Strawinsky, Reich, Ewald: Rhythmus in der neuen Musik


Examensarbeit, 2006

66 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1 Planung der Unterrichtseinheit
1.1 Voraussetzungen in der Klasse
1.2 Themenfindung
1.3 Didaktische Analyse
1.4 Lernziele der Unterrichtseinheit
1.5 Methodik
1.5.1 Methodischer Ansatz
1.5.2 Methodischer Gang
1.5.3 Sozialformen

2 Durchführung der Unterrichtseinheit
2.1 Übersicht über die Stundenverteilung
2.2 Die 1.Unterrichtsstunde: Expressionismus
2.3 Die 2. Unterrichtsstunde: Expressionismus II - Le sacre du printemps
2.4 Die 3. Unterrichtsstunde: Minimal Music – „Clapping Music“
2.5 Die 4. Unterrichtsstunde: Komposition einer Minimal Music am Computer
2.6 Die 5. Unterrichtsstunde: Versuche zur Aleatorik am Beispiel von „Hand und Fuß“
2.7 Die 6. Unterrichtsstunde: „Hand und Fuß“ II – Üben des 2. Teils
2.8 Die 7. Unterrichtsstunde: Projekt - Besuch des Komponisten Kaspar Ewald
2.9 Die 8. Unterrichtsstunde: Zusammenfassung

3 Schlussbetrachtung

4 Literaturverzeichnis

5 Anhang

1 Planung der Unterrichtseinheit

1.1 Voraussetzungen in der Klasse

Die Klasse 11b setzt sich aus 20 Mädchen und 6 Jungen zusammen. Diese Klasse ist verhältnismäßig klein, was zu einer angenehmen Arbeitsatmosphäre führt.

20 Schüler spielen oder spielten in dieser Klasse ein Instrument, wobei einige seit geraumer Zeit keinen Instrumentalunterricht mehr haben. Daher sind die Kenntnisse in Musiktheorie bei den meisten relativ gut ausgeprägt, und es besteht die Möglichkeit leichtere Passagen mit den Schülern zu musizieren. Allerdings ist kein Klasseninstrument eingeführt.

Die Mädchen arbeiten mehr und mit als die Jungen, was sowohl an der Anzahl liegen mag als auch an der momentan pubertären Phase der Jungen, welche sich in Unkonzentriertheit und Geschwätzigkeit äußert. Insgesamt beteiligen sich nur wenige unaufgefordert am Unterrichtsgespräch, durch andere Unterrichtsmethoden werden viele Schüler erst aus ihrer Reserve gelockt und zeigen ihr Können. Die Klasse fällt allgemein durch gute Beobachtung und kritischem Mitdenken am Unterrichtsprozess auf. Die Herausforderung an den Lehrer stellen das Herauskitzeln der guten Antworten und die Motivation insbesondere der Jungen dar. Die Disziplin ist in dieser Klasse kein Problem.

Das Klassenzimmer verfügt über genügend Platz, um in verschiedenen Gruppen zu musizieren, ohne dass sich die Schüler räumlich gegenseitig behindern.

Ein Manko des benutzten Musiksaales ist, dass bei Nutzung des Overheadprojektors die weiße Wand die Tafel verdeckt und nur durch größeren Aufwand die Tafel wieder benutzt werden kann.

Die Schüler besitzen kein Musikbuch. Daher müssen die Schüler durch Tafelaufschriebe und Arbeitsblätter ausreichend versorgt werden um die relevanten Ergebnisse zu sichern.

1.2 Themenfindung

Für mich stellt das Musizieren im Musikunterricht eine sehr wichtige Methode dar, um musiktheoretische und -analytische Erkenntnisse zu erlangen. Während meines Studiums habe ich den Komponisten Kaspar Ewald und sein Stück „Hand und Fuß“ kennen gelernt, welches er für eine Schulklasse komponiert hat. Vom Umfang und dem Schwierigkeitsgrad hielt ich das Stück für Klasse 11 angemessen. Bei einem ersten Blick in den Bildungsplan stieß ich auf die „Lehrplaneinheit 4: Musik im 20. Jahrhundert“[1] Dabei ist unter anderem vorgesehen, neue Raum- und Zeitkonzepte zu behandeln und „dem Musizieren im Klassenverband […] angemessen Zeit einzuräumen“[2]. Kaspar Ewalds Komposition, die mit Händen und Füßen als Musikinstrument arbeitet, ist für eine rhythmische Analyse, aber auch für eine praktische Umsetzung durch die Schüler[3] geeignet. Die Schüler werden mit ungeraden und unüblichen Taktarten konfrontiert, die sie durch Stampfen und Klatschen umsetzen sollen. Kaspar Ewald unterlegte die Rhythmen mit kleinen Übesätzen, damit die ungeraden Taktarten selbstverständlich wirken und die Umsetzung kein Problem ist. Positiv an diesem Werk ist, dass die Schüler ein Stück von einem zeitgenössischen Komponisten musizieren können.

Um den Schülern einen Einblick in die Musik des 20. Jahrhunderts zu verschaffen, wählte ich zu Kaspar Ewald zwei Vertreter jeweils anderer Stilrichtungen:

- Expressionismus: “Le Sacre du printemps” von Igor Strawinsky
- Minimal Music: „Clapping Music“ von Steve Reich

Wichtig war mir bei der Auswahl, dass die Schüler einen Teil der Werke selbst einstudieren konnten und dass die rhythmischen Elemente der drei Werke besprochen und verglichen werden konnten.

Das Thema Rhythmus halte ich für sinnvoll, da die Schüler relativ wenig theoretisches „Rüstzeug“ benötigen, um zu befriedigenden Ergebnissen zu kommen. Mit nur geringen musiktheoretischen Vorbereitungen ist jeder Schüler in der Lage, die genannten Musikstücke in die Praxis umzusetzen.

1.3 Didaktische Analyse

Das Thema „Strawinsky, Reich, Ewald. Rhythmus in der neuen Musik“ ist exemplarisch für die Musik des 20./21. Jahrhunderts. Die Schüler lernen an drei Komponisten drei verschiedene Kompositionsstile des 20./21. Jahrhunderts kennen: Strawinsky als Stellvertreter des Expressionismus, Reich als Stellvertreter der Minimal Music, Ewald als Vertreter der „Neuen Einfachheit“. An diesen drei Beispielen lassen sich besonders gut rhythmische Komponenten in der Musik des 20./21. Jahrhunderts behandeln. Die Schüler erkennen, dass die neue Musik sehr vielfältig ist und man nicht alle Werke und Komponisten über einen Kamm scheren kann. Bei der Behandlung des Themas Rhythmus im Unterricht kann ein großer Teil des Unterrichtsstoffes musikalische umgesetzt werden, da auch Schüler mit geringer musikalischer Vorbildung sehr schnell Rhythmen musizieren können.

Das Thema soll eine Einführung in die Musik des 20./21. Jahrhunderts leisten, in der Kursstufe wird das Thema nochmals aufgegriffen und kann ausführlicher behandelt werden. Das Kennenlernen der Werke über den Rhythmus hat außerdem den Vorteil, dass die Schüler relativ schnell einen Zugang zur Analyse und der Musik finden. In Klasse 12 können die Schüler ihre Werkkenntnisse ausbauen und die harmonische Komponente dazunehmen.

Unter dem Gesichtspunkt des Zugangs zum Thema ist festzuhalten, dass alle Schüler rhythmische Vorkenntnisse haben. Der Einstieg über den Rhythmus erleichtert das Verständnis für neue Musik und zeigt exemplarisch, wie unterschiedlich die einzelnen Kompositionsrichtungen des 20./21. Jahrhunderts sind.

Gerade in der heutigen Zeit ist es sehr wichtig, sehr kritisch mit Musik umgehen zu können. Wir erfahren eine ‚Dauerberieselung’ in unserem täglichen Leben. Für die Schüler ist es sehr wichtig, sich damit auseinander zu setzen, um selektieren zu können, was ‚gute’ Musik ist und was nicht. Gerade die moderne Musik bietet ein geeignetes Forum sich über „gute“ und „schlechte“ Musik auszutauschen.

Das Thema ist sehr weitläufig und kann für Schüler sehr interessant gestaltet werden, da gerade die neue Musik vielfältige Möglichkeiten bietet, die Schüler aktiv werden zu lassen.

Die didaktische Reduktion wirkt sich auf die Anzahl der Kompositionen aus. Die Kompositionen können nicht vollständig behandelt werden. So habe ich mich bei „Le sacre du printemps“ von Strawinsky auf den Anfang des Opfertanzes beschränkt, da hier die rhythmischen Neuerungen, die ich den Schülern zeigen wollte, sehr deutlich hervortreten. Die „Clapping Music“ von Reich ist sehr kurz und kann daher ganz verwendet werden. Das finde ich sehr vorteilhaft, da die Schüler ein überschaubares Werk vor kennen lernen und es vollständig musizieren können. Bei Kaspar Ewald beschränke ich mich auf Teil 1 und 2, da gute Ergebnisse wichtiger sind als ein vollständiges Werk irgendwie aufführen können. Ich denke es genügt, wenn Kaspar Ewald bei seinem Besuch Teil 3 und Schluss vorstellt und mit den Schülern zusammen musiziert.

Sehr wichtig ist mir bei der Einheit, das Interesse der Schülern zu wecken und nicht, dass sie durch fehlende Musiktheoriekenntnisse von modernen Werken abgeschreckt werden. Ferner sollen sie erkennen, welchen Stellenwert und welche Qualität die behandelten Werke haben. Die Freude am Musizieren schließlich steht auch im Mittelpunkt der Einheit.

1.4 Lernziele der Unterrichtseinheit

Die Schüler sollen:

- wissen, dass „Neue Musik“ verschiedene Musik- und Kompositionsrichtungen des 20. und 21. Jahrhunderts beinhaltet.
- erkennen, dass die „Musik stets in Beziehung zu ihrem geistesgeschichtlichen Umfeld steht“[4].
- spontane Hörerlebnisse und subjektive Eindrücke äußern können.
- die Wirkung von Musik bewusst reflektieren.
- motorische Fähigkeiten durch das rhythmische Musizieren mit Händen und Füssen verbessern.
- einen Notentext lesen und analysieren können.
- die rhythmischen Prinzipien einer Komposition erkennen und selbst umsetzten können.

1.5 Methodik

1.5.1 Methodischer Ansatz

Der Titel der Unterrichtseinheit „Strawinsky, Reich, Ewald. Rhythmus in der neuen Musik.“ birgt drei methodische Ansätze in sich:

- Analyse anhand des Notentextes
- hörende Erschließung der Thematik
- die Erfahrung der Rhythmik durch praktische Umsetzung.

Entscheidend ist, dass man im Musikunterricht nicht zu einseitig arbeitet. Sowohl das Musizieren als auch Musik hören und analysieren spielen eine wichtige Rolle um das musikalische Lernen zu vervollständigen. Keiner der drei oben genannten Ansätze kann isoliert behandelt werden. Ohne Musiktheorie kommt beispielsweise keine Werkbetrachtung und kein Musizieren zustande. Umgekehrt sind aber auch die aus der Praxis gewonnenen Erfahrungen - wie zum Beispiel Musizieren oder selbst Komponieren – sehr hilfreich um Werke zu analysieren. Theorie und Praxis bedingen und beeinflussen sich gegenseitig. Hilbert Meyer schreibt dazu: „Unterricht muss immer beides leisten: Er muss Kopf- und Handarbeit, Produktion und Reflexion, knallhartes Üben und lustvolles Feiern miteinander versöhnen.“[5]

Den Weg, den ich für diese Unterrichtseinheit ausgewählt habe, möchte ich im Folgenden erläutern.

1.5.2 Methodischer Gang

Die Unterrichtseinheit ist in drei Teile eingeteilt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In der ersten Stunde lernen die Schüler den Begriff des Expressionismus in der Kunst und in der Musik kennen. Wichtig ist mir, dass die Schüler den Expressionismus im Spiegel der Geschichte, Kunst und Musik miteinander verknüpfen können und parallelen in der Entwicklung entdecken. Deshalb beginne ich in der ersten Stunde mit der Beschreibung des Bildes ‚Die drei Musikanten’ von Pablo Picasso.[6] Die Schüler sollen sich überlegen, welche Musik zu dem Bild passen würde. Nach einem Gespräch über die Geschichte zur Zeit des Expressionismus hören die Schüler einen Ausschnitt aus Strawinskys ‚Le Sacre du printemps’ und sollen ein Bild von zwei Ballettdarstellungen[7] der Musik zuordnen. Durch die Verknüpfung von Sehen, Hören und anschließender Diskussion wird die Verstehens- und Behaltensquote der Schüler höher als bei getrennter Bearbeitung. Im weiteren Verlauf der Stunde rücken Strawinskys Russisches Ballett und der Inhalt des Sacre du printemps in den Vordergrund. Die Schüler sollen sich Gedanken machen, welche Auswirkungen diese neue Art der Ballettmusik auf den Tanz hat.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die zweite Stunde verbindet das Sehen und Hören noch mit dem aktiven Musizieren eines Ausschnittes aus dem Opfertanz.[8] Dadurch wird eine Vernetzung der vier Gedächtnissysteme erreicht. Gerade für den Musikunterricht ist diese Vernetzung wichtig, denn „Wissen über Musik entsteht nur auf der Basis der eigenen musikalischen Erfahrungen durch das Machen von Musik.“[9] Durch die Verknüpfung von Hören, Sehen, Diskutieren und Tun erreichen die Schüler laut der Gedächtnisforschung eine Behaltensquote von 90% (vgl. Abbildung 1)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Wichtig ist mir auch, dass die Schüler spüren, welche Auswirkungen die eigenwillige Rhythmik des Opfertanzes auf das Orchester und auch das Ballett hat. Durch die Reduktion auf das Musizieren des Rhythmus mit dem Tönen des ersten Akkordes soll es allen Schülern ermöglicht werden, ein paar Takte des Opfertanzes zu spielen. Entscheidend ist die neuartige Rhythmik Strawinskys, alle anderen Parameter habe ich ausgeklammert. Musizieren des Rhythmus als Einblick in die musikalischen Strukturen[10] muss hier genügen, denn um das Stück weitergehend einzustudieren würde der zeitliche Rahmen gesprengt werden.

Nun ist der Weg bereitet, dass die Schüler feststellen können, weshalb „Le Sacre du printemps“ ein Skandal bei der Uraufführung war und welche rhythmischen Neuerungen Strawinsky eingeführt hat. Im Klassenzimmer verteilt aufgehängte Zettel und das Hören des Opfertanzes aus „Le Sacre du printemps“ soll den Schülern helfen, sich auf die Situation des Publikums damals einzulassen. Das Aufheben der steifen, frontalen Sitzordnung soll das Interesse und die Motivation der Schüler wecken und das Hören der Musik durch den Wechsel von einem zum anderem Informationsblatt erleichtern. Sie hören die Musik und können in ihrem eigenen Tempo die verschiedenen Reaktionen des Publikums auf Strawinskys Werk auf sich wirken lassen.

Dadurch dass die Stunde inhaltlich sehr voll war, habe ich mich dafür entschieden, die Definition des Expressionismus bereits auf OHP-Folie zu kopieren und die Schüler es abschreiben zu lassen, während ich die nächsten Hörbeispiele vorbereiten konnte. Das verhindert einen Abfall des Spannungsbogens. Aus demselben Grund hielt ich die biographischen Informationen zu Strawinsky und über das Russische Ballett bewusst kurz, und gab den Schülern relativ schnell die nächste Aufgabe.

Die dritte und vierte Stunde hat Minimal Music zum Gegenstand. Die dritte Stunde beinhaltet zunächst die „Theorie“ der Minimal Music. Durch das Anfertigen einer graphischen Notation zu ‚Metamorphosis One’ von Philipp Glass[11] sollen die Schüler selbst die Merkmale der Minimal Music benennen können. Das Herstellen einer graphischen Notation erfordert einerseits eine hohe Konzentration der Schüler und andrerseits befähigt es die Schüler deren Merkmale zusammentragen zu können. Durch ein indisches und ein afrikanisches Hörbeispiel sollen die Schüler die Einflüsse außereuropäischer Musikkulturen auf die Minimal Music heraushören.[12] Nach dem allgemeinen Einstieg in die Minimal Music durch Metamorphosis One, soll das erworbene Wissen auf ein konkretes Notenbeispiel – die „Clapping Music“[13] von Steve Reich – angewandt werden. Nach dem Hören des Stückes musizieren die Schüler die zweite Stimme, um die Rhythmusverschiebungen selbst zu spüren. In einem Unterrichtsgespräch werden die Erfahrungen festgehalten und ergänzt. Zum Abschluss der Stunde bietet es sich an, an die Lebenswelt der Schüler anzuknüpfen: ein Vergleich von Minimal Music mit Techno. Sie wiederholen das Gelernte und wenden es an einem ihnen vertrauten Beispiel an.

In der vierten Stunde sollen nun die erworbenen Kenntnisse über die Minimal Music in die Tat umgesetzt werden. Die Schüler komponieren ihre eigene „Clapping Music“ am Computer mit der Software ‚capella2002’. Damit wird die Struktur der Minimal Music bei den Schülern gefestigt. Das ausgedruckte Ergebnis und die Midi-Datei, die sich die Schüler von ihrer Komposition anhören können stellt eine große Motivation dar.

In der fünften, sechsten und siebten Stunde soll es um das Werk „Hand und Fuß“[14] von Kaspar Ewald gehen.

In der fünften Stunde sollen die Schüler anhand des Stückes „Hand und Fuß“ durch ausprobieren erfahren, was Aleatorik bedeutet und feststellen, warum Kaspar Ewald keine Aleatorik eingesetzt hat. Mithilfe von Würfeln wird die Anzahl der rhythmischen Patterns erwürfelt und ausprobiert, was musikalisch passiert.[15] Somit verstehen die Schüler die Vorgehensweise in aleatorischen Kompositionen, aber auch den Grund für die genaue Vorgabe der Wiederholungen Ewalds. Sie reproduzieren nicht nur, sondern versetzen sich auch in die Denkweise des Komponisten. Die Übereinanderlagerung zweier Taktarten, die dann nach X-Wiederholungen[16] auf Schlag eins zusammentreffen ist ein Hauptmerkmal der Musik von Kaspar Ewald.

Die sechste Stunde widmet sich nun wieder ganz dem Musizieren. Die Schüler üben in den vier Gruppen[17] ihre Rhythmuspatterns. Ziel ist, dass jede Gruppe ihre Patterns sicher kann und dass die Schüler Eigenverantwortung übernehmen können. Ein Schüler übernimmt das Einzählen bzw. Dirigieren und die Gruppe bestimmt selbst ihr Übtempo und die Anzahl der Wiederholungen. Ein weiterer Vorteil des Übens in Kleingruppen ist, dass schüchterne Schüler sich in der kleinen Gruppe auch mehr zutrauen. Der Lehrer hat währenddessen Zeit, den Schülern Hilfestellungen zu geben und zu verbessern. Ein weiterer Punkt dieser Stunde ist die Vorbereitung des Interviews mit Kaspar Ewald in der siebten Stunde: die Schüler können ihre zu Hause vorbereiteten Fragen im Unterricht besprechen, so dass sich jeder Schüler traut und auch darauf vorbereitet ist, eine Frage an den Komponisten zu stellen.

In der siebten Stunde steht der Besuch des Komponisten Kaspar Ewald an. Die Schüler sollen weitere Werke Kaspar Ewalds kennen lernen, die Möglichkeit bekommen, ihn etwas über sein Leben als Komponisten zu fragen und mit ihm gemeinsam sein Werk „Hand und Fuß“ einüben. Ich denke, dass eine solche Erfahrung für Schüler sehr wichtig ist, da sie merken, dass ein Komponist ‚ein Mensch wie jeder andere’ ist, und sie erhalten über die persönliche Erfahrung und die Kenntnis der Intention und der Arbeitsweise des Komponisten einen ganz anderen Zugang zu moderner Musik. Sie verstehen seine Werke besser und somit bleibt eine solche Begegnung sehr gut im Gedächtnis der Schüler haften.

Die achte Stunde fasst nochmals die drei Stilrichtungen der Musik des 20. Jahrhunderts zusammen. Dazu bekommen die Schüler in drei Gruppen die Aufgabe, jeweils zu jedem Komponisten ein Plakat mit vorgegebenen Begriffen zu gestalten. Die Schüler reflektieren nochmals die Einheit ohne die Heftaufschriebe zu Hilfe zu nehmen. In der anschließenden Präsentation der Plakate werden die Ergebnisse verglichen und von der Klasse und der Lehrerin verbessert. Neben der Lernzielkontrolle ist mir auch die Einübung von Präsentationstechniken wichtig, was mit der Einführung des neuen Bildungsplanes eine wichtige Rolle einnimmt.

1.5.3 Sozialformen

Oft steht man als Lehrer vor der Frage, welche Sozialform die am besten geeignete für ein Thema ist. Wichtig dabei ist die Abwägung, welche Vor- und Nachteile die jeweilige Sozialform hat. Einzelarbeit fördert die Konzentration und sorgfältiges Arbeiten. Die Partnerarbeit ermöglicht gegenseitige Hilfe und das arbeitsteilige Arbeiten. Diese beiden Sozialformen sind auch für sehr kurze Arbeitsphasen gut geeignet. Organisatorisch aufwendiger ist die Gruppenarbeit. Sie braucht mehr Zeit, fördert aber das soziale Lernen, die Teamfähigkeit, Kooperation und die Schülerpräsentationen. Alles Qualifikationen, die die Schüler in der heutigen Zeit für ihre Zukunft unter dem Stichwort ‚Schlüsselqualifikationen’ brauchen.

Eine Unterrichtseinheit, die sehr viel Klassenmusizieren einbindet, bedingt meist das Arbeiten im Klassenverband. Lediglich bei Ewalds Werk „Hand und Fuß“ bot es sich an, die vier Gruppen ihre Patterns in Gruppenarbeit vorbereiten zu lassen.

Nachfolgend sind einige Beispiele zum Einsatz verschiedener Sozialformen genannt:

Assoziationen zu Höreindrücken erfordert die Einzelarbeit. Im Unterrichtsgespräch werden sie dann zusammengetragen und diskutiert, so dass der Lehrer eine moderierende Funktion hat. Für die Erarbeitung der Reaktionen des Publikums (vgl. zweite Stunde) habe ich ebenfalls eine Einzelarbeit in Kombination mit Bewegung gewählt, da die Schüler den ganzen Tag viel sitzen und in Klasse 11 oft sehr träge sind.

Partnerarbeit dient dem Austausch und der gegenseitigen Inspiration. „Die Methode verbindet Vorzüge der Einzelarbeit mit der Gruppenarbeit. Die Schülerinnen und Schüler arbeiten aktiv und konzentriert an einer Aufgabe und sind zugleich interaktiv und kommunikativ tätig.“[18]

Die Erstellung einer Minimal Music Komposition am Computer entsteht aus praktischen Gründen in Partnerarbeit, da nicht für jeden Schüler ein Computer vorhanden ist. Es hat aber auch den Vorteil, dass die Schüler sich gegenseitig helfen können. Die Gefahr dabei ist, dass ein Schüler am Computer arbeitet und der andere sich langweilt bzw. anderweitig beschäftigt. Wichtig ist bei der Arbeit am Computer, dass der Lehrer ständig als Ansprechpartner bei den Schülern vorbeiläuft.

Eine weitere Aufgabe für die Partnerarbeit war der Versuch zur Aleatorik. Die Schüler können zu zweit die Ergebnisse erwürfeln und auswerten. Es entsteht eine Art Brettspielsituation. Für eine Gruppenarbeit wäre diese Aufgabe nicht geeignet, da der organisatorische Aufwand für die kurze Arbeitsphase von ca. 10 Minuten sich nicht lohnt.

Neben dem Einstudieren des Werkes „Hand und Fuß“ in den vier Gruppen bot sich auch bei der Herstellung der Plakate über die drei Komponisten (vgl. achte Stunde) die Gruppenarbeit an. Bei dieser Wiederholungsphase ist Kommunikation, kooperatives Arbeiten und gegenseitige Hilfe erwünscht.[19]

Bei der Wahl der Sozialform für einen Unterrichtsablauf ist es wichtig, dass ein Wechsel der Sozialformen und Methoden stattfindet. Phasen der Schüleraktivität wechseln mit lehrerzentrierten Formen und Stillarbeitsphasen, die sehr viel Konzentration erfordern.

2 Durchführung der Unterrichtseinheit

2.1 Übersicht über die Stundenverteilung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.2 Die 1.Unterrichtsstunde: Expressionismus

Thematik:

Expressionismus in Kunst, Geschichte und Musik; der Komponist Strawinsky; das „Russische Ballett“, der Opfertanz aus „Le sacre du printemps“ verglichen mit zwei Tanzbildern; Inhalt des „Sacre du printemps“.[20]

Lernziele:

Die Schüler sollen:

- den Begriff des Expressionismus in der Kunst, Geschichte und Musik erklären können.
- wichtige Begebenheiten aus Strawinskys Leben wiedergeben können.
- Bilder des Expressionismus expressionistischer Musik zuordnen und beschreiben können.
- den Inhalt von „Le sacre du printemps“ wiedergeben können.
- aus einer Partitur den Rhythmus der Violine I notieren und nachklopfen können.

Medien:

- Bildfolien: „Die drei Musikanten“ von Pablo Picasso; „Tanz um das goldene Kalb“ von Emil Nolde; „Der Stern (Tänzerin)“ von Edgar Degas; Bilder von Strawinsky.
- Aufnahmen: „Le sacre du printemps“ (City of Birmingham Symphony Orchestra; Simon Rattle); „Italiana“ von Ottorino Respighi (National Orchestra of Ireland; Rio Saccani)
- OHP, Tafel

Unterrichtsverlauf:

I. Einstieg :

- Bildfolie: „Die drei Musikanten“ von Pablo Picasso wird aufgelegt.
- Aufgabe in Partnerarbeit: 1. den Ausdruck der Figuren beschreiben; 2. die Musik beschreiben, die zu dem Bild passen könnte.[21]
- Besprechung: In einem Gespräch über das Bild und die Ergebnisse der Schüler wird eine Definition des Expressionismus erarbeitet und im Heft festgehalten. Die Ergebnisse aus der Bildinterpretation werden auch mit den geschichtlichen Hintergründen zu dieser Zeit verknüpft.

Tafelaufschrieb I:

Expressionismus
Eine wichtige künstlerische Stilepoche des beginnenden 20. Jahrhunderts wird als Expressionismus (lat. expressio = Ausdruck) bezeichnet. Schriftsteller, bildende Künstler, wie zum Beispiel Pablo Picasso und Komponisten haben auf die Technisierung der Umwelt reagiert und in ihren Werken nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten gesucht. Dabei experimentierten sie mit verschiedensten Mitteln.

II. Strawinsky und das Russische Ballett:

- Der Lehrer erzählt den Schülern wichtige Stationen aus Strawinskys Leben und über seine Zusammenarbeit mit dem Russischen Ballett. Drei Bildfolien ergänzen die Erzählung optisch.
- Es werden zwei Bilder auf OHP Folie gezeigt: „Tanz um das goldene Kalb“ von Emil Nolde und „Der Stern (Tänzerin)“ von Edgar Degas. Dazu hören die Schüler zwei Hörbeispiele: „Der Opfertanz“ aus „Le sacre du printemps“ von Strawinsky und „Italiana“ von Respighi.
- Aufgabe: Jedem Bild soll ein Hörbeispiel zugeordnet werden Welches könnte von Strawinsky (Expressionismus) sein?
- Besprechung: Vergleich der Bilder und der Musik[22] und Gespräch darüber, ob das Tanzen auf die gehörten Hörbeispiele möglich ist.
- Tafelaufschrieb II:

Igor Strawinsky (1882-1971) und das „Russische Ballett“

Wegweisend für Strawinskys Karriere war die Zusammenarbeit mit dem Russen Sergej Diaghilew. Unter seiner Leitung entstand die berühmteste Balletttruppe der Zeit: das „Russische Ballett“. Sie brachte einen ganz neuen Tanzstil auf die Bühne: ausdrucksstark, wild, ursprünglich, nach eigenwilligen Rhythmen. Igor Strawinsky komponierte eigens Werke für das „Russische Ballett“. Weltberühmt sind seine Ballette „Der Feuervogel“, „Petruschka“ und das „Das Frühlingsopfer“.

- Der Lehrer trägt den Schüler kurz den Inhalt des Ballettes „Le Sacre du printemps“ vor

[...]


[1] Bildungsplan für das Gymnasium, Baden-Württemberg. 1994, S. 583.

[2] Ebd., S. 583.

[3] Im folgenden Text sind mit „Schüler“ selbstverständlich Schülerinnen und Schüler gemeint.

[4] Bildungsplan für das Gymnasium, Baden-Württemberg. 1994, S. 583.

[5] Hilbert Meyer: Unterrichtmethoden I. Berlin, 1987, S. 14.

[6] Siehe M1.

[7] Siehe M2 und M3.

[8] Siehe M9.

[9] Jank, Werner: Lehren und Lernen lebendig gestalten – Argumente und Anregungen. In: Musikunterricht heute 2, hrsg. v. Bähr, Johannes und Schütz, Volker, Oldershausen 1997, S. 59.

[10] Vgl. Ott, Thomas: Musizieren und Lernen. In: Musikunterricht heute 2, hrsg. v. Bähr, Johannes und Schütz, Volker, Oldershausen 1997, S. 10f.

[11] Siehe M13.

[12] Siehe M14.

[13] Siehe M12.

[14] Siehe M8.

[15] Siehe Arbeitsblatt M18.

[16] Anm.: nach dem Prinzip des „kleinsten gemeinsamen Nenners“.

[17] Kaspar Ewald teilt in seinem Stück Hand und Fuß die Mitwirkenden in vier Gruppen ein: A1: Flossen, A2: Wanderschuhe, B1: Holzschuhe, B2: Stöckelschuhe; siehe M19.

[18] Mattes, Wolfgang: Methoden für den Unterricht. Paderborn 2002, S.30.

[19] Vgl. Mattes, Wolfgang: Methoden für den Unterricht. Paderborn 2002, S. 38.

[20] Siehe M1 – M5.

[21] Siehe M6.

[22] Siehe M7: Lösungen der Schüler.

Ende der Leseprobe aus 66 Seiten

Details

Titel
Strawinsky, Reich, Ewald: Rhythmus in der neuen Musik
Veranstaltung
Fachdidaktik Musik
Note
1
Autor
Jahr
2006
Seiten
66
Katalognummer
V62472
ISBN (eBook)
9783638557054
ISBN (Buch)
9783656434276
Dateigröße
4347 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
komplette Unterrichtseinheit mit Stundenentwürfen, Materialien und Auswertungen.
Schlagworte
Strawinsky, Reich, Ewald, Rhythmus, Musik, Fachdidaktik, Musik
Arbeit zitieren
Viola Fritz (Autor:in), 2006, Strawinsky, Reich, Ewald: Rhythmus in der neuen Musik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/62472

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Strawinsky, Reich, Ewald: Rhythmus in der neuen Musik



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden