Hooligans. Gewalt in Fußballstadien


Seminararbeit, 1999

19 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Bill Buford "Geil auf Gewalt" – Teilnehmende Beobachtung eines Schriftstellers unter englischen Hooligans
2.1. Der Autor
2.2. Innere Struktur
2.3. Woher kommt die Gewalt?
2.4. Identitätsbildung
2.5. Zusammenfassung des Buches

3. Die Entwicklung der Fankultur in Deutschland
3.1. Die erste Phase – Milieuspezifische Sozialisation des Fußballfans
3.2. Die zweite Phase – Individualisierungstendenzen und Kommerzialisierung
3.3. Die 3. Phase – Entstehung der Hooligangruppen

4. Der Hooligan von heute
4.1. Gruppeninterne Strukturen und Motivation der Hooligans
4.2. Das Streben nach Respekt und Bedeutung
4.3. Kameradschaft und episodale Schicksalsgemeinschaft
4.4. Gesellschaft als totale Institution und der totale Druck
4.5. Identitätssuche und Nationalstolz
4.6. Der besondere Fall der „Ost-Hools“ und die Veränderungen durch die Wende

5. Resümee

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Gerade durch die schrecklichen Ereignisse am Rande der Fußballweltmeisterschaft in Frankreich , ist die Gewalt der Hooligans wieder zunehmend in den Fokus der gesellschaftlichen Diskussion gelangt. Die doch oft sehr einseitige und emotional hochstilisierte Darstellung der Fußballrowdies in den Medien kann keinem, der ernsthaft wissen will, was diese für Menschen sind, oder woher diese Gewaltbereitschaft kommt, eine realistische Antwort geben.

Dieses Referat versucht ein möglichst realistisches Bild über diese Jugendlichen zu liefern und eine plausible Erklärung des Hooligan-Phänomens zu geben, basierend auf einigen der zahlreichen Studien, die schon über dieses Thema erstellt wurden.

Hierbei werden auch gesamtgesellschaftliche Faktoren beleuchtet, die wesentlich zur Entstehung der Hooligankultur beigetragen haben. Hooligan, dieses Wort kommt aus dem englischen Sprachgebrauch und heißt soviel wie Randalierer. Aber sind diese Jugendlichen einfach nur Gewalttäter, die Lust daran verspüren andere Menschen schwer zu verletzen, oder gibt es doch differenzierte Gründe für dieses Verhalten ? Die nachfolgenden Seiten werden dem Leser hoffentlich Aufschluß darüber geben.

2. Bill Buford "Geil auf Gewalt" – Teilnehmende Beobachtung eines Schriftstellers unter englischen Hooligans

2.1. Der Autor

Der Autor, ein Amerikaner, hat sich hierzu eine längere Zeit in die Fanszene des englischen Fußballvereins Manchester United eingeschleust, um so direkte und unverfälschte Beobachtungen machen zu können. Bufords Interesse und Neugier an diesem Themenkomplex wurde durch ein Erlebnis geweckt, das er auf einem kleinen Bahnhof gemacht hat, als ein Sonderzug voll randalierender Fußballfans an ihm vorbeifuhr. Von nun an besuchte er regelmäßig Spiele und versuchte, Kontakt zu Fans zu knüpfen.

Anfangs wurde er kaum beachtet bzw. akzeptiert, nach und nach jedoch lernte er eine ganze Reihe von ihnen persönlich kennen. Dazu muß noch erwähnt werden, daß Buford ca. Ende 30 ist, und sich durchaus als Schriftsteller zu erkennen gegeben hat.

2.2. Innere Struktur

Der Autor meint, schon bevor er sich in die Fanszene eingeschleust hat, hinter den Ausschreitungen eine gewisse Absicht, Gezieltheit und Ordnung zu erkennen.

Nachdem er einige Zeit unter den Hooligans verbracht hat, wird ihm als erstes deutlich, daßes eine bestimmte Schichtung der Manchester Fans gibt. Am besten kann man sich dasals eine Anordnung in konzentrischen Kreisen vorstellen. Der größte Kreis umfaßt alle Fans von Manchester United. In diesem Kreis gibt es jedoch noch mehrere kleinere. Zum ersten davon gehören die Mitglieder des offiziellen Manchester United Supporter's Club, dem Fanclub, der zu besten Zeiten mehr als 20000 Mitglieder umfaßt. Dieser Club mietet Fußball-Sonderzüge von der britischen Eisenbahn, bringt eine regelmäßig erscheinende Zeitschrift heraus, erhebt Jahresbeiträge und gibt sich Mühe, die "guten" Fans über die Entwicklungen im Verein zu informieren und den "bösen" Fans jede Information zu sperren.

Den zweiten Kreis bildet der inoffizielle Fanclub, das heißt die "bösen" Fans oder, wie man sie auch nennt, "die Firma".

Und innerhalb dieser Firma gibt es eben diese paramilitärische Struktur, von der man immer wieder hört. Es gibt Anführer, die meist nicht selbst an den Gewaltakten beteiligt sind. Diese Anführer stehen oft in Konkurrenz zueinander. Und jeder hat seine eigene Gefolgschaft aus bis zu vierzig Leuten. Diese Anhänger sind sechzehnjährige Burschen, die sich beweisen wollen. Sie sind es auch, welche die Schlägereien anfangen, sozusagen die Unteroffiziere.

Daß die Anführer selten aus den unteren sozialen Schichten kommen, bzw. sich durch kriminelle Aktivitäten daraus "hochgearbeitet" haben (oft sind diese Leute auch in Drogengeschäfte oder Diebstähle verwickelt), ist ein erster Gegenbeweis für die allseits angenommene These, Armut und soziale Unzufriedenheit wäre der Auslöser für Gewalt in und um Fußballstadien.

2.3. Woher kommt die Gewalt?

Zu Beginn stellt Buford die Hypothese auf, daß die Gewalttätigkeit Ausdruck eines Protestes sei. Erklärbar sei dieser Protest aus einer hohen Frustration, deren Ursachen etwa in der Arbeitslosigkeit zu finden seien. Demzufolge wären die Gewaltausbrüche als soziale Rebellion zu sehen, die Hooliganszene wäre also in der Unterschicht zu lokalisieren. Dies ist wohl auch die Annahme der Allgemeinheit.

Dies wird jedoch insofern falsifiziert, als daß er feststellt, daß die Fan- bzw. Hooliganszene keine homogene Ansammlung von Angehörigen einer sozial deklassierten Schicht darstellt.

Es gibt zwar die typischen Verlierer mit beispielsweise krimineller Karriere, aber daneben auch Männer wie "Mick", einer von denen, die Buford näher kennengelernt hat. Er paßt nicht in die These, daß Hooligans arbeitslos bzw. sonst in irgendeiner Weise benachteiligt sind. Er ist mit seinem Los vollkommen zufrieden, ist gelernter Elektriker und verlegt neue Leitungen in einem Wohnblock. Seit Jahren hat er kein Spiel "seiner" Mannschaft Manchester United verpaßt und kann sich auch nicht vorstellen, in Zukunft eins zu verpassen. Durchschnittlich gibt er 60 Pfund an einem Samstag aus, also für die Eintrittskarte, die Fahrkarte zum jeweiligen Spielort und Alkohol.

Er verfügt auch einen geregelten Lebenslauf, so daß man also auch nicht von gestörten Familienverhältnissen sprechen kann.

Was sonst konnte also die Ursache für die Gewalt sein? Hierfür ein Beispiel:

Bill Buford, der Autor des Buches, ist Journalist und Schriftsteller. Man kann ihn also nicht unbedingt als sozial schwach oder geistig minderbemittlelt bezeichnen, eher das Gegenteil trifft zu. Er hat sich aus Neugier unter die Hooligans gemischt, um eben diese Ursachen zu erforschen. Anfangs war es schwer, in eine der Gruppen hineinzukommen, doch nach einiger Zeit wurde er akzeptiert, wenn er auch immer der sachliche Beobachter sein wollte. Doch mehrmals kam es zu Situationen, in denen er seine Neutralität verlor, einer von ihnen wurde. Einmal befand er sich inmitten eines wütenden Mobs von Manchester Fans, die von einigen nervösen Polizisten nur mit Mühe davon abgehalten wurden, auf die gegnerischen Fans loszustürmen. Als einer der Polizisten demonstrativ mit einer Hundekette auf die Masse einschlug und aus Versehen Buford ins Gesicht traf, verlor er fast die Beherrschung, schrie den Polizisten an, was ihm verdammt nochmal einfiele, ihn zu schlagen. Jemand aus der Masse versuchte ihn weiter aufzustacheln. Es hätte wohl nicht mehr viel gefehlt, und er selbst wäre gewalttätig geworden.

Was treibt also einen intelligenten, sozial gut gestellten Mann dazu, sich zu so etwas hinreißen zu lassen? Buford erklärt es mit dem Begriff der Masse: "In einer Masse zeigt sich unser darwinsches Selbst: die Unhorde wird plötzlich befreit unter dem Einfluß des Rudel-Instinktes. In einer Masse zeigt sich unser freudsches Selbst: durch Regression in einen Zustand urtümlicher, primitiver Triebhaftigkeit. Eine Masse hat Jesus getötet. Sie will aber beherrscht werden, sie braucht ihren Häuptling, Kaiser, Kommandanten. Sie braucht ihren Hitler, Mussolini."

In einer aufgeheizten Atmosphäre ist meist nur ein kleiner Schritt notwendig, um die Situation zum eskalieren zu bringen. Ein Schritt über eine Grenze, die von allen Anwesenden stillschweigend anerkannt wird, und die die eine Verhaltensweise von der anderen trennt. Bei jeder Menschenmenge gibt es eine solche Schwelle, alle Menschenmengen agieren zunächst innerhalb irgendwelcher Regeln. Bestimmte Linien, die nicht durchbrochen werden dürfen etc. . Es existiert zunächst eine Form, auch wenn es zu deren Auflösung hinstrebt. Wenn man jedoch in einer Masse ist, verschwindet man für kurze Zeit in ihr, hat an ihrer Stärke teil.

Und irgendwann wird diese Schwelle überschritten, auf die Form verzichtet.

Dazu noch ein Beispiel von Buford, das den Massencharakter als Ursache der Gewalt fast noch besser verdeutlicht: als er eines Tages mit der Gruppe durch Fulham unterwegs war, verfolgt von den Fans der gegnerischen Mannschaft, randalierend und wütend, als die Schwelle also schon überschritten war, da kam es ihm vor, als ob er "die Schwerkraft hinter sich gelassen hat" es war eine Art Rauschzustand, eine Adrenalin-Euphorie. Und zum ersten Mal verstand er die Worte "Gewalttätigkeit ist eine Droge für die Masse". Buford hatte eine Erfahrung absoluten Erfülltseins.

2.4. Identitätsbildung

Für die zahlreichen Jugendlichen, die sich mitten in der schon erwähnten Adoleszenzphase befinden, sind die Fußballvereine und die dazugehörigen Fangruppen etwas, an dem sie sich orientieren, mit dem sie sich auch identifizieren können. Auf nationaler Ebene dienen hierzu die Vereinssymbole, auf internationaler ein diffuser Nationalchauvinismus. Oft berichtet Buford davon, daß auf Reisen zu Auslandsspielen Gesänge wie "Dies ist die Stimme Englands" oder "White Power" ertönten.

[...]

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Details

Titel
Hooligans. Gewalt in Fußballstadien
Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen  (Institut für Soziologie)
Veranstaltung
Seminar: Abweichendes Verhalten und Kriminalität
Autor
Jahr
1999
Seiten
19
Katalognummer
V624
ISBN (eBook)
9783638104104
ISBN (Buch)
9783638755955
Dateigröße
783 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hooligans, Gewalt, Fußballstadien, Seminar, Abweichendes, Verhalten, Kriminalität
Arbeit zitieren
Marjan Rosetz (Autor:in), 1999, Hooligans. Gewalt in Fußballstadien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/624

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