Paranoia bezeichnet streng genommen jede Form einer Wahnerkrankung. Das Wort leitet sich her von den griechischen Wörtern para = neben und nous = Verstand, bedeutet also so etwas wie "neben dem Verstand seiend". Im allgemeinen Sprachgebrauch ist der Begriff jedoch längst synonym mit einer speziellen Form des Wahns, dem Verfolgungswahn. Diese Konnotation scheint zunächst eindeutig amerikanisch geprägt. Zwar waren es im 19. Jahrhundert deutsche Psychiater wie Karl Ludwig Kahlbaum und Emil Kraeplin und zu Beginn des 20. Jahrhunderts dann prominente Figuren wie Sigmund Freud und Heinrich Schulte, die sich mit dem medizinischen Phänomen beschäftigten, doch hat sich der Begriff der Paranoia mittlerweile längst aus seinem medizinischen Kontext gelöst und wird soziologisch, politisch und kulturell verwendet – und dies besonders im amerikanischen Raum.
Im Folgenden soll jedoch gezeigt werden, dass Paranoia kein regionales Phänomen ist, sondern als kulturelle Erscheinung eine weit verbreitete Blüte der Moderne ist, die schließlich in der Postmoderne ihre volle Reife erlangt. So speist sich die Paranoia aus dem ewigen Spannungsfeld des modernen Freiheitsbegriffes, der mit einem immer rigider scheinenden Ordnungsdrang/Ordnungszwang im Widerspruch steht. Damit ist der Begriff der Paranoia eng verbunden mit dem Begriff der Aufklärung, bzw. der von Horkheimer und Adorno postulierten Dialektik der Aufklärung .
Meine Untersuchung soll anhand einiger weniger prägnanter Filmbeispiele dargelegt werden. Es handelt sich dabei weniger um die klassischen Verschwörungsfilme, also Politthriller und Spionagefilme wie etwa "The Manchurian Candidate" (1962 und 2004), "Three Days Of The Condor" oder "JFK", sondern vielmehr um Filme, die sich auf das Innenleben ihrer Protagonisten und ihr Verhältnis zu ihrer Umwelt konzentrieren. Zunächst soll ein wesentliches Element der Paranoia herausgearbeitet werden, nämlich ihre Eigenschaft, den Einzelnen von der Masse zu separieren. Davon ausgehend soll untersucht werden, inwieweit Paranoia als kulturelle Ausprägung des dialektischen Spannungsverhältnisses zwischen diesen beiden Kräften gesehen werden kann. Schließlich soll die Paranoia als eine Reaktion auf die vom Menschen geschaffene, unüberschaubare Welt der Postmoderne dargestellt werden, in der alles mit allem irgendwie in Verbindung zu stehen scheint.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung - Paranoia als amerikanisches Trauma?
- Der Einzelne vs. die Masse
- Die Figur des Karl Koch in Hans-Christian Schmids 23
- Die Masse als Bedrohung der individuellen Freiheit
- Freiheit, Ordnung und die Dialektik der Aufklärung
- Pi - Die Suche nach der Ordnung im Chaos
- Schlussbetrachtung – Paranoia als postmodernes Trauma
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der Filmischen Darstellung von Paranoia und untersucht deren Bedeutung als kulturelles Phänomen. Sie analysiert, wie Paranoia als Ausdruck des dialektischen Spannungsverhältnisses zwischen Individuum und Masse im Kontext der modernen Gesellschaft und der Postmoderne verstanden werden kann.
- Paranoia als kulturelles Phänomen und ihre Wurzeln in der amerikanischen Kultur
- Die Rolle des Einzelnen in der Masse und die Bedrohung der individuellen Freiheit
- Die Dialektik der Aufklärung und der Einfluss der Moderne auf das Konzept der Paranoia
- Die Suche nach Ordnung und Sinn im Chaos der postmodernen Welt
- Die ästhetische Repräsentation von Paranoia im Medium Film
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung - Paranoia als amerikanisches Trauma?
Die Einleitung beleuchtet den Ursprung und die Bedeutung des Begriffs "Paranoia" im Kontext der amerikanischen Kulturgeschichte. Sie analysiert den historischen Hintergrund und die sozio-politischen Faktoren, die die amerikanische Prägung des Paranoia-Konzepts prägten.
Der Einzelne vs. die Masse
Dieser Abschnitt untersucht die zentrale Rolle des Einzelnen in der Masse und die damit verbundene Bedrohung der individuellen Freiheit im Kontext von Paranoia. Der Fokus liegt auf der Figur des Karl Koch in Hans-Christian Schmids Film "23" und der Analyse, wie die Masse als Bedrohung für die individuelle Freiheit dargestellt wird.
Freiheit, Ordnung und die Dialektik der Aufklärung
Dieser Teil der Arbeit beleuchtet die Verbindung zwischen dem Begriff der Paranoia und dem Konzept der Aufklärung. Er untersucht, wie die Dialektik der Aufklärung, wie sie von Horkheimer und Adorno definiert wurde, die Entwicklung von Paranoia beeinflusst.
Pi - Die Suche nach der Ordnung im Chaos
Der Abschnitt behandelt den Film "Pi" und analysiert, wie die Suche nach Ordnung im Chaos der postmodernen Welt im Film dargestellt wird und wie sich diese Suche mit dem Konzept der Paranoia verknüpft.
Schlüsselwörter
Die Arbeit fokussiert auf die Schlüsselbegriffe Paranoia, Moderne, Postmoderne, Individuum, Masse, Freiheit, Ordnung, Dialektik der Aufklärung, Film und kulturelle Darstellung.
- Arbeit zitieren
- Thorsten Felden (Autor:in), 2005, Der Mann in der Menge - Filmische Paranoia als dialektisches Trauma, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/62361