines europäischen Verfassungspatriotismus im Vordergrund stehen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den Schlüsselbegriffen Nation, Nationalismus, Identität, Europa, Europäische Union, Verfassungspatriotismus, kollektive Identität, Nationenbildung, europäische Identitätsfindung und Anthony D. Smith.
- Arbeit zitieren
- Jana Göbel (Autor:in), 2005, Die Europäische Union - Chancen und Grenzen einer europäischen Nation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/62314