Im US-Bundesstaat Ohio wurden dieser Tage Prügelstrafe und öffentliche Ächtung für Übeltäter wieder eingeführt. So „verpaßte“ ein Ordnungshüter einem Bürger mit drei Hiebe mit demselben Holzscheit, mit dem dieser zuvor seinen Sohn mißhandelt hatte.
Ganz gleich, ob man hier einen Rückfall in längst überwunden geglaubte Denkmuster sieht oder das Prinzip der adäquaten Vergeltung für eine solide Basis des Strafrechts hält, deutlich wird in jedem Fall, daß die Frage nach Schuld und nach dem Ausgleich von Schuld sich zu jeder Zeit als virulent erweist.
Wird dies Problem ernst genommen, führt es schnell zu weiteren: Sind Menschen wirklich schuldfähig? Welche Ziele soll Strafe verfolgen? Betrifft die Strafe nur den Täter oder soll sie auch den Schaden am Opfer selbst begleichen? Gibt es vielleicht sogar ein übergeordnetes Prinzip der Gerechtigkeit, das durch Untaten verletzt wird und Strafe als Ausgleich braucht?
Diese vielleicht etwas weit ausgezogenen Fragestellungen führen zu einem tragenden Motiv in Wolframs von Eschenbach „Willehalm“, zum Motiv der Rache.
Vorliegende Arbeit will Rache als Verpflichtung und als Problem in den Blick nehmen. Der Ort dieses Motivs im Werk soll erläutert werden.
Dafür wird es nötig sein, diesen Einzelaspekt in einen weiteren Bezugsrahmen einzufügen. In einem ersten rechtsphilosophischen und rechtsgeschichtlichen Aufriß soll neben dem historischen Hintergrund auch eine begriffliche Arbeitsbasis für das dann Folgende geschaffen werden.
Als Motiv wird rache zunächst für sich und dann im Verbund mit anderen Motiven zu betrachten sein. Auf dieser Grundlage soll weiter versucht werden, auf eine andere Ebene des Erzählens einzugehen. Hier soll erarbeitet werden, wie sich die dargestellten Charaktere und der Erzähler selbst in das bisher gewonnene Bild einfügen.
Schließlich wird noch zu überlegen sein, welche Konsequenzen sich aus der Darstellung dieses einen Motivs für die Deutung des „Willehalm“ ergeben.
2Nachweise ohne nähere Angabe beziehen sich grundsätzlich auf den „Willehalm“.
Allgemein gilt bei Wolfram- und Bibelzitaten, daß die jeweils kleinere Zitiereinheit von der größeren durch Kleindruck abgehoben wird.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Rechtsphilosophische und rechtsgeschichtliche Annäherung
- Rache als Phänomen im „Willehalm“
- Maβlosigkeit der Rache. Rache als Handlungsmovens
- Der konkrete und der grundsätzliche Anlaß der Rache
- Träger der Rache und ihre Opfer
- Gattungsbezogene Bestimmung
- Rache als Problem
- „rache“ im Kontext anderer tragender Motive
- „rache“ und „minne“
- „rache“ und Sippe, „rache“ und Religion
- „rache“ und „triuwe“
- „rache\" als Problem der Protagonisten. Sicht des Erzählers
- „rache“ und Schuld. Gyburg
- Der Rächer am Ende der Handlung. Willehalm
- Die im Prolog und den Erzählerkommentaren vorgeführte Position
- „rache“ im Kontext anderer tragender Motive
- Zusammenfassung. Konsequenzen
- Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit dem Motiv der Rache in Wolframs von Eschenbach „Willehalm“. Sie analysiert, wie Rache im Werk als Verpflichtung und als Problem dargestellt wird, wobei sowohl die rechtsphilosophischen und rechtsgeschichtlichen Hintergründe als auch die Integration des Motivs in den Kontext anderer wichtiger Themen wie Minne, Treue, Sippe und Religion beleuchtet werden.
- Die Rolle der Rache in der Geschichte des Rechts und der Philosophie.
- Die Darstellung der Rache im „Willehalm“, einschließlich ihrer Auswirkungen auf die handelnden Personen und die Handlung des Werkes.
- Der Zusammenhang zwischen Rache und anderen zentralen Motiven in der epischen Dichtung.
- Die Perspektive des Erzählers und die Bedeutung der Rache für die Interpretation des „Willehalm“.
- Die Auswirkungen der Darstellung der Rache auf die Bedeutung und Interpretation des Werkes als Ganzes.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, in der das Motiv der Rache im Kontext der heutigen Diskussion über Strafrecht und Vergeltung vorgestellt wird. Im Anschluss daran wird in einem rechtsphilosophischen und rechtsgeschichtlichen Abschnitt eine Arbeitsbasis für die Analyse der Rache im „Willehalm“ geschaffen. Hier werden Begriffe wie „Rache“ und „Strafe“ definiert und ihre Entwicklung im historischen Kontext beleuchtet.
Das dritte Kapitel analysiert die Darstellung der Rache im „Willehalm“ und betrachtet dabei verschiedene Aspekte: die Maβlosigkeit der Rache als Handlungsmovens, den Anlaß für Rachehandlungen, die Personen, die Rache vollziehen, und deren Opfer, sowie die gattungsbezogene Bestimmung der Rache im Werk.
Im vierten Kapitel wird die Rache in Verbindung mit anderen wichtigen Motiven des „Willehalm“ betrachtet: Minne, Treue, Sippe und Religion. Hier wird untersucht, wie diese Motive miteinander interagieren und welche Auswirkungen sie auf die Darstellung der Rache haben.
Das fünfte Kapitel analysiert die Darstellung der Rache aus der Perspektive der Charaktere und des Erzählers. Hier werden die Auswirkungen der Rache auf die Protagonisten und die Sichtweise des Erzählers auf das Motiv der Rache beleuchtet.
Schlüsselwörter
Wolfram von Eschenbach, Willehalm, Rache, Strafe, Recht, Rechtsphilosophie, Rechtsgeschichte, Minne, Treue, Sippe, Religion, Erzähler, Charaktere, Motivation, Handlung, Interpretation, Werk.
- Arbeit zitieren
- Lutz Eisele (Autor:in), 1995, Rache als Verpflichtung und als Problem in Wolframs Willehalm, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/62378