Kubanische Diaspora und US-amerikanische Außenpolitik

Eine Untersuchung zum Einfluss der kubanischen Diasporaverbände auf die Außenpolitik der Vereinigten Staaten von Amerika


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

28 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


I. Einleitung

Wenn in den USA die Rede von einflussreichen Diasporagruppen ist, werden neben jüdischen Gruppierungen sehr schnell auch die kubanischen Diasporaverbände angebracht; allen voran die als besonders aktiv geltende Cuban American National Foundation.

In dieser Arbeit möchte ich mich mit dem Einfluss der kubanischen Diaspora auf die US-Außenpolitik in den USA beschäftigen.

Um dieses Ziel zu verfolgen, sollen im ersten Teil der Arbeit die Zusammenhänge zwischen politischen Entscheidungsprozessen und Interessensgruppen als politisches Konzept in den Internationalen Beziehungen dargestellt werden. Im Anschluss daran soll dann die eigentliche Untersuchung stattfinden, bei der der Frage nach dem Einfluss der kubanischen Diaspora als Interessensgruppe auf die Außenpolitik der USA nachgegangen werden soll.

Im abschließenden Fazit soll dann schließlich beurteilt werden, inwiefern der Einfluss der Diasporaverbände im politischen Entscheidungsprozess eine Rolle spielt und in welchem Maße er das politische Output beeinflusst oder beeinflusst hat.

II. Theoretische Überlegungen

1. Liberale Grundannahmen

Um den Einfluss der kubanischen Diaspora auf den politischen Prozess zu bestimmen, ist ein theoretisches Modell notwendig, das es erlaubt, diesen Prozess auf adäquate Art zu beschreiben und die konstituierenden Elemente, sowie deren Handlungsgrundlagen zu identifizieren.

Die Außenpolitik eines demokratischen Landes - erst recht wenn es pluralistisch organisiert ist wie die USA - stellt in der Regel kein kohärentes Ganzes dar, sondern ist vielmehr Ergebnis von Verhandlungen auf verschiedenen Ebenen: sowohl mit den unterschiedlichsten Interessensgruppen des Heimatlandes, als auch mit den verschiedenen Regierungen im internationalen Bereich.

Einen plausiblen Ansatz zur Untersuchung bestimmter Aspekte der Außenpolitik der USA bietet die liberale Theorie der Internationalen Beziehungen. Einer der wichtigen gegenwärtigen Vertreter ist hierbei Andrew Moravcsik, der in seinem Text Taking Preferences Seriously: A Liberal Theory of International Politics (Moravcsik 1997) ein brauchbares Muster für die Erklärung außenpolitischer Handlungen entwickelt.

Moravcsik geht davon aus, dass die Präferenzen und das Verhalten von Staaten auf internationaler Ebene im Wesentlichen durch die innerstaatlichen Strukturen geprägt werden. Endogene Faktoren wie wirtschaftliche Interessen unterschiedlicher gesellschaftlicher Akteure, die Struktur des politischen Systems und ideelle Werte, die durch gesellschaftliche Sozialisationsprozesse entstehen, sind bei diesem Ansatz von zentraler Bedeutung. Diese drei Kategorien unterscheidet Moravcsik als kommerziellen, ideellen und republikanischen Liberalismus.

2. Einfluss auf das politische System

Auf diese innerstaatlichen Prozesse soll in dieser Arbeit der Fokus gelenkt werden, um herauszufinden wie staatliche Präferenzen und Handlungsgrundlagen zusammengesetzt sind, wie sie sich entwickeln und wie sie entstanden sind.

Um die Prozesse der staatlichen Präferenzbildung innerhalb des politischen Systems sichtbar zu machen, bietet sich die politikwissenschaftliche Variante der Systemtheorie an (vgl. dazu Lehner/Widmaier 2002: 37ff). Der Systemtheorie nach funktioniert das politische System durch eine Kombination von Inputs und Outputs, die durch intermediäre Akteure wie Interessengruppen, Medien oder Verbände an das politische System herangetragen werden. Dabei können diese Inputs sowohl in Form von Forderungen als auch von Unterstützungen gestaltet sein. Diasporagruppen können in dieses Schema eingeordnet werden, indem sie als Interessensgruppen betrachtet werden, die ihre Forderungen an das politische System des Gastlandes in Form von Forderungen herantragen und durch politische Einflussnahme in Wahlen entweder belohnen oder bestrafen können. Zwar weist die Systemtheorie durch ihre funktionalistischen Grundannahmen und ihren hohen Abstraktionsgrad Schwierigkeiten und Probleme auf (vgl. Lehner/Widmaier 2002: 42), um jedoch schematisch die Beziehungen und Einflusspotentiale zwischen Gesellschaft und Staat aufzuzeigen, erfüllt sie jedoch in diesem Zusammenhang ihren Zweck.

3. Werte und Wandel in der Außenpolitik

Das Output eines politischen Systems wird jedoch nicht nur durch Inputs beeinflusst, sondern auch durch Entscheidungsprozesse innerhalb des Systems. Diese 'Eigendynamik' des politischen Systems, die Ergebnis komplexer und nicht eindeutig bestimmbarer Prozesse ist, lässt sich zum Teil dadurch erklären, dass politische Akteure jeweils auch in sozialen Strukturen eingebettet sind und sich diesen entsprechend verhalten. Das bedeutet, dass Politiker nicht in jedem Fall den Forderungen der für sie relevanten Interessengruppen folgen, sondern unter Umständen auch Entscheidungen treffen, die auf Wertvorstellungen und verinnerlichten Normen basieren. Diese Einstellungen könnten im liberalen Paradigma ansatzweise durch den ideellen Liberalismus (Moravcsik 1997: 525)erklärt werden.

Problematisch ist hierbei allerdings, dass der Liberalismus davon ausgeht, soziale Präferenzen der Akteure seien apriori gegeben. Diese Annahme berhindert die Erklärung von Wandel der Identitäten und sozialen Präferenzen, die dem Konstruktivismus zugrunde liegt. Deshalb macht es mehr Sinn, für die Frage nach der 'Eigendynamik' innerhalb des politischen Systems, Überlegungen des Konstruktivismus mit einzubringen, die die „Handlungslogik der Angemessenheit“ (vgl. Risse 2003) mit in Betrachtung ziehen und zusätzlich durch die gegenseitige Konstituierung von Akteur und Struktur auch Wandel erklärbar machen.Basierend auf diesen Annahmen soll demnach das Handeln der US-Regierung in dieser Arbeit u. a. auch dadurch erklärt werden, dass die Regierung als normgeleiteter Akteur betrachtet wird, der nicht ausschließlich aufgrund der Präferenzen der ihm zugrundeliegenden gesellschaftlichen Gruppen handelt. Vielmehr spielen gesellschaftlich geteilte Werte und Normen, die sich beispielsweise in Meinungsumfragen messen lassen, ebenfalls eine bedeutende Rolle was die Gestaltung der Außenpolitik angeht.

4. Diasporagruppen in der Außenpolitik

An dieser Stelle sollen Diasporagruppen als Forschungsgegenstand genauer betrachtet und in die bisherigen theoretischen Überlegungen eingebettet werden. Dazu wird als erstes definiert, was eine Diasporagruppe ist, um dann im Anschluss daran die Funktion und Position der Diasporagruppen innerhalb des politischen Systems deutlich zu machen.

Eine allgemeine und für diese Arbeit brauchbare Definition von Diasporagruppen liefert Sheffer (2003: 9f):

„[A]n ethno-national diaspora is a social-political formation, created as a result of either voluntary or forced migration, whose members regard themselves as of the same ethno-national origin and who permanently reside as minorities in one or several host countries. Members of such entities maintain regular or occasional contacts with what they regard as their homeland and with individuals and groups of the same background residing in other host countries. Based on aggregate decisions to settle permanently in host countries, but to maintain a common identity, diasporans identify as such, showing solidarity with their group and their entire nation, and the organize and are active in the cultural, social, economic, and political spheres. Among their various activities, members of such diasporas establish trans-state networks that reflect complex relationships among the diasporas, their host countries, their homelands, and international actors.”

Anlehnend an die bisherigen theoretischen Ausführungen der Systemtheorie können die Diasporaverbände als intermediäre Akteure betrachtet werden, die Inputs in Form von Forderungen und Belohnungen an das politische System herantragen und dieses somit beeinflussen.

Für die Untersuchung der kubanischen Diaspora mit Hinblick auf die Außenpolitik der USA ist es außerdem von Bedeutung, Diasporaverbände nicht nur als innenpolitische Akteure, die sich beispielsweise für eine Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse ihrer Mitglieder einsetzen zu sehen, sondern auch als Akteure, die nicht nur auf nationaler Ebene agieren, sondern mit ihren Aktionen mindestens zwei Länder umfassen. Yossi Shain und Aharon Barth (2003: 457f verstehen Diasporagruppen als transnationale Akteure, die sich durch die oben angeführten Theorien des Liberalismus und Konstruktivismus in die Internationalen Beziehungen plausibel eingliedern lassen:

„Diasporas, as [...] transnational actors, thus enjoy a priviledged status of exerting influence as an interest group in both the homeland and the hostland, often affecting the homeland because of influence in the hostland [...]“ (Shain/Barth 2003: 461)

Für den zu untersuchenden Fall der kubanischen Diaspora in den USA bietet die Betrachtung der Exilkubaner als transnationale Akteure den Vorteil, dass sie nicht nur als innenpolitische Akteure innerhalb der USA angesehen werden, sondern dass auch dem Umstand gerecht wird, dass die Außenpolitik der USA ohne Vorhandensein der starken kubanischen Interessensverbände höchstwahrscheinlich anderen Linien folgen würde.

III. Einfluss der kubanischen Diaspora auf die US-Außenpolitik

Wie der Titel und die bisherigen Ausführungen bereits angedeutet haben, soll mit dieser Arbeit der politische Einfluss der kubanischen Diaspora in den USA untersucht und eingeschätzt werden. Um dieses Ziel zu verfolgen, werde ich in den folgenden Abschnitten relevante Aspekte des politischen Engagements der wichtigsten kubanischen Diasporaorganisation 'Cuban American National Foundation (CANF)' darstellen und diese dem 'politischem Output' – also den verabschiedeten Gesetzen und Abkommen - entgegensetzen.

Die Untersuchung des Einflusses von Interessensgruppen, also den intermediären Akteuren in der Systemtheorie, ist insofern problematisch, als das Lobbyarbeit neben öffentlichen Kanälen wie Publikationen, Veranstaltungen, Stellungnahmen und Spenden auch informelle Kanäle umfasst, die sich verständlicherweise nicht oder nur unter großem Aufwand rekonstruieren lassen. Außerdem besteht auch das Problem, dass nicht alle relevanten Quellen verfügbar sind.

1. Cuban American National Foundation

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Jorge Mas Canosa. Quelle: canf.org

Wie bereits angesprochen soll für die Darstellung vor allem die kubanische Exilorganisation 'Cuban American National Foundation' herangezogen werden. Dieser Verband kann als die einflussreichste kubanische Exilorganisation angesehen werden, da beispielsweise sieben von zehn kubanischen Haushalten in den USA bereits für die CANF gespendet haben. Außerdem hat eine Fernsehumfrage des spanischsprachigen Senders Univision herausgefunden hat, dass die CANF von den meisten Cuban Americans als 'effektiv' und 'vertrauenswürdig' eingeschätzt wird (für beides vgl. García 2003: 153). Die CANF wurde 1981 von Jorge Mas Canosa gegründet, der bis zu seinem Tod 1997 die Organisation auch geleitet hat. Canosa war ein konservativer Hardliner, der vom Economist (1997) in Anspielung an Fidel Castros Pseudonym als „the other Maximum Leader“ und „Castro's Nemesis“bezeichnet wurde und von den Journalisten bereits als zukünftiger Präsident des postsozialistischen Kubas gehandelt wurde. Fest steht, dass die Person Canosas die Arbeit der CANF wie kein zweiter geprägt hat und er beste politische Kontakte auf allen Ebenen aufweisen konnte.

John A. García (2003: 153) beschreibt die allgemeine Tätigkeiten der CANF wie folgt:

„CANF actively promotes the self-determination of the Cuban people and the dismantling of Castro's communist regime. It is against a centralized, government-controlled economy and a one-party state. [...] CANF has lobbied in Washington, D.C., for political refugee asylum for Cubans, trade embargos and isolation of Castro's Cuba, aid for refugees, and media broadcasts (radio and television) as part of Radio Free Marti.“

Im Gegensatz zu anderen Latino-Diasporaverbänden, wie beispielsweise den mexikanischen und puertorikanischen, die sich für eine Verbesserung der sozioökonomischen Stellung ihrer Mitglieder stark machen, liegt also das Augenmerk der kubanischen Diaspora klar auf Forderungen, die US-Außenpolitik auf eine Veränderung im Homeland Kuba hin auszurichten. Somit üben die kubanischen Diasporaverbände als transnationale Akteure ihren Einfluss im Hostcountry, den USA, aus um eine Veränderung im Homeland, also Kuba, zu erreichen. Konkret kann davon ausgegangen werden, dass das übergeordnete Ziel der Sturz des sozialistischen Regimes Fidel Castros darstellt.

[...]

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Kubanische Diaspora und US-amerikanische Außenpolitik
Untertitel
Eine Untersuchung zum Einfluss der kubanischen Diasporaverbände auf die Außenpolitik der Vereinigten Staaten von Amerika
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum  (Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Verbände, Parteien und Wahlen: Diaspora-Politik
Note
1,7
Autor
Jahr
2006
Seiten
28
Katalognummer
V62746
ISBN (eBook)
9783638559393
ISBN (Buch)
9783638668897
Dateigröße
759 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kubanische, Diaspora, US-amerikanische, Außenpolitik, Verbände, Parteien, Wahlen, Diaspora-Politik
Arbeit zitieren
Fritz Gnad (Autor:in), 2006, Kubanische Diaspora und US-amerikanische Außenpolitik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/62746

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