Die rechtlichen Grundlagen der Sowjetunion


Essay, 2006

15 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Hauptteil
2.1. Unionsrepubliken
2.2. Gewaltenteilung
2.3. Grundrechte

3. Fazit

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1. Einleitung

Jede moderne Republik der Welt hat eine Verfassung. Sie stellt grundsätzlich die in einer Urkunde niedergelegte Grundordnung eines politischen Gemeinwesens dar. Diese Grundordnung gilt vor und über allem anderen staatlich geschaffenem Recht, legt die Grundstruktur und die politische Organisation des Staates fest, regelt das Verhältnis und die Kompetenzen der Staatsgewalten untereinander und enthält die Freiheits- und Grundrechte der Bürger.[1]

„Eine Gesellschaft, in der die Verbürgung der Rechte nicht gesichert und die Gewaltenteilung nicht festgelegt ist, hat keine Verfassung“, besagt Art. 16 der Menschen- und Bürgerrechtserklärung durch die Nationalversammlung während der Französischen Revolution vom 1789, die bis zu heutigen Tagen in der französischen Verfassung verankert ist. Daher sind es nach dem französischen Modell zwei Kriterien, Gewaltenteilung und Menschenrechte, die Grundlage für die Entstehung der Verfassung bilden. So stellt sich die Frage, ob die Bürger der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) eine Verfassung in diesem Sinne gehabt hatten?

Der vorliegende Essay untersucht diese Fragestellung und beschreibt die rechtlichen Grundlagen der UdSSR, Gewaltenteilung und Grundrechte in der Stalin-Verfassung, sowie einzelne Artikel, die de facto keine Aussagekraft besitzen oder der Verfassung in ihrer Funktionsweise beeinträchtigen.

Die Entwicklung des Verfassungsrechts der Sowjetunion war durch vier Phasen gekennzeichnet: durch die erste Verfassung Russlands vom 10.7.1918; durch die erste Verfassung der neugegründeten Union vom 31.01.1924; durch die zweite Bundesverfassung, so genannte „Stalin-Verfassung“ vom 05.12.1936 und die letzte Verfassung vom 7.10.1977.

Die erste Verfassung der RSFSR entstand in der offenen Kampfzeit des Kriegskommunsimus.

Wenige Jahre später, nach der Gründung der Sowjetunion[2], wurde die erste Sowjetverfassung geschaffen, die in der Zeit der Neuen Ökonomischen Politik (NEP) entstand und im Wesentlichen eine auf bundesstaatliche Ebene übertragene Kopie der Verfassung von 1918 darstellte.

Die beiden Verfassungen lassen die Steuerung des Staates durch die Partei nicht erkennbar werden - die Partei wird in ihren Texten nicht einmal erwähnt - und dementsprechend enthalten sie die Sicherung des herrschenden Systems durch die Ausgestaltung der die staatliche Willensbildung behandelnden Vorschriften.[3]

In den dreißiger Jahren wurde unter Auftrag Stalins die zweite Sowjetverfassung geschrieben. Die Notwendigkeit der Umgestaltung des Verfassungsrechts wurde von Stalin in der Hauptsache mit ökonomischen und soziologischen Motiven begründet. In der Stalin-Verfassung wurden zum ersten Mal die Stellung der Partei (Art. 126, 141) erwähnt und die Zahl der Unionsrepubliken durch die Aufnahme der neuen Staaten geändert.[4] Außerdem waren die revolutionären Zielssetzungen der ersten Verfassung in der zweiten nicht mehr spürbar: „Die Diktatur des Proletariats“ (Art. 2) herrschte in einem „Staat von Bauern und Arbeitern“ (Art.1).

Weil die Stalin-Verfassung fast 41 Jahre in Kraft war und damit die größte Zeit der Existierung der Sowjetunion in Anspruch nahm, basiert der vorliegende Essay auf dieser Verfassung und beschreibt die rechtlichen Grundlagen der Sowjetunion nach deren Grundprinzipien.

Die dritte und damit die letzte Sowjetverfassung, die so genannte Brežnev-Verfassung, die als Teil der Entstalinisierung im Jahre 1977 entstand, trug keine Handschrift des Sowjetführers und wies im Vergleich zu anderen die Verstärkung der Rechtsmöglichkeiten des Bürgers gegenüber der Verwaltung auf.[5]

2. Hauptteil

„Die höchste kommunistische Phase der Gesellschaftsentwicklung hat der sowjetische Staat der Gegenwart noch nicht erreicht“,[6] - schrieb Stalin im 1936. Daher bezeichnete auch Art. 1 der Sowjetverfassung die UdSSR nicht als kommunistischen, sondern sozialistischen Staat. Das sozialistische System wurde im Gesetzessinne durch die Verstaatlichung (Art. 6), Vergesellschaftung der wesentlichen Produktionsmittel (Art. 7) und durch die staatliche Planung von Produktion und Verbrauch (Art. 11) verwirklicht.

Die Sowjetunion war ein Unionsstaat (Art. 13), in dem de jure die Macht der Sowjets der Deputierten der Werktätigen gehörte (Art. 3); in Wirklichkeit stellte sie aber einen zentralistisch regierten und von Russland dominierenden Staat dar. Die tatsächliche Macht lag stets bei der Führung der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, (KPdSU) die das Land besonders unter Stalin totalitär, später eher diktatorisch regierte.[7]

2.1. Unionsrepubliken

Wie es in Art. 13 steht, wurde die UdSSR auf der Grundlage des freiwilligen Zusammenschlusses gleichberechtigter Republiken gebildet. Die Mitglieder, so genannte Unionsrepubliken, waren gemäß Art. 15 beschränkt souveräne Staaten. Bis zu ihrem Zusammenschluss seien die Unionsrepubliken vollsouveräne Staaten gewesen. Der Zusammenschluss sei freiwillig und auf der Grundlage der Gleichberechtigung erfolgt. Daher haben die Unionsrepubliken nur auf den Teil ihrer Vollsouveränität verzichtet.[8]

Ungeachtet dessen, dass diese sowjetische Lehre keinen einheitlichen Souveränitätsbegriff kannte, ergaben sich die einzelnen Merkmale der Souveränität daraus, dass die Unionsrepubliken ein eigenes Staatsgebiet (Art. 8), eine eigene Staatsangehörigkeit für ihre Einwohner (Art. 21) und eine eigene Staatsgewalt hatten (Art 57 ff.). Staatsgebiet, Staatsvolk und Staatsgewalt, seien daher gegeben.[9]

Die Theorie der Unabhängigkeit der Unionsrepubliken wurde auch dadurch gestärkt, dass Art. 17 das Sezessionsrecht der Unionsrepubliken garantierte. Das freie Austrittsrecht aus dem Staatsverband der UdSSR galt nach der sowjetischen Doktrin als die wichtigste Ausprägung der Souveränität der Unionsrepubliken, d.h. die Unionsrepubliken waren in der Lage „die unbeschränkte Souveränität“ nach dem Austritt wiederzugewinnen.

[...]


[1] Vgl. http://www.bpb.de/

[2] Die UdSSR wurde am 30.12.1922 gegründet und existierte bis 08.12.1991

[3] Vgl. Maurach, R., Handbuch der Sowjetverfassung, S.32

[4] Die ersten Unionsrepubliken der UdSSR (1922) waren: Russland, Ukraine, Weißrussland und Transkaukasische Föderation (Aserbaidschan, Armenien und Georgien). 1925 kamen dazu noch Usbekistan und Turkmenistan, 1929 – Tajikistan. Im 1936 wurde die Transkaukasische Föderation und Kasack-Kirgisische ASSR aufgelöst und Aserbaidschan, Armenien, Georgien und Kasachstan gingen als unabhängige Staaten in die UdSSR ein. 1940 wurden Moldauische, Lettische, Litauische und Estische SSR hinzugefügt. 1940-56 bestand Karelo-Finnische SSR.

[5] Vgl. Luchterhand, O., Die Verfassung der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, 7.10.1977

[6] Vgl. Stalin, Bericht zum Entwurf der neuen Verfassung, Moskau 1951

[7] Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Sowjetunion

[8] Vgl. Maurach, R., Handbuch der Sowjetverfassung, S. 101

[9] Der Staat als Subjekt des internationalen Rechts sollte folgende Eigenschaften besitzen: (a) eine ständige Bevölkerung; (b) ein definiertes Staatsgebiet; (c) eine Regierung. – Konvention von Montevideo, 26.12.1933

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Die rechtlichen Grundlagen der Sowjetunion
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Ergänzungsstudiengang 'Mittelasien/Kaukasien')
Veranstaltung
Seminar 53657: Mittelasien und Kaukasien in sowjetischer Zeit
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
15
Katalognummer
V62798
ISBN (eBook)
9783638559850
ISBN (Buch)
9783656782520
Dateigröße
1369 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Obwohl diese Arbeit als Essay genannt wird, gleicht sie mehr einer Haus- oder Seminararbeit.
Schlagworte
Grundlagen, Sowjetunion, Seminar, Mittelasien, Kaukasien, Zeit
Arbeit zitieren
Nino Tchirakadze (Autor:in), 2006, Die rechtlichen Grundlagen der Sowjetunion, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/62798

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