Eintritt in die Postmoderne: Nietzsche als Drehscheibe


Referat (Ausarbeitung), 2006

15 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2.1. Kapitel I
2.2. Kapitel II
2.3. Kapitel III
2.4. Kapitel IV

3. Schlußüberlegung

1. Einleitung

Man kann auf unterschiedliche Art und Weise versuchen, eine Geschichte der Moderne zu rekonstruieren und somit zu konstituieren. Es kommt hierbei sowohl auf den Aspekt an, auf den man sich bei einem solchen Versuch konzentriert (wobei der jeweils gewählte niemals isoliert von anderen möglichen Aspekten betrachtet werden kann, so sind hier in etwa begriffsgeschichtliche, philosophietheoretische und ästhetische Betrachtungsweisen zu nennen), als auch auf die Zielsetzung einer solchen Betrachtung, welche deren Fokus bestimmt. Der gewählte Bereich sollte Maßgebliches des Bedeutungskomplexes und dessen Entwicklung beeinhalten, beziehungsweise widerspiegeln, während die Zielsetzung, welche meist ohne dadurch an Einfluss zu verlieren implizit vorgenommen wird, wohl Antrieb eines solchen Unterfangens ist.

Die von Jürgen Habermas veröffentlichten Vorlesungen „der philosophische Diskurs der Moderne“ beinhalten als solches Ziel seine Theorie der kommunikativen Vernunft, zu welchem seine geistesgeschichtlichen Betrachtungen, die von Hegel bis zu Foucault reichen, hinstreben.(344ff)[1] Wie aus dem Titel ersichtlich, ist der Bereich, in welchem er seinen Diskurs der Moderne verortet, der philosophischer Überlegungen.

Das Kapitel „Eintritt in die Postmoderne: Nietzsche als Drehscheibe“ nimmt hierbei eine zentrale Rolle ein.(104ff) Habermas entwickelt die Beschreibung der Entwicklung einer philosophischen Problemstellung und deren Lösungsansätze. Es entsteht hierbei eine Geschichte der Subjektphilosophie, in welcher dem Verstand durch gesellschaftliche und politische Veränderungen eine zuvor ungeahnte Bedeutung zukommt, in welcher dieser mit der Anforderung, sinnzuschreibende Funktion zu haben, welche zuvor etwa der Religion zuzuschreiben war, konfrontiert wird. Die Rolle des Wirkens Nietzsches wird hierbei als maßgeblicher Impuls dargestellt, der, nach den Versuchen früherer Denker, diese Problematik durch Verstandeskonzepte lösen zu wollen, den Weg zur Postmoderne bereitet.

Im Folgenden werde ich versuchen, Habermas’ Ausführungen zur Funktion Nietzsches in diesem Diskurs nachzuvollziehen. Ich halte mich hierbei an die Gliederung der veröffentlichten Vorlesung und werde am Ende jedes Kapitels die Überlegungen Habermas’ mit kritischen Fragestellungen kontrastieren. Bei diesen können die Texte der jeweiligen Philosophen, auf welche sich Habermas bezieht, sowie das Vergegenwärtigen von Habermas’ Konzept kommunkativer Vernunft im Zusammenhang mit dem hier vorgestellten Diskurs, Anregungen zur Hinterfragung sein.

2.1. Kapitel I

Habermas schließt seine Überlegungen zu Nietzsches Philosophie an seine Ausführungen zu Hegel und zu dessen Schülern an, indem er bemerkt, dass diese durch die Irrevisibilität der Aufklärung und deren Ablösung der Religion durch die Vernunft, „ihre Hoffnung auf eine Dialektik der Aufklärung setzen“ (105) müssen. Dialektik der Aufklärung ist hierbei wohl in dem Sinne zu verstehen, dass die Vernunft die Menschen einerseits der Religion als sinnstiftende Macht beraubt, und anderseits die Vernunft gleichzeitg deren Funktion übernehmen soll. Als Versuch, dies zu erreichen, sieht Habermas die Entwicklung unterschiedlicher Vernunftkonzepte von Hegel und dessen Schülern an. Er führt deren Scheitern und, im Anschluss daran, bei Nietzsche einen grundlegenden Wandel in der Art der Argumentation an, indem dieser statt der Entwicklung eines Vernunftbegriffes die Dialektik der Aufklärung zu verabschieden suche.

In diesem Zusammenhang bezieht sich Habermas auf Nietzsches „Unzeitgemäße Betrachtungen II“[2]. Nietzsche nehme hier den Verweis auf die Geschichte vor, um zu zeigen, dass die Moderne aus sich heraus gar nichts habe. Die praktizierte historische Bildung passe nach Nietzsche nicht zum Geist der neuen Zeit und somit wolle Nietzsche den Ursprung der historischen Bildung mit historischen Mitteln zeigen, um aus eben dieser einen Ausweg zu finden. Es gehe hierbei somit darum, hinter die Anfänge der Geschichte zurückzugehen, hierbei beziehe sich Nietzsche auf sein eigenes Werk, „die Geburt der Tragödie“[3].

Den Versuch, die Moderne zu entlarven, sieht Habermas bei Nietzsche durch zwei Strategien vollzogen. Zum einen nehme Nietzsche eine „auffällige Nivellierung“ (108) der Moderne vor, wodurch diese als eine Epoche unter vielen in einer Geschichte der Rationalisierung zu sehen sei. Zum anderen betone er die Zukunftsbezogenheit der Moderne, welche durch den Charakter der Aufklärung die Regression verbiete und somit als zweite Strategie eine utopische Einstellung, im Unterschied zu einer reaktionären, zu nennen sei.

Hierdurch erfolgt bei Nietzsche nach Habermas durch die Kritik an der Moderne keine Negierung der Moderne sondern vielmehr eine Zuspitzung derselben, indem versucht wird, hinter den Historismus zu blicken.

Einen entscheidenden Stellenwert nehme hierbei die Kunst als Medium ein, in dem sich das Archaische mit dem Modernen berühre, indem „eine ästhetisch erneuerte Mythologie (…) die in der Konkurrenzkraft erstarrten Kräfte der soialen Integration (…)“(109) lösen soll.

Hier sieht Habermas den Bezug zu Wagner, indem dieser die Mythen griechischer Tragödien aufgreift, und gleichzeitig Nietzsches Abkehr von Wagner, indem Nietzsche das von ihm verwendete Motiv des Dionysischen als neue Mythologie nicht romantisch verstanden wissen will. Dementsprechend schließt das erste Kapitel auch mit der Frage: „Worin aber unterscheidet sich das Dionysische vom Romantischen?“(110).

Zum Begriff Dialektik der Aufklärung habe ich im vorherigen Abschnitt vorsichtig formuliert, dass dieser hier wohl so zu verstehen sei, dass die Vernunft vor die Aufgabe gestellt sei, das durch sie verursachte Sinndefizit der Menschen wiederrum selbst zu beheben. Diese knappe Erklärung zu Habermas’ Verständnis dieses zentralen und vor allem vorbelasteten Begriffes[4] soll nun näher erläutert werden. Es scheint so, als müsse man, um Habermas hier zu folgen, die Vorstellung ablegen, Dialektik der Aufklärung bedeute, dass der Verstand als Motor der Aufklärung gleichzeitig Entfremdung mit sich bringe, wodurch nach einer Synthese verlangt wird, welcher Art auch immer diese sein möge. Vielmehr scheint es plausibel, dass Habermas die Synthese durch ein Verstandkonzept als solches schon in seinem Verständnis von Dialektik der Aufklärung mitdenkt, da er den Begriff Verstand untrennbar mit dieser verknüpft, indem er bei dem Versuch der Hinterfragung und Ablösung des Verstandes eine Verabschiedung der Dialektik der Aufklärung sieht: „Wohl wendet Nietzsche die Denkfigur der Dialektik der Aufklärung noch einmal auf die historistische Aufklärung an aber mit dem Ziel, die Vernunfthülse der Moderne als solche aufzusprengen.“ (107)

Neben dem Begriff Dialektik der Aufklärung ist in diesem Kapitel der Begriff des Dionysischen zentral, welcher laut Habermas bei Nietzsche als „utopische Einstellung, die sich auf den kommenden Gott richtet“ (108) Ausdruck findet und sich gleichzeitig von der romantischen Verwendung des Dionysos-Motives unterscheidet. Zur Benennung nach dem griechischen Gott Dionysos äußert sich Nietzsche selbst folgendermaßen: „gegen die Moral also lehnte sich damals (…) mein Instinkt, als ein fürsprechender Instinkt des Lebens, (…) erfand sich eine (…) Gegenwerthung des Lebens, eine rein arthistische, eine antichristliche. Wie sie nennen? Als Philologe und Mensch der Worte taufte ich sie, nicht ohne ewige Freiheit – denn wer wüsste den rechten Namen des Antichrist? – auf den Namen eines griechischen Gottes: ich hiess sie die dionysische“[5]. Ich möchte die Frage aufwerfen, welcher Stellenwert dieser Benennung zukommt, insbesondere unter dem Aspekt des Vergleiches mit Habermas’ Einführung des Dionysischen bei Nietzsche. Wichtig ist hierbei, hervorzuheben, dass der Rückgriff auf den Mythos als Benennung eines überzeitlichen Inbegriffes des Lebens erscheint, und vor allem im Gegensatz zu moralischen Werten und somit zum Christlichen seine Bedeutung erlangt. Hiermit scheint eine erste Antwort auf die Frage der Unterscheidung von Romantisch und Dionysisch gefunden zu sein, da der romantische Rückgriff auf mythologische Elemente unter Bewahrung christlicher Werte des Individuums, durch das hier angeführte Verständnis des Dionysischen durch Nietzsche als antimoralisches Ideal, volkommen zerstört wird.

[...]


[1] Sämtliche Zahlenangaben in Klammern beziehen sich auf Seitenangaben in Habermas (1983)

[2] Vgl. Nietzsche(1999), S. 157

[3] Vgl. Nietzsche (1999), S.9

[4] Wir denken hierbei an den philosophischen Essayband „Dialektik der Aufklärung“, vgl. Horkheimer (2004), welcher ja in der V. der hier behandelten Vorlesungen selbst zum Thema wird.

[5] Vgl. Nietzsche(1999), S. 19

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Eintritt in die Postmoderne: Nietzsche als Drehscheibe
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen
Veranstaltung
"Die Moderne" als Thema philosophischer Theoriebildung
Note
2,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
15
Katalognummer
V62360
ISBN (eBook)
9783638556187
ISBN (Buch)
9783656790013
Dateigröße
508 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Klar verständliche Zusammenfassung von Habermas Überlegungen zu Nietzsche als Bindeglied zwischen Moderne und Postmoderne und Problematisierung dieser Überlegungen. Zusammenfassung und Reflektion der IV. Vorlesung in Jürgen Habermas: Der philosophische Diskurs der Moderne.
Schlagworte
Eintritt, Postmoderne, Nietzsche, Drehscheibe, Moderne, Thema, Theoriebildung
Arbeit zitieren
Andreas Schuster (Autor:in), 2006, Eintritt in die Postmoderne: Nietzsche als Drehscheibe, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/62360

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