"In dieser Stadt glaube ich, mein Werk in die Wüste geschickt zu haben. Ich fliehe alle belebten Orte, um denen nicht zu begegnen, welchen ich es geschickt habe. Wenn dies aber notwendig einmal geschieht, dann grüße ich nur flüchtig. Bei dieser Gelegenheit gibt mir niemand auch nur ein Zeichen, daß er es erhalten hat – und dadurch bestätigen mir alle, daß ich es in die Wüste geschickt habe."
Dies schrieb Giambattista Vico am 25. November 1725 in einem privaten Brief an den Kapuzinerpater Bernardo Mario Giacco und es verdeutlicht recht gut die Situation des italienischen Philosophen nach Veröffentlichung seines Hauptwerkes, der Scienza Nuova. Vico, der heute als Begründer der Geschichtsphilosophie und Gesellschaftswissenschaften gilt, von einigen sogar als Vorreiter späterer Bewegungen wie Pragmatismus, Historismus, Existentialismus oder Strukturalismus gesehen wird, war zu Lebzeiten hingegen nur wenig bekannt, galt als Prophet und spekulativer Dunkelmann, eine Dunkelheit, die ihn selbst zum Mythos machte.
Vico war eine rätselhafte Gestalt, eingehüllt in Mythenbildungen, dessen Wirkung erst Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts einsetzte, der erst etwa einhundert Jahre nach seinem Tod anerkannt und in die italienische Philosophentradition aufgenommen wurde. Vico war Philosoph und Jurist, Dichtung und Recht galt sein besonderes Interesse. Er schrieb über Mythen und Metaphern, Sprache und den Verlauf der Geschichte. Bei Vico findet sich eine ganz besondere Form von Theologie, Geschichtsforschung, Philosophie und Sprachbetrachtung. Viele meinen, Vico wäre seiner Zeit voraus gewesen. Was macht diesen Metaphysiker so besonders, über den Benedetto Croce sagte, bei ihm finde sich „das ganze neunzehnte Jahrhundert in nuce“?
Die Arbeit beleuchtet das Leben und Schaffen Giambattista Vicos, indem es auf seine geistige Entwicklung und insbesondere auf sein Hauptwerk, die Scienza Nuova, mit seiner Sprachphilosophie eingeht, die ja schon zur damaligen Zeit Gedankengänge enthielt, die noch kein Sprachphilosoph vorher verfolgt hatte, um etwas Licht in diese rätselhafte, aber dennoch hochinteressante Persönlichkeit zu bringen.
1 Einleitung
In dieser Stadt glaube ich, mein Werk in die Wüste geschickt zu haben. Ich fliehe alle belebten Orte, um denen nicht zu begegnen, welchen ich es geschickt habe. Wenn dies aber notwendig einmal geschieht, dann grüße ich nur flüchtig. Bei dieser Gelegenheit gibt mir niemand auch nur ein Zeichen, daß er es erhalten hat – und dadurch bestätigen mir alle, daß ich es in die Wüste geschickt habe.[1]
Dies schrieb Giambattista Vico am 25. November 1725 in einem privaten Brief an den Kapuzinerpater Bernardo Mario Giacco und es verdeutlicht recht gut die Situation des italienischen Philosophen nach Veröffentlichung seines Hauptwerkes, der Scienza Nuova. Vico, der heute als Begründer der Geschichtsphilosophie und Gesellschaftswissenschaften gilt, von einigen sogar als Vorreiter späterer Bewegungen wie Pragmatismus, Historismus, Existentialismus oder Strukturalismus gesehen wird, war zu Lebzeiten hingegen nur wenig bekannt, galt als Prophet und spekulativer Dunkelmann, eine Dunkelheit, die ihn selbst zum Mythos machte.
Vico war eine rätselhafte Gestalt, eingehüllt in Mythenbildungen, dessen Wirkung erst Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts einsetzte, der erst etwa einhundert Jahre nach seinem Tod anerkannt und in die italienische Philosophentradition aufgenommen wurde. Vico war Philosoph und Jurist, Dichtung und Recht galt sein besonderes Interesse. Er schrieb über Mythen und Metaphern, Sprache und den Verlauf der Geschichte. Bei Vico findet sich eine ganz besondere Form von Theologie, Geschichtsforschung, Philosophie und Sprachbetrachtung. Viele meinen, Vico wäre seiner Zeit voraus gewesen. Was macht diesen Metaphysiker so besonders, über den Benedetto Croce sagte, bei ihm finde sich „das ganze neunzehnte Jahrhundert in nuce“?[2]
Die Arbeit beleuchtet das Leben und Schaffen Giambattista Vicos, indem es auf seine geistige Entwicklung und insbesondere auf sein Hauptwerk, die Scienza Nuova, mit seiner Sprachphilosophie eingeht, die ja schon zur damaligen Zeit Gedankengänge enthielt, die noch kein Sprachphilosoph vorher verfolgt hatte, um etwas Licht in diese rätselhafte, aber dennoch hochinteressante Persönlichkeit zu bringen.
2 Biographie, Schaffen und geistige Entwicklung
Schon bei der Geburt Vicos fangen die Widersprüche an, welche sich durch die gesamte Interpretation und Rezension seiner Werke fortführen wird. Vico wurde am 23. Juni 1668 in der Via San Biagio di Librai in Neapel geboren. In seiner 1728 veröffentlichen Autobiographie La vita di Giambattista Vico scritta da se medesimo, auf welche sich dieses Kapitel im Wesentlichen stützt, gibt er seine Geburt zwei Jahre später an.
Er wurde in bescheidene Verhältnisse geboren. Sein Vater, Antonio de Vico, kam aus Maddaloni, war Bauernsohn und besaß eine einfache Buchhandlung. Seine Mutter, Candida Masullo, kam aus Neapel. Er war das sechste von acht Kindern. Im Alter von sieben Jahren stürzte er im Buchladen seines Vaters von einer Leiter und er blieb fünf Stunden bewusstlos, ein Unfall, durch den Vico seinen Hang zur Melancholie und Reizbarkeit erklärt. In den folgenden drei Jahren der Rekonvaleszenz betrieb Vico ein ausführliches Selbststudium, was ihm bei seiner Rückkehr 1678 in die Grammatikschule ermöglichte, eine Klasse zu überspringen. Nach einem Schulwechsel betrieb er ein erneutes Selbststudium des grammatischen Lehrbuchs De institutione grammatica des portugiesischen Jesuiten Emmanuel Alvares, auf den er als Lehrer traf und dem er sich zu unterlegen fühlte. Auch führte ihn seine erste ausführliche Lektüre zum Logikhandbuch des Petrus Hispanus und der Logischen Summe des Paulus Venetus, was ihn jedoch erstmals überforderte, weshalb er zunächst ein halbes Jahr von den Studien abließ, dann aber vom Logikstudium zur Metaphysik des Duns Scotus und zur Philosophie Platons überging, was auch mit seinem Eintritt in die Accademia degli Infuriati 1679 zusammenhängt, wo er Duns Scotus persönlich traf, wie auch Franciscus Suárez, dessen Philosophie er später ebenfalls studierte. Auch genoss Vico eine klassisch humanistische Bildung, erlernte das Verfassen lateinischer Prosa und Verse. 1683 eröffnet sich ihm ein weiteres Beschäftigungsfeld: Jurisprudenz an der Königlichen Universität zu Neapel. Nebenbei schrieb er lateinische Poesie für die neapolitanische Aristokratie.
1684, im Alter von 18 Jahren, verteidigte er seinen Vater erfolgreich vor Gericht. Sogar der Anwalt der Gegenseite war so von Vico begeistert,
durch dessen Auseinandersetzung er den Beifall […] erwarb, sowie beim Herausgehen die Umarmungen des Herrn Francesco Antonio Aquilante empfieng, eines alten Sachverwalters bei jenem Gerichtshofe, der sein Gegner gewesen.[3]
Aber es plagten ihn Armut und Krankheit. Folgerichtig brach er sein Studium ab und nahm ein Angebot des Bischofs von Ischia an, dessen Neffen in Vatolla bei Salerno in die Rechtswissenschaften einzuführen. So weilte Vico bis 1693 auf dem Schloss in Cilento. Gleichsam verfügte er über reichlich Zeit für juristische und theologische Forschung und die Lektüre großer Autoren wie Augustinus, Vergil, Horaz, Dante, Boccaccio, Petrarca oder Cicero in der Franziskanerbibliothek des Klosters Santa Maria della Pietà. Hier schulte er seine scharfe Beobachtungsgabe für innere Zusammenhänge und Inhalte zwischen den Zeilen. Auch entwickelte er hier erste Grundzüge seiner Metaphysik, wobei er „vernünftiges Prinzipienwissen mit geschichtlicher Erfahrung verknüpfen“[4] will. Begeistert vom Historiker Tacitus, der die Menschen betrachtet wie sie waren und vom Metaphysiker Platon, der mit seiner idealen Gerechtigkeit den Menschen betrachtet wie er sein soll, begann in Vico
der Gedanke zu erwachen […], ein ewig ideales Recht zu begründen, das da geübt würde in einer universalen Gemeinheit nach der Idee oder dem Plane der Vorsehung, zu Folge welcher Idee sofort alle Staaten aller Zeiten, aller Nationen gegründet sind […].[5]
Vico entwickelt den Plan, eine storia ideale eterna zu begründen, nach der die allgemeine Geschichte aller Zeiten ablaufen soll.
Er war sein einziger Aufenthalt außerhalb Neapels, ja sogar seines Viertels. Auch lernte er in seinem Leben lediglich Latein und Griechisch, was dem Zeitgeist der Aufklärer widersprach, die viel reisten und Texte in vielen Sprachen studierten. Bei seiner Rückkehr 1693 fühlte er sich wie „ein Fremder in seinem Vaterlande.“[6] Er begegnete den Ideen des Kartesianismus, als Metaphysiker wurden seine Ideen nicht gehört. Die Klassiker wie Platon, denen er sich in den letzten Jahren widmete, schienen vergessen, und das, obwohl die Inquisition in Neapel sehr mächtig war. 1691 beispielsweise wurde vier Männern der Prozess gemacht, die behaupteten, die Welt bestünde aus Atomen und es habe noch andere Menschen vor Adam gegeben, was bedeutete, dass die Bibel nur unvollständig Auskunft über die Ursprünge der Menschheit gäbe. Zwei der Männer waren eng mit Vico befreundet, woraus sich schließen lässt, dass auch Vico unorthodoxere Auffassungen gehabt haben könnte, als er dies offen eingestand. Auch Descartes wurde von Vico gelesen, so hatte er bei seiner Rückkehr erfahren, dass dessen Physik „alle früheren Systeme weit hinter sich gelassen habe, so daß in ihm[7] das brennende Verlangen erwuchs, Kenntnis davon zu erlangen.“[8] Später hielt Vico, wie sich noch zeigen wird, wenig von Descartes, bewunderte aber weiterhin seine geometrische Methode. Überhaupt verkehrte er viel in Clubs, Salons und Akademien, wie der Accademia degli Investigatori, so dass er keineswegs so fremd und zurückgezogen, so ein einsamer Denker sein konnte, wie er es selbst von sich behauptete.
1696 erschien seine erste Publikation, eine lateinische Vorrede (Vico hatte seit seiner Rückkehr inzwischen ganz auf das Griechische und Toskanische verzichtet) zu einem Band mit Lobreden an den Grafen von San Stefano, den Vizekönig Neapels, mit dem Vico seinen Ruf als Gelehrten und Autodidakt begründete. 1699 wurde er an den Lehrstuhl für Rhetorik der Königlichen Universität berufen (wenige Monate zuvor scheiterte sein Gesuch als Stadtschreiber). Ein sehr schlecht bezahlter Job, den er aber über vierzig Jahre innehaben sollte, so dass er nebenher Nachhilfeunterricht gab und weiter für die Aristokratie Gedichte verfasste. Im selben Jahr wurde er auch Mitglied der Accademia Palatina, für die er als Historiker einen Essay über den Niedergang des römischen Reiches verfasste. Auch schrieb er in diesem Rahmen über die Fürstenverschwörung in Neapel 1701, nach dem Vorbild von Sallusts De Catilinae coniuratione. Gleichsam war er als Dichter in der Accademia Arcadia. Ebenfalls 1699 heiratete er Katharina Destito, sie hatten acht Kinder, zwei Töchter und sechs Söhne, von denen fünf überlebten. Vico erwähnt, dass seine Frau Analphabetin war, und somit nicht in der Lage, die häuslichen Dinge sorgfältig zu erledigen, und er nicht nur Brot und Kleidung verdienen, sondern sich noch um viele andere Dinge kümmern musste, die seine Familie nötig hatte, womit Vico wohl unterstreichen möchte, dass er viel beschäftigt war.
Als Lehrstuhlinhaber musste er jedes Jahr die Orazione inaugurale halten, eine öffentliche Festvorlesung. Von 1699 bis 1708 nutzt dies Vico auch besonders zu einer Darlegung seiner Philosophie, seiner Ansichten über Zweck und Methodik der Bildung und ihre Rolle in Politik, Religion und Gesellschaft. Besonders hervorgehoben werden muss dabei die siebte, auch verschriftlichte, Rede De nostris temporis studiorum ratione die einen ersten Angriff auf den Kartesianismus und auf Descartes darstellt und der Vorläufer seines 1710 veröffentlichten Liber Metaphysicus ist, sein erstes größeres Werk De antiquissima Italorum sapientia ex linguae latinae originibus eruenda, über die uralte Weisheit der Italer. Es gilt als Grundschrift, und Weiterentwicklung der Rede, denn es enthält das in der Rede angedeutete Axiom verum et factum und das Grundziel, „auf ein Princip alles menschliche und göttliche Wissen zurückzuführen.“[9] Die Schrift[10] rief selbstredend heftige Kritik bei den Kartesianern hervor, die Vico sehr kränkte und der er 1711 und 1712 mit den Risposte entgegnete. Weitere geplante Teile zur Naturphilosophie und zur Ethik hatte Vico nunmehr nie ausgearbeitet.
[...]
[1] Zitiert nach Otto, S.: Giambattista Vico. Stuttgart (1989), S. 9.
[2] Burke, P.: Vico. Frankfurt am Main (1990), S. 7.
[3] Vico, G.: Das Leben des Verfassers von ihm selbst geschrieben. Leipzig (1822), S. 39.
[4] Otto, S. (1989), S. 16.
[5] Vico, G. (1822), AB S. 45f.
[6] Ebd., S. 63.
[7] Gemeint ist Vico.
[8] Autobiographie, zitiert nach Burke, P. (1990), S. 24.
[9] Vico, G. (1822), AB S. 77.
[10] Mehr über De nostris temporis studiorum ratione und das Liber Metaphysicus später in dieser Arbeit.
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